Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 26.07.2005, Az.: VgK-31/2005

Nachprüfverfahren über die Vergabe von Maßnahmen zum Umbau und zur Erweiterung eines Klinikums; Zuständigkeit der Vergabekammer; Antragsbefugnis im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren; Beurteilung der Vollständigkeit eines Angebotes; Folge eines unvollständig abgegebenen Angebotes; Anforderungen an die produktidentifizierenden Fabrikatsangaben; Transparenzgebot im Vergabeverfahren

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
26.07.2005
Aktenzeichen
VgK-31/2005
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 22743
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOB-Vergabeverfahren Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen am xxx Klinikum xxx, Gewerk: Ausführung des Wärmedämmverbundsystems

Zusammenfassung

Im vorliegenden Nachprüfungsverfahren über die Vergabe von Maßnahmen zum Umbau und zur Erweiterung eines Klinikums hatte die Vergabekammer über den Ausschluss eines Angebotes wegen Unvollständigkeit auf Grund unzureichender Spezifikation zu entscheiden. Im vorliegenden Fall hat die Auftraggeberin die Antragstellerin in den der Aufforderung zur Angebotsabgabe beigefügten Bewerbungsbedingungen unmissverständlich auf die zwingende Notwendigkeit einer vollständigen Fabrikatsangabe (insbesondere Herstellerangabe und genaue Typenbezeichnung) hingewiesen. Hierzu war sie nach den Ausführungen der Vergabekammer auch berechtigt, um selbst prüfen zu können, ob die vom Bieter angebotenen Produkte den ausgeschriebenen Erfordernissen gerecht werden. Dies sei erst recht der Fall, wenn wie hier der Antragsteller - zulässigerweise - ein vom Leitfabrikat abweichendes System anbiete, dessen Hersteller für die in den Verdingungsunterlagen beschriebenen Leistungsinhalte eine größere Anzahl verschiedener Produkte herstellt. In diesem Fall sei wegen der fehlenden produktidentifizierenden Angaben zu den angebotenen Fabrikaten eine eindeutige Identifizierung und vergleichende Beurteilung nicht möglich ist. Ein derart unklares, weil unvollständiges Angebot sei nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A (Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen) von der Wertung auszuschließen.

Die Vergabekammer hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
den hauptamtlichen Beisitzer BAR Peter und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Lohmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 18.07.2005
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.528 EUR festgesetzt.

Begründung

1

I.

Die Auftraggeberin plant Um- und Erweiterungsmaßnahmen am Klinikum in xxx . Im Rahmen dieser Maßnahmen wurde am 05.04.2005 die Ausschreibung für verschiedene Bauleistungen im Hochbau im offenen Verfahren europaweit bekannt gemacht. Die zu erbringenden Leistungen sollen in Losen vergeben werden. Unter der Los.-Nr. 2 wurden ca. 2.200 qm Wärmedämmverbundsystem ausgeschrieben. Nach Ziff. IV.2 der Bekanntmachung soll der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot nach Maßgabe der in § 25 VOB/A genannten Kriterien erteilt werden. Als Angebotsfrist wurde der 10.05.2005 genannt.

2

Mit der Durchführung der Ausschreibung hat die Auftraggeberin die Architektengruppe xxx , xxx , betraut. Darüber hinaus wird das Bauvorhaben von der Fa. xxx , xxx , koordiniert.

3

In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes werden die Bieter über die Zuschlagskriterien informiert. Es sind dies der Preis, die Qualität, die Konstruktion, die Funktionalität und die Gestaltung.

4

Die Verdingungsunterlagen enthalten eine Auswahl der nach dem Einheitlichen Verdingungsmuster des Vergabehandbuchs vorgesehenen Anlagen und Erklärungen, darunter die Bewerbungsbedingungen mit verschiedenen Regelungen für die Angebotsabgabe.

5

Unter Ziff. 1 werden die Bieter aufgefordert, den Auftraggeber ggf. unverzüglich schriftlich über Unklarheiten in Kenntnis zu setzen. Nach Maßgabe der Ziff. 3 müssen die Angebote vollständig sein, unvollständige Angebote können ausgeschlossen werden. Das Angebot muss die Preise und die in den Verdingungsunterlagen geforderten Erklärungen und Angaben enthalten. Enthält die Leistungsbeschreibung bei einer Teilleistung eine Produktangabe mit Zusatz "oder gleichwertiger Art" und wird vom Bieter dazu eine Produktangabe verlangt, ist das Fabrikat (insbesondere Herstellerangabe und genaue Typenbezeichnung) auch dann anzugeben, wenn der Bieter das vorgegebene Fabrikat anbieten will. Fehlt diese Angabe, ist das Angebot unvollständig. Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen müssen zweifelsfrei sein.

6

Das Leistungsverzeichnis informiert auf den Seiten 2 bis 14 über Modalitäten der Baustelle, des Bauvorhabens, des Baubetriebs, der Kalkulation und der Auftragsdurchführung und benennt die für die Angebotserstellung beigefügten Anlagen. Auf Seite 13 wird unter Ziff. 5.1 Angaben zur Ausführung - System - darauf hingewiesen das grundsätzlich ein geschlossenes System anzubieten ist. Im Anschluss an diesen Hinweis wird das vom Bieter angebotene Wärmedämmverbundsystem abgefragt.

7

Das Leistungsverzeichnis unterscheidet zwischen den Wärmedämmarbeiten an den Bauteilen 1 bis 3. Für alle drei Bauteile ist jeweils ein Wärmedämmverbundsystem anzubieten. Für materialbezogene Positionen zu den Titeln 1.1, 2.1 und 3.1 Wärmedämmverbundsystem wird nach entsprechender Beschreibung der Positionen vielfach ein Leitfabrikat mit anschließender Bieterabfrage für ggf. anzubietende Erzeugnisse gleichwertiger Art vorgegeben. Als Leitfabrikate hat die Auftraggeberin hierbeiüberwiegend der jeweiligen Beschreibung entsprechende Erzeugnisse des Herstellers "Sxxx AG" ausgewählt.

8

Während der Ausschreibungsfrist gab es ausweislich der Vergabeakte weder Nachfragen, noch wurden die Verdingungsunterlagen von den Bietern gerügt.

9

Nach Maßgabe der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung wurden 14 Unternehmen zum Angebot aufgefordert. Fristgerecht sind 10 Angebote eingereicht worden. Die ungeprüften Angebotssummen wurden tabellarisch festgehalten. Sofern die Angebote in die Wertung genommen wurden, wurde auch die geprüfte Angebotssumme ggf. unter Berücksichtigung angebotener Nachlässe eingetragen. Die Antragstellerin hat zur Angebotssumme von 184.194,48 EUR einen Nachlass von 9 % angeboten. Die Beigeladene hat keinen Nachlass angeboten, ihre Angebotssumme beträgt 174.654,77 EUR. Die Angebote wurden auf Vollständigkeit, rechnerisch und fachlich überprüft. Nach Maßgabe der Vergabeakte gab es offenbar eine Aufklärung des Angebotes Nr. 2 der Beigeladenen, welche am 01.06.05 per Fax bestätigte, dass sich die Angabe zur Systemauswahl auf S. 13 des Angebotes auf alle drei ausgeschriebenen Bauteile bezieht. Ob und wann diese Erklärung angefordert worden ist, ist den Unterlagen der Vergabeakte nicht zu entnehmen. Zum Angebot der Antragstellerin hat die Vergabestelle - mit Ausnahme einer Recherche in der büroeigenen Katalogsammlung zum Hersteller des von ihr angebotenen Systems - keine Aufklärung nach § 24 VOB/A vorgenommen. Über das Ergebnis der Prüfung und Wertung hat die Vergabestelle in ihrem Schreiben vom 01.06.05 an das Büro xxx berichtet. Hiernach wurden 6 der 10 Angebote wegen unzureichender Spezifizierung auf Grund fehlender / nicht eindeutiger Fabrikats- und Typenangaben ausgeschlossen. Zwei weitere Angebote wurden trotz Abweichungen von den Bewerbungsbedingungen in die Wertung einbezogen.

  • Im Angebot Nr. 10 fehlen die Seiten 1 - 14 der Verdingungsunterlagen, sodass dieser Bieter nicht die auf S. 13 abgefragte Erklärung zur Wahl des von ihm angebotenen Wärmedämmverbundsystems abgegeben hat. Nach den Feststellungen der Vergabestelle wurden die Abfragen zu allen weiter gehenden Positionen ordnungsgemäß mit einer Produktangabe klassifiziert. Die Vergabestelle hält das Angebot deshalb für nachvollziehbar und damit für wertbar
  • Im Angebot Nr. 2, dem Angebot der Beigeladenen, wurde auf S. 13 der Verdingungsunterlagen das Fabrikat "Sxxx" als angebotenes System eingetragen. In allen Positionen des Leistungsverzeichnisses hat die Beigeladene bei Fabrikatsabfragen - entgegen den Wettbewerbsbedingungen - lediglich das Kürzel "LV" eingetragen. Im Hinblick darauf, dass die vorgegebenen Leitfabrikate mit dem angebotenen Systemübereinstimmen, hat die Vergabestelle die Bieterangaben insgesamt für eindeutig und zweifelsfrei angesehen und das Angebot in die Wertung einbezogen

10

Die Antragstellerin, deren Angebot von der Wertung ausgeschlossen wurde, hat die Frage nach dem angebotenen System auf Seite 13 der Verdingungsunterlagen sowie alle Abfragen - es sind ca. 50 - für gleichwertige Erzeugnisse zu den als Leitfabrikat vorgegebenen Produkten der Sxxx AG lediglich mit dem Herstellernamen "Axxx " beantwortet. Da der Hersteller "Axxx " eine größere Anzahl verschiedener Produkte herstellt, sieht die Vergabestelle hierin eine unzureichende Spezifizierung des Angebots. Als Beispiel nennt sie die Pos. 1.1.3.3 des Leistungsverzeichnisses. Gefordert ist eine Speedlamelle aus Steinwolle, Baustoffklasse A1. Die Firma Axxx stelle (auch) Dämmplatten sowohl aus Polystyrol der Baustoffklasse B1 als auch normale Mineralwolle-Dämmplatten ohne Lamelle her. Beide Produkte seien aber nicht gleichwertig zum ausgeschriebenen Leitfabrikat.

11

Die Vergabestelle empfiehlt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Es erfülle die geforderten Eigenschaften der Ausschreibung und sei in Bezug auf die Zuschlagskriterien insgesamt das wirtschaftlichste Angebot. Ein höherwertiges Angebot liege nicht vor.

12

Das Büro xxx informierte mit Schreiben vom 02.06.05 die Auftraggeberin über das Ergebnis der Ausschreibung. Dem Schreiben beigefügt war der Bericht vom 01.06.05 mit dem Vergabevorschlag. Am 13.06.05 stimmte der Vergabeausschuss der Auftraggeberin dem Vergabevorschlag zu.

13

Mit Schreiben vom 15.06.05 informierte die Vergabestelle die Antragstellerin über den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen und über die Gründe für den Ausschluss ihres Angebotes wegen Unvollständigkeit.

14

Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 20.06.05 den Ausschluss ihres Angebotes. Den Verdingungsunterlagen sei nicht zu entnehmen gewesen, dass eine genaue Typenbezeichnung erwartet wurde. Außerdem müssten nach Punkt 3.3 der Bewerbungsbedingungen unvollständige Angebote nicht zwangsläufig ausgeschlossen werden.

15

In der Rügeantwort vom 22.06.05 erläuterte die Vergabestelle die Entscheidung zum Ausschluss des Angebotes. Da der Hersteller Axxx für die in den Verdingungsunterlagen beschriebenen Leistungsinhalte eine größere Anzahl verschiedener Produkte herstelle, sei das Angebot ohne Typenbezeichnungen unzureichend spezifiziert. Beispielsweise sei in Pos. 1.1.3.3 Fassadendämmplatten eine Dämmplatte als Speedlamelle aus Steinwolle, Baustoffklasse A1 gefordert. Die Fa. Axxx stelle aber sowohl Dämmplatten aus Polystyrol der Baustoffklasse B1 als auch als normale Mineralwolldämmplatte ohne Lamellen her. Beide Produkte wären jedoch nicht gleichwertig zum ausgeschriebenen Leitfabrikat. Ähnliches gelte auch für eine Reihe weiterer Positionen. Werde ein vom Leitfabrikat abweichendes System angeboten, sei in jedem Fall eine weiter gehende Typenbezeichnung zur Spezifizierung des Angebots zwingend anzugeben.

16

Mit Anwaltsschriftsatz vom 29.06.2005, eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer gemäß § 107 GWB die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Unter Verweis auf ihre Rüge und in der Annahme, dass sie das wirtschaftlichste Angebot vorgelegt habe, wendet sie sich gegen den Ausschluss ihres Angebotes wegen Unvollständigkeit auf Grund unzureichender Spezifikationen.

17

Das Angebot sei nicht unvollständig, denn mit der Leistungsbeschreibung seien lediglich Fabrikatsbezeichnungen abgefragt worden, welche die Antragstellerin ordnungsgemäß in die vorgesehenen Bieterergänzungen eingetragen habe. Zu keiner der Positionen des Leistungsverzeichnisses sei jedoch eine weiter gehende Typenbezeichnung verlangt worden. Nach den Vorgaben der Leistungsbeschreibung sei sogar der Einsatz systemfremder Produkte zugelassen worden. Daher halte sie die Nennung des Fabrikats des von ihr unter Ziff. 5.1 des Leistungsverzeichnisses angebotenen Systems für ausreichend. Dass von der Auftraggeberin eine genaue Typenbezeichnung erwartet wurde, habe sie nicht erkennen können. Zur Prüfung der Gleichwertigkeit sei für die von der Auftraggeberin beispielhaft genannte Pos. 1.1.3.3 eine Typenbezeichnung nicht erforderlich gewesen, denn der Text der Positionsbeschreibungen habe im Zusammenhang mit der Fabrikatsangabe "Axxx " das Angebot hinreichend spezifiziert. Für die von der Auftraggeberin beispielhaft genannte Pos. 1.1.3.3 Fassadendämmplatte, Speed-Lamellen aus Steinwolle, Baustoffklasse A1 biete die Fa. Axxx nur ein Produkt an, auf welches die Positionsbeschreibung zutreffe. Die beschriebene Speedwolllamelle gäbe es auch nur als Mineralwolldämmplatte und nicht als Platte aus Polystyrol. Die Bewerbungsbedingungen hätten einen fakultativen, aber keinen zwingenden Ausschluss unvollständiger Angebote vorgesehen. Bei ihrer Entscheidung über den Ausschluss habe die Auftraggeberin aber vergaberechtswidrig kein Ermessen ausgeübt. Die Typenbezeichnung hätte ggf. auf Anfrage der Auftraggeberin ohne Einfluss auf den Wettbewerb nachgereicht werden können.

18

Die Antragstellerin beantragt,

die Auftraggeberin zu verpflichten, den Auftrag der Antragstellerin zu erteilen.

19

Die Auftraggeberin beantragt

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin kostenpflichtig zurückzuweisen.

20

Sie verweist auf die auf Seite 13 der Verdingungsunterlagen gestellte Forderung, wonach die Bieter zum Angebot eines grundsätzlich in sich geschlossenen Systems aufgefordert waren. Zu den jeweiligen Positionen des Leistungsverzeichnisses waren folglich in die Bieterergänzungen für gleichwertige Produkte genaue Erzeugnisangaben und hierbei auch eine genaue Bezeichnung des jeweils angebotenen Typs innerhalb der Produktpalette des Herstellers einzutragen.

21

Die Antragstellerin habe auf S. 13 lediglich das Herstellerfabrikat "Axxx " eingetragen, aber nicht das durchgängig geschlossene System innerhalb der Produktpalette des Herstellers. In gleicher Weise sei so bei allen Positionen der Leistungsbeschreibung verfahren worden, in denen eine Erzeugnisangabe vom Bieter verlangt wurde. Die Fa. Axxx biete jedoch eine Anzahl verschiedener Systeme an und habe für nahezu alle Leistungsinhalte mehrere Arten von Materialien und Ausführungen im Lieferprogramm.

22

Die Antragstellerin habe sich in ihrem Angebot nicht auf ein bestimmtes System und bestimmte Produkte des Herstellers Axxx festgelegt. Auch nach der Rechtsprechung sei der Ausschluss eines solchen Angebotes zwingend und liege nicht im Ermessen der Auftraggeberin. Es sei im Übrigen nicht die Aufgabe der Auftraggeberin, durch eigene Recherche anhand der Produktpalette des jeweils angegebenen Herstellers die Eindeutigkeit und Gleichwertigkeit der Angebote zu überprüfen.

23

Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Sie unterstützt den Vortrag der Auftraggeberin.

24

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 18.07.2005 Bezug genommen.

25

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Auftraggeberin hat das Angebot der Antragstellerin zu Recht gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A von der Angebotswertung ausgeschlossen. Das Angebot der Antragstellerin ist unvollständig, weil sie in 66 Positionen des Leistungsverzeichnisses unvollständige Fabrikatsangaben eingetragen hat. Die Angabe eines vom Leitfabrikat abweichenden Herstellers (hier: Axxx) genügte nicht. Um die Auftraggeberin in die Lage zu versetzen, die Gleichwertigkeit der angebotenen Produkte mit den Leitfabrikaten festzustellen, war die Antragstellerin vielmehr gehalten, zusätzlich auch die genaue Typenbezeichnung der Produkte anzugeben. Darauf hatte die Auftraggeberin die Bieter gem. Nr. 3.3, 3. Absatz der Bewerbungsbedingungen (Vordruck EVM (B) BwB/E) auch unmissverständlich hingewiesen. Ein Nachfordern der Angaben im Rahmen des § 24 VOB/A war der Auftraggeberin verwehrt, weil sie damit ein nicht wertbares Angebot erst wertbar gemacht hätte, was den zulässigen Rahmen des § 24 VOB/A überschreitet.

26

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um einen Krankenhausbetrieb in der Rechtsform einer GmbH und damit um eine Person des privaten Rechts. Sie erhält vom Land Niedersachsen Mittel, mit denen die für die Gesamtbaumaßnahme Um- und Erweiterungsmaßnahmen am xxx-Klinikum xxx anfallenden Kosten zu mehr als 50 % subventioniert werden. Die Auftraggeberin ist daheröffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 5 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Bauleistungen im Sinne des § 1 VOB/A und damit um einen Bauauftrag. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) ein Schwellenwert von 5 Mio. EUR. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. EUR oder bei Losen unterhalb 1 Mio. EUR deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Nach dem Ergebnis der Ausschreibung erreicht der Wert des hier streitbefangenen Loses Ausführung des Wärmedämmverbundsystems zwar weder den Schwellenwert von 5 Mio. EUR noch den Wert von 1 Mio. EUR. Die Auftraggeberin hat das streitbefangene Los jedoch EU-weit im Offenen Verfahren ausgeschrieben. Dadurch hat die Auftraggeberin den rechtlichen Rahmen (§§ 102 ff. GWB) für die Nachprüfung festgelegt. Die Wirkung dieser Festlegung besteht in einer Selbstbindung der Auftraggeberin dahingehend, dass sie das verfahrensgegenständliche Los nicht dem 20%-Kontingent nach § 2 Nr. 7 VgV zuordnet, für welches das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet wäre (vgl. BayObLG, Beschluss v. 20.08.2001, Az.: Verg 9/01; BGH NJW 1998, S. 3636 ff., 3638). Das Vergabeverfahren ist damit einer Nachprüfung durch die Vergabekammer zugänglich.

27

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, die Auftraggeberin habe ihr Angebot zu Unrecht ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung der Auftraggeberin sei ihr Angebot vollständig. Darüber hinaus enthalte Nr. 3.3 Bewerbungsbedingungen lediglich den Hinweis, dass unvollständige Angebote ausgeschlossen werden können. Das damit vorbehaltene Ermessen habe die Auftraggeberin aber nicht ausgeübt. Die Antragstellerin hat damit ein Rechtsschutzbedürfnis im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB dargelegt. Diesbezügliche Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat zumindest schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung zumindest eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24). Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Die Auftraggeberin hatte die Antragstellerin mit Informationsschreiben der beauftragten Architektengruppe xxx vom 15.06.2005, eingegangen bei der Antragstellerin am 16.06.2005, gem. § 13 VgV darüber informiert, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden soll und dass das eigene Angebot der Antragstellerin aufgrund der fehlenden Typenbezeichnung in den Positionen des Leistungsverzeichnisses wegen Unvollständigkeit ausgeschlossen wurde. Mit Schreiben vom 20.06.2005 rügte die Antragstellerin diese Entscheidung gegenüber der Auftraggeberin. Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich innerhalb von 1 bis 3 Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1. Verg 4/00; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff.), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sachverhalts- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert. Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes erfolgte die innerhalb von 4 Tagen nach Erhalt des Informationsschreibens abgesetzte Rüge der Antragstellerin noch unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Es ist nicht zu bestanden, dass sich die Antragstellerin vor Absetzung der Rüge zunächst mit der rechtlichen Begründung der Auftraggeberin für den Angebotsausschluss auseinander gesetzt hat.

28

2.

Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Auftraggeberin ist zu Recht davon ausgegangen, dass sie gehalten ist, das Angebot der Antragstellerin wegen der unvollständigen Fabrikatsangaben gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A von der Wertung auszuschließen. Eine Nachforderung der fehlenden Typenbezeichnung für 66 Positionen des Leistungsverzeichnisses wäre nicht durch § 24 VOB/A gedeckt gewesen (im Folgenden a). Dagegen hat die Auftraggeberin das Angebot der Beigeladenen, die durchgehend das Leitfabrikat angeboten hat, zu Recht gewertet (im Folgenden b).

29

a)

Die Auftraggeberin ist zu Recht davon ausgegangen, dass sie das Angebot der Antragstellerin gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A ausschließen musste. Nach dieser Vorschrift müssen unter anderem Angebote ausgeschlossen werden, die nicht die geforderten Erklärungen im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A enthalten. Der Bundesgerichtshof hat in zwei Entscheidungen den zwingenden Charakter dieser Regelung betont und die damit verbundene Beschränkung des Beurteilungs- und Entscheidungsspielraums des Auftraggebers herausgestellt. Mit Urteil vom 07.01.2003 (Az.: X ZR 50/01 = VergabeR 5/2003, S. 558 ff.) hat er betont, dass ein Angebot, das nicht alle geforderten Preisangaben enthalte und deshalb nicht § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A entspricht, zwingend auszuschließen ist. Ein Ausschluss komme nicht etwa nur dann in Betracht, wenn das betreffende Angebot im Ergebnis nicht mit den anderen Angeboten verglichen werden kann. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren, wie es die VOB/A gewährleisten solle, sei nur zu erreichen, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote abgegeben werden. Mit Beschluss vom 18.02.2003 (Az.: X ZB 43/02 = VergabeR 3/2003, S. 313 ff., 317, 318) hat der BGH noch einmal auf die vorgenannte Entscheidung Bezug genommen und das vorlegende Oberlandesgericht angewiesen zu prüfen, ob die fehlende Angabe von Fabrikaten und Herstellern in mehr als 120 Positionen im dortigen konkreten Fall dazu führt, dass das Angebot der Antragstellerin nicht dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A entspricht und deshalb gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A auszuschließen ist. Der BGH betont, dass der öffentliche Auftraggeber im Rahmen des § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A bei Vorliegen der dort aufgestellten Voraussetzungen kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe hat, sondern gezwungen ist, das betreffende Angebot aus der Wertung zu nehmen. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren sei nur zu erreichen, wenn lediglich vergleichbare Angebote - in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht - gewertet werden. Die Rechtsprechung des BGH wirft zugleich die Frage nach den Grenzen des Nachverhandlungsrechts und insbesondere des Nachforderungsrechts des Auftraggebers gem. § 24 Abs. 1 VOB/A auf. Während die Folge des zwingenden Angebotsausschlusses bei Fehlen von Preisangaben durch das Urteil des BGH vom 07.01.2003 als abschließend und eindeutig entschieden behandelt werden muss, lässt sich weder nach Auffassung des Schrifttums noch aus der in der Folge der BGH-Entscheidung ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung ableiten, dass generell immer im Angebot fehlende, aber objektiv nachgereichte Erklärungen zum zwingenden Ausschluss führen. Dies soll zumindest dann nicht gelten, wenn die nachgereichten Unterlagen oder Erklärungen objektiv betrachtet unter keinen Umständen die Gefahr einer Manipulation hervorrufen können (vgl. Kus, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 07.01.2003 - X ZR 50/01, VergabeR 5/2003, S. 561, 562). So hat das BayObLG in seinem Beschluss vom 28.05.2003 - Az.: Verg 6/03 (VergabeR 6/2003, S. 675 ff.) entschieden, dass ein fehlender Bauzeitenplan zum Eröffnungstermin dann nicht zum zwingenden Angebotsausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A führt, wenn die fehlende Vorlage zum Submissionstermin keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet und der Bauzeitenplan lediglich in den Verdingungsunterlagen gefordert wurde, die zwingende Vorlage zum Submissionstermin aber nicht noch einmal den Bietern im Schreiben zur Aufforderung zur Angebotsabgabe gem. § 10 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A deutlich gemacht wurde.

30

Zu beachten ist aber stets, das dem Auftraggeber bei Vergaben im Baubereich wegen der zwingenden Regelung des§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A ein Ermessen nur hinsichtlich der Frage eingeräumt wird, ob das Angebot - gemessen an den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses - unvollständig ist oder ob es den Anforderungen des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A genügt. Ist das Angebot unvollständig in diesem Sinne, so ist es auszuschließen. Darin unterscheidet sich § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A von der den identischen Sachverhalt regelnden, aber fakultativen Regelung des § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A.

31

Im vorliegenden Fall hat die Auftraggeberin die Antragstellerin in den der Aufforderung zur Angebotsabgabe beigefügten Bewerbungsbedingungen (Vordruck VHB EVM (B) BwB E - Stand 01.10.2004) unmissverständlich auf die zwingende Notwendigkeit einer vollständigen Fabrikatsangabe hingewiesen: dort heißt es unter Nr. 3.3, 3. Absatz:

32

"Enthält die Leistungsbeschreibung bei einer Teilleistung eine Produktangabe mit dem Zusatz 'oder gleichwertiger Art' und wird vom Bieter dazu eine Produktangabe verlangt, ist das Fabrikat (insbesondere Herstellerangabe und genaue Typenbezeichnung) auch dann anzugeben, wenn der Bieter das vorgegebene Fabrikat anbieten will. Fehlt diese Angabe, ist das Angebot unvollständig." (Hervorhebung durch die Vergabekammer)

33

In diesem Punkt unterscheiden sich die vorliegenden Verdingungsunterlagen maßgeblich von dem der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung der Vergabekammer Lüneburg vom 03.05.2005 (Az.: VgK-14/2005 = RIBR 7/2005, S. 392) zugrunde liegenden Sachverhalt. Dort hatte die identische Auftraggeberin bei der Ausschreibung eines anderen Loses im Zuge der gleichen Baumaßnahme noch eineältere Fassung des Vordruckes des Vergabehandbuchs des Bundes im Bereich der Finanzbauverwaltungen (VHB) verwendet, die folgenden Hinweis enthielt:

"Ist im Leistungsverzeichnis bei einer Teilleistung eine Bezeichnung für ein bestimmtes Fabrikat mit dem Zusatz 'oder gleichwertiger Art' verwendet worden, und macht der Bieter keine Angabe, gilt das im Leistungsverzeichnis genannte Fabrikat als angeboten."

34

Diese Formulierung hat das für das Vergabehandbuch zuständige Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen noch mit Erlass vom 23.11.2004 (B 15-01080-114) in die o. g. Formulierung geändert.

35

Darüber hinaus unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem von der Vergabekammer entschiedenen Fall auch dadurch, dass sie ausdrücklich Produkte eines von den Leitfabrikaten abweichenden Herstellers angeboten hat, ohne jedoch die erforderliche Typenangabe bei den einzelnen Positionen oder das unter Ziffer 5.1 der Leistungsbeschreibung abgeforderte geschlossene System zu benennen. Die Benennung des Herstellers genügte vorliegend deshalb nicht, weil auch der von der Antragstellerin gewählte Hersteller Axxx mehrere Dämmsysteme in unterschiedlichen Qualitäten und Preislagen anbietet. Dies gilt auch für sämtliche in der Leistungsbeschreibung abgeforderten Positionen. So wurde unter der Position 1.1.3.3 - Fassadendämmplatten als Leitfabrikat eine "Speedlamelle aus Steinwolle, Baustoffklasse A 1" des Herstellers Sxxx genannt. Die von der Antragstellerin gewählte Firma Axxx stellt jedoch ausweislich ihres Produktkatalogs u.a. sowohl Dämmplatten aus Polystyrol der Baustoffklasse B 1 als auch normale Mineralwolldämmplatten ohne Lamellen her. Beide Produkte sind im Rahmen eines Dämmsystems verwendungsfähig, aber mit der Produktvorgabe im Leistungsverzeichnis nicht gleichwertig. Ähnliches gilt für den unter Pos. 1.1.6.5 geforderten Putz, von dem der Hersteller Axxx acht verschiedene Produkte in unterschiedlichen Qualitäten anbietet.

36

Der Auftraggeber kann ein berechtigtes Interesse daran haben, vom Bieter Erklärungen darüber zu erhalten, wie dieser im Auftragsfall die Bauausführung vorsieht. Verlangt deshalb der Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen vom Bieter zulässigerweise produktidentifizierende Angaben (Hersteller und Typenbezeichnung), so führt ein Fehlen dieser Angaben zu einem Fehlen der Vergleichbarkeit mit konkurrierenden Angeboten, welche diese Angaben enthalten. Die Antragstellerin kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass der Qualitätsstandard der geforderten Leistung bereits durch detaillierte Vorgaben in der Leistungsbeschreibung zur betreffenden LV-Position definiert ist. Die Auftraggeberin ist berechtigt, zusätzlich die Hersteller- und Typen-Angabe zu verlangen, um selbst prüfen zu können, ob die vom Bieter angebotenen Produkte den ausgeschriebenen Erfordernissen gerecht werden. Dies ist erst recht der Fall, wenn der Antragsteller - zulässigerweise - ein vom Leitfabrikat abweichendes Produkt anbietet (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss v. 16.09.2003, Az.: XI Verg 11/03). Das Angebot der Antragstellerin ist hinsichtlich der nach Feststellung der Vergabekammer insgesamt 66 Positionen nicht eindeutig, weil wegen der fehlenden produktidentifizierenden Angaben zu den angebotenen Fabrikaten eine eindeutige Identifizierung und vergleichende Beurteilung nicht möglich ist. Ein derart unklares, weil unvollständiges Angebot ist nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A von der Wertung auszuschließen (vgl. VK OFD Hannover, Beschluss v. 18.03.2004, Az.: 26045 - VgK 1/2004; OLG Koblenz, Beschluss vom 09.06.2004, AZ.: 1 Verg 4/04 = IBR 10/2004, S. 581).

37

Angesichts der in den Verdingungsunterlagen festgelegten klaren Anforderungen an die produktidentifizierenden Fabrikatsangaben, die neben der Herstellerangabe auch die neue Typenbezeichnung verlangten, wäre die Auftraggeberin entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht befugt gewesen, die fehlenden Erläuterungen und Angaben von der Antragstellerin etwa im Wege einer Aufklärungsverhandlung gem. § 24 VOB/A nachzufordern. Grundsätzlich hat ein Bieter, der ein unklares Angebot vorgelegt hat, keinen Anspruch auf Nachverhandlung (vgl. Weyand, Vergaberecht, § 24 VOB/A, Rdnr. 4253, m.w.N.). Die restriktive Regelung des § 24 Nr. 1 VOB/A gestattet es dem Auftraggeber - ebenso wie die entsprechende Regelung des § 24 Nr. 1 VOL/A - lediglich, nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung mit den Bietern über Angebote zu verhandeln, um Zweifel über die Angebote oder die Bieter zu beheben. § 24 VOB/A enthält eine abschließende Aufzählung der zulässigen Verhandlungsgründe. Hiernach sind Verhandlungen erlaubt, soweit sie sich auf das rein Informatorische beschränken. Die ungenügende Beschreibung eines von den Leitfabrikaten abweichenden Produkts kann dagegen nicht mit einer Aufklärung des Angebotsinhalts nach § 24 VOB/A nachgebessert werden. Fehlen - wie im vorliegenden Fall - die erforderlichen produktidentifizierenden Angaben und ist dadurch die Feststellung der Gleichwertigkeit der angebotenen Produkte mit den in den Verdingungsunterlagen als Leitfabrikat genannten Produkten nicht erbracht, so kann dieser Nachweis nicht im Wege des § 24 VOB/A nachgeholt werden. Derartig weit reichende nachgereichte Angaben sind im Hinblick auf das Verhandlungsverbot nicht zulässig. Das Angebot der Antragstellerin kann daher im Wege der Aufklärung nach § 24 nicht nachgebessert und dadurch erst wertbar gemacht werden. Derartige Verhandlungen sind durch § 24 VOB/A nicht gedeckt, weil dies zu einer nachträglichen Verbesserung der Wettbewerbsstellung der Antragstellerin führen und deshalb den Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 1 und 2 GWB verletzen würde (vgl. VK Nordbayern, Beschluss v. 25.03.2002, Az.: 320-VK-3194-06/02).

38

b)

Demgegenüber hat die Auftraggeberin das Angebot der Beigeladenen zu Recht bei der Angebotswertung berücksichtigt. Zwar hat auch die Beigeladene bei den mit einem Leitfabrikat versehenen Positionen des Leistungsverzeichnisses nicht die Typangabe wiederholt, sondern jeweils lediglich den Vermerk "LV" für Leistungsverzeichnis eingetragen. Sie hat jedoch auf Seite 13 unter Nr. 5.1 des Leistungsverzeichnisses ausdrücklich angegeben, dass sie ein System des im Leistungsverzeichnis durchweg als Leitfabrikat vorgegebenen Herstellers Sxxx anbietet. Diese Angabe in Kombination mit den Eintragungen in den einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses lässt sich aus dem Empfängerhorizont der Auftraggeberin nur dahingehend auslegen, dass die Beigeladene durchgehend das Leitfabrikat mit der in den Einzelpositionen abgefragten Typbezeichnung und Qualität eindeutig und verbindlich abgegeben hat. Die Beigeladene könnte sich im Gegensatz zur Antragstellerin im Falle des Zuschlags nicht auf die Position zurückziehen, dass sie eine andere Produktlinie oder eine andere Qualität des im Angebot benannten Herstellers anbieten wollte.

39

Der Nachprüfungsantrag war daher zurückzuweisen.

40

III. Kosten

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, sodass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 EUR beträgt.

42

Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.528 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

43

Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 167.616,74 EUR. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Angebot der Antragstellerin unter Berücksichtigung des angebotenen Nachlasses in Höhe von 9 % und damit ihrem Interesse am Auftrag.

44

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 167.616,74 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.528 EUR.

45

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

46

Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.

47

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag 2.528 EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxx auf folgendes Konto zu überweisen: xxx.

Gause
Peter
Lohmöller