Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 23.06.2005, Az.: VgK-23/2005

Dienstleistungsausschreibung bzgl. der Einsammlung und des Transports von Siedlungsabfällen; Fehlende Angaben zur Gewichtung der Preisfaktoren für die Wertanpassungsklausel; Vergaberechtliche Zulässigkeit eines einseitigen Verzichts auf die Wertanpassungsklausel; Berücksichtigung fehlender Angaben im Rahmen des fakultativen Angebotsausschlusses; Anforderungen an die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 S. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen; Inhaltliche Grenzen der Nachverhandlungsmöglichkeit des Auftraggebers; Mindestanforderungen zur Wertbarkeit von Nebenangeboten; Anforderungen an die Pflicht zur Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
23.06.2005
Aktenzeichen
VgK-23/2005
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 22315
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOL-Vergabeverfahren Einsammlung und Transport der Siedlungsabfälle aus privaten Haushalten und anderen Herkunftsbereichen in der Stadt xxx

In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer BOR Weyer
auf die mündliche Verhandlung vom 23.06.2005
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Auftraggeber wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und dabei das Angebot der Beigeladenen auszuschließen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Auftraggeber.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 3.120 EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Der Auftraggeber hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

1

I.

Am 11.03.05 wurde die Dienstleistung "Einsammlung und Transport der Siedlungsabfälle aus privaten Haushalten und anderen Herkunftsbereichen in der Stadt xxx" für den Zeitraum vom 01.07.2005 bis zum 31.12.2009 im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben.

2

Nach Ziff. IV.2 der Bekanntmachung soll der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot auf Grund der in den Unterlagen genannten Kriterien erteilt werden. Als Angebotsfrist wurde der 25.04.05 genannt. Nebenangebote und Alternativvorschläge sollen berücksichtigt werden.

3

Die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots vom 25.02.05 informiert die Bieter über die Angebots-, Binde- und Zuschlagfristen und enthält den Hinweis, dass Unklarheiten der Vergabeunterlagen schriftlich mit dem Auftraggeber zu klären sind. Sie enthält eine Liste der 6-teiligen Verdingungsunterlagen und ihrer 10 Anlagen.

4

Die Bewerbungsbedingungen enthalten unter Ziff. 2.9 Regelungen für Nebenangebote. Diese werden für die Ausführung der Dienstleistung zugelassen, jedoch nur im Zusammenhang mit der Abgabe eines Hauptangebotes gewertet. Als Rahmenbedingungen werden die für das Jahr 2005 festgelegte Tourenplanung und die bestehenden Satzungsvorgaben genannt.

5

Gemäß den Ausführungen zu den Zuschlagskriterien in Teil 3 soll der Zuschlag auf das Angebot erteilt werden, das für den Auftraggeber nach Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlich am annehmbarsten ist. Als für die Wertung maßgeblich werden die nach Teil 5 "Leistungsverzeichnis" vorgelegten Einzelpreise zur Ermittlung des Angebotspreises genannt. Neben dem Angebotspreis unter Ziff. 6.1 des Leistungsverzeichnisses sollen auch die Ergebnisse der Ziffern 6.2, 6.3 und 6.4 (Alternativpositionen bei Einrichtung eines Umschlagplatzes für Haus- und/oder Sperrmüll) im Rahmen der Prüfung der Wirtschaftlichkeit herangezogen werden. Angekündigter Bestandteil der Angebotsprüfung ist die Wertanpassungsklausel. Die Wirtschaftlichkeit der gesetzten Wertigkeiten wird anhand der Barwertmethode ermittelt.

6

Zulässige Nebenangebote sollen bei der Frage der Wirtschaftlichkeit nachrangig zum Angebotspreis und zu den Alternativpositionen berücksichtigt werden. Berücksichtigt werden auch voraussichtliche Kosten, die dem Auftraggeber bei Anwendung des Nebenangebotes entstehen.

7

Unter Ziff. 4.2 bis 4.10 der Leistungsbeschreibung in Teil 4 wird der Umfang der Dienstleistung beschrieben. Hierbei hat der Auftraggeber unter Ziff. 4.3 und 4.7 als Alternativpositionen seine Planungen zur Einrichtung von bisher nicht vorgehaltenen Umschlagplätzen für Haus- und Sperrmüll erläutert.

8

In den Anforderungen an das anzubietende System unter Ziff. 4.11 verlangt der Auftraggeber u.a., dass der Auftragnehmer für alle Anschlusspflichtigen und für ihn selbst während der üblichen Öffnungszeiten vor Ort erreichbar ist. Hierfür ist ein entsprechender Telefondienst einzurichten, wo Anfragen und Beschwerden entgegengenommen und beantwortet werden. Die für diese Aufgabe eingesetzten Mitarbeiter müssen entsprechend qualifiziert sein. Die Telefonnummer ist zu Beginn der Dienstleistung über die Presse bekannt zu geben.

9

Unter der Überschrift "Allgemeine Anforderung an die Dienstleistung" wird darauf hingewiesen, dass im Falle eines Wechsels des bestehenden Abfuhrsystems u.a. die Zustimmung des Auftraggebers, im Falle der Einführung eines Mehrschichtsystems zusätzlich auch die Zustimmung der Stadt xxx einzuholen ist. Das Abstimmungserfordernis mit der Stadt xxx wird mit den beengten Verhältnissen im Stadtkern und befürchteten Verkehrsengpässen begründet.

10

Mit dem Auftraggeber abzustimmen ist auch der Zeitpunkt sämtlicher Einsammlungstouren, da der Auftraggeber diesbezüglich eigenen Koordinierungsbedarf sieht, weil im städtischen Bereich nicht sämtliche Abfallfraktionen an einem Tag abgeholt werden können. Die Tourenplanung für das Jahr 2005 kann nicht mehr verändert werden.

11

Zur Durchführung der Dienstleistung wird der Einsatz (auch farblich) einheitlicher Fahrzeuge nach dem neuesten Stand der Technik und in neuwertigem Zustand verlangt. Die Fahrzeuge sind ortsnah unterzubringen, der Anfahrtsweg darf max. 25 km betragen.

12

Im Leistungsverzeichnis in Teil 5 werden unter den Ziff. 5 und 6 die Einzelpreise und Angebotssummen abgefragt.

13

In Teil 6 wird die Angebotssumme abgefragt, hierbei unter Ziff. 6.2, 6.3 und 6.4 die Kosten für die in den Zuschlagskriterien erwähnten und unter Ziff. 4.3 und 4.7 beschriebenen Alternativpositionen (Einrichtung eines Umschlagplatzes für Hausmüll, Sperrmüll oder beides).

14

Der als Anlage 3 beigefügte Entsorgungsvertrag enthält 16 vom Auftraggeber für den Auftrag ausgearbeitete Regelungen.

15

Mit § 1 Abs. 2 wird der Auftragnehmer an die Satzung für die Abfallbeseitigung für den LK xxx und die Gebührensatzung gebunden. Diese sind in ihrer jeweils geltenden Fassung Bestandteile des Vertrages. Satzungsänderungen mit Auswirkungen auf den Vertrag ist durch eine entsprechende Vertragsänderung Rechnung zu tragen. In § 2 Abs. 4 werden Vertragsstrafen in Höhe von 10 % des zuletzt gezahlten monatlichen Abfuhrentgeltes (ohne Umsatzsteuer), mindestens aber 500 EUR pro Tag, festgelegt für den Fall, dass die Entsorgung aus vom Auftragnehmer zu vertretenden Gründen unterbleibt. Die Regelung des § 8 bindet die Vergütung an das öffentliche Preisrecht und legt fest, dass im Falle einer behördlich oder gerichtlich festgestellten preisrechtlichen Unzulässigkeit der geforderten Entgelte die preisrechtlich höchstzulässigen Entgelte ab dem Zeitpunkt der Feststellung als vereinbart gelten. § 11 regelt die Änderung der mit dem Leistungsverzeichnis angebotenen und in den §§ 9 und 10 festgelegten Entgelte. Haben sich die für die Berechnung der Entgelte maßgeblichen Kostenfaktoren um mehr als 10 % einer im Vertrag erwähnten Anlage 1 geändert, kann verlangt werden, dass das Entgelt auf der Basis der Ergebnisse der Preisklausel jeweils zum 01.01. des Folgejahres erhöht oder vermindert wird. Diese Anpassung muss bis zum 30.09. angezeigt werden. Sie darf zu einer Veränderung des Einzelpreises um max. 2 % führen.

16

§ 13 Abs. 4 und § 14 Abs. 2 des Vertrages berechtigen den Auftraggeber zur außerordentlichen Kündigung nach gerichtlich rechtskräftig festgestelltem Verstoß gegen Vergaberecht - in diesem Fall werden Schadensersatzansprüche des Auftragnehmers vertraglich ausgeschlossen - sowie im Falle einer Veräußerung oderÜbertragung von mehr als 25 % der Gesellschaftsanteile an Dritte.

17

Anlage 4 enthält die Berechnungsformel und Erläuterungen zur Wertanpassungsklausel sowie auf S. 2 eine zwingend vom Bieter auszufüllende Abfrage der Anteile der Löhne und lohngebundenen Kosten, der Kraftstoffkosten, der Investitionskosten und eines festen indexunabhängigen Preisanteils am Grundpreis, welche als Faktoren in die Berechnung zur Wertanpassungsklausel einfließen.

18

Die Zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZVB) in der Anlage 5 enthalten allgemeine Regelungen, u.a. ebenfalls zum Preis, zur Änderung der Vergütung, zur Ausführung der Leistung, zu Subunternehmern, zur Auftragsentziehung, zu Kündigung oder Rücktritt, zur Bezahlung, Abtretung und zu Vertragsänderungen. In dem den Verdingungsunterlagen als Anlage 6 beigefügten Formblatt für die Besonderen Vertragsbedingungen hat der Auftraggeber lediglich Eintragungen in Ziff. 6 Sicherheitsleistungen nach § 18 VOL/B vorgenommen. Hier hat er eine Sicherheit in Höhe von 5 % der Auftragssumme festgelegt.

19

Zur Kalkulation ist den Verdingungsunterlagen die Abfallbilanz für die Jahre 1992 bis 2003 als Anlage beigefügt, darüber hinaus enthalten die Verdingungsunterlagen für alle zu entsorgenden Abfallarten Angaben zu Touren und Müllmengen im Jahr 2004 sowie weitere Anlagen mit den für die Angebotserstellung notwendigen Informationen. Außerdem erhielten die Bieter die für die Angebotskennzeichnung erforderlichen Aufkleber und ein vom Auftraggeber verfasstes 3-seitiges Formblatt für ein Angebotsschreiben.

20

Innerhalb der Angebotsfrist gab es mehrere Bieteranfragen und Rügen. Die Rüge eines Bieters - der jetzigen Beigeladenen - betraf den Leistungsbeginn. Dieser war bereits Gegen-stand eines anderen Nachprüfungsverfahrens, welches durch Antragsrücknahme beendet wurde.

21

Mit Schreiben vom 21.03.05 rügte die Antragstellerin von ihr festgestellte Fehler und Vergaberechtsverstöße in den Verdingungsunterlagen. Sie rügte die Zuschlagskriterien und beanstandete hierbei u.a., dass die Wertanpassungsklausel nicht vollinhaltlich vom Auftraggeber vorgegeben werde, um eine Vergleichbarkeit der Angebote zu Gewähr leisten.

22

Die Rüge betrifft des Weiteren verschiedene Positionen der Leistungsbeschreibung. U.a. seien die Anforderungen an die zur Durchführung der Dienstleistung einzusetzenden Fahrzeuge, die Festlegungen über die vom Auftraggeber erwartete örtliche Präsenz und die Regelungen der Zustimmungsvorbehalte unklar bzw. unbestimmt.

23

Auch Entsorgungsvertrag, die Zusätzlichen und die Besonderen Vertragsbedingungen werden von der Antragstellerin in mehrfacher Hinsicht beanstandet. U.a. werden neben der nicht einheitlich festgelegten Wertanpassungsklausel die Möglichkeit zu einseitigenÄnderungen des Vertragsinhaltes ohne Kostenanpassungsanspruch, zu hohe Vertragsstrafen, unzulässige Bindungen an preisrechtliche Prüfungen, die Begrenzung der Preisanpassung, die Regelungen zur außerordentlichen Kündigung sowie Widersprüchlichkeiten und fehlende Abstimmungen in bzw. zwischen den einzelnen Vertragsbestandteilen gerügt.

24

Die beanstandeten Regelungen der Verdingungsunterlagen enthielten ungewöhnliche Wagnisse für den Auftragnehmer.

25

Der Auftraggeber gab mit Schreiben vom 07.04.05 an die Antragstellerin Erläuterungen zu den beanstandeten Regelungen der Vergabeunterlagen, einen Anlass für entsprechende Änderungen hat er nicht gesehen. Die Antragstellerin setzte sich in ihrer erneuten Rüge vom 14.04.05 mit der Antwort des Auftraggebers auseinander, teilte diesem mit, dass sie ihr Rügeschreiben vom 21.03.05 vollinhaltlich aufrecht erhalte und forderte den Auftraggeber zu entsprechenden Korrekturen auf. Mit Schreiben vom 22.04.05 wies der Auftraggeber diese Forderung zurück.

26

Der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung und dem Vergabevermerk ist zu entnehmen, dass 7 Angebote, dazu zwei Nebenangebote der Antragstellerin, fristgerecht eingegangen sind. Eines der Angebote wurde wegen fehlender Nachweise ausgeschlossen. Zwei Angeboten, dem Angebot der Beigeladenen und dem Angebot Nr. 1, war die Anlage 4 Wertanpassungsklausel zwar beigefügt worden, die Bieter hatten jedoch nicht die zwingend verlangten Eintragungen zur Gewichtung der Kostenanteile vorgenommen. Der Landkreis interpretierte die fehlenden Eintragungen als Verzicht auf eine Wertanpassung während der Vertragslaufzeit. Eine Verhandlung zur Klarstellung gem. § 24 VOL/A am 03.05.05 mit der Beigeladenen ergab, dass diese davon ausgegangen war, dass die Wertanpassungsklausel erstnach Vertragsabschluss ausgefüllt werden müsse. Die Beigeladene akzeptierte, dass diese Eintragungen nicht nachgeholt werden konnten, und erklärte, dass ihr Angebot trotzdem gelte und die Dienstleistung ohne Wertanpassung durchgeführt werden könne.

27

Die Antragstellerin hatte für ihr Hauptangebot eine Wertanpassungsklausel mit der geforderten Gewichtung der Kostenanteile beigefügt, für die Nebenangebote nicht. Der Auftraggeber bezog die vorgelegte Wertanpassungsklausel auch auf die Nebenangebote. Das Hauptangebot und die Nebenangebote der Antragstellerin wurden geprüft und nicht beanstandet. Für ihre Nebenangebote, mit denen der Einsatz von Seitenladerfahrzeugen und der Einsatz von Heckladern in einem Betrieb mit 1,5 Schichten angeboten wurde, hatte die Antragstellerin in den Angebotsschreiben erklärt, dass die Bedingungen für Nebenangebote nach Ziff. 2.9 der Bewerbungsbedingungen eingehalten werden. Eine vom Auftraggeber selbst vorgenommene Klärung bezüglich der Zustimmungsvorbehalte ergab im Ergebnis laut Vergabevermerk keine grundsätzlichen Bedenken.

28

Bei Wertung der Angebote nach Maßgabe der vorgegebenen Kriterien stellte der Auftraggeber fest, dass alle von den Bietern angebotenen Alternativen bezüglich eines Umschlagplatzes für Haus- und/oder Sperrmüll auf Grund der insgesamt unwirtschaftlichen Umsetzung nicht wirtschaftlich sind. Sie sollten deshalb bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes vernachlässigt werden. In die Wertung einbezogen wurde die Wertanpassung. Nach den Darstellungen des Vergabevermerks erfolgte die Berechnung nach der Kapitalwertmethode auf der Basis der Indizes der Jahre 2001-04 und einer Verzinsung von 6 %. Die Wertungsergebnisse wurden für alle Angebote tabellarisch zusammengefasst.

29

Die Tabelle enthält die von den Bietern ermittelten Angebotspreise sowie die vom Auftraggeber errechneten Angebotspreise nach Berücksichtigung der Wertanpassung. Bei deren Berechnung hat der Auftraggeber die Bieterangaben zur Gewichtung der einzelnen Kostenelemente bzw. für das Angebot der Beigeladenen und das Angebot Nr.1 den Verzicht auf eine Wertanpassung mit dem Faktor 0 berücksichtigt.

30

Für die Beigeladene wurden ein rechnerisch geprüfter Angebotspreis von 2.273.044,87 EUR und als "Angebotspreis unter Berücksichtigung der Wertanpassung" ein Betrag von 2.002.805,09 EUR eingetragen. Der günstigste Angebotspreis der Antragstellerin (Nebenangebot 2) ist mit 2.240.933,87 EUR verzeichnet, nach Berücksichtigung der Wertanpassung beträgt ihr Angebotspreis 2.020.362,53 EUR. Im Vergleich der Angebote liegt das Angebot der Beigeladenen auf Rang 1, dass Nebenangebot 2 der Antragstellerin folgt mit geringem Abstand auf Rang 2.

31

Mit Schreiben vom 11.05.05 teilte der Auftraggeber den Bietern mit, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden soll. Mit Schriftsatz vom 13.05.05 rügte die inzwischen anwaltlich vertretene Antragstellerin die Information nach § 13 VgV und die Vergabeabsicht und bekräftigte ihre bisherigen Rügen. Der Auftraggeber beantwortete die Rüge mit Schreiben vom 18.05.05.

32

Mit Anwaltsschriftsatz vom 20.05.2005, eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, hat die Antragstellerin schließlich die Vergabekammer angerufen.

33

Sie begründet ihren Nachprüfungsantrag mit den beim Auftraggeber gerügten Mängeln der Vergabeunterlagen und geht davon aus, dass sich der Umstand der unzulässigen Berücksichtigung der Wertanpassungsklausel sowie die als ungewöhnliche Wagnisse zu wertenden zahlreichen Unklarheiten und Widersprüche der Vergabeunterlagen zu ihren Lasten ausgewirkt haben. Nach Akteneinsicht trägt sie ergänzend vor, der Auftraggeber hätte das offensichtlich unvollständige Angebot der Beigeladenen zwingend vom Vergabeverfahren ausschließen müssen. Statt dessen habe der Auftraggeber mit der Beigeladenen unter Verstoß gegen § 24 VOL/A über den Inhalt ihres Angebotes nachverhandelt. Das Angebot beinhalte zudem bezüglich der Vernachlässigung der vom Auftraggeber ausdrücklich gewünschten Preisgleitung eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen. Die von ihr vorgelegten Nebenangebote seien vom Auftraggeber zu Recht in die Wertung einbezogen worden, da mit der Ausschreibung durchaus allen Bietern die Möglichkeit eröffnet wurde, Nebenangebote in Abweichung vom bisherigen System "Hecklader im Einschichtbetrieb" vorzulegen, sofern bei diesen Nebenangeboten Tourenplanung und Satzung eingehalten werden, was für ihre Nebenangebote auch der Fall sei.

34

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist, und den Auftraggeber zu verpflichten, das bzw. die Angebote der Beigeladenen vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen;

  2. 2.

    den Auftraggeber zu verpflichten, die Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten;

  3. 3.

    hilfsweise andere geeignete Anordnungen zur Wahrung der Rechte der Antragstellerin zu treffen;

  4. 4.

    dem Auftraggeber die Kosten des Nachprüfungsverfahrens, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Antragstellerin, aufzuerlegen;

  5. 5.

    die Hinzuziehung ihrer Bevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.

35

Der Auftraggeber beantragt,

  1. 1.

    den Antrag der Antragstellerin vom 20.05.05 abzuweisen,

  2. 2.

    die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.

36

Er tritt den Behauptungen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen. Bezüglich der Kritik der Antragstellerin an der Wertanpassungsklausel verweist er auf eine Entscheidung des OLG Celle vom 30.04.99, in welcher ein vergleichbares Vorgehen bei der Wertung einer Preisgleitklausel nicht beanstandet worden sei. Die von der Antragstellerin gerügten Ungenauigkeiten der Verdingungsunterlagen seien von keinem anderen Bieter gerügt worden. Da die Antragstellerin mit ihrem Nebenangebot 2 sogar an zweiter Stelle liege, gehe ihr Einwand, sie habe aus den von ihr vorgetragenen Gründen kein wirtschaftliches Angebot erstellen können, ins Leere.

37

Die Beigeladene beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

  2. 2.

    hilfsweise: das Vergabeverfahren aufzuheben.

38

Die Beigeladene hat nach Akteneinsicht am 06.06.05 und entsprechender Rüge vom 14.06.05 beim Auftraggeber die Wertung der Nebenangebote der Antragstellerin beanstandet. Sofern die Nebenangebote nicht bereits wegen fehlender Festlegung von Mindestbedingungen von der Wertung auszuschließen seien, müsse ein Wertungsausschluss erfolgen,

  • weil die Antragstellerin bei diesen Nebenangeboten die Rahmenbedingung "Hecklader im Einschichtsystem" vernachlässigt habe - ein Systemwechsel sei allenfalls nach Auftragsvergabe unter Beachtung der vorgegebenen Zustimmungs- und Abstimmungsregelungen möglich - und
  • weil die Nebenangebote nicht mit der Tourenplanung und der Satzung vereinbar seien.

39

Eine Akzeptanz und Wertung der Nebenangebote der Antragstellerin verstoße schließlich gegen § 97 GWB, da die Verdingungsunterlagen bei verständiger Würdigung nicht erkennen ließen, dass von den genannten Rahmenbedingungen abweichende Nebenangebote zulässig sein sollten. Deshalb habe die Beigeladene auf Abgabe eines solchen Angebotes verzichtet.

40

Da die Antragstellerin im Ergebnis mit ihrem verbleibenden Hauptangebot keine Chance auf den Zuschlag habe, sei sie nach § 107 Abs. 2 GWB nicht antragsbefugt.

41

Bezüglich der von ihr nicht vorgenommenen Gewichtung der Kostenanteile für die Wertanpassungsklausel trägt sie vor, dass eine Eintragung nur für den Fall zwingend hätte vorgenommen werden müssen, wenn von der Wertanpassung Gebrauch gemacht werden solle. Dass eine Wertanpassung zwingend stattzufinden habe, sei den Verdingungsunterlagen nicht zu entnehmen. Der Auftraggeber habe die fehlenden Eintragungen zutreffend als Verzicht auf eine Preisanpassung interpretiert.

42

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 23.06.2005 Bezug genommen.

43

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Der Auftraggeber hat gegen den vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 97 Abs. 2 GWB und das Transparenzgebot gem. § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem er das Angebot der Beigeladenen bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes berücksichtigt hat, obwohl die Beigeladene die nach den Verdingungsunterlagen zwingend beizufügende Gewichtung der preisbildenden Faktoren für die Wertanpassungsklausel nicht angegeben hat. Da die Wertanpassungsklausel unter Berücksichtigung der vom Bieter anzugebenden Gewichtung der preisbildenden Faktoren - wie im Leistungsverzeichnis bekannt gegeben - vom Auftraggeber ausdrücklich im Rahmen der Prüfung der Wirtschaftlichkeit herangezogen wurde, ist der Auftraggeber gehalten, das Angebot der Beigeladenen gem.§ 25 Abs. 2 lit. a VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A von der Wertung auszuschließen. Der vom Auftraggeber im Zuge der Angebotswertung und der Aufklärungsverhandlung gem. § 24 VOL/A unterstellte einseitige Verzicht der Beigeladenen auf die Wertanpassungsklausel war vergaberechtlich nicht zulässig, weil nach dem Vertragsentwurf nicht nur der Auftragnehmer, sondern auch der Auftraggeber ein Recht auf Anpassung der Vergütung haben soll. Demgegenüber ist entgegen der Auffassung der Beigeladenen nicht zu beanstanden, dass der Auftraggeber in dem Hauptangebot auch die beiden Nebenangebote der Antragstellerin in der Wertung berücksichtigt hat. Der Auftraggeber ist nicht gehalten, die Nebenangebote der Antragstellerin wegen Abweichens von Vorgaben in den Verdingungsunterlagen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A von der Wertung auszuschließen. Auch der hilfsweise gestellte Antrag der Beigeladenen, das Vergabeverfahren aufzuheben, war als unbegründet zurückzuweisen.

44

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Auftraggeber handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag betreffend die Einsammlung und den Transport der Siedlungsabfälle aus privaten Haushalten und anderen Herkunftsbereichen in der Stadt xxx für den Zeitraum 01.07.2005 bis 31.12.2009, für den gem. § 2 Nr. 3 der Vergabeverordnung (VgV) ein Schwellenwert von 200.000 EUR gilt. Der Wert des streitbefangenen Auftrags überschreitet diesen Schwellenwert bei weitem. Selbst unter Zugrundelegung des vom Auftraggeber ausweislich der Vergabeakte als niedrigstes Angebot ermittelten Angebotes der Beigeladenen betragen die Kosten für die ausgeschriebenen Dienstleistungen bereits 2.002.805,09 EUR.

45

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie die Auffassung vertritt, der Auftraggeber sei verpflichtet, das favorisierte Angebot der Antragstellerin auszuschließen, weil diese - unstreitig - den Vordruck mit den Angaben der Gewichtung der Preisfaktoren für die Wertanpassungsklausel zwar unterschrieben und beigefügt, jedoch keine Eintragungen vorgenommen hat. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, VergabeR, § 107, Rdnr. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, 2. Aufl., § 107 GWB, Rdnr. 954). Sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte, was sich vorliegend schon daraus ergibt, dass sie ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen Preisübersicht mit ihrem Nebenangebot 2 das wirtschaftlich an zweiter Stelle rangierende Angebot abgegeben hat. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24). Das tatsächliche Vorliegen der Rechtsverletzung ist vielmehr eine Frage der Begründetheit (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 24.11.1999, Az.: 13 Verg 7/99).

46

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme zu rügen. Bereits in der Phase der Angebotserstellung rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 21.03.2005 Verschiedene von ihr festgestellte vermeintliche Fehler und Vergaberechtsverstöße in den Verdingungsunterlagen, die sie nunmehr im Nachprüfungsverfahren nur noch hilfsweise, für den Fall, dass ihr auf Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen gerichteter Hauptantrag zurückgewiesen werden sollte, weiterhin geltend macht. So beanstandete sie unter anderem, dass der Auftraggeber die Gewichtung der einzelnen Kostenelemente für die Wertanpassungsklausel in das Ermessen der Bieter gestellt habe, was nach Auffassung der Antragstellerin zu nicht vergleichbaren Angeboten führe. Ferner sei nicht erkennbar, wann und unter welchen Voraussetzungen der Auftraggeber die anzubietenden Alternativpositionen in Anspruch nehmen werde. Kritisiert wurden auch die Anforderungen des Auftraggebers an die örtliche Präsenz des Bieters und die Beschaffenheit der einzusetzenden Fahrzeuge sowie die Höhe der im Vertragsentwurf vorgesehenen Vertragsstrafe. Diese vermeintlichen Unzulänglichkeiten wie auch die im Vertragsentwurf vorgesehenen Regelungen zum außerordentlichen Kündigungsrecht des Auftraggebers beanstandete die Antragstellerin als ungewöhnliches Wagnis für den Auftragnehmer. Nachdem der Auftraggeber die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.05.2005 gem. § 13 VgV darüber informiert hat, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden soll, rügte die Antragstellerin diese Entscheidung des Auftraggebers bereits mit Anwaltsschriftsatz vom 13.05.2005. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden etwa beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses vermeintliche Ungenauigkeiten festgestellt, kann bereits positive Kenntnis vorliegen (vgl. 2. VK Bund, Beschluss v. 20.04.2000, Az.: VK 2-6/00). Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 bis 3 Tagen erfolgen (OLG Koblenz, Beschluss v. 18.09.2003, Az.: 1 Verg 4/00; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff.) kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert. Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes erfolgten sowohl die Rügen hinsichtlich der vermeintlichen Unzulänglichkeiten der Verdingungsunterlagen wie auch hinsichtlich der Entscheidung, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen, unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.

47

2.

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Der Auftraggeber ist zur Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gem. § 97 Abs. 2 GWB und des Transparenzgebots gem. § 97 Abs. 1 GWB gehalten, das von ihm für den Zuschlag favorisierte Angebot der Beigeladenen gem. § 25 Abs. 2 lit. a VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A von der Wertung auszuschließen. Da die Wertanpassungsklausel unter Berücksichtigung der vom Bieter anzugebenden Gewichtung der preisbildenden Faktoren - wie im Leistungsverzeichnis bekannt gegeben - vom Auftraggeber ausdrücklich im Rahmen der Prüfung der Wirtschaftlichkeit herangezogen wurde, waren diese Angaben entgegen der Auffassung des Auftraggebers und der Beigeladenen nicht verzichtbar. Da die Angaben Auswirkungen auf den Preis und damit auf die Wirtschaftlichkeit des Angebotes haben, wäre der Auftraggeber auch nicht befugt, die fehlenden Angaben im Rahmen der Aufklärungsverhandlung gem. § 24 VOL/A von der Beigeladenen nachzufordern, geschweige denn, durfte der Auftraggeber das Fehlen dieser preisrelevanten Angaben als Verzicht auf eine Preisanpassung interpretieren (im Folgenden a). Dagegen hat der Auftraggeber die von der Beigeladenen beanstandeten Nebenangebote der Antragstellerin zu Recht bei der Angebotswertung berücksichtigt. Der Auftraggeber ist nicht gehalten, die Nebenangebote der Beigeladenen wegen Abweichens von den Verdingungsunterlagen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A von der Wertung auszuschließen (im Folgenden b).

48

a)

Der Auftraggeber war nicht berechtigt, das Angebot der Beigeladenen trotz fehlender Angabe der Gewichtung der Kostenfaktoren für die Anwendung der Wertanpassungsklausel zu berücksichtigen. Er ist vielmehr gehalten, das Angebot der Beigeladenen von der Angebotswertung auszuschließen, weil eine Nachforderung dieser preis- und wertungsrelevanten Angaben im Rahmen einer Aufklärungsverhandlung gem. § 24 Nr. 1 und Nr. 2 VOL/A nicht zulässig ist. Zwar folgt die Verpflichtung zum Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht bereits aus § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A. Danach sind Angebote, für deren Wertung wesentliche Preisangaben fehlen, zwingend von der Angebotswertung auszuschließen. Für die insoweit gleich lautende Regelung des § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A hat der BGH mit Urteil vom 07.01.2003 (Az.: X ZR 50/01 = VergabeR 5/2003, S. 558 ff.) den zwingenden Charakter dieser Regelung betont und die damit verbundene Beschränkung des Beurteilungs- und Entscheidungsspielraums des Auftraggebers herausgestellt. Er hat entschieden, dass ein Angebot, das nicht alle geforderten Preisangaben enthalte und deshalb nicht § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A entspricht, zwingend auszuschließen ist, denn ein Ausschluss komme nicht etwa nur dann in Betracht, wenn das betreffende Angebot im Ergebnis nicht mit anderen Angeboten verglichen werden kann. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren, wie es die VOB/A Gewähr leisten solle, sei nur zu erreichen, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote abgegeben werden. Das Angebot der Beigeladenen enthält jedoch ebenso wie das Angebot der Antragstellerin alle vom Leistungsverzeichnis vorgegebenen Einzelpreise, Zwischensummen und Endpreise. Bei den im Angebot der Beigeladenen fehlenden Angaben zur Gewichtung der Preisfaktoren für die Preisgleitklausel handelt es sich nicht um Preisangaben im Sinne des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A.

49

Es handelt sich vielmehr um preis- und kalkulationsrelevante und damit auch um wertungsrelevante Angaben, deren Fehlen der Auftraggeber im Rahmen des fakultativen Angebotsausschlusses gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A berücksichtigen muss. Nach dieser Regelung können Angebote, die nicht die geforderten Angaben und Erklärungen enthalten, von der Angebotswertung ausgeschlossen werden. Im Gegensatz zur entsprechenden zwingenden Regelung in § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A liegt die Entscheidung über Ausschluss und Wertung eines Angebotes mit fehlenden Angaben und Erklärungen daher grundsätzlich im Ermessen des Auftraggebers. Eine Ermessensreduzierung auf Null in Richtung eines Ausschlusses kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Das OLG Celle hat mit Beschluss vom 11.03.2004, Az.: 13 Verg 3/2004, zur Frage eines fakultativen Ausschlusses eines Angebotes gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A wegen unvollständiger Eignungsnachweise betont, dass ein zwingender Angebotsausschluss und eine damit verbundene Ermessensreduzierung auf Null nur dann gegeben ist, wenn der Auftraggeber die Folge eines zwangsläufigen Ausschlusses bei Nichterbringung der geforderten Nachweise für die Bieter unmissverständlich in den Verdingungsunterlagen zum Ausdruck gebracht hat. Andernfalls ist der Auftraggeber gehalten, fehlende Nachweise im Rahmen der Aufklärungsverhandlungen nach § 24 VOL/A nachzufordern. Im vorliegenden Fall hat der Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen die Bieter unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die Gewichtung für die Wertanpassungsklausel zwingend anzugeben ist. Eine ausdrückliche Androhung eines automatischen Angebotsausschlusses im Falle der Nichtbeibringung enthalten die Verdingungsunterlagen dagegen nicht. Im Gegensatz zu den Fällen fehlender Eignungsnachweise ist dem Auftraggeber jedoch im vorliegenden Fall eine Nachforderung der Angaben zur Gewichtung der Kalkulationsfaktoren für die Preisgleitklausel im Rahmen des § 24 VOL/A verwehrt, weil diese Angaben preisrelevant sind und im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung vom Auftraggeber auch berücksichtigt wurden. In § 11 Abs. 1 des mit den Verdingungsunterlagen übersandten Vertragsentwurfes heißt es:

"Die in den §§ 9 Abs. 1 und 3 sowie § 10 festgelegten Entgelte beruhen auf den in Anlage 1 aufgeführten Kostenfaktoren. Bei Änderung dieser Faktoren wird das Entgelt auf der Basis der Ergebnisse der Preisklausel neu festgelegt."

50

Die Unabdingbarkeit dieser Wertanpassungsklausel hat der Auftraggeber unter Ziffer 3.1 (Zuschlagskriterien) der Verdingungsunterlagen ausdrücklich festgelegt. Dort heißt es:

"Die Wertanpassungsklausel ist Bestandteil der Angebotsprüfung nach Ziffer 6.1. Die Wirtschaftlichkeit der gesetzten Wertigkeiten wird anhand der Barwertmethode ermittelt."

51

Die Preisgleitklausel ist entsprechend dieser Festlegung mit den vom Bieter anzugebenden Gewichtungen ausweislich der Vergabeakte auch tatsächlich bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes unter Zugrundelegung der Barwertmethode berücksichtigt worden. Die Angaben waren daher weder verzichtbar noch konnten sie im Rahmen der Aufklärung nach § 24 VOL/A nachgefordert werden. Gemäß § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A darf der Auftraggeber nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung mit einem Bieter nur verhandeln, um Zweifel über die Angebote oder die Bieter zu beheben. Gemäß § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A sind andere Verhandlungen, insbesondere über Änderungen der Angebote oder Preise, unstatthaft. Bei § 24 VOL/A handelt es sich ebenso wie bei § 24 VOB/A um eine Ausnahmevorschrift, deren Grenzen im Interesse der jeweils anderen Bieter restriktiv zu sehen sind (vgl. Weyand, VergabeR, § 24 VOB/A, Rdnr. 4251, 4263 m.w.N.). Die Nachverhandlung ist dem Auftraggeber ausschließlich als eine Aufklärungsmaßnahme im engeren Sinne gestattet. Sie darf nicht dazu dienen, dem Bieter eineinhaltlicheÄnderung oder Ergänzung seines Angebotes zu ermöglichen (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 02.07.2002, Az.: 13 Verg 6/02). Aufklärungsverhandlungen können insgesamt nur dazu dienen, einen feststehenden Sachverhalt aufzuklären, nicht aber diesen zu verändern (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 14.03.2001, Az.: Verg 30/00). Wird einem Bieter im Rahmen der Aufklärung Gelegenheit zur Änderung seines Angebotes gegeben, entstehen Manipulationsmöglichkeiten. Außerdem wird der zu solchen Angaben berechtigte Bieter gegenüber anderen Bietern unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot bevorzugt.

52

Der Auftragsgeber hat diese Problematik im Zusammenhang mit dem Angebot der Antragstellerin ausweislich der Vergabeakte durchaus erkannt. In der Ergänzung zum Vergabevermerk vom 28.04.2005 heißt es:

"Zwei der Unternehmen haben die Wertanpassungen nicht vervollständigt (xxx GmbH und xxx GmbH (Beigeladene)). Die Abgabe der nicht ausgefüllten Wertanpassungen wird dahingehend ausgelegt, dass eine Wertanpassung während der Vertragslaufzeit nicht erfolgen soll. Die Angebote werden entsprechend gewertet ... Vor einer endgültigen Entscheidung sollte daher mit der Firma xxx (Beigeladene) eine Verhandlung nach § 24 VOL/A Abschn. 2 geführt werden, um klarzustellen, ob die nicht ausgefüllte Wertanpassung richtig bewertet worden ist."

53

Diese vom Auftraggeber zu Gunsten der Beigeladenen vorgenommene Wertung überschreitet jedoch den Rahmen des dem Auftraggeber gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A eingeräumten Ermessens und ist durch § 24 VOL/A nicht mehr gedeckt. Handelt es sich bei fehlenden Angaben um kalkulationserhebliche Erklärungen, ist das Angebot vielmehr regelmäßig von der Angebotswertung auszuschließen (vgl. BGH, Beschluss v. 18.02.2003 - X ZB 43/02). Fehlende Angaben können dann nicht im Wege der Nachverhandlung aufgeklärt werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss v. 16.09.2003, Az.: 11 Verg 11/03). Der vom Auftraggeber unterstellte "Verzicht" auf Anwendung der Preisgleitklausel kam im vorliegenden Fall schon deshalb nicht in Betracht, weil die Preisanpassung nach den Verdingungsunterlagen ausdrücklich kein einseitiges Recht des Bieters sein soll. In § 11 Abs. 2 Satz 2 des Vertragsentwurfes heißt es ausdrücklich:

"Eine Anpassung kann sowohl nach oben als auch nach unten erfolgen."

54

Aber auch faktisch konnte der Auftraggeber spätestens nach der mit der Beigeladenen geführten Aufklärungsverhandlung vom 03.05.2005 nicht mehr davon ausgehen, dass diese bei Angebotsabgabe bewusst auf eine Wertanpassungsklausel verzichten wollte. Ausweislich des diesbezüglichen, in der Vergabeakte enthaltenen Vermerks vom 03.05.2005 hat der Mitarbeiter der Beigeladenen auf die ausdrückliche Frage des Auftraggebers, ob die Beigeladene bewusst auf die Wertanpassung verzichtet hat, geantwortet:

"Firma xxx (Beigeladene) ist davon ausgegangen, dass die Wertanpassungsklausel erst nach Vertragsschluss ausgefüllt werden muss. Insofern handelt es sich um ein Missverständnis."

55

Auf den weiter gehenden Hinweis des Auftraggebers, dass eine Angebotsanpassung nicht mehr erfolgen könne und auf die Frage, ob die Beigeladene das Angebot gleichwohl aufrechterhalten kann und die geforderte Dienstleistung ohne Wertanpassung von der Beigeladenen innerhalb der vorgesehenen Vertragslaufzeit zu garantieren ist, erklärte der Mitarbeiter der Beigeladenen:

"Firma xxx (Beigeladene) erkennt an, dass eine Angebotsanpassung nicht mehr erfolgen kann und garantiert gleichzeitig, dass das Angebot trotzdem gilt und die Dienstleistungen ohne Wertanpassung durchgeführt werden kann."

56

Der Auftraggeber hat somit der Beigeladenen im Rahmen der Aufklärungsverhandlungsverhandlung Gelegenheit gegeben, ihr Angebot aufrechtzuerhalten, obwohl dieser ausdrücklich erklärt hat, dass die Beigeladene bei Kalkulation dieses Angebotes von anderen Voraussetzungen und Tatsachen, nämlich der Nachholbarkeit der Wertanpassungsklausel der dafür benötigten Angaben zur Gewichtung der preisbildenden Faktoren, ausgegangen ist. Dies übersteigt den nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 VOL/A zulässigen Rahmen einer Aufklärungsverhandlung und verstößt gegen § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A. Der Auftraggeber ist daher gehalten, das Angebot der Beigeladenen von der Angebotswertung auszuschließen.

57

b)

Dagegen ist nicht zu bestanden, dass der Auftraggeber die Nebenangebote der Antragstellerin bei der Angebotswertung berücksichtigt hat. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen war der Auftraggeber nicht gehalten, die Nebenangebote der Beigeladenen wegen Abweichens von Festlegungen der Verdingungsunterlagen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A von der Wertung auszuschließen.

58

Der grundsätzlichen Wertbarkeit von Nebenangeboten steht im vorliegenden Fall nicht die in der Rechtsprechung kontrovers beantwortete Frage entgegen, ob und inwiefern die Wertbarkeit von Nebenangeboten eine Festsetzung von speziellen Mindestanforderungen in den Verdingungsunterlagen erfordert. Dieses Erfordernis von Mindestanforderungen zur Wertbarkeit von Nebenangeboten wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. Während das BayObLG in seinem Beschluss vom 22.06.2004, Az.: Verg 13/04, unter Berufung auf das Urteil des EuGH vom 16.10.2003 (= VergabeR 2004, S. 50) entschieden hat, dass ein zugelassenes Nebenangebot dann nicht gewertet werden kann, wenn der Auftraggeber weder in der Vergabebekanntmachung noch in den Verdingungsunterlagen die Mindestanforderungen erläutert hat, welche Nebenangebote erfüllen müssen, hat die VK Schleswig-Holstein in ihrem Beschluss vom 03.11.2004, Az.: VK SH 28/04 (IBR 12/2004, S. 712), das Erfordernis von technischen Mindestbedingungen für die Wertbarkeiten von Nebenangeboten verneint. Ausreichend sei vielmehr, wenn der Auftraggeber nach den Ausschreibungsunterlagen - wie auch im vorliegenden Fall - fordert, dass Nebenangebote auf einer besonderen Anlage kenntlich gemacht werden, deutlich gekennzeichnet sein und eine eindeutige erschöpfende Beschreibung enthalten müssen. Ferner müsse das Nebenangebot so beschaffen sein, dass der Auftraggeber es als gleichwertig beurteilen kann. Dem ist die Vergabekammer Lüneburg (vgl. Beschluss v. 20.05.2005, Az.: VgK-18/2005) gefolgt. Die Vergabekammer vertritt auch weiterhin die Auffassung, dass eine transparente und den Anforderungen des Gleichheitsgrundsatzes genügende Wertung technischer Nebenangebote bereits dadurch Gewähr leistet wird, dass der Auftraggeber verpflichtet ist, die Leistung in den Verdingungsunterlagen gem. § 9 Abs. 1 VOB/A bzw. § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A eindeutig und erschöpfend zu beschreiben und gem. § 9 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A bzw. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A alle für eine einwandfreie Preisermittlung relevanten Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben hat. Die damit zwingend vorgegebene Bekanntmachung und Definition von Eckpunkten des Auftragsgegenstandes bietet bereits eine hinreichende Grundlage für die Wertbarkeit von Nebenangeboten, zumal der Bieter nach inzwischen einhelliger Rechtsprechung verpflichtet ist, bei Bedarf die Gleichwertigkeit seiner Nebenangebote nachzuweisen. Dies kann jedoch im vorliegenden Fall dahinstehen, weil der Auftraggeber hier durchaus den Rahmen für die Wertbarkeit von Nebenangeboten durch Festlegung von Mindestbedingungen vorgegeben hat. Unter Ziffer 2.9 der Bewerbungsbedingungen heißt es unter Nebenangebote:

"Nebenangebote werden zugelassen, soweit sie sich auf die Ausführung der Dienstleistung beziehen. Sie werden aber nur im Zusammenhang mit der Abgabe eines Hauptangebotes gewertet. Die Rahmenbedingungen, wie die Tourenplanung (siehe hierzu die Leistungsbeschreibung unter Ziffer 4.11) und Satzungsvorgaben (siehe Anlagen), können nicht verändert werden." (Hervorhebung durch die Vergabekammer)

59

Weiter heißt es:

"Die dem Nebenangebot zu Grunde liegenden Daten und Leistungsmerkmale müssen detailliert aufgeschlüsselt und dem Nebenangebot beigefügt werden."

60

Die Nebenangebote der Antragstellerin entsprechen auch den Anforderungen des § 25 Nr. 4 VOL/A. Danach sind Nebenangebote undÄnderungsvorschläge, die der Auftraggeber bei der Ausschreibung gewünscht oder ausdrücklich zugelassen hat, ebenso zu werten wie Hauptangebote. Die Kriterien zur Wertung des Nebenangebotes ergeben sich daher wie bei einem Hauptangebot aus § 25 Nr. 1, 2 und 3 VOL/A. Unzulässig ist es nur, wenn der Auftraggeber ein Nebenangebot berücksichtigt, das nicht gleichwertig zu den Hauptangeboten ist. Insbesondere können sich aus der Leistungsbeschreibung ausdrücklich oder im Wege der Auslegung Mindestanforderungen an Nebenangebote ergeben (vgl. Brinker/Ohler in: Beck'scher VOB-Kommentar, § 25 VOB/A, Rdnr. 142, 143 m.w.N.). Nebenangebote, die diesen Kriterien nicht entsprechen oder die diese abändern, sind nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A auszuschließen. Nach den Verdingungsunterlagen waren Nebenangebote im streitbefangenen Vergabeverfahren ausdrücklich zugelassen. Nach allgemeiner Ansicht sind lediglich solche Nebenangebote oder Sondervorschläge, bei denen die Bieter bei objektiver Betrachtung nicht damit rechnen konnten, dass sie angeboten werden durften, unzulässig. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie von den verbindlichen Festlegungen in den Verdingungsunterlagen abweichen (vgl. VK Baden-Württemberg, Beschluss v. 22.10.2003, Az.: 1 VK 51/02; Beschluss vom 20.09.2001, Az.: 1 VK 26/01, m.w.N.).

61

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs waren die streitbefangenen Nebenangebote der Antragstellerin jedoch wertbar, da sich die Bieter im Wettbewerb angesichts der Hinweise in den Verdingungsunterlagen auf derartige Nebenangebote entgegen der Auffassung der Beigeladenen durchaus einstellen konnten und durften. Weder der von der Beigeladenen bei ihrem Nebenangebot Nr. 1 zu Grunde gelegte Einsatz eines Seitenladers an Stelle eines - personalintensiveren - Heckladers noch das mit dem Nebenangebot Nr. 2 angebotene Modell eines 11/2- Schichtbetriebes an Stelle eines Einschichtbetriebes war nach den Festlegungen der Verdingungsunterlagen ausgeschlossen. Vielmehr hat der Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen selbst zu derartigen Nebenangeboten angeregt, wenngleich er auf die damit verbundenen Schwierigkeiten hingewiesen hat. Unter Ziffer 4.11 der Leistungsbeschreibung heißt es unter "Allgemeine Anforderung an die Dienstleistung":

"Die Abfuhr in der Stadt xxx erfolgt derzeit über Hecklader im Einschichtsystem.Soweit andere Sammelsysteme verwendet werden sollen und hierdurch ein besonderes Verhalten der Einwohnerinnen und Einwohner erforderlich ist, hat der Auftragnehmer die Bevölkerung entsprechend zu informieren. Vorher ist die Zustimmung des Auftraggebers einzuholen.

Die Einsammlung im Rahmen eines Mehrschichtsystems ist nur mit der Zustimmung der Stadt xxx und des Auftraggebers möglich. Auf Grund des sehr engen Stadtkerns ist zu befürchten, dass es hierdurch in bestimmten Zeiten zu Verkehrsengpässen kommt. Behälter und Abfälle sind von den Einwohnerinnen und Einwohnern an deren Grundstücksgrenzen bereitzustellen. Ausnahmen sind in Absprache mit dem Auftraggeber und den Anschlusspflichtigen möglich."

62

Der Auftraggeber wollte also derartige Änderungen gegenüber den bisherigen Abfuhrmodalitäten offenbar gerade nicht von vornherein ausschließen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Auftraggeber hier verpflichtet gewesen wäre, den offenbar von ihm erkannten, mit einer Einführung eines Mehrschichtsystems verbundenen Abstimmungsbedarf mit der Stadt xxx schon bei Erstellung der Verdingungsunterlagen zu klären, um diesbezüglich verbindlichere Vorgaben machen zu können. Dieses Versäumnis hat die Antragstellerin - im Gegensatz zur Beigeladenen, die sich nunmehr im Zuge des Nachprüfungsverfahrens auf diese Unwägbarkeiten beruft - ausdrücklich gerügt. Aus den Formulierungen unter Ziffer 4.11 der Verdingungsunterlagen - auf die unter Ziffer 2.9 der Bewerbungsbedingungen für die Abgabe von Nebenangeboten ausdrücklich verwiesen wird - konnte jedenfalls nicht der Schluss gezogen werden, dass der Bieter schon vor Zuschlagserteilung und damit im Zeitpunkt der Angebotslegung verpflichtet gewesen wäre, selbst Abstimmungen mit der Stadt xxx und ggf. den Einwohnerinnen und Einwohnern vorzunehmen. Auch hat sich der Auftraggeber ausweislich der Vergabeakte offenbar nicht gehindert gesehen, die Gleichwertigkeitsprüfung hinsichtlich der Nebenangebote der Beigeladenen durchzuführen und die Machbarkeit auch durch Rücksprache mit der Stadt xxx zu beurteilen. Vielmehr ist in der Vergabeakte ausführlich dokumentiert, dass der Auftraggeber die Umsetzbarkeit dieser Nebenangebote geprüft und nach Abstimmung mit der Stadt xxx zwar als problematisch aber machbar und im Ergebnis als gleichwertig bewertet hat. Im Ordner Nr. 5 der Vergabeakte (Angebot der Antragstellerin) ist eine handschriftliche Gesprächsnotiz vom 28.04.2005 über ein Gespräch mit einem Mitarbeiter des Baubetriebshofs der Stadt xxx und einem Mitarbeiter des dortigen Ordnungsamtes enthalten. Ferner ist beigefügt der Ausdruck einer E-Mail dieses Mitarbeiters der Stadt xxx vom gleichen Tage. Daraus ergibt sich, dass die Einführung eines Mehrschichtbetriebes, dessen Vorteile die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung mit der effektiveren Einsetzbarkeit der Fahrzeuge über die gesamte satzungsmäßig zulässige tägliche Abfuhrzeit begründet hat, von der Stadt xxx zwar als problematisch gesehen, aber nicht abgelehnt wird, sofern Gewähr leistet werde, dass die Müllabfuhr in Wohngebieten bis ca. 16.00 Uhr abgeschlossen ist. Nach dieser Zeit seien die Wohnstraßen durch zurückkehrende Berufstätige erfahrungsgemäß derart mit Kraftfahrzeugen beparkt, dass ein reibungsloses Befahren aller dieser Straßen mit immer größer werdenden Müllfahrzeugen kaum noch möglich sein werde. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie selbst davon ausgeht, dass die Müllabfuhr in Wohngebieten spätestens bis 16.00 Uhr beendet ist. Ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen Ergänzung zum Vergabevermerk vom 28.04.2005 hat der Auftraggeber das Für und Wider dieser Nebenangebote abgewogen und im Ergebnis entschieden, dass diese Nebenangebote neben den Hauptangeboten gewertet werden können. Er hat sich dabei im Rahmen des ihm durch § 25 Nr. 4 VOL/A eingeräumten Beurteilungsermessens gehalten.

63

Die Nebenangebote verstoßen entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch nicht gegen die Festlegungen nach Ziffer 2.9 der Bewerbungsbedingungen. Danach müssen Nebenangebote die Rahmenbedingungen wie die Tourenplanung nach Maßgabe der Ziffer 4.11 der Leistungsbeschreibung und der Satzungsvorgaben einhalten. Diese können ausdrücklich nicht verändert werden. Beide Nebenangebote der Antragstellerin vom 05.04.2005 enthalten die ausdrückliche Erklärung, dass die Bedingungen für Nebenangebote gem. Ziffer 2.9 eingehalten werden. Der Auftraggeber hat ferner in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die den Verdingungsunterlagen beigefügte Satzung über die Abfallentsorgung im Landkreis xxx dem Auftraggeber durchaus das Recht einräumt, von den im Rahmen des Anschluss- und Benutzungszwangs verpflichteten Einwohnerinnen und Einwohnern auch ohne Satzungsänderung zu verlangen, ggf. die Abfallbehälter nicht nur am Rand des Grundstücks, sondern an der Straße bereitzustellen, was insbesondere den Einsatz eines Seitenladers erst wirtschaftlich sinnvoll macht. Unter

64

§ 17 Abs. 2 (Bereitstellung der Abfallbehälter) der Satzung heißt es:

"Die Abfuhrbehälter sind von den Pflichtigen nach § 4 Abs. 2 am Abfuhrtag bis 6.00 Uhr so bereitzustellen, dass der Abfuhrwagen auf öffentlichen oder dem öffentlichen Verkehr dienenden privaten Straßen an die Aufstellplätze heranfahren kann und das Laden sowie der Abtransport ohne Schwierigkeiten und Zeitverlust möglich ist. Der Landkreis xxx kann im Einzelfall einen anderen Aufstellplatz bestimmen, wenn das Einsammeln am Anfallort entsprechend Satz 1 nicht möglich ist. Die Aufstellung muss so erfolgen, dass Fahrzeuge oder Fußgänger nicht behindert oder gefährdet werden."

65

Ferner enthält § 22 der Satzung eine Regelung zu Modellversuchen aller Art. Dort heißt es:

"Zur Erprobung neuer Abfallsammlungs-, Transport-, Behandlungs- oder Entsorgungsmethoden oder -systeme kann der Landkreis xxx Modellversuche mit örtlich und zeitlich begrenzter Wirkung einführen."

66

Sowohl der Seitenladereinsatz gemäß Nebenangebot 1 als auch die Einführung eines 1 1/2 -Schichtsystems gemäß Nebenangebot 2 der Beigeladenen ist daher ohne Änderung der Abfallsatzung und unter Einhaltung der Tourenplanung nach Maßgabe der Ziffer 4.11 der Leistungsbeschreibung rechtlich zulässig und möglich.

67

Die Nebenangebote der Antragstellerin entsprechen auch der Vorgabe des 2. Absatzes der Ziffer 2.9 der Bewerbungsbedingungen. Danach müssen die dem Nebenangebot zu Grunde liegenden Daten und Leistungsmerkmale detailliert aufgeschlüsselt dem Nebenangebot beigefügt werden. Beide Nebenangebote enthalten ein detailliertes, dem Leistungsverzeichnis entsprechendes Preisblatt, in dem für jede abzufahrende Behälterart die Einzelpreise sowie die Parametergrößen Abfuhrrhythmus und Anzahl der Behälter aufgeführt sind. Ferner werden Angaben zum Behältertausch, zu den Pauschalen für Elektroschrott, Sperrmüllabfuhr, Kühlschränke, Altmetallabfuhr und Weihnachtsbaumabfuhr sowie für die abgefragte Alternativposition (Einrichtung eines Umschlagplatzes für Sperrmüll) und Bedarfsposition (Transport zu Ersatzanlagen) gemacht. Eine noch weiter gehende Aufschlüsselung wurde von den Verdingungsunterlagen nicht gefordert.

68

Die Vergabeakte enthält entgegen der Vermutung der Beigeladenen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragstellerin in Bezug auf die Zulässigkeit von Nebenangeboten Informationen gegeben wurden, die den anderen Bietern und damit auch der Beigeladenen vorenthalten wurden. Wie bereits oben dargelegt, konnten und mussten die Bieter damit rechnen, dass Nebenangebote auf der Grundlage von Abweichungen von den bisherigen Abfuhrmodalitäten (Heckladereinsatz, Einschichtsystem) abgegeben werden würden. Richtig ist, dass der Auftraggeber die Rügen der Antragstellerin nicht zum Anlass für Bieterrundschreiben genommen hat. Weder das Antwortschreiben des Auftraggebers vom 07.04.2005 auf das Rügeschreiben der Antragstellerin vom 21.03.2005 noch das Antwortschreiben des Auftraggebers vom 22.04.2005 auf das weitere Rügeschreiben der Antragstellerin vom 14.04.2005 enthalten jedoch irgendwelche wichtigen Aufklärungen für die geforderte Leistung oder die Grundlagen der Preisermittlung, die der Auftraggeber gem. § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL/A auch allen anderen Bietern gleichzeitig mitteilen müsste. Gemäß § 17 Nr. 6 Abs. 1 VOL/A muss der Auftraggeber Bewerbern auf Anfrage zusätzliche sachdienliche Auskünfte über die Verdingungsunterlagen und das Anschreiben unverzüglich erteilen. Lediglich dann, wenn einem Bewerber wichtige Aufklärungenüber die geforderte Leistung oder die Grundlagen seiner Preisermittlung gegeben werden, sind diese Auskünfte gem. § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL/A gleichzeitig auch allen anderen Bewerbern mitzuteilen. Bei zusätzlichen Auskünften im Sinne des Abs. 1 handelt es sich um Mitteilungen, die nur für den anfragenden Bewerber wichtig sind, weil er z.B. die Verdingungsunterlagen oder das Anschreiben vollständig oder in einzelnen Punkten missverstanden oder nicht genau gelesen hat. Erst wenn derartige Missverständnisse nicht subjektiv, sondern objektiv bedingt sind, weil sie sich als Folge von Unzulänglichkeiten der Leistungsbeschreibung darstellen, liegt eine wichtige Auskunft im Sinne des Abs. 2 vor. Teilweise wird sogar die Häufung von Nachfragen der Bewerber vorausgesetzt, bevor der Auftraggeber prüfen muss, ob dies nicht eine Folge objektiv missverständlicher Passagen in der Leistungsbeschreibung ist (vgl. Weyand, VergabeR, § 17 VOL/A, Rdnr. 5561, m.w.N.). Die Ausführungen in beiden Antwortschreiben des Auftraggebers stellen sich durchweg als zur Rückweisung der Rügen der Antragstellerin dar. Darüber hinausgehende Aufklärungen über die geforderte Leistung oder die Grundlagen der Preisermittlung im Sinne des § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL/A, die der rügenden Antragstellerin gegenüber den anderen Bietern einen vergaberechtswidrigen Wettbewerbsvorteil verschaffen könnten, enthalten die Antwortschreiben nicht.

69

Daher war auch der hilfsweise gestellte Antrag der Beigeladenen, das Vergabeverfahren aufzuheben, zurückzuweisen.

70

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen der festgestellten vergaberechtswidrigen Berücksichtigung des unvollständigen Angebotes der Beigeladenen ist es erforderlich, den Auftraggeber zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und dabei das Angebot der Beigeladenen nicht zu berücksichtigen. Demgegenüber war der hilfsweise gestellte Antrag der Beigeladenen, das Vergabeverfahren aufzuheben, zurückzuweisen. Einer Aufhebung des Vergabeverfahrens bedarf es nicht. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Auftraggeber die Nebenangebote der Antragstellerin gewertet hat. Dabei hat die Antragstellerin nach Aktenlage die Chance, den Zuschlag auf das Nebenangebot 2 zu erhalten.

71

III.

Kosten

72

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, sodass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.

73

Es wird eine Gebühr in Höhe von 3.120 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

74

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 2.020.362,53 EUR. Dieser Betrag entspricht dem preislich günstigsten Nebenangebot 2 der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

75

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 2.020.362,53 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 3.120 EUR. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

76

Die im Tenor verfügteKostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB in der Hauptsache unterlegen ist.

77

Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragstellerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war auf Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von einem fachkundigen, erfahrenen Bieter wie der Antragstellerin grundsätzlich verlangen darf, dass erüber das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A verfügt, bedurfte er für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen Bieter ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes. Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

78

Angesichts der oben erörterten Tatsache, dass der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

79

Der Auftraggeber wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von 3.120 EUR unter Angabe des Kassenzeichens

80

xxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

81

xxx

Gause
Rohn
Weyer