Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 02.05.2005, Az.: VgK-13/2005
Zuständigkeit nach Auflösung der Vergabekammer Lüneburg; Anforderungen an die Darlegung eines drohenden Schadens; Sinn und Entstehenszeitpunkt der Rügeobliegenheit; Unverzüglichkeit der Rüge unter Berücksichtigung des Osterwochenendes; Änderungen an den Verdingungsunterlagen (Verkürzung des Zahlungsziels) als Grund für den Angebotsausschluss; Bestehen von Ermessen beim Ausschluss von Angeboten; Verwendung von Geschäftspapier mit Abdruck eigener Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) auf der Rückseite; Vorliegen einer Verletzung der Dokumentationspflicht bei fehlender Fertigung eines Vergabevermerks; Erfordernis von Mindestanforderungen für die Wertung von Nebenangeboten; Änderung der Wertungskriterien und deren Gewichtung nach Eingang der Angebote
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 02.05.2005
- Aktenzeichen
- VgK-13/2005
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 23725
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 25 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A
- § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A
- § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A
- § 97 Abs. 1 GWB
- § 30 Abs. 1 VOB/A
- § 25 VOB/A
Verfahrensgegenstand
Umbau und Erweiterung Kreiskrankenhaus xxx, Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen Los 6, Einrichtung für Arbeitsraum
Die Vergabekammer hat
durch
die Vorsitzende ORR' in Dr. Raab,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Hellermann auf
die mündliche Verhandlung vom 26.04.2005
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Auftraggeber wird verpflichtet, erneut in die Wertung des streitbefangenen Vergabeverfahrens einzutreten und diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen dieses Beschlusses ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen, dabei insbesondere das Hauptangebot der Beigeladenen auszuschließen, die Vergleichbarkeit und Gleichwertigkeit des Nebenangebotes 1 der Antragstellerin zu prüfen, alle bekannt gemachten Zuschlagskriterien anzuwenden und Prüfung, Wertung und Ergebnis in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Auftraggeber.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.518,00 EUR festgesetzt.
- 4.
Der Auftraggeber hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin war notwendig.
Gründe
I.
Der Auftraggeber hat mit Datum vom 31.08.2004 Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen sowie die Einrichtungen Arbeitsraum-unrein beim Umbau und Erweiterung des Kreiskrankenhauses in xxx, 1. Bauabschnitt, Neubau Bauteil K+L im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben, nachdem er mit Schreiben vom 13.07.2004 vorab über dieses Verfahren informiert hatte. Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass eine Unterteilung der zu erbringenden Leistungen in Lose nicht vorgesehen ist. Die Bieter wurden darauf hingewiesen, dass Nebenangebote/Alternativvorschläge berücksichtigt werden.
Hinsichtlich der geforderten Nachweise zur Beurteilung der Eignung wurden verschiedene Angaben und Unterlagen gefordert, die den Verdingungsunterlagen zu entnehmen waren.
Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot aufgrund der in den Unterlagen genannten Kriterien erteilt werden. Dort sind als Kriterien Preis, Qualität, Wartung und Betriebskosten genannt. Eine Gewichtung der Kriterien wurde nicht bekannt gegeben.
Jedoch hatte der von den Architekten beauftragte Fachplaner für Medizintechnik bereits mit Datum vom 24.08.2004 eine Bewertungsmatrix aufgestellt, aus der sich ergibt, dass der Preis mit 90 %, die Qualität mit 4 %, die Wartung mit 3 % und die Betriebskosten ebenfalls mit 3 % bewertet werden sollten. Wörtlich wurde seinerzeit festgelegt:
"Wie auch in den anderen Gewerken werden für die Erfüllung der Mindestanforderungen gemäß Ausschreibung 10 Punkte vergeben. Weitere Punkte werden für folgende Kriterien vergeben:
1. Einzeldüsenansteuerung:
Einzeldüsenansteuerung führt zu geringerem Verbrauch;
betrifft die Qualität und die Betriebskosten;
Standard nein
1 zusätzlicher Punkt für ja
2. Anzahl der Programme:
Zusätzliche Programme verkürzen die Laufzeiten und verringern den Verbrauch;
betrifft Qualität und Betriebskosten;
Standard: Normal- und Intensivprogramm;
Jeweils 0,5 Punkte zusätzlich für Economy und Kaltprogramm
3. Oberflächeeine glattere Oberfläche ist schneller zu reinigen;
betrifft Qualität und Betriebskosten;
Standard Korn 240 = 10;
1 Punkt zusätzlich für Korn 320 und höher
4. FugenabdeckungFugen mit Abdeckung aus V2A-Winkeln sind teurer, aber weniger reinigungs- und wartungsintensiv;
betrifft Qualität und Wartung
Standard Silikon = 10 Punkte;
Mit V2A-Abdeckung 2 Punkte zusätzlich
5. BlechdickeDickeres Blech ist teurer, aber auf Dauer resistenter gegen Beschädigungen;
betrifft Qualität
Standard 0,8 mm = 10 Punkte
Dicker als 1,0 mm 1 Punkt zusätzlich."
Hinsichtlich der Wertung von Nebenangeboten waren in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes unter 5.2 keine abweichenden Festlegungen hinsichtlich Nr. 4.3 getroffen worden.
Weitere Anforderungen hinsichtlich der Zulassung und Wertung von Alternativangeboten/Nebenangeboten sind den Angebotsunterlagen nicht zu entnehmen.
Bei der Verdingungsverhandlung am 12.10.2004 ergab sich, dass von den acht Firmen, die die Ausschreibungsunterlagen angefordert hatten, vier ein Angebot abgegeben hatten. Es wurde vermerkt, dass der Verschluss des Angebots der Antragstellerin versehrt war und von der Post wieder verschlossen worden war. Ferner wurde festgehalten, dass das Angebot der Antragstellerin mit einer rechnerisch geprüften Angebotssumme in Höhe von 151.117,62 EUR an zweiter Stelle lag. Auch wurde vermerkt, dass sie noch ein Nebenangebot eingereicht hatte und 2 % Nachlass gewährt. Ihrem Angebot lag ein Begleitschreiben bei. Das Angebot der Beigeladenen lag mit einer rechnerisch geprüften Angebotssumme in Höhe von 141.459,45 EUR an erster Stelle; dem Angebot lag ebenfalls ein Begleitschreiben bei, dem zu entnehmen war, dass sie bei Zahlung innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungsdatum 2 % Skonto gewähre oder ansonsten innerhalb von 30 Tagen nach Rechungsdatum rein netto zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Schreiben Bestandteil des Angebotes sei.
Da sich die Wertung der Angebote verzögerte, wurde die Zuschlags- und Bindefrist letztendlich um fast drei Monate bis zum 06.04.2005 verlängert.
In der Vergabeakte befindet sich sodann eine erste Angebotsauswertung des beauftragten Fachplaners für Medizintechnik ohne Datumsangabe. Er hält u.a. zum Angebot der Beigeladenen fest:
"Angeboten wird das Fabrikat "AT OS (xxx)", welches in Deutschland über die Firma xxx vertrieben wird. Der Anbieter selbst ist seit Jahren im Markt der Reinigung und Desinfektion sowie der Sterilisation vertreten und unterhält hauptsächlich Bezugsquellen in xxx. Das für die Position RD-Maschine angebotene Modell a.F. 2-135 B wird nach der beigefügten Referenzliste durchaus in einer Vielzahl von Projekten eingesetzt und kann nach Stichprobenrecherchen auch mit positiven Erfahrungen der Nutzer bestätigt werden.
Insgesamt erfüllt das Angebot alle seitens des Leistungsverzeichnisses gestellten Anforderungen an die Ausführungsqualität der Möblierungen, wie auch der technischen Anforderungen der RD-Maschine selbst."
Zum Angebot der Antragstellerin wird wörtlich vermerkt:
"Das Hauptangebot wurde um eine Alternative - hinsichtlich der Positionsbeschreibung "Hospitalausguss mit Randspülung" - (Einfügung der Bezeichnung durch die Vergabekammer) sowie ein vollständiges Nebenangebot erweitert. Das Alternativangebot bezieht sich auf die gesamte Techniknutzung von RD-Maschine und dem Ausguss, die durchaus in Erwägung gezogen werden könnte.
Das Hauptangebot erfüllt weiterhin alle gestellten Anforderungen unter Bezug auf die bereits dargestellten Zusammenhänge mit dem Schranklieferanten xxx, der hier ebenfalls eingesetzt wird.
Das Alternativangebot - gemeint ist das Nebenangebot der Antragstellerin - (eingefügt durch die Vergabekammer) bezieht sich auf einen gegenüber den gestellten Anforderungen geringeren Standard hinsichtlich der Schrankkonstruktion. Ausgeschrieben sind vollflächig geschlossene doppelwandige Konstruktionsmerkmale, die hier nicht erfüllt sind. Der im Anschreiben des Bieters genannte Grund der Verwendung in tausenden Installationen erscheint zwar plausibel, ist jedoch auch in vielen Projekten deutlich zu beobachten. Gerade in den stark frequentierten Bereichen der AR-unrein sollte auf eine höherwertige Verarbeitung und widerstandsfähigere Oberfläche geachtet werden. Aufgrund der sich darstellenden Angebotspreise "nur Möblierung" zeigt sich kein erzielter Einspareffekt durch die mindere Ausführungsqualität."
Dieser Angebotsauswertung ist ein Preisspiegel und ein Vergabevorschlag zu Gunsten des Angebots der Beigeladenen beigefügt.
Da der Projektsteuerer den Vergabevorschlag aus mehreren Gründen beanstandete, wurde der Fachplaner gebeten, die Wertung der Angebote entsprechend § 25 VOB/A durchzuführen. Es ging dabei u.a. auch um die Bewertung der von der Beigeladenen im Anschreiben verwendeten "Allgemeinen Geschäftsbedingungen". In einem Schreiben vom 13.01.2005 der Beigeladenen an den beauftragten Fachplaner für Medizintechnik erklärte diese, dass selbstverständlich nur und ausschließlich die entsprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers gelten würden.
Der beauftragte Architekt wandte sich mit Telefaxmitteilung vom 14.01.2005 an den Auftraggeber, in der es um die Antwort der Beigeladenen zur Aufklärung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Rückseite des Angebotsschreibens geht. Nach der Prüfung vermerkte der zuständige Sachbearbeiter in der Verwaltung des Auftraggebers handschriftlich am 21.01.2005 "Firma in die Wertung belassen".
Sodann befindet sich in der Vergabeakte eine Dokumentation der Prüfung der eingereichten Angebote und der Eignung der Bieter. Dort wurde u. a festgehalten, dass die Beigeladene die Bescheinigungen des zuständigen Finanzamtes und Sozialversicherungsträgers nachgereicht habe. Zum Angebot der Antragstellerin wurde vermerkt, dass sie die geforderten Nachweise und Unterlagen nachgereicht habe; der Nachweis des Sozialversicherungsträgers jedoch abgelaufen sei.
Hinsichtlich der Nebenangebote der Antragstellerin wurde zur im Begleitschreiben angebotenen Alternative - hinsichtlich der Positionsbeschreibung "Hospitalausguss mit Randspülung" festgehalten:
"Mögliche Einsparung gegenüber Hauptangebot netto EUR 4.739,43 (ohne Nachlass)
Gleichwertigkeit: Hospitalausguss mit Randspülungsversorgung über Pumpensystem
Bei dem alternativ angebotenen Randspülungssystem ist die Gleichwertigkeit gegeben. Die Alternative bezieht sich auf die Art der Versorgung des Hospitalausgusses - beim Alternativangebot erfolgt diese über das Pumpensystem der RD-Maschine. Auf die Prüfung als Nebenangebot wird wegen des zu großen Abstandes zum Bestbieter verzichtet: nein."
Zum Nebenangebot der Antragstellerin wurden keine Preise vermerkt. Hinsichtlich der Gleichwertigkeit wurde festgehalten:
"xxx-spezifische Edelstahlmöbel". Der Anbieter xxx hat ein technisches Nebenangebot eingereicht, das mit der ausgeschriebenen Leistung als nicht gleichwertig gewertet werden muss. Die Einsparung durch die Angebotsannahme unter Berücksichtigung der qualitativen Minderung der Ausführung steht nach Ansicht der auswertenden Stelle nicht im wirtschaftlichen Verhältnis, wodurch die Ablehnung des Angebotes empfohlen wird."
Weiter enthält die Vergabeakte eine Angebotsprüfung, auf der als Bearbeitungsstand Dezember 2004 vermerkt wurde, die an einer Stelle (Amt) beim Auftraggeber offenbar am 08.02.2005 eingegangen ist.
Dieser Angebotsprüfung ist zu entnehmen, dass alle Angebote vollständig und unterschrieben seien. Bei der rechnerischen Prüfung wurde ferner festgehalten, dass das zweite Angebot (Nebenangebot) der Antragstellerin, welches am preisgünstigsten war, nicht gleichwertig sei. Als preisgünstigstes Angebot unter Berücksichtigung der angebotenen Nachlässe ergab sich, dass die Beigeladene an erster Stelle lag, die Antragstellerin mit ihrem wertbaren Nebenangebot an zweiter und mit ihrem Hauptangebot an dritter Stelle.
Dann wurde festgehalten, dass alle Anbieter seit Jahren bekannt und im Markt etabliert seien. Bis auf die Antragstellerin hätten alle anderen die erforderlichen Unterlagen zur Beurteilung ihrem Angebot beigefügt. Es wurde festgehalten, dass alle Angebote vollständig und umfassend ausgefüllt und eingereicht wurden. Sowohl dem Angebot der Beigeladenen als auch dem der Antragstellerin lagen zusätzliche und erläuternde Hinweise zu den Angebotsinhalten bei. Im Anschreiben der Antragstellerin sei weiterhin eine Angebotsvariante (Positionsbeschreibung "Hospitalausguss mit Randspülung") beschrieben worden, die als Nebenangebot gewertet in die rechnerische Auswertung einbezogen worden sei. Die Antragstellerin habe weiterhin ein technisches Nebenangebot - "xxx-spezifische Edelstahlmöbel" - eingereicht, das mit der ausgeschriebenen Leistung als nicht gleichwertig gewertet werden müsse. Die Einsparung durch die Angebotsannahme unter Berücksichtigung der qualitativen Minderung der Ausführung steht nach Ansicht der auswertenden Stelle nicht im wirtschaftlichen Verhältnis, so dass die Ablehnung des Angebotes empfohlen wird. Bei der technischen Prüfung wurde festgehalten, dass alle Angebote die notwendigen Angaben und Anlagen zur Bewertung der Angebotsinhalte enthalten. Alle Hauptangebote sind gemäß den Angaben der Leistungsbeschreibung für den Einsatz innerhalb des ausgeschriebenen Leistungsumfangs als einsetzbar und qualitativ ausreichend zu bewerten.
Dem Nutzer wurde empfohlen, sich hinsichtlich der Instandhaltung und Ersatzteilversorgung sowie der technischen Unterhaltung und Versorgung mit den üblichen Verschleißteilen mit den Anbietern in Verbindung zu setzen.
Ferner wurde festgehalten, dass sich die Preise insgesamt im Vergleich zu anderen Ausschreibungen und dem derzeitigen Preisniveau im unteren Rahmen bewegten und als auskömmlich zu bewerten seien. Die Kalkulationsnachweise seien insgesamt nicht vergleichbar und bei allen Bietern nur in Teilen nachvollziehbar, da hinsichtlich der Zuordnung von Stoffkosten etc. offensichtliche Unkenntnis besteht. Unter Berücksichtigung der Hinweise der Bieter seien alle Kalkulationen nachvollziehbar. Es müsse jedoch angemerkt werden, dass streng genommen kein Bieter die Kalkulationsnachweise zu hundert Prozent richtig ausgefüllt habe Das liege nicht zuletzt auch daran, dass es für derartige Kombinationen kein ordentliches Formblatt gebe, das eine eindeutige Zuordnung ermöglicht. Insgesamt wurden die Angebote in Bewertung der kalkulatorischen Ansätze und nach den derzeitigen Marktkenntnissen als auskömmlich bewertet. Es wurde kein spezifischer Ausschluss eines vorliegenden Angebotes empfohlen. Nach Wertung der Angebote empfahl der beauftragte Fachplaner für Krankenhaustechnik, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Der zuständige Sachbearbeiter in der Verwaltung des Auftraggebers schloss sich dem Vergabevorschlag am 03.02.2005 an.
Als nächstes befindet sich in der Vergabeakte eine Stellungnahme des Projektsteuerers vom 22.02.2005 an den Auftraggeber, in der dieser kurz zu der vorgeschlagenen Vergabe Stellung nimmt. Er stellt fest, dass das von der Antragstellerin eingereichte Nebenangebot durch die Architekten/Medizinplaner in fachtechnischer und rechnerischer Hinsicht geprüft worden sei. Das Nebenangebot aber aufgrund der nicht gegebenen Gleichwertigkeit nicht gewertet werden konnte. Die Begründung zu dem Nebenangebot sei dem Vergabevorschlag der Architekten/Medizinplaner zu entnehmen. Er empfiehlt die Auftragsvergabe an die Beigeladene.
Am 15.03.2005 ergänzte der beauftragte Fachplaner für Krankenhaustechnik seinen Vergabevorschlag aufgrund des Änderungsvorschlags des RPA vom 11.03.2005 hinsichtlich der Vertragsbedingungen.
Ferner führt er hinsichtlich der Bewertungsmatrix aus:
"Da alle Angebote den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses für das Zuschlagskriterium "Qualität" in gleicher Weise entsprechen, ist der angebotene Preis das entscheidende Kriterium für die Wertungsreihenfolge der Bieter. Die Wartung wurde auf dem Formblatt "Aufforderung zur Abgabe eines Angebots" zwar als Zuschlagskriterium angekreuzt, es wurden jedoch keinerlei Wartungsdetails in die Vertragsbedingungen mit aufgenommen, so dass eine spezielle Wertung hier auch nicht stattfindet.
Für die Wertung der Haupt- und Nebenangebote wurde folgende Gewichtung herangezogen:
Preis: 95 %
Qualität: 5 %
(Wartung: 0 %)
Damit ergibt sich für die Angebote folgende Bewertungsmatrix:
Achtung: Tabelle
Bieter
Qualität (5 %)
Preis (95 %)
Summe
Bewertung
Faktor Ergebnis Bewertung Faktor Ergebnis
xxx 10
0,05 0,50 9,75 0,95 9,26 9,76
xxx 10
0,05 0,50 9,71 0,95 9,23 9,73
xxx 10
0,05 0,50 9,55 0,95 9,07 9,57
xxx 10
0,05 0,50 9,07 0,95 8,62 9,12
xxx 10
0,05 0,50 8,66 0,95 8,23 8,73
Die Fa. xxx erhält einen Punktabzug von 0,25 Punkten beim Preis, da sie als Zahlungsziel 30 Tage angibt.
Begründung:
Die VOB/B § 16 Abs. 3 besagt, dass der Anspruch auf die Schlusszahlung alsbald nach Prüfung und Feststellung der vom Auftragnehmer vorgelegten Schlussrechnung fällig wird, spätestens innerhalb von 2 Monaten.
In der Einschränkung der Fa. xxx auf 30 Tage sehen wir keinen eklatanten Widerspruch zu diesem Paragraphen, da 30 Tage ebenfalls innerhalb der 2 Monate liegen, in der die Schlussrechnung geprüft werden kann. Wir gehen davon aus, dass der Bauherr die Schlussrechnungen VOB-konform alsbald nach Schlussrechnungslegung prüft und nicht die Frist von vornherein auf 2 Monate festsetzt. Dies wäre unseres Erachtens VOB-widrig.
(3) Hygienegutachten
Die Dokumentation über die Prüfung des Hygienegutachtens reichen wir in der 13. KW 2005 nach."
Am 18.03.2005 stimmte das zuständige RPA des Auftraggebers dem Vergabevorschlag unter Beachtung seiner Prüfbemerkungen zu. Zunächst weist es darauf hin, dass die Unterlagen am 09.02.2005 zur Prüfung vorgelegt worden seien und diese bis zum 18.03.2005 vervollständigt worden seien. Ferner führte es u.a. aus, dass der von der Beigeladenen gewährte Nachlass im Widerspruch zur Vertragsgrundlage stehe. Für Schlusszahlungen seien 2 Monate i.S.v. § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/Büblich. Es bat darum, dies bei der Wertung zu berücksichtigen.
Mit Schreiben vom 23.03.2005 informierte der Auftraggeber die Antragstellerin, dass auf ihr Angebot leider kein Zuschlag erteilt werden konnte, da ein niedrigeres Hauptangebot vorläge. Ob und warum ihre Nebenangebote nicht berücksichtigt werden konnten, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 30.03.2005 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabe und führte aus, dass lt. übersandtem Protokoll der Verdingungsverhandlung eine Firma xxx ein Angebot abgegeben habe, nicht jedoch die Beigeladene.
Ferner beanstandet sie die Nichtberücksichtigung ihres Nebenangebotes, das gleichwertig und deutlich günstiger sei als das Angebot der Bietergemeinschaft xxx/xxx.
Schließlich rügt sie, dass bei der Wertung ausschließlich die Angebotssumme berücksichtigt worden sei. Der Auftraggeber habe sich insoweit nicht an seine eigenen Zuschlagskriterien gehalten.
Sie führt aus, dass die von ihr angebotene Qualität bei den Reinigungs- und Desinfektionsautomaten deutlich besser sei als die der Beigeladenen. Die Qualitätsunterschiede beträfen die Kammertür des Reinigungsautomaten, die Steuerung, die Ablaufstutzen der Waschkammer und die Hauptreinigungsdüse. Auch seien ihre Produkte hinsichtlich der Wertungskriterien "Wartung" und Betriebskosten im Vorteil.
Mit Schreiben vom 04.04.2005, eingegangen in der Vergabekammer am selben Tage, beantragte die Antragstellerin die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens. Zur Begründung ihrer Auffassung vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Rügeschreiben an den Auftraggeber.
Abschließend weist sie darauf hin, dass in dem Klinikum seit vielen Jahren ihre Geräte im Einsatz seien, was wiederum zu einer Kosteneinsparung bei der Wartung führen würde, da die Wartungsintervalle zusammengelegt werden könnten. Auch sei dem Klinikum die Wartungsfreundlichkeit ihrer Geräte bekannt.
Soweit der Auftraggeber die Gestattung der Zuschlagserteilung gemäß § 115 Abs. 2 GWB beantragt, tritt die Antragstellerin dem entgegen und führt aus, dass der Auftraggeber den von ihm beschriebenen Zeitdruck selbst zu verantworten habe, da er zuvor mehrfach um Verlängerung des Zuschlagstermins gebeten habe.
Ferner habe der Auftraggeber nicht ausgeführt, worin die ganz außergewöhnlichen wirtschaftlichen Belastungen liegen, die eine vorzeitige Zuschlagserteilung rechtfertigen würden.
Nach Durchführung der eingeschränkten Akteneinsicht begründet sie den Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen mit einem Verstoß gegen § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A. Die Beigabe eigener allgemeiner Geschäftsbedingungen bei der Angebotsabgabe stelle eine Änderung der Verdingungsunterlagen dar. Zur Begründung ihrer Auffassung verweist sie auf eine Entscheidung des VÜA Bayern aus dem Jahr 1999.
Da die Beigeladene ferner in ihrem Angebot ein kürzeres Zahlungsziel genannt habe als in der VOB/B vorgesehen, stellt auch dies eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen dar. Das von der Beigeladenen eingereichte abgeänderte Angebot (Beifügen der AGB und Änderung der Zahlungsbedingungen) könne auch nicht als nichttechnisches Nebenangebot gewertet werden, da nichttechnische Nebenangebote nur in Verbindung mit einem Hauptangebot gewertet werden konnten. Die Beigeladene habe jedoch kein zulässiges Hauptangebot vorgelegt.
Hinsichtlich der Wertung ihres technischen Nebenangebotes - "xxx-spezifische Edelstahlmöbel" - geht sie davon aus, dass der Auftraggeber ihr Nebenangebot falsch gewertet habe. Auf der Skizzenzeichnung sei eindeutig erkennbar, dass der Schrankaufbau doppelwandig erfolge. Es wäre Aufgabe des Auftraggebers gewesen, sich im Zweifelsfall über das Nebenangebot aufklären zu lassen.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
diesen Antrag schnellstmöglich an die Antragsgegnerin zuzustellen;
- 2.
die Antragsgegnerin zu verpflichten, über den Zuschlag nur unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer insgesamt neu zu entscheiden;
- 3.
der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakte zu gewähren;
- 4.
die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären;
- 5.
der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
- 6.
den Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen.
Der Auftraggeber beantragt,
- 1.
die Vergabeentscheidung für das Gewerk 22 KHA-MT 2004.1.3 RD-Maschinen Los 6 als rechtmäßig festzustellen und die Kosten des Verfahrens einschließlich Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen,
- 2.
gemäß § 115 GWB die Gestattung der Zuschlagserteilung.
Der Auftraggeber führt aus, dass das Nebenangebot der Antragstellerin nicht zur Wertung zugelassen werden konnte, da eine wesentlich geringere Qualität angeboten worden sei. Insoweit sei die angebotene Leistung nicht gleichwertig. Ferner bestehen seiner Meinung nach keine Unklarheiten über die Firma xxx. Er habe irrtümlich in der Verhandlungsniederschrift die Firmenbezeichnung xxx/xxx eingetragen. Diese Bezeichnung sei vom Paketaufkleber übernommen worden. Herr xxx sei ein Mitarbeiter der Firma xxx. Die Firma xxx habe die Ausschreibungsunterlagen auch seinerzeit bei ihm angefordert und am 12.10.2004 bei ihm eingereicht. Die Wertung der Angebote sei nach den Kriterien Preis, Qualität, Wartung und Betriebskosten entsprechend der Bewertungsmatrix erfolgt. Danach liege das Angebot der Beigeladenen an 1. Stelle. Die angegebenen Unterschiede bestehen weder bei den nicht geforderten Kriterien oder beruhen auf fehlerhaften Annahmen der Antragstellerin.
Seinen Antrag auf vorzeitige Gestattung des Zuschlags begründet der Auftraggeber damit, dass der zügige Bauablauf für den Erweiterungsbau des Kreiskrankenhauses im Interesse der Allgemeinheit liege. Das Kreiskrankenhaus 1. BA solle Ende 2005 fertig gestellt sein. Jede Verzögerung würde sich auf den Endtermin auswirken und erhebliche finanzielle Nachteile für das Land und den Landkreis mit sich bringen.
Die Beigeladene hat keine eigenen Anträge gestellt und auch nichts zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 26.04.2005 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil der Auftraggeber in mehrfacher Hinsicht gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoßen hat. Das vom Auftraggeber favorisierte Hauptangebot der Beigeladenen war bereits gemäß §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b, 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A auf der ersten Wertungsstufe von der Wertung auszuschließen, weil die Beigeladene in ihrem Hauptangebot mit der Verkürzung des Zahlungszieles die von dem Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen vorgegebenen Zahlungsbedingungen geändert hat. Auch hat der Auftraggeber das Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB verletzt, indem er es entgegen den Vorgaben des § 30 Abs. 1 VOB/A versäumt hat, wichtige Verfahrensschritte zu dokumentieren und seine Prüfungen und Entscheidungen im Vergabeverfahren nachvollziehbar zu begründen. Er hat insbesondere nicht ausreichend dokumentiert, dass er das von ihm nach derzeitigem Stand des Vergabeverfahrens nicht berücksichtigte Nebenangebot Nr. 1 der Antragstellerin als nicht gleichwertig bewertet hat. Ferner hat er gegen § 25 VOB/A verstoßen, weil er es versäumt hat, alle von ihm bekannt gemachten Zuschlagskriterien in die Wertung einzubeziehen und zudem die Gewichtung des Kriteriums Preis entgegen einer zuvor niedergelegten prozentualen Gewichtung unzulässig um weitere 5 % auf 95 % angehoben hat.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
Bei dem Auftraggeber handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB für die gesamte Baumaßnahme. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um den Umbau und Erweiterung des Kreiskrankenhauses xxx, Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen Los 6, Einrichtung für Arbeitsraum-unrein, und damit um einen Bauauftrag i.S.d. § 99 Abs. 1 und Abs. 3 GWB, für den gem. § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 5 Mio. Euro gilt. Für die ausgeschriebene Leistung beträgt die Vergabesumme nach dem Hauptangebot der Beigeladenen 141.459,45 EUR. Werden Bauaufträge, wie der Umbau und die Erweitung des Kreiskrankenhauses xxx, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. Euro oder bei Losen unterhalb 1 Mio. Euro deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung erreicht der Wert der ausgeschriebenen Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen und Funktionsmöbel zwar weder den Schwellenwert von 5 Mio. Euro noch den Wert von 1 Mio. Euro. Gleichwohl ist hier der Anwendungsbereich des 4. Teils des GWB eröffnet. Denn der Auftraggeber hat das streitbefangene Los EU-weit im offenen Verfahren gem. § 3 a VOB/A ausgeschrieben und als zuständige Nachprüfungsstelle die (aufgelöste, s. dazu nächster Absatz) Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg angegeben. Dadurch hat der Auftraggeber den rechtlichen Rahmen (§§ 102 ff. GWB) für die Nachprüfung festgelegt. Die Wirkung dieser Festlegung steht in einer Selbstbindung des Auftraggebers, dass er das verfahrensgegenständliche Los nicht dem 20%-Kontingent nach § 2 Nr. 7 VgV zuordnet, für welches das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet wäre (vgl. BayObLG, Beschluss v. 20.08.2001, Az.: Verg 9/01; BGH NJW 1998, S. 3636 ff., 3638) [BGH 08.09.1998 - X ZR 48/97]. Das Vergabeverfahren ist damit einer Nachprüfung durch die Vergabekammer grundsätzlich zugänglich.
Die Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in der Regierungsvertretung Lüneburg ist auch für das Nachprüfungsverfahren sachlich und örtlich zuständig, da ihr mit Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 02.12.2004 (Az.: 26.3 - 32571/23 - VORIS 72081) sämtliche Zuständigkeiten der im Zuge der Auflösung der Bezirksregierungen mit Ablauf des 31.12.2004 aufgelösten Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg übertragen wurden.
Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, der Auftraggeber habe ihr Nebenangebot Nr. 1 zu Unrecht von der Angebotswertung ausgeschlossen, obwohl die Voraussetzungen für einen Ausschluss gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b, Nr. 4, § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A nicht vorlägen und ihr Nebenangebot das wirtschaftlichste Angebot sei. Auch habe der Auftraggeber die Wertung aller Angebote anhand der Zuschlagskriterien vergaberechtswidrig durchgeführt. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig dargelegt, dass sie sogar eine Aussicht auf Erhalt des Zuschlags gehabt hätte, wenn der Auftraggeber die Angebotswertung ohne die von der Antragstellerin gerügten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße durchgeführt hätte.
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen. Dies gilt für sämtliche von der Antragstellerin geltend gemachten vermeintlichen Mängel des Vergabeverfahrens, die ihr bis dahin ersichtlich sein mussten. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Ein Anbieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Voraussetzung ist dabei die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes hat die Antragstellerin die vermeintlichen Vergaberechtsverstöße rechtzeitig gerügt. Der Auftraggeber hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 23.03.2005, eingegangen bei der Antragstellerin am 24.03.2005 (Gründonnerstag), gem. § 13 VgV darüber informiert, dass beabsichtigt sei, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Mit Anwaltsschreiben vom 30.03.2005, eingegangen bei dem Auftraggeber am 30.03.2005, rügte die Antragstellerin die Vergabeentscheidung des Auftraggebers, wobei sie detailliert darlegte, warum ihrer Auffassung nach ihr Nebenangebot Nr. 1 zu werten war. Unter Berücksichtigung des zwischen dem 25.03.2005 (Karfreitag) und dem 28.03.2005 (Ostermontag) liegenden Osterwochenendes und der berechtigten Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes erfolgte die Rüge der Antragstellerin unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.
Unverzüglich und damit rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 1 Satz 1 GWB gerügt hat die Antragstellerin die Auswertung der Angebote insgesamt und den Ausschluss ihres Nebenangebots Nr. 1. Der Nachprüfungsantrag ist demnach zulässig.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Der Auftraggeber hat entgegen § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A das Hauptangebot der Beigeladenen nicht ausgeschlossen, obgleich es dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A nicht entsprach, weil es hinsichtlich der Verkürzung des Zahlungsziels unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen aufwies. Die Tatsache, dass die Beigeladene ihrem Hauptangebot ihre eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zugrunde gelegt hat, bedeutet entgegen der Auffassung der Antragstellerin für sich keinen zwingenden Ausschluss (im Folgenden a). Ferner ist nicht ersichtlich, ob und inwieweit der Auftraggeber sich mit den Nebenangeboten der Antragstellerin, insbesondere mit dem Nebenangebot 1, ausreichend auseinandergesetzt hat. Dies gilt für die gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b, Nr. 4, § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A notwendige Prüfung der Vergleichbarkeit und Gleichwertigkeit der Nebenangebote mit dem im Leistungsverzeichnis abgeforderten Hauptangebot, die angesichts der großen Erfahrung der Antragstellerin auf dem geforderten Gebiet jedenfalls in einem Aufklärungsgespräch erfolgen musste. Gleichzeitig hat der Auftraggeber damit gegen § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem er es versäumt hat, wichtige Verfahrensschritte in der Vergabeakte gem. § 30 Nr. 1 VOB/Aübersichtlich zu dokumentieren (im Folgenden b). Schließlich hat der Auftraggeber bei seiner Wertung der Angebote gegen § 25 VOB/A verstoßen, indem er seine ursprünglich bekannt gemachten vier Zuschlagskriterien im abschließenden Vergabevermerk auf den Angebotspreis und die Qualität reduziert hat, darüber hinaus die zuvor schriftlich niedergelegte Gewichtung der Kriterien geändert hat. Darin liegt wiederum eine Verletzung des § 97 Abs. 1 GWB i. V. m . § 30 VOB/A. So ist anhand der Vergabeakte nicht ausreichend nachvollziehbar, wie der Auftraggeber bei der Wertung der Angebote die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes zur Nivellierung von zwei Zuschlagskriterien gekommen ist. Hinreichend dokumentiert ist nur, dass der Auftraggeber sich lediglich mit den Angebotspreisen und der Qualität befasst hat (im Folgenden c).
a)
Der Ausschlusskatalog des § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A räumt dem Auftraggeber entgegen den fakultativen Ausschlussregelungen des § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A im Interesse der Gleichbehandlung aller Bieter kein Ermessen dahingehend ein, ob er das Angebot ausschließt oder nicht, sofern die Voraussetzungen einer der dort geregelten Fallgruppen vorliegen. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A werden Angebote ausgeschlossen, die dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A nicht entsprechen. Nach § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A sind Änderungen an den Verdingungsunterlagen unzulässig. Die Bieter müssen grundsätzlich davon ausgehen, das der Auftraggeber die Leistung so angeboten haben will, wie er sie in den Verdingungsunterlagen festgelegt hat. Falls Bieter eine andersgeartete Leistung oder eine Leistung zu anderen Bedingungen für zweckmäßig halten, können sie einen Änderungsvorschlag machen oder ein Nebenangebot einreichen, soweit diese nicht ausgeschlossen sind. Angebote, bei denen Änderungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen wurden, sind deshalb folgerichtig auszuschließen. Das gleiche gilt für den Fall, dass ein Bieter die vom Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen vorgegebenen Zahlungsbedingungen in seinem Angebot geändert hat (vgl. Rusam in: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Auflage, A § 25, Rdnr. 8, m.w.N.). Änderungen an Verdingungsunterlagen sind in jedem Fall unzulässig, da sie die Vergleichbarkeit der Angebote gefährden. Gehen die Bieter von unterschiedlichen Voraussetzungen aus, fehlt es an der Vergleichbarkeit der eingereichten Angebote (vgl. Brinker/Ohler in: Beck'scher VOB-Kommentar, § 25 VOB/A, Rdnr. 17; Franke/Grünhagen, VOB, § 21 VOB/A, Rdnr. 142, m.w.N.). Neben dem Schutz des Wettbewerbs und der Gleichbehandlung aller Bieter sowie der Vergleichbarkeit der Angebote bezweckt die zwingende Ausschlussregelung des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A gerade auch, dass der Auftraggeber eigenverantwortlich bestimmen kann, zu welchen Bedingungen er den Vertrag abschließen möchte (vgl. Franke/Grünhagen, a.a.O., § 25 VOB/A, Rdnr. 141). Die Beifügung eigener AGB führt dann zwingend zum Ausschluss eines ansonsten wirtschaftlich und technisch einwandfreien Angebotes, wenn der Bieter seine AGB in das Angebot ausdrücklich einbezogen hat (vgl. Franke/Grünhagen, a.a.O., § 25 VOB/A, Rdnr. 167; BGHZ 117, 194 [BGH 12.02.1992 - VIII ZR 84/91]). Stehen Allgemeine Geschäftsbedingungen zu den Vertragsbedingungen des Auftraggebers im Widerspruch, stellt dies ohne weiteres eine Änderung der Verdingungsunterlagen dar, es sei denn, der Bieter bezeichnet ein solches Angebot eindeutig als Nebenangebot, was die Beigeladene im vorliegenden Fall ausdrücklich nicht getan hat. Eine Änderung an den Verdingungsunterlagen ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Vertragsbedingungen des Auftraggebers in der Regel eine AGB-rechtliche Abwehrklausel enthalten. Im Zweifel enthalten auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftragnehmers solche Abwehrklauseln, so dass dies nach der Rechtsprechung zur Folge hat, dass bei zwei widersprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine dieser Vertragsbedingungen gilt. Es liegt dann ein Dissens vor, der dazu führt, dass die vom Auftraggeber gewollte Vertragsbedingung gerade nicht zum Vertragsbestandteil wird, wenn es zur Zuschlagserteilung kommt (vgl. BGH, NJW 1985, S. 1838 ff., 1839 [BGH 20.03.1985 - VIII ZR 327/83]; Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, VergabeR, § 97, Rdnr. 53, 54).
Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes hat die Beigeladene im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen, indem sie in ihrem Hauptangebot das Zahlungsziel entgegen § 16 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 VOB/B auf 30 Tage verkürzt hat. Das Begleitschreiben der Beigeladenen vom 11.10.2004 enthält folgenden Passus: "Auf alle genannten Preise gewähren wir bei Zahlung innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungsdatum 2 % Skonto oder ansonsten innerhalb von 30 Tagen nach Rechnungsdatum rein netto zusätzlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Dieses Schreiben ist Bestandteil unseres Angebots." Die Beigeladene hat somit kein vorbehaltloses Angebot abgegeben, sondern ihrem Hauptangebot eine ausdrückliche Bedingung hinzugefügt. Entsprechend war das vom Auftraggeber favorisierte Hauptangebot der Beigeladenen von der Wertung auszuschließen, weil es hinsichtlich der Kürzung des Zahlungsziels eine Abweichung von den Verdingungsunterlagen auswies.
Nicht zwingend zum Ausschluss führt es indessen für sich allein betrachtet, dass die Beigeladene ihrem Angebot die eigenen AGB beigefügt hatte. Die Beigeladene hat auf Nachfrage aufgeklärt, dass es sich insoweit um ein Versehen handelte. Hier ist zu berücksichtigen, dass es sich um einen Standardvordruck auf der Rückseite des Geschäftspapiers handelt, den die Beigeladene bei jeglichem Briefwechsel verwendet. Die Beigeladene hat nicht ausdrücklich im Angebotsanschreiben auf eigene Geschäftsbedingungen verwiesen hat oder in sonstiger Weise auf dem vorbehaltlos zu unterschreibenden Angebotsvordruck EVM (B) Ang einen ausdrücklichen Vorbehalt unter Bezugnahme auf ihre AGB aufgenommen, vielmehr umgehend ihr Versehen aufgeklärt. Sie hat damit kein bedingtes Angebot abgegeben. Es stand in dieser Situation im Ermessen des Auftraggebers, ihr Angebot trotz Beigabe der AGB der Beigeladenen in der Wertung zu belassen. Allerdings kam es angesichts des zwingenden Ausschlusses wegen der Abänderung der Zahlungsbedingungen hierauf nicht mehr an.
b)
Der Auftraggeber hat es entgegen § 30 VOB/A versäumt, wichtige Verfahrensschritte zu dokumentieren, so dass insbesondere der Ausschluss des Nebenangebots Nr. 1 der Antragstellerin gemessen an den Vorgaben des Transparenzgebotes gem. § 97 Abs. 1 GWB nicht hinreichend nachvollziehbar ist. Die an einem Vergabeverfahren beteiligten Bieter haben gem. § 97 Abs. 7 GWB ein subjektives Recht auf ausreichende Dokumentation des Vergabeverfahrens und insbesondere der wesentlichen Entscheidungen im Vergabeverfahren (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 03.08.1999, NZBau 2000, S. 44 ff.).
Gemäß § 30 Nr. 1 VOB/A ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. Sinn dieser Bestimmung ist es, die Überprüfbarkeit der im Rahmen des Vergabeverfahrens getroffenen Feststellungen und Entscheidungen herbeizuführen (vgl. Franke/Grünhagen, VOB/A § 30, Rdnr. 1, m.w.N.). Der Anwendungsbereich des § 30 Nr. 1 VOB/A erstreckt sich dabei sowohl auf den formalen Verfahrensablauf als auch materiell auf die Maßnahmen, Feststellung und Begründung der einzelnen Entscheidungen. Der Vergabevermerk ist chronologisch zu fassen und muss sich dabei an der in der VOB/A vorgeschriebenen Reihenfolge orientieren (vgl. Beck'scher VOB-Kommentar, A § 30, Rdnr. 12). Zu den materiellen Entscheidungen zählen insbesondere die Entscheidungen, bei denen die Vergabestelle eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, wie beim Ergebnis der Prüfung der Angebote, Angaben über Verhandlungen mit Bietern und deren Ergebnis, sowie das Ergebnis der Wertung der Angebote (vgl. VK Sachsen, Beschluss v. 30.04.01, Az.: 1/SVK/23-01). Ebenso sind im Vergabevermerk die Gründe für die Erteilung des Zuschlags auf das betreffende Angebot anzugeben. Es ist eine nach § 30 Nr. 1 VOB/A zwingende Pflicht des Auftraggebers, die Auswahlentscheidung als wesentliche Entscheidung in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren, um für den Bewerber die erforderliche Überprüfbarkeit zu gewährleisten (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 08.03.1999, a.a.O.). Eine fehlende Dokumentation wesentlicher Schritte bis zur Vergabeentscheidung ist daher rechtsfehlerhaft und führt zu einer Nichtvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidung. Daraus folgt, dass im Vermerk die Gründe so dezidiert festzuhalten sind, dass auch einem Außenstehenden bei Kenntnis der Angebotsinhalte deutlich erkennbar und nachvollziehbar wird, warum gerade auf das betreffende Angebot der Zuschlag erteilt werden soll. Mängel der Erkennbarkeit und der Nachvollziehbarkeit in diesem Bereich gehen daher zu Lasten der Vergabestelle.
Zwar hat das von dem Auftraggeber beauftragte Planungsbüro ausweislich der Vergabeakte eine Prüfung und Auswertung der Angebote vorgenommen und einen Vergabevorschlag gefertigt. Dieser Vermerk genügt jedoch nicht den Anforderungen des § 30 Nr. 1 VOB/A, da es nicht möglich ist, anhand der Angebotsauswertung und des Vergabevorschlags die Entscheidung nachzuvollziehen. Der in der Vergabeakte enthaltene Ausschluss des Nebenangebots Nr. 1 beschränkt sich auf folgende Feststellungen:
"Das Alternativangebot bezieht sich auf einen gegenüber den gestellten Anforderungen geringeren Standard hinsichtlich der Schrankkonstruktion. Ausgeschrieben sind vollflächig geschlossene doppelwandige Konstruktionsmerkmale, die hier nicht erfüllt sind. Der im Anschreiben des Bieters genannte Grund der Verwendung in tausenden Installationen erscheint zwar plausibel, ist jedoch auch in vielen Projekten deutlich zu beobachten. Gerade in den stark frequentierten Bereichen der AR-unrein sollte auf eine höherwertige Verarbeitung und widerstandsfähigere Oberfläche geachtet werden. Aufgrund der sich darstellenden Angebotspreise "nur Möblierung" zeigt sich kein erzielter Einspareffekt durch die mindere Ausführungsqualität."
Hierzu ist festzuhalten, dass gerade angesichts der langjährigen Erfahrung der Antragstellerin hinsichtlich der ausgeschriebenen Produkte, des beanstandungsfreien Einsatzes der xxx-spezifischen Möbel in zahlreichen Einrichtungen und der Tatsache, dass sich dem Nebenangebot entnehmen lässt, dass die hoch belasteten Teile des Korpus der Möbel doppelwandig ausgestaltet sind, ein Aufklärungsgespräch angezeigt gewesen wäre. Zwar weist die allgemeine Baubeschreibung zur Ausführung der Edelstahl-Einrichtung den Passus "Korpus: selbsttragende Konstruktion in einwandiger Bauweise, Blechstärke 1,0 mm." auf, aber es lässt sich dem Nebenangebot im Detail zu einzelnen Möbeln aus dem Passus "vorbereitet für ISO-Trägersystem" die teilweise doppelwandige Ausführung der Einrichtung entnehmen. Maßgeblich für den Auftraggeber war letztlich die höhere Widerstandsfähigkeit in den Bereichen der Möbel, die einer starken Beanspruchung ausgesetzt sind. Sollte der Auftraggeber unter Würdigung der genannten Umstände gleichwohl zum Ergebnis kommen, das Nebenangebot Nr. 1 der Antragstellerin nicht zu berücksichtigen, wäre auf das nach erneuter Anwendung aller bekannt gemachter Zuschlagskriterien nächstrangige Angebot zurückzugreifen.
Das Nebenangebot Nr. 1 der Antragstellerin war nicht schon deshalb gem. §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b, Nr. 4, 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A zwingend auszuschließen, weil in den Verdingungsunterlagen die technischen Mindestanforderungen zur Wertung von Nebenangeboten nicht gesondert aufgeführt waren. Im Verfahren hat sich keiner der Beteiligten darauf berufen. Es ist zunächst festzuhalten, dass das Erfordernis von Mindestanforderungen für die Wertung von Nebenangeboten in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt wird. Während das OLG Rostock in seinem Beschluss vom 24.11.2004, Az. Verg 6/04) und das BayObLG in seinem Beschluss vom 22.06.2004, Az.: Verg 13/04, unter Berufung auf das Urteil des EuGH vom 16.10.2003, Az. C-421-01 (= VergabeR 2004, S. 50 [EuGH 16.10.2003 - C 421/01]) entschieden hat, dass ein zugelassenes Nebenangebot dann nicht gewertet werden kann, wenn der Auftraggeber weder in der Vergabebekanntmachung noch in den Verdingungsunterlagen die Mindestanforderungen erläutert hat, welche die Nebenangebote erfüllen müssen, hat die VK Schleswig-Holstein in ihrem Beschluss vom 03.11.2004, Az.: VK SH 28/04 (= IBR 12/2004, S. 715) das Erfordernis von technischen Mindestbedingungen für die Wertung von Nebenangeboten verneint. Ausreichend sei vielmehr, wenn der Auftraggeber nach den Ausschreibungsunterlagen fordert, dass Nebenangebote auf einer besonderen Anlage kenntlich gemacht werden, deutlich gekennzeichnet seien und eine eindeutige und erschöpfende Beschreibung enthalten müssen. Ferner müsse das Nebenangebot so beschaffen sein, dass es der Auftraggeber bei der Abgabe des Angebotes als gleichwertig beurteilen kann.
Die angerufene Vergabekammer teilt die Auffassung der VK Schleswig-Holstein, dass sich aus dem Urteil des EuGH vom 16.10.2003 (VergabeR 2004, S. 50 [EuGH 16.10.2003 - C 421/01] mit Anm. Opitz sowie Anm. Bultmann, ZfBR 2004, S. 88 [EuGH 16.10.2003 - C 421/01]) das vom BayObLG statuierte restriktive Erfordernis der Definition und Bekanntmachung von technischen Mindestanforderungen als zwingende Voraussetzung für die Wertung von Nebenangeboten nicht ableiten lässt. Die Vergabekammer Lüneburg vertritt die Auffassung, dass eine transparente und den Anforderungen des Gleichheitsgrundsatzes genügende Wertung technischer Nebenangebote bereits dadurch gewährleistet wird, dass der Auftraggeber verpflichtet ist, in den Verdingungsunterlagen gem. § 9 Abs. 1 VOB/A die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben und gem. § 9 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A alle für eine einwandfreie Preisermittlung relevanten Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben hat. Die damit zwingend vorgegebene Bekanntmachung und Definition von Eckpunkten des Auftragsgegenstandes bietet bereits eine hinreichende Grundlage für die Wertung von Nebenangeboten, zumal der Bieter nach inzwischen einhelliger Rechtsprechung verpflichtet ist, die Gleichwertigkeit seiner Nebenangebote nachzuweisen.
Im vorliegenden Fall waren den Verdingungsunterlagen für den ausgeschriebenen Auftrag zahlreiche detaillierte technische Anforderungen beigegeben. Mit dem OLG Schleswig (Beschluss vom 15.02.2005, Az. 6 Verg 6/04) geht die Kammer davon aus, dass es jedenfalls einer separaten Festlegung von technischen Mindestbedingungen für Nebenangebote nicht bedarf, wenn die Anforderungen bereits durch technische Normen belegt sind. Dementsprechend sind die Anforderungen an die Nebenangebote ausreichend klar bestimmbar, separate technische Mindestanforderungen für Nebenangebote in den Ausschreibungsunterlagen sind unter diesen Umständen nicht erforderlich. Vielmehr reichte die grundsätzliche Forderung nach Gleichwertigkeit der Nebenangebote, um diese werten zu können.
c)
Unabhängig davon, zu welchem Ergebnis die neue Bewertung des Nebenangebots Nr. 1 führt, ist im vorliegenden Fall indessen schwerwiegend, dass der Auftraggeber entgegen den oben zu b) aufgeführten Anforderungen des § 30 VOB/A nicht hinlänglich dokumentiert hat, inwieweit die übrigen von ihm vorgegebenen Zuschlagskriterien außer dem Kriterium Preis bei der Wertung Berücksichtigung gefunden haben. Der Auftraggeber hatte als Zuschlagskriterien Preis, Qualität, Wartung und Betriebskosten bekannt gemacht, zuvor eine Gewichtung von
"Preis 90 %, Qualität 4 %, Wartung 3 % und Betriebskosten 3 %"
in der Vergabeakte festgehalten.
Der Auftraggeber hatte offensichtlich entgegen seinen Erwartungen bei der Ausschreibung keine Angebote erhalten, die zu den drei Kriterien Qualität, Wartung und Betriebskosten maßgeblich voneinander abwichen. Dementsprechend hat er den Preis in seiner abschließenden Bewertungsmatrix auf 95 % hoch gewichtet, die Qualität auf 5 % gesetzt, die Wartung auf 0 %, die Betriebskosten erschienen nicht mehr. In der mündlichen Verhandlung hat der Auftraggeber erklärt, die ohnedies hohen Qualitätsanforderungen seien von allen Bewerbern erfüllt, aber auch nicht überschritten worden. Auch habe sich die richtige Gewichtung der Wartung als unerwartet schwierig dargestellt, weil die Wartungsverträge nicht mit der Lieferung verbunden seien, so dass letztendlich sich seine Wirtschaftlichkeitsprüfung auf den Preis reduziert habe.
Es stellt gewissermaßen den Idealfall der sich aus den o. a. Grundsätzen ergebenden Transparenz dar, wenn der Auftraggeber vor der Ausschreibung bereits eine Bewertungsmatrix erstellt und diese im Rahmen der Ausschreibung öffentlich macht. Die Grundsätze der Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Vergabeverfahrens erfordern es jedoch auch, dass diese Grundsätze nach ihrer Veröffentlichung nicht mehr verändert werden. Dies ergibt sich bereits aus dem Gedanken, dass sich die Bewerber bei Erstellung des Angebots auf die seitens des Auftraggebers genannten Bewertungskriterien einstellen, um ein möglichst den Anforderungen und Wünschen des Auftraggebers entsprechendes Angebot abzugeben. Dies kommt insbesondere dem Auftraggeber zugute. Dementsprechend ergibt sich bereits zwingend aus dem Transparenzgebot, dass mit der Ausschreibung einmal bekannt gemachte Kriterien nachträglich dann nicht mehr verändert werden können und dürfen, wenn die Bewerber aufgrund erfolgter Angebotsabgabe nicht mehr in der Lage sind, ein entsprechend der Veränderung der Wertungskriterien geändertes Angebot abzugeben.
Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, eine genaue prozentuale Gewichtung anzugeben, muss im Bereich der VOB-Verfahren auch nicht entsprechend der gewählten Reihenfolge gewichten. Nach der nicht einheitlichen Rechtsprechung ist jedoch der Preis mit mindestens 30 % zu gewichten (vgl. Rusam in: Heiermann / Riedl / Rusam, VOB, 10. Auflage, A § 25, Rdnr. 54, m.w.N.). Soweit sich der Auftraggeber bei den Wertungskriterien Zuschlagskriterien benennt, bedeutet dies zwar nicht, dass dies selbst im Falle unerwarteter Ergebnisse völlig unveränderbar ist. Der Auftraggeber kann vor der Angebotseröffnung nie vorab wissen, welches Ergebnis das Verfahren bringt. Daher können auch Änderungen nicht gänzlich ausgeschlossen sein. Es muss dem Auftraggeber möglich sein, zumindest in Maßen auf unerwartete Ausschreibungsergebnisse zu reagieren.
Im vorliegenden Fall durfte der Auftraggeber grundsätzlich für einzelne Zuschlagskriterien alle Angebote auf gleichem Niveau bewerten, hätte jedoch seine Erkenntnisse bereits in der Vergabeakte in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vergabevermerk dokumentieren müssen und darlegen müssen, warum sich im konkreten Fall das wirtschaftlichste Angebot im Ergebnis ausschließlich über den Preis ermitteln ließ. Der Auftraggeber hatte dazu im Einzelnen zu begründen, dass die Angebote hinsichtlich der übrigen Zuschlagskriterien möglicherweise keine signifikanten Unterschiede aufwiesen oder keine entsprechenden Rückschlüsse zuließen. Für das Kriterium der Wartung gibt die Kammer zu bedenken, dass es in dem technisch empfindlichen Bereich von Reinigungs- und Desinfektionsmaschinen und zugehörigen Möbeln die Wartung ein wichtiger Kostenfaktor ist. Jedenfalls war es aber unzulässig, das Kriterium des Preises von 90 auf 95 % hoch zu gewichten. Die Bieter konnten bei vier veröffentlichten Zuschlagskriterien nicht davon ausgehen, dass der Preis quasi ganz allein entscheidet.
Bereits dieser Verstoß führt zu einer Vergaberechtswidrigkeit der Auftragsvergabe und macht eine Neubewertung erforderlich, wobei der Auftraggeber seine ursprüngliche Bewertungsmatrix zugrunde legen muss.
Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen der festgestellten Verstöße gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot ist es erforderlich, den Auftraggeber zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten und diese unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen. Dabei hat er insbesondere das Hauptangebot der Beigeladenen auszuschließen, sich mit den Nebenangebot Nr. 1 der Antragstellerin hinsichtlich Gleichwertigkeit und Vergleichbarkeit auseinanderzusetzen, seine ursprüngliche Wertungsmatrix zu beachten und Prüfung und Ergebnis in der Vergabeakte in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren. Von einer Aufhebung des streitbefangenen Vergabeverfahrens konnte die Vergabekammer dagegen absehen. Die von der Vergabekammer im Tenor zu 1 verfügte Verpflichtung des Auftraggebers ist bereits geeignet und angemessen, die festgestellte Rechtsverletzung der Antragstellerin zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Der Auftraggeber wird darauf hingewiesen, dass er nach erneuter Wertung die Bieter im Vergabeverfahren vor Zuschlagserteilung erneut gemäß § 13 VgV informieren muss.
Angesichts der zeitnahen Entscheidung der Kammer und der Tatsache, dass der Auftraggeber die Zuschlagsfrist um insgesamt knapp 4 Monate verlängert hat, war eine Entscheidung über den Antrag auf Gestattung der vorzeitigen Zuschlagserteilung gem. § 115 Abs. 2 GWB entbehrlich.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500,00 EUR, die Höchstgebühr 25.000,00 EUR bzw. in Ausnahmefällen 50.000,00 EUR beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.518,00 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert für das hier streitbefangene Los 6 beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 138.387,58 EUR. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Nebenangebot Nr. 1 der Antragstellerin für das streitbefangene Los 1 und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt an Hand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500,00 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000,00 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000,00 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 138.387,58 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.518,00 EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB unterlegen ist.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragstellerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war auf Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von einem fachkundigen, erfahrenen Bieter wie der Antragstellerin grundsätzlich verlangen darf, dass er über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOB/A verfügt, bedurfte er für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen Bieter ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306) [BVerwG 10.04.1978 - 6 C 27/77]. Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Angesichts der oben erörterten Tatsache, dass der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen. Da die Beigeladene den Vortrag des Auftraggebers unterstützt hat, ist sie ebenfalls unterlegen i.S.d. § 128 Abs. 3 Satz 1 und 4 Satz 2 GWB. Eine Verpflichtung der Beigeladenen zur Beteiligung an den von dem Auftraggeber zu tragenden Kosten des Nachprüfungsverfahrens wäre indessen unbillig, da die oben unter II. dargelegten Vergaberechtsverletzungen allein in der Sphäre des Auftraggebers begründet liegen und nicht der Beigeladenen zuzurechnen sind.
Der Auftraggeber wird aufgefordert, den Betrag von 2.518,00 EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxx innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen:
NORD/LB (BLZ 250 500 00) Konto 106035355
IV.
[...]
Schulte
Hellermann