Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 26.05.2005, Az.: VgK 20/2005
Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags bei verspäteter Rüge der vermeintlichen Verstöße; Voraussetzung für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB); Festlegung der Rügefrist bei einem Bieterunternehmen; Entstehung der Rügepflicht im Vergabeverfahren
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 26.05.2005
- Aktenzeichen
- VgK 20/2005
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 26030
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 107 Abs. 3 S. 1 GWB
- § 112 Abs. 1 S. 3 GWB
Verfahrensgegenstand
Lieferung von Hard- und Software für Minicomputer
In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer
durch
die Vorsitzende ORR'in Dr. Raab,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ökonom Brinkmann
ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.761 EUR festgesetzt.
- 4.
Die Antragstellerin hat der Auftraggeberin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Auftraggeberin notwendig.
Gründe
I.
Die Auftraggeberin hat mit Datum vom 03.03.2005 die Lieferung und den Einbau von 236 Bordrechnern mit integriertem Fahrscheindrucker in Omnibusse europaweit im Verhandlungsverfahren ausgeschrieben. Eine Aufteilung der zu vergebenden Leistungen in Lose war nicht vorgesehen. Die Bieter wurden darauf hingewiesen, dass Nebenangebote / Alternativangebote berücksichtigt werden sollten.
Hinsichtlich der Bedingungen für die Teilnahme am Wettbewerb sollten die Bieter zur Beurteilung der wirtschaftlichen und technischen Leistungsfähigkeit verschiedene Angaben, Referenzen, Erklärungen und Bescheinigungen vorlegen.
Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot hinsichtlich der in den Verdingungsunterlagen genannten Kriterien erteilt werden. Dort sind als Kriterien genannt:
Übereinstimmung mit den Hardwareanforderungen, Gewichtung = 50%; Preis, Gewichtung = 35%; Integration am Fahrerarbeitsplatz, Gewichtung = 10% und Referenzen, Gewichtung = 5%.
Ferner war der Bekanntmachung zu entnehmen, dass die Anträge auf Teilnahme am Wettbewerb bis zum 22.03.2005 gestellt werden konnten. Die Versendung der Unterlagen sollte voraussichtlich am 24.03.2005 erfolgen.
Nach Versendung der Angebotsunterlagen an die Bieter hatten andere Mitbewerber Fragen zur ausgeschriebenen Leistung, sodass sich das von der Auftraggeberin beauftragte Büro veranlasst sah, diese insgesamt 51 Fragen mit zwei Bieterrundschreiben vom 11.04.2005 und 14.04.2005 zu beantworten. Die Antragstellerin hatte zu dieser Zeit keine Fragen hinsichtlich der ausgeschriebenen Leistung gestellt.
Mit Fax vom 21.04.2005 rügte die Antragstellerin, dass das Leistungsverzeichnis gegen die in § 97 GWB aufgeführten allgemeinen Grundsätze des Vergabeverfahrens verstoße. Es sei nicht kalkulierbar und verstoße auch gegen die in § 8 VOL/A genannten Anforderungen an die Leistungsbeschreibung. Die Antragstellerin wies die Auftraggeberin auch darauf hin, dass es sich bei den zu liefernden Bordrechnern um ein System handele, welches nur beschränkt standardisiert sei. Sie bat die Auftraggeberin, den Abgabetermin zu verschieben, die Leistungsbeschreibung zu überarbeiten und so auszuführen, dass diese der VOL entspräche.
Noch am selben Tage teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin mit, dass sie aus betrieblichen Gründen die Software der Firma IVU einsetze. Um dennoch einen Wettbewerb zu erreichen, erfolge die Trennung von Soft- und Hardware.
Bei der Verdingungsverhandlung am darauf folgenden Tag, dem 22.04.2005, ergab sich, dass drei Bieter ein Angebot eingereicht hatten. Ein Bieter hatte noch ein Nebenangebot vorgelegt.
Ebenfalls am 22.04.2005 stellte die Antragstellerin bei der Vergabekammer einen Nachprüfungsantrag, der dort am selben Tage eingegangen ist. Zur Begründung wiederholt sie ihre Ausführungen aus dem Rügeschreiben an die Auftraggeberin.
Nach Durchführung der Akteneinsicht und dem Erhalt des verfahrensbegleitenden Schreibens der Vergabekammer vom 19.05.2005 vertritt die Antragstellerin weiterhin die Auffassung, dass ihr Nachprüfungsantrag zulässig sei. Sie weist darauf hin, dass sie die Antworten der Auftraggeberin erst am Abend des 18.04.2005 erhalten habe, da es sich bei der von ihr im Bewerbungsschreiben angegeben E-Mail-Adresse um eine Sammeladresse handelt, auf die der Unterzeichner keinen direkten Zugriff habe.
Ferner führt die Antragstellerin aus, dass sie sich unmittelbar, nachdem der Unterzeichner persönlich die Bieterrundschreiben erhalten habe, gemeldet hat. Es gab aus ihrer Sicht bis zur Kenntnisnahme am 18.04.2005 keine Veranlassung zu rügen, da lt. den Bewerbungsbedingungen Nebenangebote, die in technischer Hinsicht von der Leistungsbeschreibung abweichen, auch ohne Abgabe eines Hauptangebotes zulässig seien. Erst mit Kenntnisnahme der Beantwortung der ersten beiden Fragen sei ihr bewusst geworden, wie der Punkt 9 tatsächlich zu verstehen war.
Im Übrigen sehe die Vergabeverordnung keine präventive Rüge vor. Aus diesem Grund reiche auch nicht die Vermutung einer Rechtsverletzung für eine Rüge aus.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
die Beschwerde unverzüglich der Vergabestelle zuzustellen,
- 2.
das Vergabeverfahren mit sofortiger Wirkung zu unterbrechen,
- 3.
der Vergabestelle aufzuerlegen, die Vergabeunterlagen zurückzuziehen und die Vergabeunterlagen so zu überarbeiten, dass diese vergaberechtskonform sind, insbesondere:
- 4.
die Vergabebedingungen transparent und diskriminierungsfrei zu erstellen,
- 5.
das Leistungsverzeichnis so zu gestalten, dass es VOL-konform ist,
- 6.
Akteneinsicht,
- 7.
die Kosten des Verfahrens der Vergabestelle aufzuerlegen.
Die Auftraggeberin beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Die Auftraggeberin tritt den Behauptungen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen.
Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, da die Antragstellerin die behaupteten Verstöße gegen das Vergaberecht nicht "unverzüglich" gerügt habe. Die Antragstellerin habe selbst in ihrem Rügeschreiben vom 21.04.2005 angegeben, dass sie bis zum "gestrigen Tage" nach Möglichkeiten gesucht habe, ein ausschreibungskonformes Angebot zu erarbeiten. Dies zeige, dass sie die vermeintlichen Verstöße bereits seit einem geraumen Zeitraum vor der schriftlichen Rüge erkannt hat. Auffallend sei dabei, dass die Antragstellerin ihre Rüge erst einen Tag vor Ablauf der Angebotsfrist erhoben habe.
Die Auftraggeberin weist darauf hin, dass sich die Ausschreibung auf ein technisch kompliziertes Gebiet beziehe. Sie erläutert den Einsatz der IVU-Fahrzeugkomponenten, die Beschreibung der zu liefernden Hardware und die Spezifikation der Software-Funktionalität. Im Einzelnen führt sie aus:
Sie verfüge bereits über das Produkt BON der IVU, das eng und komplex mit diversen verschiedenen weiteren Softwaresystemen innerhalb der Leitstelle verknüpft sei. Um eine Kosten sparende Modernisierung ihres Systems durchzuführen, habe sie die Softwarestrategie festgelegt. Sie habe daher das (legitime) Ziel verfolgt, eine einheitliche Software einzusetzen; dies sei jedoch mit Einsatz der Fahrzeugsoftware der Antragstellerin auf der Basis ihrer Softwarestrategie nicht vertretbar. Um dennoch beim Erwerb der Hardware Wettbewerb herzustellen, habe sie wichtige Entwicklungen auf dem Hardwaremarkt genutzt, da die Plattformen, auf denen Softwaresysteme aufgesetzt werden, einer Standardisierung unterliegen.
Ferner weist sie darauf hin, dass große Teile der geforderten Hardwarebestandteile am Markt verfügbare Standardkomponenten seien. Sie würden in Geräten mit sog. embedded-Betriebssystem verbaut. Auch fordere sie - die Auftraggeberin - Funktionen, die durch die IVU im Standardsystem nicht erbracht werden können, sondern auch von der IVU speziell hergestellt werden müssen. Insoweit liege auch keine Begünstigung der IVU vor.
Hinsichtlich der Spezifikation der Softwarefunktionalität führt die Auftraggeberin aus, dass Microsoft Windows in der Version CE Programmierern eine Hardware-unabhängige Programmierschnittstelle zur Verfügung stelle, die aus der Software angesprochen werde. Zur jeweiligen Hardware gehöre ein Treiber, der die Umsetzung der Funktionen auf die abstrakte Schnittstelle durchführe. Soweit die Antragstellerin eine exakte Spezifikation der IVU-Software und darauf angepasste Hardware fordere, führe dies weg von der erforderlichen Standardisierung mit Hilfe der Hardwareabstraktion.
Aus ihren Erläuterungen ergebe sich, dass weder das Leistungsverzeichnis unkalkulierbar sei noch gegen das Transparenzgebot sowie gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen werde. Es liege auch kein Verstoß des Leistungsverzeichnisses gegen § 8 VOL/A vor.
Abschließend weist die Auftraggeberin darauf hin, dass sie alle von den Bietern im Rahmen der Ausschreibung gestellten Fragen kurzfristig und umfänglich beantwortet habe. Die Antragstellerin habe jedoch im Gegensatz zu den anderen Bietern keine einzige Frage gestellt. Die jetzt von ihr aufgeworfenen Fragen, die ihrer Meinung nach auf eine VOL-widrige Ausschreibung schließen lassen, hätte die Antragstellerin während des Ausschreibungsverfahrens stellen können.
Wegen des übrigen Sachverhalt wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Nachprüfung des Vergabeverfahrens ist unzulässig.
Die Vergabekammer Lüneburg ist zwar zuständig. Es handelt sich bei der Auftraggeberin, die als juristische Person des privaten Rechts auf dem Gebiet des Verkehrs auf der Grundlage von besonderen und ausschließlichen Rechten tätig ist, um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 4 GWB. Von dem Angebot des preisgünstigsten Bieters mit einer Angebotssumme von 895.857,09 EUR ausgehend ist der gem. §§ 100 Abs. 1, 127 GWB in einer Rechtsverordnung festgelegte maßgebliche Schwellenwert für einen Dienstleistungsauftrag von 200.000 EUR deutlichüberschritten, so dass die angerufene Vergabekammer zuständig ist.
Der Nachprüfungsantrag ist aber unzulässig, weil die Antragstellerin von ihr im Vergabeverfahren erkannte vermeintliche Verstöße nicht unverzüglich gerügt hat. Die von der Antragstellerin am 21.04.2005 - einen Tag vor der Submission am 22.04.2005 - erhobene Rüge, dass die Ausschreibung die allgemeinen Grundsätze des Vergabeverfahrens nicht einhalte, das Leistungsverzeichnis nicht kalkulierbar sei und gegen die in § 8 VOL/A genannten Anforderungen an die Leistungsbeschreibung verstoße, speziell die vorgesehene einheitliche Software von IVU den Markt stark einschränke, ist verspätet und damit gem. § 107 Abs. 3 S. 1 GWB präkludiert.
Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2002, Az.: Verg 9/00). Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen ein bis drei Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1 Verg. 4/03; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff.), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.
Die Antragstellerin hat nach eigenen Angaben erst am 20.04.2005 telefonisch gegenüber der Auftraggeberin reagiert. Sie hat sich mit ihren Fragen am 21.04.2005 erstmals in Form einer Rüge an die Auftraggeberin gewandt, um ihre Bedenken hinsichtlich der Leistungsbeschreibung mitzuteilen. Dies ergibt sich sowohl aus ihren eigenen Angaben als auch aus der Vergabeakte der Auftraggeberin.
Bereits am 06.04.2005 gingen die ersten von zahlreichen Fragen der Mitbewerber zur Leistungsbeschreibung ein, die die Auftraggeberin mit einem ersten per E-Mail am 11.04.2005 an alle Bieter versandten Bieterrundschreiben beantwortete. Da aus Sicht anderer Mitbewerber noch weitere Punkte klärungsbedürfig waren, stellte das von der Auftraggeberin beauftragte Büro einen zweiten Katalog mit den bisher aufgetretenen Fragen und Antworten zusammen und versandte diese Liste am 14.05.2005 ebenfalls per E-Mail an alle Bieter. Die Antragstellerin vermittelte im Gegensatz zu anderen Bietern den Eindruck, dass aus ihrer Sicht keine Punkte klärungsbedürftig oder zu beanstanden seien.
Soweit die Antragstellerin nach dem verfahrensbegleitenden Schreiben der Vergabekammer nun behauptet, dass die per E-Mail versandten Bieterrundschreiben vom 11.04.2005 und 14.04.2005 erst am 18.04.2005 dem zuständigen Bearbeiter vorlagen, ist festzustellen, dass die verzögerte interne Weiterleitung der Informationen in der Sphäre der Antragstellerin liegt und der Auftraggeberin nicht anzulasten ist. Es gehört zu den Obliegenheiten der Antragstellerin, als Bieterin dafür Sorge zu tragen, dass dem zuständigen Bearbeiter des Leistungsverzeichnisses umgehend alle erforderlichen Informationen, die sie von der Auftraggeberin erhält, zur Verfügung stehen.
Im Übrigen ist hier letztlich nicht maßgeblich, wann die Antragstellerin die Bieterrundschreiben mit den beantworteten Fragen der anderen Bieter erhalten hat, sondern wann sie selbst vermutete Verstöße gegen das Vergaberecht geltend gemacht hat. Dem Rügeschreiben ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin offenbar schon früher Fragen zu der ausgeschriebenen Leistung hatte, da sie selbst in dem Rügeschreiben vom 21.04.2005 erklärte, dass sie bis zum "gestrigen Tage" (20.04.2005 = zwei Tage vor der Verdingungsverhandlung) nach Möglichkeiten gesucht habe, ein ausschreibungskonformes Angebot zu erarbeiten. Aus diesen Angaben ergibt sich, dass die Antragstellerin die von ihr geltend gemachten Verstöße gegen das Vergaberecht im streitbefangenen Vergabeverfahren nicht unverzüglich gegenüber der Auftraggeberin gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gerügt hat, sondern zunächst abgewartet hat. Gerade dieses Abwarten widerspricht den Anforderungen des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB an die Unverzüglichkeit der Rüge. Für das Erkennen i.S.d. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist nicht auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem Bieter klar wird, dass seine Bemühungen um Abgabe eines Angebots endgültig gescheitert sind. Zu diesem Zeitpunkt hat er vielmehr erkannt, dass der Vergabeverstoß, wie im vorliegenden Fall, bei ihm zu einem Schaden führt. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB stellt aber auf das Erkennen des Vergabeverstoßes ab, nicht auf das Erkennen des Schadens (siehe auch BKatA, Beschluss vom 07.01.2004, Az. VK 2-137/03).
Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt bereits positive Kenntnis vor. Im vorliegenden Fall hatte die Antragstellerin schon seit längerem positive Kenntnis von vermeintlichen Fehlern im Leistungsverzeichnis gehabt.
Es wäre Aufgabe der Antragstellerin gewesen, unverzüglich, d. h. nach Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses, den Sachverhalt, den sie für vergaberechtswidrig hält, zu rügen, damit der Auftraggeberin noch vor Anrufung der Vergabekammer die Möglichkeit einer Selbstkorrektur gegeben wird (BKatA, Beschluss vom 13.08.2001, Az. VK 1-25/01).
Angesichts des Termins der Absendung des Leistungsverzeichnisses, 31.03.2005, muss es jedenfalls am 04.04.2005 bei der Antragstellerin vorgelegen haben. Die Antragstellerin hat durch ihre Rüge am Tage vor der Verdingungsverhandlung der Auftraggeberin nicht mehr die Möglichkeit eingeräumt, eventuell die Ausschreibungsunterlagen noch rechtzeitig selbst zu korrigieren. Insoweit hätte sie frühzeitiger gegenüber der Auftraggeberin in irgendeiner Form reagieren müssen. Zumindest hätte die Übersendung des ersten Katalogs mit Fragen der Mitbewerber und Antworten der Auftraggeberin am 11.04.2005 zu einer Reaktion oder Rüge der Antragstellerin führen müssen, falls aus ihrer Sicht das Leistungsverzeichnis unklar oder zu beanstanden sei. Da sie sich erst am 20.04.2005 telefonisch und 21.04.2005, dem Tag vor der Verdingungsverhandlung, schriftlich der Auftraggeberin gegenüber einließ, ist ihre Rüge wegen Verspätung zurückzuweisen.
Der Nachprüfungsantrag war demnach wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen. Eine Prüfung der Begründetheit der erhobenen Rügen durch die Vergabekammer ist damit ausgeschlossen.
Die Vergabekammer hat, obgleich nicht die Zustimmung aller Beteiligten vorlag, gemäß § 112 Abs. 1 S. 3 GWB wegen der Unzulässigkeit ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage entschieden.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw. in Ausnahmefällen 50.000 EUR beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.761 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung unter Berücksichtigung des günstigsten Angebots eines Mitbewerbers 895.857,09 EUR.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer gewerteten Angebotssumme von 895.857,09 EUR ergibt sich eine Gebühr von 2.761 EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.
Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i. S. d. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB im vollen Umfang unterlegen ist.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Auftraggeberin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Auftraggeberin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte die Auftraggeberin für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zu Gunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahrenübertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 2.761 EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxx innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen: NORD/LB (BLZ xxx) Konto xxx
IV. Rechtsbehelf
[...]
Schulte
Brinkmann