Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 17.05.2005, Az.: VgK 18/2005

Nachprüfungsverfahren eines Vergabeverfahrens nach der Vergabeordnung und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB-Vergabeverfahren) zum Neubau einer Autobahnbrücke im Zuge der Erweiterung der Bundesautobahn (BAB) 39; Beurteilung der Gleichwertigkeit eines Nebenangebotes; Erfordernis von Mindestanforderungen zur Wertbarkeit von Nebenangeboten; Ermittlung der technischen Gleichwertigkeit eines Nebenangebotes im Wege der Forderung einer Vorstatistik; Voraussetzungen für einen zwingenden Ausschluss eines Angebotes; Grundsätzliche Wertbarkeit von Nebenangeboten; Anforderungen an die Rüge von vergaberechtlichen Verstößen; Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
17.05.2005
Aktenzeichen
VgK 18/2005
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 22775
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOB-Vergabeverfahren zum Neubau einer Autobahnbrücke im Zuge der Erweiterung der Bundesautobahn BAB 39

Zusammenfassung

Das vorliegende Nachprüfungsverfahren betraf die Vergabe des Neubaus einer Autobahnbrücke im Zuge der Erweiterung der Bundesautobahn (BAB) 39. Die Vergabekammer Lüneburg hatte über die Beurteilung der Gleichwertigkeit eines Nebenangebotes zu entscheiden und bezog dazu Stellung zum Erfordernis von Mindestanforderungen zur Wertbarkeit von Nebenangeboten. Entgegen der Ansicht des BayObLG, das entschieden hatte, dass ein zugelassenes Nebenangebot dann nicht gewertet werden kann, wenn der Auftraggeber weder in der Vergabebekanntmachung noch in den Verdingungsunterlagen die Mindestanforderungen erläutert hat, welche Nebenangebote erfüllen müssen, verneinte die Vergabekammer in Übereinstimmung mit der Vergabekammer Schleswig-Holstein das zwingende Erfordernis von technischen Mindestbedingungen für die Wertbarkeit von Nebenangeboten. Ausreichend sei vielmehr, wenn der Auftraggeber nach den Ausschreibungsunterlagen - wie auch im vorliegenden Fall - fordert, dass Nebenangebote auf einer besonderen Anlage kenntlich gemacht werden, deutlich gekennzeichnet seien und eine eindeutige erschöpfende Beschreibung enthalten müssen. Ferner müsse das Nebenangebot so beschaffen sein, dass es der Auftraggeber als gleichwertig beurteilen kann. Die transparente und den Anforderungen des Gleichheitsgrundsatzes genügende Wertung technischer Nebenangebote werde bereits dadurch gewährleistet, dass der Auftraggeber verpflichtet ist, in den Verdingungsunterlagen gem. § 9 Abs. 1 VOB/A (Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen) die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben und gem. § 9 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A alle für eine einwandfreie Preisermittlung relevanten Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben hat. Die Auftraggeberin habe für die Ermittlung der technischen Gleichwertigkeit des Nebenangebotes auch in nicht zu beanstandender Weise gefordert, dass die Antragstellerin ihr für das Nebenangebot eine Vorstatik vorlegt. Das Nebenangebot wich nämlich in technischer Hinsicht unstreitig erheblich vom ausgeschriebenen Hauptentwurf ab. In einem solchen Fall muss der Bieter die alternative Ausführung umfassend und klar beschreiben, um dem Auftraggeber den Vergleich mit den Ausschreibungsbedingungen zu ermöglichen. Die Nachforderung seitens der Auftraggeberin im Wege der Aufklärung nach § 24 VOB/A sei ebenfalls nicht zu beanstanden, da sie diese nicht ausdrücklich mit Angebotsvorlage gefordert hatte, sondern die Bieter lediglich auf eine mögliche Notwendigkeit einer Vorstatik, auf eine mögliche Aufklärung nach § 24 VOB/A und auf eine Berücksichtigung im Rahmen der Angebotswertung hingewiesen hatte. Von einer zu einem automatischen Ausschluss führenden Mindestbedingung könne angesichts einer solchen Formulierung daher keine Rede sein.

In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ök. Brinkmann
auf die mündliche Verhandlung vom 17.05.2005
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Berücksichtigung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und Wertung und Ergebnis gem. § 30 VOB/A in der Vergabeakte zu dokumentieren. Dabei ist die Auftraggeberin insbesondere gehalten, die Gleichwertigkeit des Nebenangebotes der Antragstellerin unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich nachgereichten Vorstatik zu überprüfen und bei positivem Ergebnis auch in der Wertung zu berücksichtigen. Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Auftraggeberin zu 2/3 und die Antragstellerin zu 1/3.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.815 EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu 2/3 zu erstatten. Die Antragstellerin ihrerseits hat der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu 1/3 zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war sowohl für die Antragstellerin als auch für die Beigeladene notwendig.

Begründung

1

I.

Die Auftraggeberin hat mit Datum vom 18.01.2005 den Neubau der Autobahnbrücke xxx, nordöstlich von xxx - xxx im Zuge derErweiterung der Bundesautobahn BAB 39 europaweit im offenen Verfahren als Bauauftrag gem. VOB/A ausgeschrieben. Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass eine Unterteilung der zu erbringenden Leistungen in Lose nicht vorgesehen ist. Die Bieter wurden jedoch darauf hingewiesen, dass Nebenangebote/Alternativvorschläge berücksichtigt werden.

2

Hinsichtlich der Nachweise zur Beurteilung der Eignung behielt sich die Auftraggeberin vor, verschiedene Angaben und Unterlagen gemäß § 8 Nr. 3 und 5 VOB/A zu fordern.

3

Der Zuschlag sollte auf das Angebot erteilt werden, das unter Berücksichtigung aller technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte als das annehmbarste erscheint.

4

In der Aufforderung zur Angebotsabgabe waren unter Ziffer 9 des Vordruckes HVA B-StB-Aufforderung Stahl 2 (10/03) hinsichtlich der maßgeblichen Kriterien für die Angebotswertung gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A genannt:

5

  • Preis, Betriebs- und Folgekosten, technischer Wert, Gestaltung.
  • Bei Nebenangeboten/Änderungsvorschlägen zusätzlich mindestens Gleichwertigkeit mit der geforderten Leistung.
  • Nebenangebote mit Pauschalierungen für Leistungen im Erdbau werden - nicht gewertet -
  • Weitere Kriterien:
  • "Nebenangebote, die einen Verzicht auf eine Stoffpreisgleitung Stahl beinhalten, werden von der Wertung ausgeschlossen."

6

Zusätzlich war unter Ziffer 10.1 des Vordruckes HVA B-StB-Aufforderung Stahl 3 (10/03) zu Nebenangeboten festgelegt:

"Sofern erforderlich, sind Nebenangebote durch Zeichnungen und andere vom Bieter im Zuge seiner Angebotsbearbeitung erstellten Unterlagen (z.B. Vorstatik bei konstruktiven Änderungen, Massenermittlungen bei Mengenänderungen) zu verdeutlichen. Werden diese Unterlagen nicht beigefügt und ist demzufolge das Nebenangebot in seinen Auswirkungen, ggf. nach Aufklärung gem. § 24 VOB/A nicht übersehbar (z.B. wegen des Umfangs der Limitierung oder Pauschalierung), so wird dieser Umstand bei der Angebotswertung berücksichtigt."

7

Den Vergabeunterlagen ist zu entnehmen, dass acht Bieter ein Angebot zur Verdingungsverhandlung am 10.03.2005 vorgelegt hatten, davon hatten fünf insgesamt sieben Nebenangebote eingereicht und drei noch Preisnachlässe gewährt. Das Hauptangebot der Antragstellerin lag mit einer geprüften Angebotssumme in Höhe von 1.082.707,36 EUR (inkl. 3,5% Preisnachlass) an erster Stelle und das der Beigeladenen mit 1.097.891,92 EUR an zweiter Stelle.

8

Im Zuge der weiteren Wertung der Angebote wurden insgesamt fünf Bieter benachrichtigt, dass sie ausgeschlossen werden oder nicht in die engere Wahl kommen.

9

Ferner befinden sich in der Vergabeakte hausinterne Stellungnahmen vom 22.03.2005 zu den eingereichten Nebenangeboten und Sondervorschlägen. Dort wurde zum Nebenangebot der Antragstellerin festgehalten, dass es letztendlich nicht gleichwertig und nicht brauchbar sei. Ein Preisvorteil entstehe nicht. Zum Nebenangebot 1 der Beigeladenen wurde vermerkt, dass es gleichwertig sei und zu einer Einsparung in Höhe von 73.416,26 EUR führen würde.

10

Hinter der Stellungnahme zu Nebenangebot 1 der Beigeladenen befindet sich eine Niederschrift über die Aufklärungsverhandlung mit der Beigeladenen vom 04.04.2005. Dort wird festgehalten, dass über den Sondervorschlag,gemeint ist das Nebenangebot 1 der Beigeladenen, gesprochen wurde.

11

Durch das Nebenangebot 1 würde die Spannbewehrung zwar entfallen, der Anteil der schlaffen Bewehrung sich jedoch erhöhen. Die vereinbarte Stahlpreisgleitung beziehe sich nur auf die Stahlmassen im Leistungsverzeichnis. Ferner wurde festgestellt, dass dann zwei Ordnungsziffern entfallen würden. Wörtlich heißt es: "Der Entfall wird bei der Auftragssumme berücksichtigt." Auch wurden die Punkte Urkalkulation, Zuschläge auf Material und Nachunternehmer sowie Nachunternehmer bei dem Gespräch angesprochen. Hinsichtlich der Erdbauarbeiten stellte die Auftraggeberin fest, dass bestimmte Ordnungsziffern zu der Ordnungsziffer 01.0002 gehören. Wenn der Bodeneinbau bei der Gemeinde xxx nicht zur Ausführung kommen werde, würden die Positionen ersatzlos ohne Anspruch auf Erstattung der Kosten entfallen. Ob die Beigeladene die Niederschrift gesehen hat, ist der Vergabeakte nicht zu entnehmen.

12

Einer Zusammenstellung der Angebote mit Wertung der Nebenangebote ist zu entnehmen, dass das Nebenangebot 1 der Beigeladenen von den in der Wertung verbliebenen insgesamt fünf Angeboten mit einer geprüften Angebotssumme in Höhe von 1.024.475,66 EUR an erster Stelle und das gewertete Hauptangebot der Antragstellerin mit einer geprüften Angebotssumme in Höhe von 1.082.707,35 EUR an dritter Stelle lag.

13

Mit Schreiben vom 05.04.2005 informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin, dass das Nebenangebot 1 nicht oder nur teilweise berücksichtigt werden konnte, da ausschließlich Massenreduzierungen vorgenommen wurden, die nicht gleichwertig seien. Ferner seien keine Erläuterung und keine Vorstatik zum Nebenangebot abgegeben worden, sodass es unvollständig sei. Die Auftraggeberin hat sodann darüber handschriftlich vermerkt: "Fehler" und als Grund: "Sie haben nicht das wirtschaftlichste Angebot gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 VOB/A abgegeben" angekreuzt. Die Auftraggeberin teilte der Antragstellerin mit, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen mit einer Wertungssumme von 1.024.475,66 EUR erteilt werden soll.

14

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 08.04.2005 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabe und führt aus, dass ein Verstoß gegen § 13 VgV vorläge, da auf Grund der geringen preislichen Abstände eine kurze Begründung der beabsichtigten Zuschlagsentscheidung erforderlich wäre.

15

Ferner geht sie davon aus, dass eine fehlerhafte Wertung vorläge, da sie auf Grund des alleinigen Hinweises auf den Angebotspreis davon ausgehen müsse, dass die übrigen Zuschlagskriterien unberücksichtigt geblieben sind. Auch geht sie davon aus, dass die Wertung der Nebenangebote unzulässig erfolgte, da offensichtlich die Mindestanforderungen zur Berücksichtigung eines Nebenangebotes nicht bzw. unvollständig bekannt gegeben worden seien. Darüber hinaus sei die Vorlage der Vorstatik nicht zwingend gefordert gewesen und hätte nachgefordert werden können.

16

Mit Schreiben vom 12.04.2005 räumte die Auftraggeberin ein, dass ihr ein Fehler bei der Information nach § 13 VgV unterlaufen sei und wies darauf hin, dass die Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Der ihr unterlaufene Mangel würde jedoch keine vergaberechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Zusätzlich wurde die jetzige Antragstellerin darüber informiert, dass ihr Angebot auf Rang 3 lag. Soweit die Antragstellerin die Wertung beanstande, habe sie sich an die bekannt gemachten Kriterien gehalten und, soweit Mängel vorhanden waren, diese korrigiert. Hinsichtlich der Wertung der Nebenangebote sah die Auftraggeberin keinen Grund, von ihrer Wertung Abstand zu nehmen.

17

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12.04.2005 rügte die Antragstellerin die Nichtberücksichtigung ihres Nebenangebots erneut und führt ferner aus, dass der Preis des Nebenangebots 1 nur geringfügig hinter dem für den Zuschlag vorgesehenen Nebenangebot läge. Sie bestreitet, dass ein weiteres Nebenangebot eines anderen Bieters vorläge, das die zwingenden Mindestbedingungen erfülle und unter Berücksichtigung sämtlicher Zuschlagskriterien wirtschaftlicher sei als ihr Nebenangebot.

18

Nachdem die Auftraggeberin der Antragstellerin mitgeteilt hat, dass sie bei ihrer Vergabeentscheidung bleibe, beantragte diese mit Schriftsatz vom 19.04.2005, eingegangen in der Vergabekammer am selben Tage, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Die Antragstellerin ergänzt und vertieft ihren Vortrag in Bezug auf die bereits in den Rügeschreiben vom 08.04.2005 und 12.04.2005 gegenüber der Auftraggeberin monierten Vergaberechtsverstöße.

19

Sie vertritt die Auffassung, dass durch die von ihr als Nebenangebot 1 vorgesehene Konstruktion mit beweglichen Lagern auf den Widerlagern Unterhaltsaufwendungen insbesondere für die Auflagerbankentwässerung entfallen. Zudem würden sich die Unterhaltskosten für die Übergangskonstruktion erheblich reduzieren. Außerdem habe sie noch eine alternative Variante zu ihrem Nebenangebot vorgesehen, durch die eine noch kostengünstigere Lösung erzielt werde, die sich in der Praxis bewährt habe.

20

Ihrer Meinung nach komme es nicht darauf an, die Vorstatik für das Nebenangebot und die Variante vorzulegen, obwohl sie diese jetzt beim Nachprüfungsantrag beigefügt habe.

21

Hinsichtlich der Nichtberücksichtigung ihres Nebenangebots und der Variante habe sie zwischenzeitlich in dem HVA B-StB recherchiert und festgestellt, dass das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen auch ein Vergabehandbuch für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Bereich der Finanzbauverwaltung (VHB) mit vergleichbaren Arbeitsanweisungen herausgegeben habe. Dort sind unter 2.4 Nr. 41 verschiedene Anforderungen zur Gleichwertigkeit eines Nebenangebotes geregelt. Diese ständen teilweise im Widerspruch zu den Bewerbungsunterlagen der Auftraggeberin, insbes. zu Ziffer 4.4 der zusätzlichen Bewerbungsbedingungen.

22

Sie vertritt auch die Auffassung, dass die Nebenangebote sämtlicher Bieter nicht zu werten sind und der Zuschlag auf ihr Hauptangebot zu erteilen sei, da es den günstigsten Preis ausweise und die Auftraggeberin offensichtlich dem Preis die überwiegende Gewichtung beimesse.

23

Nach Durchführung der eingeschränkten Akteneinsicht vertritt die Antragstellerin außerdem die Auffassung, dass die Angebote der Beigeladenen zwingend von der Wertung ausgeschlossen werden müssen. Ausweislich des Vergabevermerks zum Aufklärungsgespräch über den Inhalt des Nebenangebotes weiche dieses von dem Kriterium: "Nebenangebote, die einen Verzicht auf eine Stoffpreisgleitung Stahl beinhalten, werden von der Wertung ausgeschlossen" ab, da es keine Stoffpreisgleitklausel enthalte.

24

Aus dem gleichen Grund würden die Verhandlungen über die Stoffpreisgleitklausel einen Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot i.S.d. § 24 Nr. 3 VOB/A darstellen. Darüber hinaus habe die Beigeladene offenbar weder zum Haupt- noch zum Nebenangebot eine Erklärung hinsichtlich des Einsatzes der Nachunternehmer abgegeben. Sowohl das Haupt- als auch das Nebenangebot der Beigeladenen seien daher zwingend von der weiteren Wertung auszuschließen gewesen. Letztendlich sei das Nebenangebot auch auszuschließen, da der Inhalt der Leistungen offenbar nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben worden sei.

25

Abgesehen davon, dass die Antragstellerin die Auffassung vertritt, dass ihr Nebenangebot mit der Variante unzulässig ausgeschlossen worden sei, weist sie darauf hin, dass bei der preislichen Wertung ihres Nebenangebotes die Auftraggeberin nicht den gewährten Nachlass berücksichtigt habe, durch den sie dann auf dem ersten Rang läge.

26

Die Antragstellerin beantragt:

  1. 1.

    der Antragsgegnerin zu untersagen, auf das Angebot der Fa. den Zuschlag zu erteilen,

  2. 2.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Zuschlag auf das Hauptangebot der Antragstellerin vom 09. März 2005 zu erteilen;

  3. 3.

    hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Zuschlag auf das Nebenangebot vom 09. März 2005 zu erteilen;

  4. 4.

    weiterhin hilfsweise, das Vergabeverfahren in den Stand vor Versendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter Berücksichtigung der Maßgaben der Vergabekammer zurückzuversetzen;

  5. 5.

    im Fall der bereits erfolgten Zuschlagserteilung festzustellen, dass der zwischen der Antragsgegnerin und der Fa. xxx zu Stande gekommene Vertrag nichtig ist;

  6. 6.

    die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gem. § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären,

  7. 7.

    der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten gemäß § 111 Abs. 1 GWB zu gewähren;

  8. 8.

    der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.

27

Die Auftraggeberin beantragt:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Der Antragstellerin werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.

28

Die Auftraggeberin tritt den Behauptungen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen.

29

Soweit die Antragstellerin die Wertung der Nebenangebote jetzt beanstande, sei sie mit ihrem Vortrag präkludiert, da sie diese Rüge spätestens vor Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe geltend machen müsse. Im Übrigen sei die Rechtsauffassung der Antragstellerin, dass alle Nebenangebote nicht gewertet werden dürfen, nicht zutreffend. Die Ausschreibungsunterlagen enthalten in ausreichendem Umfang Mindestanforderungen für die Berücksichtigung von Nebenangeboten. Beispielhaft verweise sie auf die Nr. 9 und Nr. 10 der Aufforderung zur Angebotsabgabe und auf die Nr. 4 der Bewerbungsbedingungen. Ferner habe sie in der Baubeschreibung unter Nr. 5 zusätzliche technische Vertragsbedingungen benannt, die die technischen Rahmenbedingungen für den Auftrag umfassend beschreiben.

30

Hinsichtlich des von der Antragstellerin beanstandeten Verstoßes gegen den § 13 VgV räumt die Auftraggeberin einen Fehler ein. Diesen habe sie jedoch mit Schreiben vom 12.04.2005 korrigiert.

31

Soweit die Antragstellerin den Ausschluss des Nebenangebots 1 und der Variante rügt, weist die Auftraggeberin darauf hin, dass der an zweiter Stelle liegende Bieter mit seinem Nebenangebot 1 ein identisches Nebenangebot wie die Antragstellerin abgegeben habe, das ebenfalls nicht gewertet worden sei. Die identischen Nebenangebote wurden für beide Bieter von derselben Ingenieurgesellschaft entwickelt. Hätte sie die identischen Nebenangebote gewertet, wäre die Antragstellerin mit ihrem Nebenangebot lediglich auf Rang 2 vorgerückt.

32

Unstreitig habe die Antragstellerin mit ihrem Nebenangebot keine Vorstatik abgegeben, obwohl das Nebenangebot grundlegende konstruktive Änderungen des Brückenbauwerks enthalte. Soweit die Antragstellerin behaupte, dass die von ihr als Nebenangebot vorgeschlagene Konstruktionsweise sich in der Praxis bewährt habe und in Niedersachsen mehrfach ausgeführt worden sei, habe sie dies durch keinerlei Referenzen belegt. Im Übrigen seien Brückenbauwerke grundsätzlich Unikate, sodass immer dargelegt werden müsse, dass die benannten Änderungen bei dem konkreten Bauwerk umsetzbar seien. Das Nebenangebot der Antragstellerin sei bereits anhand der unzureichenden Unterlagen auch als technisch nicht gleichwertig zu werten.

33

Ihre Feststellung, ein Nebenangebot, welches im Ergebnis nur eine Verringerung der Mengenansätze beinhalte, nicht gleichwertig ist, sei kein zusätzliches Wertungskriterium, das sie vorher hätte bekannte machen müssen, sondern das Ergebnis der Prüfung der Gleichwertigkeit. Sie habe auch ausreichend dokumentiert, dass das Nebenangebot der Antragstellerin nicht als gleichwertig zu bewerten sei. Die von der Antragstellerin angebotene Variante zum Nebenangebot 1 konnte nicht berücksichtigt werden, da diese nur dann zum Tragen komme, wenn das Nebenangebot 1 gewertet werden konnte.

34

Soweit die Antragstellerin davon ausgehe, dass die Wertung entgegen der bekannt gemachten Zuschlagskriterien erfolgte und die konkrete Gewichtung nicht erkennbar war, sei der Antrag hinsichtlich der Gewichtung gemäß § 107 Abs. 3 GWB verspätet. Im vorliegenden Fall sei es so, dass die Hauptangebote in Bezug auf Betriebs- und Folgekosten, technischen Wert und Gestaltung gleich seien, sodass sich Unterschiede nur noch im Preis ausgewirkt hätten.

35

Im vorliegenden Fall hätte die Beigeladene ein Nebenangebot eingereicht, das die formalen Voraussetzungen erfülle und technisch als gleichwertig beurteilt wurde. Bei diesem Nebenangebot sei als weiterer nicht "preislicher" Vorteil die geringe Wartung berücksichtigt worden.

36

Die Beigeladene beantragt:

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Beigeladenen aufzuerlegen;

  3. 3.

    die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;

  4. 4.

    der Beigeladenen Einsicht in die Vergabeakten gemäß § 111 Abs. 1 GWB zu gewähren.

37

Die Beigeladene unterstützt das Vorbringen der Auftraggeberin. Zusätzlich vertritt sie die Auffassung, dass die Antragstellerin mit ihrem Rügerecht spekuliere, da sie selbst Nebenangebote abgegeben habe und sogar den Nachprüfungsantrag im Wesentlichen darauf stütze, dass ihr Nebenangebot gewertet werden müsse. Erst nachdem sich gezeigt habe, dass ein anderer Bieter mit einem Nebenangebot den Zuschlag erhalten solle, beanstandete die Antragstellerin die Berücksichtigung der Nebenangebote.

38

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Vergabeakte, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 17.05.2005 Bezug genommen.

39

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Die Auftraggeberin hat zu Lasten der Antragstellerin gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 97 Abs. 2 GWB und gegen das Gebot des § 25 Nr. 5 VOB/A, wonach zugelassene Nebenangebote zu werten sind, verstoßen. Die Auftraggeberin war nicht berechtigt, das Nebenangebot der Antragstellerin wegen der mit Angebotsabgabe nicht vorgelegten Vorstatik gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A auszuschließen. Sie war vielmehr auf Grund ihres Hinweises unter Ziff. 10.1 des Vordruckes HVA B-StB - Aufforderung Stahl 3 (10/03) berechtigt und auch gehalten, die Vorstatik von der Antragstellerin im Rahmen der Aufklärung nach § 24 Nr. 1 VOB/A nachzufordern, um eine ordnungsgemäße Gleichwertigkeitsprüfung durchführen zu können. Die Auftraggeberin hat dagegen entgegen der Auffassung der Antragstellerin keinen Anlass, das Nebenangebot der Beigeladenen auszuschließen.

40

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin, der Bundesrepublik Deutschland, handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Das Land Niedersachsen, vertreten durch die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr - Außenstelle xxx - führt das beanstandete Vergabeverfahren im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung gem. Art. 85 GG für die Bundesrepublik Deutschland - Straßenbauverwaltung - durch. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag im Sinne des § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 Vergabeverordnung (VgV) ein Schwellenwert von 5 Mio. EUR. Werden Bauaufträge losweise ausgeschrieben, gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. EUR oder bei Losen unterhalb von 1 Mio. EUR deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Ausweislich der Vergabeakte überschreitet selbst das von der Auftraggeberin als wirtschaftlichstes Angebot ermittelte Nebenangebot Nr. 1 der Beigeladenen mit einer Auftragssumme von 1.024.475,66 EUR den maßgeblichen Schwellenwert für das streitbefangene Los. Die Gesamtbaumaßnahme Neubau der BAB A 39 überschreitet den Schwellenwert von 5 Mio. EUR bei weitem.

41

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie vorträgt, die Auftraggeberin sei mangels Angabe von technischen Mindestbedingungen in den Verdingungsunterlagen gehindert, überhaupt Nebenangebote zu werten. Andernfalls sei sie zumindest aber gehalten, auch ihr eigenes Nebenangebot zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für einen zwingenden Ausschluss gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 VOB/A lägen nicht vor. Dagegen sei die Auftraggeberin gehalten, das Nebenangebot der Beigeladenen wegen Unvollständigkeit und unzulässiger Nachverhandlungen im Sinne des § 24 Nr. 3 VOB/A zwingend auszuschließen. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Aufl., § 107, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt, sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Es ist nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).

42

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs hat die Antragstellerin die vermeintlichen Vergaberechtsverstöße rechtzeitig gerügt. Die Auftraggeberin hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 05.04.2005 gem. § 13 VgV darüber informiert, dass auf ihr Hauptangebot der Zuschlag nicht erteilt werde und dass ihr Nebenangebot Nr. 1 ausgeschlossen werde, weil es nicht gleichwertig sei und es darüber hinaus mangels Erläuterung und Abgabe einer Vorstatik unvollständig sei. Es sei beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Bereits mit Anwaltsschriftsatz vom 08.04.2005 rügte die Antragstellerin diese Entscheidung der Auftraggeberin mit dem Hinweis darauf, dass ihr Nebenangebot nach ihrer Auffassung mit dem ausgeschriebenen Hauptangebot gleichwertig sei. Die Leistungsbeschreibung habe keine Mindestanforderungen für die Wertbarkeit von Nebenangeboten enthalten. Wenn die Auftraggeberin nunmehr die Vorlage einer Vorstatik für Nebenangebote mit Angebotsabgabe als Mindestbedingung verlange, habe sie diese Mindestbedingung jedenfalls nicht bekannt gemacht, sodass nach der Rechtsprechung des EuGH und des OLG Rostock die Auftraggeberin gehindert sei, überhaupt Nebenangebote zu werten. Im Übrigen erfülle die Mitteilung vom 05.04.2005 nicht die inhaltlichen Mindestanforderungen des § 13 VgV. Hinsichtlich des Hauptangebotes der Antragstellerin werde lediglich auf die Wertungssumme verwiesen. Die Auftraggeberin hat daraufhin mit Schreiben vom 12.04.2005 ergänzend mitgeteilt, dass auf das Hauptangebot der Antragstellerin der Zuschlag deshalb nicht erteilt werden könne, weil sie nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Im Übrigen hat sie die Rüge der Antragstellerin zurückgewiesen. Daraufhin hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 15.04.2005 ihre Rüge noch einmal vertieft. Beide Rügeschreiben, insbesondere das 1. Rügeschreiben vom 08.04.2005, das nur 3 Tage nach Absendung des Informationsschreibens der Auftraggeberin gem. § 13 VgV vom 05.04.2005 abgesetzt wurde, erfolgten unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin auch nicht hinsichtlich der grundsätzlich geltend gemachten Rechtsauffassung präkludiert, wonach die Auftraggeberin mangels Angabe von technischen Mindestbedingungen überhaupt an der Wertung von Nebenangeboten gehindert sei. Da es sich hierbei um eine auch bislang von der Rechtsprechung nicht einheitlich gehandhabte Rechtsfrage handelt, kann nicht unterstellt werden, dass die Antragstellerin bereits im Zuge der Angebotserstellung bereits positive Kenntnis von dem nunmehr geltend gemachten, vermeintlichen Vergaberechtsfehler erlangt hatte. Auf diese Rechtsfrage dürfte die Antragstellerin vielmehr durch den erstmals im Rahmen der Abfassung des Rügeschreibens in dieser Sache tätigen Rechtsanwalt hingewiesen worden sein.

43

2.

Der Nachprüfungsantrag ist teilweise begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB durch die Nichtberücksichtigung ihres Nebenangebotes in ihren Rechten verletzt, weil die Auftraggeberin zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für einen zwingenden Angebotsausschluss gem. §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b, 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A vorliegen. Sie war vielmehr gehalten, die für die Ermittlung der technischen Gleichwertigkeit des Nebenangebotes aus ihrer Sicht erforderliche Vorstatik im Wege der Angebotsaufklärung nach § 24 Nr. 1 VOB/A nachzufordern (im Folgenden a). Dagegen hat die Auftraggeberin keinen Anlass, das Nebenangebot der Beigeladenen wegen vermeintlicher Unvollständigkeit und vermeintlich unzulässiger Nachverhandlungen im Sinne des § 24 Nr. 3 VOB/A von der Angebotswertung auszuschließen. Diesbezüglich war der Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückzuweisen (im Folgenden b).

44

a)

Die Auftraggeberin war weder berechtigt noch gehalten, das Nebenangebot 1 der Antragstellerin deshalb von der Wertung auszuschließen, weil die Antragstellerin mit Angebotsabgabe keine Vorstatik beigefügt hat. Diese hat die Antragstellerin unstreitig erst im Zuge des Nachprüfungsverfahrens als Anlage Ast 4 mit Schriftsatz vom 19.04.2005 vorgelegt. Entgegen der Auffassung der Auftraggeberin liegen jedoch die Voraussetzungen für einen zwingenden Angebotsausschluss gem. §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b, 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A nicht vor.

45

Der grundsätzlichen Wertbarkeit von Nebenangeboten steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass die Auftraggeberin in ihren Verdingungsunterlagen unstreitig keinerlei technische Mindestanforderungen für die Wertbarkeit von Nebenangeboten definiert hat. Ziffer 9 des Vordruckes HVA B-StB - Aufforderung Stahl 2 (10/03), Ziff. 10.1 des Vordruckes HVA B-StB - Aufforderung Stahl 3 (10/03) und Ziff. 4 der Bewerbungsbedingungen gem. Vordruck HVA B-StB - Bewerbungsbedingungen / E 1 (10/03) beinhalten lediglich formale und allgemeine Anforderungen an Nebenangebote und Änderungsvorschläge. Das Erfordernis von Mindestanforderungen zur Wertbarkeit von Nebenangeboten wird in der Rechtsprechung jedoch nicht einheitlich beurteilt. Während das BayObLG in seinem Beschluss vom 22.06.2004, Az.: Verg 13/04, unter Berufung auf das Urteil des EuGH vom 16.10.2003 (= VergabeR 2004, S. 50 [EuGH 16.10.2003 - C 421/01]) entschieden hat, dass ein zugelassenes Nebenangebot dann nicht gewertet werden kann, wenn der Auftraggeber weder in der Vergabebekanntmachung noch in den Verdingungsunterlagen die Mindestanforderungen erläutert hat, welche Nebenangebote erfüllen müssen, hat die VK Schleswig-Holstein in ihrem Beschluss vom 03.11.2004, Az.: VK SH 28/04 (= IBR 12/2004, S. 715), das Erfordernis von technischen Mindestbedingungen für die Wertbarkeit von Nebenangeboten verneint. Ausreichend sei vielmehr, wenn der Auftraggeber nach den Ausschreibungsunterlagen - wie auch im vorliegenden Fall - fordert, dass Nebenangebote auf einer besonderen Anlage kenntlich gemacht werden, deutlich gekennzeichnet sein und eine eindeutige erschöpfende Beschreibung enthalten müssen. Ferner müsse das Nebenangebot so beschaffen sein, dass es der Auftraggeber als gleichwertig beurteilen kann. Die Vergabekammer teilt die Auffassung der VK Schleswig-Holstein, dass sich aus dem Urteil des EuGH vom 16.10.2003 (VergabeR 2004, S. 50 [EuGH 16.10.2003 - C 421/01] mit Anm. Opitz sowie Anm. Bultmann, ZfBR 2004, S. 88 [EuGH 16.10.2003 - C 421/01]) das vom BayObLG statuierte restriktive Erfordernis der Definition und Bekanntmachung von gesonderten technischen Mindestanforderungen als zwingende Voraussetzung für die Wertbarkeit von Nebenangeboten nicht ableiten lässt. Die Vergabekammer vertritt die Auffassung, dass eine transparente und den Anforderungen des Gleichheitsgrundsatzes genügende Wertung technischer Nebenangebote bereits dadurch Gewähr leistet wird, dass der Auftraggeber verpflichtet ist, in den Verdingungsunterlagen gem. § 9 Abs. 1 VOB/A die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben und gem. § 9 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A alle für eine einwandfreie Preisermittlung relevanten Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben hat. Die damit zwingend vorgegebene Bekanntmachung und Definition von Eckpunkten des Auftragsgegenstandes bietet bereits eine hinreichende Grundlage für die Wertbarkeit von Nebenangeboten, zumal der Bieter nach inzwischen einhelliger Rechtsprechung verpflichtet ist, die Gleichwertigkeit seiner Nebenangebote nachzuweisen.

46

Die Auftraggeberin ist auch in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass sie für die Prüfung der Gleichwertigkeit des Nebenangebotes der Antragstellerin im Vergleich zum Hauptentwurf darauf angewiesen ist, dass die Antragstellerin ihr für das Nebenangebot eine Vorstatik vorlegt. Weicht ein Bieter mit seinem Nebenangebot von der in der Ausschreibung beschriebenen Leistung ab, muss er die alternative Ausführung umfassend und klar beschreiben, um dem Auftraggeber den Vergleich mit den Ausschreibungsbedingungen zu ermöglichen (vgl. Brinker/Ohler in: Beck'scher VOB-Kommentar, § 25 VOB/A, Rdnr. 139, m.w.N.). Das Nebenangebot weicht in technischer Hinsicht unstreitig erheblich vom ausgeschriebenen Hauptentwurf ab. Das Nebenangebot sieht das zu errichtende Bauwerk als zweizeiligen Halbrahmen mit monolithischer Einspannung der Fahrbahnplatte in die Widerlager statt des im Hauptentwurf vorgesehenen zweifeldrigen Überbaus mit drehbarer Lagerung bei den Widerlagern vor. Die Lager auf den Widerlagern und die Übergangskonstruktionen sollen entfallen. Ferner soll die Vorspannung unter Erhöhung der schlaffen Bewehrung im Überbau entfallen. Die Fundamentabmessungen in Fläche und Höhe sollen verringert werden. Die Wandstärke der Widerlager soll reduziert und die Widerlagerflügel geändert werden. Das Nebenangebot geht insgesamt von einem Bauwerk aus, das in allen Abmessungen verringert ist. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass die Auftraggeberin für die Überprüfung der Gleichwertigkeit dieses Nebenangebotes unter anderem auch auf eine vom Bieter beizubringende Vorstatik zurückgreifen will.

47

Die Auftraggeberin war jedoch nicht gehindert, die Antragstellerin im Wege von Aufklärungsverhandlungen gem. § 24 Nr. 1 VOB/A aufzufordern, die Vorstatik für das Nebenangebot nachzureichen. Gemäß § 24 Nr. 1 VOB/A darf der Auftraggeber nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung mit einem Bieter nur verhandeln, um sich über seine Eignung, insbesondere seine technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst, etwaige Änderungsvorschläge und Nebenangebote, die geplante Art der Durchführung, etwaige Ursprungsorte oder Bezugsquellen von Stoffen oder Bauteilen sowie über die Angemessenheit der Preise zu unterrichten. Bei § 24 VOB/A handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, deren Grenzen im Interesse der jeweils anderen Bieter restriktiv zu sehen sind (vgl. Weyand, VergabeR, § 24 VOB/A, Rdnr. 4251, 4263 m.w.N.). Die Nachverhandlung ist dem Auftraggeber ausschließlich als eine Aufklärungsmaßnahme im engeren Sinne gestattet. Sie darf nicht dazu dienen, dem Bieter eine inhaltlicheÄnderung oder Ergänzung seines Angebotes zu ermöglichen (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 02.07.2002, Az.: 13 Verg 6/02). Aufklärungsverhandlungen können insgesamt nur dazu dienen, einen feststehenden Sachverhalt aufzuklären, nicht aber diesen zu verändern (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 14.03.2001, Az.: Verg 30/00). Wird einem Bieter im Rahmen der Aufklärung Gelegenheit zur Änderung seines Angebotes gegeben, entstehen Manipulationsmöglichkeiten. Außerdem wird der zu solchen Angaben berechtigte Bieter gegenüber anderen Bietern unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot bevorzugt.

48

Um Unklarheiten zu vermeiden, empfiehlt es sich daher für den Auftraggeber regelmäßig, in die Verdingungsunterlagen die Aufforderung aufzunehmen, dass Nebenangebote und Änderungsvorschläge ebenso präzise zu unterbreiten sind, wie die Leistungsbeschreibung oder das Leistungsprogramm gefasst wurden, und dass sie andernfalls nicht gewertet werden (vgl. Jasper in: Beck'scher VOB-Kommentar, § 24 VOB/A, Rdnr. 27). Dies hat die Auftraggeberin im vorliegenden Fall getan. Unter Nr. 4.2 der den Verdingungsunterlagen beigefügten Bewerbungsbedingungen (Vordruck HVA B-StB - Bewerbungsbedingungen / E 1 (10/03) heißt es:

"Der Bieter hat die in Nebenangeboten oder Änderungsvorschlägen enthaltenen Leistungen eindeutig und erschöpfend zu beschreiben; die Gliederung des Leistungsverzeichnisses ist, so weit möglich, beizubehalten. Nebenangebote und Änderungsvorschläge müssen alle Leistungen umfassen, die zu einer einwandfreien Ausführung der Bauleistung erforderlich sind. Soweit der Bieter eine Leistung anbietet, deren Ausführung nicht in allgemeinen technischen Vertragsbedingungen oder in den Verdingungsunterlagen geregelt ist, hat er im Angebot entsprechende Angaben über Ausführung und Beschaffenheit dieser Leistung zu machen."

49

Unter Nr. 4.5 heißt es:

"Nebenangebote oder Änderungsvorschläge, die den Nrn. 4.1 1. Halbsatz, 4.2, 4.3 und 4.4 nicht entsprechen, werden von der Wertung ausgeschlossen."

50

Diesen Anforderungen an eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung genügt das streitbefangene Nebenangebot der Antragstellerin aber durchaus. Das mit Schreiben vom 09.03.2005 unterbreitete Nebenangebot 1 der Antragstellerin wird in ihrer Konstruktion zum einen in textlicher Form erläutert. Ferner ist ein ordnungsgemäßer Entwurfsplan beigefügt. Darüber hinaus ist dem Nebenangebot ein detailliertes Leistungsverzeichnis beigefügt, das alle aus Sicht der Antragstellerin erforderlichen Einzelpositionen ausweist und durchgehend bepreist ist. Ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen Stellungnahme vom 22.03.2005 zum Nebenangebot der Antragstellerin hat sich die Auftraggeberin durchaus in der Lage gesehen, die von der Antragstellerin mit ihrem Nebenangebot beabsichtigte Konstruktion zu erfassen und sogar Vorteile und Nachteile herauszuarbeiten.

51

An der mit den Bewerbungsbedingungen geforderten Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung fehlt es daher im vorliegenden Fall nicht. Nachvollziehbar ist lediglich, dass die Auftraggeberin die Vorstatik zur Beurteilung der Gleichwertigkeit des Nebenangebotes benötigt. Maßnahmen zur Beurteilung der Gleichwertigkeit eines feststehenden Nebenangebotes aber bewegen sich im Rahmen des § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A und sind deshalb zulässig (vgl. Jasper, a.a.O., § 24 VOB/A, Rdnr. 27, Franke/Grünhagen, VOB, 2. Aufl., § 24 VOB/A, Rdnr. 65, m.w.N.). Eine Nachforderung der Vorstatik wäre der Auftraggeberin nur verwehrt gewesen, wenn sie diese ausdrücklich mit Angebotsvorlage gefordert hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Unter Ziff. 10.10 des Vordruckes HVA B-StB - Aufforderung Stahl 3 (10/03) hatte sie die Bieter lediglich auf eine mögliche Notwendigkeit einer Vorstatik, auf eine mögliche Aufklärung nach § 24 VOB/A und auf eine Berücksichtigung im Rahmen der Angebotswertung hingewiesen. Dort heißt es:

"Sofern erforderlich, sind Nebenangebote durch Zeichnungen und andere vom Bieter im Zuge seiner Angebotsbearbeitung erstellten Unterlagen (z. B. Vorstatik bei konstruktiven Änderungen, Massenermittlungen bei Mengenänderungen) zu verdeutlichen. Werden diese Unterlagen nicht beigefügt und ist demzufolge das Nebenangebot in seinen Auswirkungen, ggf. nach Aufklärung gem. § 24 VOB/Anicht übersehbar (z. B. wegen des Umfangs der Limitierung oder Pauschalierung), so wird dieser Umstand bei der Angebotswertung berücksichtigt."

52

(Hervorhebung durch die Vergabekammer)

53

Angesichts dieser weichen Formulierung kann von einer zu einem automatischen Ausschluss führenden Mindestbedingung keine Rede sein. Die Bieter und damit auch die Antragstellerin mussten vielmehr zwar damit rechnen, dass sie im Falle eines technischen Nebenangebotes aufgefordert werden würden, zum Nachweis der Gleichwertigkeit eine Vorstatik beizubringen. Die Antragstellerin konnte jedoch angesichts dieser Formulierung davon ausgehen, dass in dem Fall, dass die Auftraggeberin zur Beurteilung der Gleichwertigkeit des Nebenangebotes eine Vorstatik für erforderlich hält, diese im Rahmen des § 24 VOB/A nachgefordert wird. Diese Nachforderung im Wege der Aufklärung nach § 24 VOB/A war und ist der Auftraggeberin angesichts ihrer oben zitierten Festlegung unter Ziff. 10.1 der Angebotsaufforderung auch zuzumuten. Die Auftraggeberin ist daher gehalten, erneut in die Angebotswertung einzutreten und die Gleichwertigkeit des Nebenangebotes der Beigeladenen unter Einbeziehung der im Zuge des Nachprüfungsverfahrens nachgereichten Vorstatik der Antragstellerin zu wiederholen. Das Ergebnis dieser Gleichwertigkeitsprüfung ist allerdings offen.

54

b)

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat die Auftraggeberin jedoch auch keinen Anlass, das Nebenangebot 1 der Beigeladenen wegen Unvollständigkeit gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A und wegen vermeintlicher unzulässiger Nachverhandlungen im Sinne von § 24 Nr. 3 VOB/A von der Angebotswertung auszuschließen. Die Antragstellerin zieht ihre Rückschlüsse und Vermutungen aus der in der Vergabeakte enthaltenen Niederschrift über die Aufklärungsverhandlung mit der Beigeladenen vom 04.04.2005. Dort ist eine Erläuterung des Sondervorschlags der Beigeladenen dokumentiert. Unter anderem heißt es dort:

"Durch den Sondervorschlag entfallen folgende Ordnungsziffern:

01.0015 - Auflagerbank entwässern 304,40 EUR

05.0010 - Geotextil für ÜKO 320,07 EUR

Der Entfall wird bei der Auftragssumme berücksichtigt."

55

Die Auftraggeberin hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass diese beiden Positionen bei der Ausführung des Nebenangebotes der Beigeladenen zwingend entfallen. Ferner hat sie dargelegt, dass dieser Entfall zwar im Auftragsfalle berücksichtigt wird, nicht jedoch im Rahmen der Wertung abgezogen wurde. Ausweislich des in der Vergabeakte enthaltenen Preisspiegels sind diese Positionen im Rahmen der Wertung des Nebenangebotes nicht abgezogen worden. Vielmehr ist das Nebenangebot mit den Preisen, die die Beigeladene in ihrem schriftlichen Angebot eingetragen hatte, gewertet worden. Eine gegen § 24 Nr. 3 VOB/A verstoßende Verhandlung über Preise hat somit nicht stattgefunden.

56

Die Niederschrift über die Aufklärungsverhandlung gibt auch keinen Hinweis darauf, dass die Beigeladene mit ihrem Angebot etwa keine vollständigen Angaben über den beabsichtigten Nachunternehmereinsatz gemacht hätte. Unter Ziff. 4 dieser Niederschrift heißt es lediglich:

"Es sind nur Nachunternehmer für die Vorspannung und die Abdichtungsarbeiten vorgesehen. Der Erdbau wird konzernintern ausgeführt. Die Sichtschutzwand wird selbst erstellt, die Sockelelemente und die Sichtschutzelemente werden geliefert. Das Traggerüst wird angemietet. Der Aufbau erfolgt mit eigenem fachkundigen Personal unter Anleitung und Aufsicht der Leergerüstfirma. Der Handlauf wird von einer Stahlbaufirma hergestellt. Das Seil wird fachkundig eingebaut."

57

Der Hinweis auf anzumietendes Gerät und Lieferung von Material begründet keine Nachunternehmereigenschaft. Nicht jeder Rückgriff auf dritte Unternehmen ist als Nachunternehmereinsatz im Sinne des § 4 Nr. 8 Abs. 1 Satz 2 VOB/B einzustufen. Der Nachunternehmer (Subunternehmer) zeichnet sich vielmehr dadurch aus, dass er zum Hauptunternehmer, nicht aber zum Auftraggeber in einem Vertragsverhältnis steht. Er soll die von ihm übernommene Leistung oder Leistungsteile in eigener Verantwortung erbringen, ohne dadurch zum Vertragspartner des Auftraggebers zu werden (vgl. Heiermann/Riedl, VOB, 10. Aufl., B § 4, Rdnr. 104, m.w.N.). Dagegen sind begrifflich nicht den Nachunternehmern zuzurechnen solche Unternehmer, die selbst keine Teile der in Auftrag gegebenen Bauleistung erbringen, sondern in Hilfsfunktionen tätig sind. Dazu gehören beispielsweise regelmäßig Fuhrunternehmer sowie Baumaschinen- und Geräteverleiher (vgl. Heiermann/Rusam, a.a.O., A § 8, Rdnr. 13). Die von der Beigeladenen mit ihrem Angebot abgegebene Nachunternehmererklärung ist deshalb als vollständig anzusehen.

58

Problematischer, im Ergebnis aber nicht zum Ausschluss führend ist dagegen die unter Nr. 1 der Niederschrift erörterte Anwendung der Stahlpreisgleitung auf die durch das Nebenangebot veränderten Stahlmassen anzusehen. Dort heißt es wörtlich:

"Durch den Sondervorschlag entfällt die Spannbewehrung. Der Anteil der schlaffen Bewehrung erhöht sich. Die vereinbarte Stahlpreisgleitung bezieht sich nur auf die Stahlmassen im Leistungsverzeichnis."

59

Die Antragstellerin verweist zu Recht darauf, dass eine derartige Vereinbarung, wenn sie so geschlossen wurde, den Rahmen der zulässigen Aufklärung nach § 24 VOB/Aüberschreitet und eine unzulässige, weil preisverändernde Änderung im Sinne des § 24 Nr. 3 VOB/A darstellt. Dies folgt daraus, dass die Auftraggeberin die Anwendung der Stoffpreisgleitung Stahl zur zwingenden Bedingung ihrer Verdingungsunterlagen gemacht hat. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe heißt es unter Ziff. 9 des Vordruckes HVA B-StB - Aufforderung Stahl 2 (10/03) ausdrücklich:

"Nebenangebote, die einen Verzicht auf eine Stoffpreisgleitung Stahl beinhalten, werden von der Wertung ausgeschlossen."

60

Damit ist die zitierte Feststellung der Auftraggeberin in der Niederschrift vom 04.04.2005 nicht vereinbar, weil danach die über die Ansätze im Leistungsverzeichnis hinausgehenden Stahlmassen nicht von der Stahlpreisgleitung erfasst werden sollen.

61

Die Beigeladene hat jedoch in der mündlichen Verhandlung und in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 19.05.2005 ausdrücklich bestritten, dass eine derartige von ihrem schriftlichen Angebot abweichende Beschränkung der Stahlpreisgleitung vereinbart wurde. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie die besagte Niederschrift über das Aufklärungsgespräch vom 04.04.2005 erstmalig anlässlich der mündlichen Verhandlung im Nachprüfungsverfahren am 17.05.2005 zu Gesicht bekommen hat. Die Auftraggeberin hat bestätigt, dass sie diese Niederschrift der Beigeladenen nicht zur Kenntnis gegeben hat. Die in der Vergabeakte enthaltene Niederschrift enthält dementsprechend auch keine Gegenzeichnung der Beigeladenen. Gemäß § 24 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A sollen die Ergebnisse von Aufklärungsverhandlungen schriftlich niedergelegt werden. Zwar sind gemäß dieser Vorschrift die Ergebnisse solcher Verhandlungen ausdrücklich geheim zu halten. Dies dient jedoch allein dem Schutz des Bieters, mit dem jeweils verhandelt wird. Es muss deshalb zwischen dem konkreten Bieter, also demjenigen, mit dem die Aufklärungsgespräche geführt werden, und den Konkurrenzbietern unterschieden werden (vgl. Franke/Grünhagen, a.a.O., § 24 VOB/A, Rdnr. 91). Dagegen kann und wird der öffentliche Auftraggeber das Protokoll regelmäßig sofort nach Anfertigung dem konkreten Bieter, mit dem das Aufklärungsgespräch geführt wurde, zur Gegenzeichnung übersenden. Dies ist insbesondere aus Beweisgründen möglich und sinnvoll, wenn auch nach dem Wortlaut des § 24 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A nicht zwingend erforderlich. Die Bieter haben also keinen Anspruch darauf, dass ihnen das Protokoll übersandt wird, sie können es aber erhalten. In diesem Protokoll sollte stets der vollständige Inhalt des Aufklärungsgesprächs wiedergegeben werden. Im Gegensatz zum Vergabevermerk enthält das Protokoll jedoch nicht die internen Schlussfolgerungen, die der öffentliche Auftraggeber aus den Feststellungen des Aufklärungsgesprächs gezogen hat.

62

Es ist daher im vorliegenden Fall angesichts des substantiierten Bestreitens der Antragstellerin weder positiv noch negativ feststellbar, ob die vereinbarte Stahlpreisgleitung in Abweichung zu den Festlegungen der Verdingungsunterlagen für die mit dem Nebenangebot verbundenen über das Leistungsverzeichnis hinausgehenden Stahlmassen tatsächlich nicht gelten sollte, oder ob es sich hier lediglich um eine falsche Schlussfolgerung der Auftraggeberin handelte. Ist eine unzulässige Änderung nicht belegbar, ist das Angebot so zu werten, wie es schriftlich abgegeben wurde. Mit ihrem Angebot aber hat die Beigeladene die Stoffpreisgleitklausel - Stahl für Brückenbauverträge im Straßen- und Brückenbau Ausgabe Mai 2004 - HVA B StB - (05/04), die in den Verdingungsunterlagen enthalten war, vorbehaltlos anerkannt. Sie ist damit Bestandteil sowohl des Hauptangebotes wie auch des Nebenangebotes Nr. 1 der Beigeladenen geworden. In Abs. 3 dieser Stoffpreisgleitklausel heißt es:

"Der Ermittlung der Mehr- und Minderaufwendungen werden nur die Baustoffmengen zu Grunde gelegt, für deren Verwendung nach dem Vertrag eine Vergütung zu gewähren ist. Bei vereinbarter Pauschalierung oder Limitierung der Vergütung werden die tatsächlich eingebauten Baustoffmengen der Ermittlung der Mehr- und Minderaufwendungen zu Grunde gelegt."

63

Das Nebenangebot der Beigeladenen ist daher nicht wegen Verstoßes gegen § 24 Nr. 3 VOB/A auszuschließen. Da die Auftraggeberin ausweislich der Niederschrift vom 04.04.2005 aber bezüglich der im Leistungsverzeichnis für das Hauptangebot vorgesehenen Stahlmassen im Rahmen der bisherigen Angebotswertung offenbar von einer anderen Voraussetzung ausgegangen ist, ist die Auftraggeberin verpflichtet, im Zuge der erneuten Angebotswertung zu Gewähr leisten, dass auch für das Nebenangebot der Beigeladenen die dort konkret angesetzten Stahlmassen vollständig nach Maßgabe der vereinbarten Stahlpreisgleitung beurteilt werden. Andernfalls wäre nicht zu Gewähr leisten, dass die Auftraggeberin in der Lage ist, das wirtschaftlichste Angebot gem. § 25 Nr. 3 VOB/A unter Berücksichtigung aller gem. § 25 a VOB/A bekannt gemachten Zuschlagskriterien ordnungsgemäß zu ermitteln.

64

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Wegen der oben unter 2 a festgestellten Verstöße gegen das vergaberechtliche Gleichbehandlungsgebot und das Gebot gem. § 25 Nr. 5 VOB/A, zugelassene Nebenangebote zu werten, ist es erforderlich, die Auftraggeberin zu verpflichten, die Angebotswertung erneut durchzuführen, dabei auch das Nebenangebot der Antragstellerin zu berücksichtigen und die Gleichwertigkeit dieses Nebenangebotes unter Berücksichtigung der im Zuge des Nachprüfungsverfahrens nachgereichten Vorstatik der Antragstellerin zu überprüfen und Prüfung und Ergebnis der Bewertung in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren. Wegen der nicht korrespondierenden Aussagen der Auftraggeberin und der Beigeladenen zur Anwendung der Stahlpreisgleitung auch auf die Stahlmassen, die im Rahmen des Nebenangebotes anfallen und die im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Stahlmassen überschreiten, ist die Auftraggeberin außerdem zu verpflichten, das Nebenangebot der Beigeladenen unter Berücksichtigung einer gleichmäßigen Anwendung der Preisgleitklausel Stahl erneut zu bewerten. Die Vergabekammer weist darauf hin, dass die Auftraggeberin nach erneuter Wertung sämtliche Bieter gem. § 13 VgV mindestens 14 Tage vor Zuschlagserteilung ordnungsgemäß zu informieren hat. Im Übrigen war der Nachprüfungsantrag dagegen aus den unter 2 b dargelegten Gründen zurückzuweisen. Die Auftraggeberin ist weder gehalten noch berechtigt, das Nebenangebot der Beigeladenen auszuschließen.

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III. Kosten

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art.7 Nr. 5 des 9. EURO-

67

Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, sodass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 EUR beträgt.

68

Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.815 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

69

Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 1.064.954,15 EUR. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Nebenangebot 1 der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

70

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 1.064.954,15 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.815 EUR.

71

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

72

Die in Ziffer 2 des Tenors verfügte Aufteilung der Kosten auf die Antragstellerin und die Auftraggeberin folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nur teilweise begründet war. Dagegen war der Nachprüfungsantrag hinsichtlich ihres Begehrens, die Auftraggeberin zu verpflichten, das Nebenangebot der Beigeladenen auszuschließen, erfolglos. Die anteilige Kostentragungspflicht entspricht daher dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens im Nachprüfungsverfahren (vgl. Beschluss des OLG Celle vom 06.06.2003, Az.: 13 Verg 5/03).

73

Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.

74

Der Kostenanspruch ist wegen des teilweise Unterliegens der Antragstellerin jedoch auf 2/3 zu begrenzen. Die Auftraggeberin selbst war nicht anwaltlich vertreten.

75

Kosten der Beigeladenen:

76

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zu Gunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird:

"Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend."

77

Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwer wiegend berührt werden".

78

Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 128, Rdnr. 1432).

79

Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i. S. d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten einer in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.

80

Da die Antragstellerin jedoch nur teilweise unterlegen ist, war der Kostenerstattungsanspruch auf 1/3 zu begrenzen.

81

Die Auftraggeberin wird aufgefordert, den Betrag von 1.877 EUR unter Angabe des Kassenzeichens ... innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen: ...

82

Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 938 EUR unter Angabe des Kassenzeichens ... innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen: ...

Gause
Schulte
Brinkmann