Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 24.09.2005, Az.: 203-VgK-17/2003

Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung; Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens; Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
24.09.2005
Aktenzeichen
203-VgK-17/2003
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 21716
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Ausschreibung von Versicherungsleistungen

In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dr. Pade
auf die mündliche Verhandlung vom 23.09.2003
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Auftraggeber wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen und in einer den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren. Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Auftraggeber.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.616,-- EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Der Auftraggeber hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin war notwendig.

Begründung

1

I.

Die Auftraggeber hat mit Datum vom 10.04.2003 die Gebäude- und Inventarversicherung für die Zeit vom 01.03.2004 bis zum 01.03.2007 EU-weit im offenen Verfahren ausgeschrieben.

2

Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass Konsortien zugelassen sind. Hinsichtlich der Bedingungen für die Teilnahme am Wettbewerb wurde darauf hingewiesen, dass Bieter zugelassen sind, die die Zulassung zum Betrieb der Schadensversicherung gemäß §§ 5 ff VAG besitzen. Eine Unterteilung in Lose war nicht vorgesehen. Nebenangebote und Änderungsvorschläge sollten berücksichtigt werden. Als Schlusstermin für den Angebotseingang war der 02.06.2003 (12.00) genannt.

3

Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit war der aktuelle Geschäftsbericht gefordert, eine Erklärung über den Rückversicherungsschutz und Referenzen für vergleichbare Leistungen der letzten 3 Jahre. Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot unter Zugrundelegung der Kriterien 1, Angebotspreis, 2. Vertragsumfang und 3. Servicedienstleistungen erteilt werden.

4

In den Bewerbungsbedingungen sind unter Ziffer 8. weitere Eignungsnachweise genannt. Zusätzlich zu den bereits in der Bekanntmachung genannten Nachweise hatte der Bieter vorzulegen:

  • Referenzen in der Versicherung kommunaler Versicherungsnehmer,
  • Angabe, wo der Versicherungsvertrag verwaltet werden soll und wo die Schadensregulierungsbevollmächtigten des Versicherers ihren Geschäftssitz haben.

5

Ferner waren unter 9. die Zuschlagskriterien in der Reihenfolge ihrer Bedeutung für den Auftraggeber genannt worden:

  • Prämienhöhe,
  • der Umfang des angebotenen Versicherungsschutzes sowie
  • die angebotenen Servicedienstleistungen.

6

Ein Vertreter der Antragstellerin holte am 24.04.03 persönlich die Verdingungsunterlagen ab.

7

Mit Schreiben vom 07.05.2003 rügte sie die Abgabefrist 02.06.2003, 12.00 Uhr.

8

Ferner beanstandete sie die Bewerbungsbedingungen. Sie vertritt die Auffassung, dass der Umfang des angegebenen Versicherungsschutzes kein Eignungskriterium sein kann. Sie führt auch aus, dass ihrer Meinung nach es unzulässig sei, falls die Vergabestelle an dieser Stelle Nebenangebote einfließen lassen wolle. Ferner weist sie darauf hin, dass das Kriterium Servicedienstleistungen an keiner Stelle in den Ausschreibungsunterlagen definiert wird.

9

Bei den Verdingungsunterlagen weist sie darauf hin, dass die Regelung über den Ausschluss von Terroranschlägen ihrer Meinung nach unklar gefasst sei.

10

Abschließend rügte sie die Kündigungsregelung als unzulässig.

11

Mit Schreiben vom 21.05.2003 beantwortete der Auftraggeber das Rügeschreiben.

12

Die Antragstellerin teilte dem Auftraggeber mit Schreiben vom 27.05.2003 mit, dass ihrer Meinung nach noch einige Fragen offen geblieben seien.

13

Bei der Angebotsöffnung am 03.06.2003 ergab sich, dass insgesamt 4 Bieter Angebote für die Gebäude- und Inventarversicherung abgegeben hatten.

14

Es wurde festgehalten, dass drei der vier Bieter zu den abgefragten Hauptangeboten (1 Jahr ohne Selbstbeteiligung; 3 Jahre ohne Selbstbeteiligung; 1 Jahr mit Selbstbeteiligung und 3 Jahre mit Selbstbeteiligung) noch jeweils 2 Nebenangebote mit Begleitschreiben abgegeben hatten.

15

Zur Vorbereitung der Auswertung der Angebote durch den beauftragten Versicherungsberater hat der Auftraggeber mit ihm über die vorgelegten Angebote am 19.06.2003 ausführlich diskutiert.

16

Bei der Prüfung und Auswertung der Angebote durch den beauftragten Versicherungsberater wurde hinsichtlich der einzelnen Bieter Folgendes festgehalten:

17

Hinsichtlich der Frage, ob ein unangemessen hoher oder niedriger Preis vorliegt, stellte der beauftragte Versicherungsberater in der dritten Wertungsstufe fest, dass die Angebote der Beigeladenen die niedrigsten Prämien ausweisen. Letztendlich empfiehlt der beauftragte Versicherungsberater, auf das Zusatzangebot der Antragstellerin für den Bereich Hochwasserüberschwemmung zu verzichten. Abschließend sei noch die Frage zu klären, ob evtl. das Nebenangebot inkl. eines Schadensselbsthaltes von 500,-- EUR zu bevorzugen sei. Da hier aber nur eine Prämiendifferenz von ca. 3.573,-- EUR Jahresprämie angeboten wurde und es erkennbar sei, dass mehr als sieben Schäden pro Jahr regelmäßig eintreten, könne eindeutig festgestellt werden, dass das Nebenangebot der Beigeladenen ohne Selbstbehalt zu bevorzugen sei.

18

In der 4. Wertungsstufe hat der beauftragte Versicherungsberater festgehalten, dass das abgegebene Angebot von der Prämienhöhe im Vergleich zu anderen Ausschreibungen nicht ungewöhnlich niedrig sei. Die Angemessenheit der Preise sei also für die Angebote Gewähr leistet. Abschließend empfiehlt der beauftragte Versicherungsberater, den Zuschlag auf das Nebenangebot der Beigeladenen zu erteilen. Er empfiehlt, die Variante ohne Selbstbehalt mit einer Laufzeit von drei Jahren zu wählen.

19

Ferner weist der beauftragte Versicherungsberater darauf hin, dass, sofern der Zuschlag wie empfohlen erteilt werde, durch die Ausschreibung teilweise erhebliche Verbesserungen des Versicherungsschutzes herbeigeführt würden. Daneben würde die Gesamtprämienbelastung zu einer jährlichen Ersparnis in Höhe von ca. 52 % des bisherigen Beitrages führen.

20

Mit Datum vom 24.06.2003 hielt der Fachbereich I.3 des Auftraggebers fest, dass der Zuschlagsempfehlung des Versicherungsberaters vollinhaltlich gefolgt wird. Das zuständige Rechnungsprüfungsamt und der Landrat stimmten dieser Empfehlung zu.

21

Der Auftraggeber informierte sodann mit Schreiben vom 02.07.2003 die nicht berücksichtigten Bieter gem. § 13 VgV, welchem Bieter er den Auftrag erteilen möchte. Ferner erklärte er den nicht berücksichtigten Bietern, warum ihr Angebot nicht angenommen werden konnte.

22

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 02.07.2003, eingegangen am selben Tage, die Vergabekammer angerufen. Sie bezieht sich dabei auf ihre Rüge vom 07.05.2003. Ferner führt sie aus, dass der Auftraggeber gegen das Transparentgebot, den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Regelungen der §§ 8 und 16 VOL/A verstoßen habe. Im Einzelnen macht sie geltend:

  • Regelung über den Ausschluss von Terroranschlägen
    Das Leistungsverzeichnis enthalte entgegen der Regelung im Inhaltsverzeichnis keine Regelungen zu Ausschluss für Schäden durch Terrorakte. Sie weist darauf hin, dass die Abfrage von Wahl- oder Alternativpositionen vergaberechtlich unzulässig seien, wenn diese Positionen ein solches Gewicht erhielten, dass sie die Haupt- oder Grundpositionen für die Zuschlagserteilung verdrängen könnten.
  • Vertragsumfang
    Das vom Auftraggeber genannte Zuschlagskriterium sei ihrer Meinung nach unzulässig, da es intransparent sei.
  • Servicedienstleistungen
    Auch dieses Zuschlagskriterium sei unzulässig, da nicht einmal ansatzweise ersichtlich sei, was unter dem Begriff zu verstehen sei.
  • Antragsbefugnis
    Soweit der Auftraggeber die Auffassung vertrete, dass ihr Nachprüfungsantrag unzulässig sei, da er zu einem Zeitpunkt gestellt worden sei, als sie noch keine Vorabinformation erhalten habe, weist die Antragstellerin darauf hin, dass eine Rechtsverletzung bereits dadurch eingetreten sei, dass der Auftraggeber sich vergaberechtswidrig verhalten habe.

23

Ferner sei ihr Antrag auch nicht präkludiert, da sie von der Bekanntmachung erst am 19.04.2003 Kenntnis erhalten habe und ihr die Angebotsunterlagen erst am 24.04.2003 zur Verfügung standen. Die Rügefrist begann ihrer Auffassung nach erst am 05.05.2003 zu laufen, nachdem sie erst an diesem Tag positive Kenntnis von einem Vergabeverstoß erhalten habe.

24

Nach Durchführung der Akteneinsicht am 29.08.2003 machte der Bevollmächtigte der Antragstellerin ergänzend geltend, dass der Auftraggeber die Wertung der Angebote rechtswidrig vorgenommen habe. Einerseits habe er in einer Aktennotiz am 26.03.2003 die Kriterien für die Wertung der Angebote festgelegt, die sich in der Auswertung nicht wiederfänden. Auffällig sei weiter, dass die vom Auftraggeber festgelegten Kriterien für Haupt- und Nebenangebot voneinander abweichen. Der Vertragsumfang umfasse bei Nebenangeboten 20 %, bei Hauptangeboten 5 %. Es sei nicht erkennbar, dass dies im Rahmen der Wertung berücksichtigt worden sei.

25

Ferner vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dass das Angebot der Beigeladenen nicht hätte berücksichtigt werden dürfen, da es nicht auskömmlich sei. Auch habe die Beigeladene geforderte Nachweise nicht mit dem Angebot vorgelegt, sondern erst später.

26

Auch habe der vom Auftraggeber beauftragte Versicherungsberater in unzulässiger Weise an der Vergabeentscheidung mitgewirkt. Aus der Vergabeakte ergebe sich, dass der beauftragte Versicherungsberater eine ergebnisabhängige Vergütung in Höhe von 40 % der Einsparung im ersten Jahr mit dem Auftraggeber vereinbart habe. Diese Vereinbarung widerspräche nicht nur dem Standesrecht, sondern sei auch ein Erfolgshonorar, das dazu führe, dass der Berater nicht mehr unabhängig und neutral im Interesse des Kunden beraten könne.

27

Abschließend stellt die Antraggeberin fest, dass ihrer Meinung nach bereits allein wegen der Mitwirkung des beauftragten Versicherungsberater die Ausschreibung aufzuheben sei.

28

Die Antragstellerin beantragt

  1. 1.

    ein Nachprüfungsverfahren gem. § 107 ff GWB einzuleiten,

  2. 2.

    geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen,

  3. 3.

    der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,

  4. 4.

    die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären,

  5. 5.

    dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

29

Der Auftraggeber beantragt,

  1. 1.

    den Antrag auf Einleitung des Nachprüfungsverfahrens als unzulässig, hilfsweise als unbegründet, zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragsgegners aufzuerlegen.

  3. 3.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten des Antragsgegners notwendig war.

30

Er hält den Nachprüfungsantrag für unzulässig. Zur Begründung führt er aus, dass seiner Auffassung nach die Antragstellerin die Vorabinformation nach § 13 VgV hätte abwarten müssen, bevor sie einen Nachprüfungsantrag stellen durfte.

31

Ferner habe die Antragstellerin die von ihr in der Bekanntmachung erkannten angeblichen Fehler zu spät gerügt.

32

Für den Fall, das die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag für zulässig erachten sollte, vertritt der Auftraggeber die Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag jedenfalls unbegründet sei:

  • Es liege kein Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung in Bezug auf die Terrordeckung vor. Der Umstand, dass die Versicherer teilweise Terrorschäden versichern, teils nicht oder nur zusätzlich, sei eine Markterscheinung, die von den Versicherern ausgehe.
  • Ferner vertritt er die Auffassung, dass er das Zuschlagskriterium Serviceleistungen rechtmäßig gewertet habe.
  • Soweit die Antragstellerin der Auffassung sei, dass der Zuschlag nicht auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt worden sei, weist der Auftraggeber darauf hin, dass seiner Meinung nach durchaus die Konstellation denkbar sei, bei denen der Einschluss von Terrorschäden zwar eine Mehrprämie erfordere, diese aber insgesamt im Zusammenspiel mit der Grundprämie wirtschaftlich erscheint, sodass diesem Angebot der Zuschlag erteilt werden könne.
  • Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, dass das Angebot der Beigeladenen nicht wertungs- und damit berücksichtigungsfähig sei, weist der Auftraggeber darauf hin, dass kein ungewöhnlich niedriges Angebot vorläge. Im Übrigen seien starke Prämienunterschiede bei Versicherungsausschreibungen absolut gewöhnlich und kein Anzeichen von Dumping.
  • Hinsichtlich des Ausschlussbedürfnisses wegen angeblich fehlender Nachweise vertritt der Auftraggeber die Auffassung, dass das Angebot der Beigeladenen rechtswirksam über einen Makler eingereicht worden sei. Des Weiteren seien auch Eignungsnachweise nachreichungsfähig.
  • Im Übrigen habe er als Auftraggeber eine eigenständige Wertung der Angebote durchgeführt und die Verantwortung nicht delegiert.
  • Auch treffen nach Ansicht des Auftraggebers die Vorwürfe gegen die Mitwirkung des Versicherungsberaters im Vergabeverfahren nicht zu. Von einem erfolgsabhängigen Honorar könne im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Versicherungsberaters nicht die Rede sein. Der Berater habe eine rechtsberatende Tätigkeit vorgenommen, die nicht erfolgsabhängig sei und werde vom Auftraggeber bezahlt, unabhängig davon, wer den Zuschlag erhalte. Ferner gehe es um die Bezuschlagung des wirtschaftlichsten Angebotes mit den meisten Einsparungen für den Auftraggeber.

33

Die Beigeladene stellt keine eigenen Anträge. Sie unterstützt das Vorbringen des Auftraggebers.

34

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Vergabeakte, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 23.09.2003 verwiesen.

35

II.

Der zulässige Antrag der Antragstellerin ist teilweise begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil der Auftraggeber es versäumt hat, gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A die Angemessenheit des im Vergleich zu den übrigen Angeboten deutlich niedrigeren Angebotspreises der Beigeladenen zu überprüfen und Prüfung und Ergebnis der Prüfung in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren. Er hat dadurch gegen das Transparenzgebot gem. § 97 Abs. 1 GWB verstoßen. Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag dagegen unbegründet. Der Auftraggeber war und ist insbesondere nicht gehalten, das Vergabeverfahren wegen einer unzulässigen, mit § 2 Nr. 3 VOL/A und§ 6 VOL/A nicht zu vereinbarenden Beteiligung des vom Auftraggeber beauftragten Versicherungsberaters an der streitbefangenen Vergabe das Vergabeverfahren aufzuheben. Ferner liegt in der Handhabung des Zuschlagskriteriums "Umfang des Versicherungsschutzes" auch kein Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung gem. § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A, der Ermöglichung der einwandfreien Preisermittlung gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A und der Vermeidung eines ungewöhnlichen Wagnisses für die Bieter gem.§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A vor. Der Auftraggeber war auch nicht gehalten, das Angebot der Beigeladenen wegen vermeintlich fehlender Untervollmachten für das von ihr für das streitbefangene Angebot kontraktierte Versicherungskonsortium auszuschließen.

36

1.

Der Antrag ist zulässig. Bei dem Auftraggeber handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem.§ 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oderüberschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Versicherungsleistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1, Abs. 2 GWB, für den gem. § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000,-- Euro gilt. Der Wert des ausgeschriebenen Auftragsüberschreitet nach dem Ergebnis der Ausschreibung deutlich den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.

37

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie unter anderem vorträgt, die Auftraggeberin habe durch die Handhabung des Zuschlagskriteriums "Umfang des Versicherungsschutzes" gegen die vergaberechtlichen Gebote der eindeutigen Leistungsbeschreibung, der Ermöglichung der einwandfreien Preisermittlung und der Vermeidung eines ungewöhnlichen Wagnisses für die Bieter gem.§ 8 Nr. 1 VOL/A verstoßen. Ferner sei die Entscheidung, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, nicht mit § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A zu vereinbaren, da der von der Beigeladenen angebotene Preis nicht angemessen sei. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Dies bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen oder die Darlegungslast darf nichtüberspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 107, Rn. 677). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat zumindest schlüssig vorgetragen, dass ihr Angebot trotz des im Vergleich zu den anderen Angeboten deutlich höheren Angebotspreises eine Chance auf den Zuschlag haben könnte, wenn die Angebotswertung ohne die von ihr geltend gemachten, vermeintlichen Vergaberechtsverstöße durchgeführt wird. Dies folgt schon daraus, dass der Auftraggeber die gegenüber der Antragstellerin preislich niedrigeren Angebote mit Ausnahme des Angebotes der Beigeladenen von der Wertung ausgeschlossen hat. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).

38

Der Antragsbefugnis steht entgegen der Auffassung des Auftraggebers auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin den Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer bereits am 02.07.2003 und damit vor Erhalt des Informationsschreibens gem. § 13 VgV vom 02.07.2003 gestellt hat. Die in § 13 VgV geregelte Informationspflicht dient lediglich dazu, auch solchen beim Zuschlag nicht berücksichtigten Bietern den Primärrechtsschutz vor der Vergabekammer zu ermöglichen, die bislang im Zuge des Verfahrens entweder keine Kenntnisüber vermeintliche Vergaberechtsverstöße erlangt haben oder deren Rügen durch den Auftraggeber nicht abgeholfen oder beantwortet wurden. Ebenso wie jedoch ein Bieter, der vor Erhalt des Informationsschreibens nach § 13 VgV positive Kenntnis von vermeintlichen Vergaberechtsmängeln im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB erlangt, mit seiner Rüge nicht bis zum Erhalt des Informationsschreibens warten darf, ist ein Bieter umgekehrt nicht gehindert, schon vor Erhalt des Informationsschreibens die Vergabekammer anzurufen, wenn seiner Rüge nach seiner Auffassung nicht abgeholfen wurde.

39

Die Antragstellerin hat die von ihr geltend gemachten Vergaberechtsverstöße auch unverzüglich und damit rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gerügt. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt bereits positive Kenntnis vor (vgl. Byok/Jaeger, a.a.O., § 107 Rn. 681). Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von§ 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/00).

40

Die Antragstellerin hat die von ihr geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße erst mit Schreiben ihrer Rechtsabteilung vom 07.05.2003 und damit zumindest bezüglich der von ihr angefochtenen Zuschlagskriterien "Umfang des Versicherungsschutzes" sowie "Serviceleistungen" für ein fachlich versiertes Versicherungsunternehmen relativ spät gerügt. Dies folgt daraus, dass die Antragstellerin bereits am 24.04.2003 die Verdingungsunterlagen durch Selbstabholung vom Auftraggeber erhalten hat. Für vermeintliche Vergaberechtsverstöße, die sich aus Verdingungsunterlagen bei der Erstellung eines Angebotes ableiten lassen, liegt ein Zeitraum von 13 Kalendertagen sicherlich am äußersten Rand dessen, was nach der Rechtsprechung für eine unverzügliche Rüge akzeptiert werden kann. Die Obergrenze liegt nach der Rechtsprechung in der Regel bei einem Zeitraum von zwei Wochen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Verg 1/99; BayObLG, Beschluss v. 21.05.1999, Verg 1/99; Byok/Jaeger, a.a.O., § 107, Rn. 682, m.w.N.). Im Einzelfall kann das Merkmal der Unverzüglichkeit jedoch auch eine erheblich schnellere Reaktion des Bieters zumutbar und erforderlich machen. Auf der anderen Seite ist bei komplexen Vergabeverfahren und rechtlich anspruchsvollen Fragen auch ein längerer Zeitraum zuzugestehen. Im vorliegenden Fall sind 13 Kalendertage auch unter der Berücksichtigung, dass zwischen der Abholung der Verdingungsunterlagen und der Absetzung des Rügeschreibens zwei Wochenenden und ein Feiertag (1. Mai) lagen, eine vergleichsweise lange Zeit. Auf der anderen Seite kann die Vergabekammer der Antragstellerin bei der gegebenen Sachlage nicht unterstellen, dass sie gleich bei Beginn der Sichtung der Verdingungsunterlagen und der Erstellung des Angebotes positive Kenntnis im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB von den von ihr geltend gemachten Vergaberechtsverstößen hatte. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.09.2003 auf Vorhalt der Vergabekammer darauf hingewiesen, dass die bei der Sichtung der Verdingungsunterlagen aufgefallenen Punkte von ihrer Rechtsabteilung zunächst nicht geprüft werden konnten, weil die zuständige Rechtsanwältin, Frau xxx, erst am 05.05.2003 aus dem Urlaub zurückgekehrt sei und erst dort eine hinreichende Sichtung und Prüfung auf vermeintliche Widersprüche und Verfahrensmängel erfolgen konnte. Sie habe dann unverzüglich mit Schreiben vom 07.05. die entsprechenden Fragen im Wege einer schriftlichen Rüge an den Auftraggeber gerichtet. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erfolgte die Rüge unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme im Sinne des§ 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Soweit die Antragstellerin keine positive Kenntnis hatte, die geltend gemachten Verstöße gegen Vergabevorschriften aber bereits aus der Bekanntmachung im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB erkennbar waren, erfolgte die Rüge vom 07.05.2003 ebenfalls rechtzeitig, da sie deutlich vor Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe (02.06.2003) erfolgte. Bezüglich der weiteren von der Antragstellerin im Zuge des Vergabeverfahrens geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße, insbesondere hinsichtlich der aus Sicht der Antragstellerin nicht mit § 2 Nr. 3 VOL/A und§ 6 VOL/A zu vereinbarenden Beteiligung des vom Auftraggeber beauftragten Versicherungsberaters, Herrn xxx, am streitbefangenen Vergabeverfahren, konnte die Antragstellerin erst hinreichende Tatsachenkenntnis auf Grund der im Zuge des Nachprüfungsverfahrens gewährten Akteneinsicht erhalten.

41

2.

Der Nachprüfungsantrag ist teilweise begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil der Auftraggeber es versäumt hat, gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A die Angemessenheit des im Vergleich zu allen übrigen Angeboten deutlich niedrigeren Angebotspreises der vom Auftraggeber für den Zuschlag favorisierten Beigeladenen zu überprüfen und Prüfung und Ergebnis der Prüfung in einem den Anforderungen des§ 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren. Er hat dadurch gegen das Transparenzgebot gem. § 97 Abs. 1 GWB verstoßen (im Folgenden a). Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag dagegen unbegründet. Der Auftraggeber war und ist nicht gehalten, das Vergabeverfahren wegen einer unzulässigen, mit§ 2 Nr. 3 VOL/A und § 6 VOL/A nicht zu vereinbarenden Beteiligung des vom Auftraggeber beauftragten Versicherungsberaters, xxx , an der streitbefangenen Vergabe aufzuheben (im Folgenden b). Des Weiteren liegt in der Handhabung des vom Auftraggeber gewählten Zuschlagskriteriums "Umfang des Versicherungsschutzes" auch kein Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung, der Ermöglichung der einwandfreien Preisermittlung und der Vermeidung eines ungewöhnlichen Wagnisses für die Bieter gem. § 8 Nr. 1 VOL/A vor (im Folgenden c). Der Auftraggeber war schließlich auch nicht gehalten, das Angebot der Beigeladenen wegen fehlender Untervollmachten für das von ihr für das streitbefangene Angebot beteiligte Versicherungskonsortium auszuschließen (im Folgenden d).

42

a)

Der Auftraggeber hat es versäumt, das Angebot der Beigeladenen hinsichtlich der Angemessenheit des angebotenen Preises gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A zu überprüfen und Prüfung und Ergebnis in einem den Anforderungen des§ 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk in der Vergabeakte zu dokumentieren. Zu dieser Angemessenheitsprüfung hatte und hat der Auftraggeber entgegen seiner Auffassung Anlass. Ausweislich des in der Vergabeakte enthaltenen Submissionsprotokolls vom 08.06.2003 (S. 128 ff. der Vergabeakte) nebst Preisspiegel (S. 132) waren bis zum Ablauf der Angebotsfrist 03.06., 10.00 Uhr, vier Angebote eingegangen. Die Beigeladene hatte mit einem Angebotspreis für die gesamte ausgeschriebene, dreijährige Vertragslaufzeit ohne Selbstbeteiligung von 70.625,87 EUR/Jahr das mit Abstand niedrigste Angebot abgegeben. Es weicht von dem nächstgünstigeren Angebot, dem Angebot der xxx, mit einem Angebotspreis von 108.388,34 EUR/Jahr um knapp 35 % nach unten ab. Dieübrigen Angebote werden noch stärker, das höchstpreisige Angebot der Antragstellerin mit einem Angebotspreis von 147.384,26 EUR/Jahr sogar um ca. 52 % unterboten. Die Antragstellerin hält den von der Beigeladenen angebotenen Preis nicht für auskömmlich. Sie hat in der mündlichen Verhandlung eine Kalkulationsübersicht unter Berücksichtigung des von der Beigeladenen angebotenen Preises vorgelegt und kommt zu dem Schluss, dass unter Zugrundelegung des Angebotspreises der Beigeladenen und einer vom Auftraggeber benötigten Gesamtversicherungssumme von 239.486.786,-- EUR sich für die Beigeladene ein Nettobeitragssatz von lediglich 0,154 Promille ergebe. Dieser NettobeitragsSatz 1iege erheblich unter dem, was die Rückversicherer von den Erstversicherern verlangen. Dort liege der Nettobeitragssatz bei 0,2 Promille bzw. bei Schulen sogar bei 0,3 Promille. Die Beigeladene ist dieser Berechnung der Antragstellerin entgegengetreten und weist insbesondere darauf hin, dass sie nicht, wie die Antragstellerin, von 30 % internen Verwaltungskosten ausgeht. Nach ihren Erfahrungen sei vielmehr ein Ansatz von 20 % Verwaltungskosten zuzüglich Maklerkosten anzustreben und realistisch. Sie hat darauf verwiesen, dass sie im Gegensatz etwa zur Antragstellerin nahezu keinerlei Serviceleistungen angeboten habe, wodurch sich für sie der Verwaltungsaufwand erheblich reduziert und sich letztendlich auf einen Buchungsvorgang beschränkt. Sie habe konkret einen Nettobeitragssatz von 0,22 Promille für Gebäude und 0,5 Promille für das Inventar kalkuliert.

43

Der Auftraggeber hat ausweislich der Vergabeakte wie auch seinem schriftlichen und mündlichen Vortrag im Nachprüfungsverfahren keine Veranlassung gesehen, die Angemessenheit des von der Beigeladenen angebotenen Preises in Frage zu stellen. Der vom Auftraggeber mit der Vorbereitung und Begleitung des streitbefangenen Vergabeverfahrens beauftragte Versicherungsberater, Herr xxx, xxx, hat erklärt, dass sich der von der Beigeladenen angebotene Preis durchaus im Rahmen dessen bewegt, was in den letzten Jahren nach seiner Erfahrung von anderen Kommunen bei Ausschreibungen an Prämienreduzierungen erreicht wurde. Er hat in der mündlichen Verhandlung auf die mit Schriftsatz des Auftraggebers vom 17.09.2003 vorgelegte, von ihm im Rahmen eines Fachbeitrages (Sachsenlandkurier 02/02, S. 98, 100) erstellte Tabelle verwiesen. Dort sind ohne namentliche Nennung die prämienmäßigen Ergebnisse der durchgeführten Ausschreibungen von fünf Landkreisen, zwei Kreisstädten und zwei Großstädten aufgelistet. Aus der Gegenüberstellung der alten Prämien gegenüber den neuen Prämien nach Ausschreibung ergibt sich, dass teilweise drastische Prämiensenkungen von über 60 % der Ausgangsprämie erzielt wurden. In einem in der Vergabeakte enthaltenen Vermerk über die Auswertung der Ausschreibung von Versicherungsdienstleistungen des Landkreises xxx (Auftraggeber) vom 24.06.2003 erläutert der Versicherungsberater, warum er keine Angemessenheitsprüfung bezüglich des von der Beigeladenen angebotenen Preises für erforderlich hält. Dort heißt es auf Blatt 145 der Vergabeakte:

"Als 4. Wertungsstufe ist die Angemessenheit der Prämien zu überprüfen. Grundsätzlich spielt diese Wertungsstufe bei der Vergabe von Versicherungsdienstleistungen keine tragende Rolle, da Versicherer in der Regel relativ finanzstarke Unternehmen sind, die in der Lage sind, einen geschlossenen Vertrag über die Laufzeit durchzuhalten. Der Mittelstandsschutzgedanke, der z.B. bei Bauvorgaben eine tragende Rolle spielt, ist hier zu vernachlässigen. Auch ist zu beachten, dass ein wesentlicher Teil des Risikos von der Rückversicherung getragen wird. Ordnungsgemäßer Rückversicherungsschutz wurde versichert. Auch sollten Versicherer, wenn sie die notwendigen Kalkulationsgrundlagen in den Verdingungsunterlagen erhalten (wie hier geschehen), in der Lage sein, eine risikogerechte Prämie zu kalkulieren. Die Schadensfälle wurden in den Verdingungsunterlagen dargestellt. Die durchschnittliche Schadensbelastung pro Jahr beträgt ca. 28.500,-- EUR. Es ist also festzustellen, dass die geforderten Prämien aller eingereichten Angebote zur Deckung der voraussichtlich in den nächsten Jahren anfallenden Schäden inkl. Verwaltungskostenaufschlag reichen werden. Das abgegebene Angebot ist von der Prämienhöhe im Vergleich zu anderen Ausschreibungen (der Verfasser steht beratend bei ca. 15 kommunalen Versicherungsausschreibungen pro Jahr den Vergabestellen zur Seite) nicht ungewöhnlich niedrig. Die Angemessenheit der Preise ist also für die Angebote Gewähr leistet."

44

Auch die vom Versicherungsberater des Auftraggebers dargestellten positiven Ergebnisse bei Ausschreibungen anderer, nicht namentlich genannter Kommunen, die bundesweit nach den praktischen Erfahrungen des Versicherungsberaters erzielt wurden, ändern indessen nichts daran, dass der Auftraggeber Anlass hatte und hat, die Angemessenheit des Angebotes der Beigeladenen gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A zuüberprüfen. Die von dem Versicherungsberater des Auftraggebers veröffentlichte Tabelle über die Ausschreibungsergebnisse anderer, nicht näher bezeichneter Kommunen ist schon deshalb nur begrenzt aussagefähig, weil die dort betroffenen Kommunen nach Aussage des Versicherungsberaters in unterschiedlichsten Bundesländern belegen sind und der Versicherungsberater in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt hat, dass der Versicherungspreis von Bundesland zu Bundesland stark variiere.

45

Nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A darf auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, der Zuschlag nicht erteilt werden. Von einem solchen Missverhältnis zwischen Preis und Leistung ist aber nur dann auszugehen, wenn der Preis von den Erfahrungswerten wettbewerblicher Preisbildung so grob abweicht, dass dies sofort ins Auge fällt. Ein beträchtlicher Preisabstand zwischen dem niedrigsten und den nachfolgenden Angeboten allein ist für sich genommen noch kein hinreichendes Merkmal dafür, dass der niedrige Preis auch im Verhältnis zur zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig ist. Hinzu kommen müssen vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass der Niedrigpreis wettbewerblich nicht begründet ist (vgl. Kulartz in: Daub/Eberstein, 5. Auflage, § 25 Rn. 40 ff., m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bieter mangels verbindlicher Kalkulationsregeln grundsätzlich in seiner Preisgestaltung frei bleibt. Deshalb ist für die Prüfung der Angemessenheit des Angebotes nicht auf einzelne Positionen des Leistungsverzeichnisses, sondern auf den Gesamtpreis, die Endsumme des Angebotes abzustellen (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 08.11.2001, Az.: 13 Verg 12/01).

46

Nach diesen Grundsätzen hatte der Auftraggeber entgegen der Auffassung der Antragstellerin zwar keinen Anlass, das Angebot der Antragstellerin allein auf Grund der Tatsache, dass es im Preis knapp 35 % unter dem nächstniedrigeren Angebot der xxx lag, als Dumpingangebot einzustufen und gem. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A unberücksichtigt zu lassen. Der Auftraggeber muss aber, wie es§ 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A ausdrücklich vorschreibt, das Angebot der Beigeladenen hinsichtlich seiner Angemessenheit überprüfen und zu diesem Zwecke nicht nur die Einzelpositionenüberprüfen, sondern dafür auch von der Beigeladenen die erforderlichen Belege verlangen. Selbst in den Fällen, in denen ein Angebot nach Auffassung des Auftraggebers unrealistisch ist, ist der Bieter dennoch zur Stellungnahme aufzufordern (vgl. Kulartz, a.a.O., § 25 Rn. 39, m.w.N.). Zu diesem Zweck muss der Auftraggeber vom Bieter die erforderlichen Belege verlangen und ihm ggf. mitteilen, welche Unterlagen oder Positionen für unannehmbar erachtet werden. Dem Bieter ist dabei eine angemessene Frist für zusätzliche Angaben einzuräumen.

47

Der von dem Auftraggeber beauftragte Versicherungsberater hat in der mündlichen Verhandlung dagegen eingewendet, dass er nach seiner Erfahrung regelmäßig von den Versicherungen keine Auskünfte hinsichtlich der Kalkulation bekommt, wenn er danach fragt. Dieser Einwand ist letztlich jedoch unbeachtlich. Der zur Mitwirkung an der Angemessenheitsprüfung aufgeforderte Bieter ist zwar nicht verpflichtet, die entsprechenden Auskünfte über sein Angebot zu erteilen und seine Kalkulation offen zu legen. Er wird dieser Aufforderung in der Regel aber nachkommen, um einen sonst erfolgenden Ausschluss nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A zu vermeiden (vgl. VK Düsseldorf, Beschluss v. 17.12.1999, Az.: VK-17/99). Der Auftraggeber durfte sich daher nicht, wie geschehen, lediglich auf die praktischen Erfahrungen des Versicherungsberaters stützen und das gegenüber allen anderen Angeboten im streitbefangenen Vergabeverfahren deutlich nach unten abweichende Angebot der Beigeladenen ohne jegliche Angemessenheitsprüfung und Konsultation der Beigeladenen akzeptieren. Er war vielmehr angesichts des Preisabstandes verpflichtet zu prüfen, ob das Angebot der Beigeladenen in offenbarem Missverhältnis zur Leistung steht und deshalb auszuschließen ist. Er durfte deshalb nicht darauf verzichten, von der Beigeladenen die erforderlichen Belege zu verlangen.

48

Der Auftraggeber war daher gemäß Tenor zu 1 des Beschlusses zu verpflichten, diese Prüfung ordnungsgemäß nachzuholen und in der Vergabeakte in einem den Anforderungen des§ 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk transparent zu dokumentieren. Dabei ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass ein offenbares Missverhältnis von Preisen zu Leistungen noch dann vorliegt, wenn einzelne Positionen oder Bereiche unterpreisig erscheinen. Auch ist ein öffentlicher Auftraggeber nicht verpflichtet, nur "auskömmliche" Angebote zu berücksichtigen (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 08.11.2001, Az.: 13 Verg 12/01, m.w.N.). Bei einem grundsätzlich leistungsfähigen Bieter kann es verschiedenste Gründe geben, im Einzelfall auch ein nicht auskömmliches oder jedenfalls sehr knapp kalkuliertes Angebot abzugeben. Derartige Angebote sind im Sinne des Wettbewerbs erwünscht, solange an der ordnungsgemäßen Durchführung des Auftrags keine Zweifel bestehen. Dies aber hat der Auftraggeber unter Berücksichtigung einer Stellungnahme der Beigeladenen in der gebotenen Weise zu überprüfen. Lediglich wenn diese eingehende Plausibilitätsprüfung ein offenbares Missverhältnis des Preises zur Leistung ergibt, darf die Auftraggeberin der Beigeladenen den Zuschlag nicht erteilen.

49

b)

Soweit die Antragstellerin eine Rechtsverletzung dahingehend geltend macht, dass ihrer Auffassung nach der Versicherungsberater des Auftraggebers in unzulässiger Weise, unter Verstoß gegen§ 6 Nr. 3 VOL/A an der Vergabeentscheidung mitgewirkt hat, ist der Nachprüfungsantrag unbegründet. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, der Versicherungsberater habe im streitbefangenen Vergabeverfahren ein nicht zulässiges eigenes Interesse am Vertragsabschluss, weil seine Vergütung nicht, wie nach dem Rechtsberatungsgesetz vorgeschrieben, abschlussunabhängig erfolge. Die Vergütung sei vielmehr an die Höhe der Ersparnis geknüpft, weshalb der Versicherungsberater hier letztlich nur das Zuschlagskriterium "niedrigster Preis" im Auge habe. Die Antragstellerin verweist in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung zur Einschaltung von Versicherungsmaklern bei Versicherungsausschreibungen (vgl. VK Lüneburg, Beschluss v. 27.09.2000, 203-VgK-10/2000; OLG Rostock, Beschluss v. 29.09.1999, 17 Verg 1/99; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 18.10.2000, Verg 3/00). Richtig ist, dass der vom Auftraggeber beauftragte Versicherungsberater, Herr xxx , nicht nur eine erfolgsunabhängige Vergütung vom Auftraggeber für seine Dienstleistungen bei der Vorbereitung und Begleitung des streitbefangenen Vergabeverfahrens bekommen soll. In der Vergabeakte (Bl. 38) ist ein Schreiben des Versicherungsberaters vom 14.03.2003 an den Auftraggeber enthalten. Dort heißt es:

"Vorab bestätige ich Ihnen der guten Ordnung halber, dass wir in unserem Telefonat eine Reduzierung des Tagessatzes auf EUR 768,00 bei einer Kappungsgrenze von 11 Tagessätzen vereinbart haben. Hinzu kommen Fahrtkosten sowie gesetzliche Umsatzsteuer. Die Reduzierung gilt im Zusammenhang mit den ergebnisabhängigen Vereinbarungen (40 % der Einsparung im nächsten Jahr)."

50

Der Versicherungsberater hat der Vergabekammer den entsprechenden Beratungsvertrag vom 18.11.2002 / 14.03.2003 und den entsprechenden Ergänzungsvertrag gleichen Datums vorgelegt. Das damit verbundene und dokumentierte wirtschaftliche Eigeninteresse des Versicherungsberaters an einer möglichst hohen Kostenreduzierung und damit am Ausgang des Vergabeverfahrens ist indessen im Ergebnis vergaberechtlich unschädlich, da dieses Interesse ihn nicht in Konflikt mit den Interessen des Auftraggebers bringen kann. Vielmehr korrespondiert dieses Interesse völlig mit dem vorrangigen Interesse des Auftraggebers, mit der streitbefangenen Ausschreibung eine gegenüber dem laufenden Versicherungsvertrag möglichst hohe Kostenreduzierung bei vergleichbaren Leistungen zu erzielen. Dies folgt schon daraus, dass der Auftraggeber die Prämienhöhe nicht nur als wichtigstes Zuschlagskriterium in der Bekanntmachung vom 10.04.2003 genannt hat. Er hat vielmehr auch ausweislich einer in der Vergabeakte enthaltenen Aktennotiz des Versicherungsberaters vom 26.03.2003 (Bl. 58 der Akte) zwar im laufenden Vergabeverfahren, aber noch deutlich vor Angebotseingang die Gewichtung der Zuschlagskriterien festgelegt. Danach sollte der Angebotspreis beim Hauptangebot mit 85 % in die Wertung eingehen, beim Nebenangebot mit 70 %. Der Angebotsumfang sollte beim Hauptangebot lediglich mit 5 % in die Wertung eingehen, bei Nebenangeboten mit 20 %. Die Servicedienstleistungen sollten schließlich bei Haupt- und Nebenangeboten mit 10 % in die Wertung eingehen. Der Auftraggeber hatte sich somit in vergaberechtlich zulässiger Weise frühzeitig auf ein deutliches, die anderen beiden Zuschlagskriterien überragendesÜbergewicht des Kriteriums "niedrigster Angebotspreis" festgelegt. Bei dieser Konstellation ist ein Interessenkonflikt zwischen Auftraggeber und Versicherungsberater auch dann ausgeschlossen, wenn der Versicherungsberater, wie im vorliegenden Fall, zusätzlich zur erfolgsunabhängigen Vergütung einen Bonus bekommt, der an die Kostenersparnis geknüpft ist.

51

In dieser Hinsicht unterscheidet sich der vorliegende Fall deutlich von den Sachverhalten, die den von der Antragstellerin zitierten Beschlüssen der Vergabekammer Lüneburg und den Vergabesenaten des OLG Rostock und des OLG Düsseldorf zu Grunde lagen. In allen drei zitierten Fällen war nicht die Einschaltung von Versicherungsberatern, sondern von Versicherungsmaklern auf Seiten des Auftraggebers und damit zusammenhängende Vergütungsfragen Gegenstand. In dem zitierten Beschluss vom 27.09.2000, Az.: 203-VgK-10/2000, hat die VK Lüneburg entschieden, dass eine Courtageklausel dann nicht mit § 6 Nr. 3 Satz 1 VOL/A vereinbar ist, wenn die Courtage nach den Verdingungsunterlagen nicht nur vom Versicherungsunternehmen an Stelle des Versicherungssuchenden getragen werden soll, sondern die Höhe der Courtage völlig offen gelassen wird (sie war nicht einmal prozentual festgelegt) und ausdrücklich den Verhandlungen des Versicherungsmaklers mit den Versicherungsunternehmen überlassen wird. Bei solchen Konstellationen liegt es auf der Hand, dass das Offenlassen dieses wesentlichen Bestandteils der auszuschreibenden Leistung dazu führt, dass - noch vor Angebotsabgabe - Verhandlungen mit den Bietern über die Höhe der Courtage stattfinden und diese wiederum die Verhandlungen über die Versicherungskonditionen beeinflussen (vgl. auch Vergabekammer Detmold, Beschluss v. 07.01.2000, Az.: VK.22-23/99). Der Vergabesenat des OLG Celle hat dann später in einem weiteren, die gleiche Ausschreibung betreffenden Nachprüfungsverfahren entschieden, dass unabhängig davon bereits die darin liegende Verpflichtung des Versicherungsunternehmers zur Übernahme einer Nichtschuld als Verstoß den Wettbewerbsgrundsatz gem.§ 97 Abs. 1 GWB vergaberechtlich unzulässig ist (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 01.03.2001, Az.: 13 Verg 1/01). In dem von der Antragstellerin zitierten Beschluss des OLG Düsseldorf vom 18.10.2000, Az.: Verg 3/00, hat der Vergabesenat entschieden, dass eine Kollision mit den §§ 2 Nr. 3 und 6 Nr. 3 VOL/A gegeben ist, wenn die vollständige Übertragung der Gestaltung und Durchführung eines Vergabeverfahrens auf einen Versicherungsmakler, welcher durch eine vorab mit einem Versicherer vereinbarte Courtage, durch bestehende Rahmenverträge oder ständige Geschäftsbeziehungen mit einem Versicherer oder durch eine anschließende Betreuung und Verwaltung des zu schließenden Versicherungsvertrages in Zusammenarbeit mit dem Versicherer ein eigenes Interesse an der Erteilung des Zuschlages an den Versicherer hat, zu welchem die genannten Beziehungen bestehen. Das OLG Rostock hat schließlich in der zitierten Entscheidung vom 29.09.1999, Az.: 17 Verg 1/99, entschieden, dass ein mit § 2 Nr. 3 VOL/A und 6 VOL/A nicht zu vereinbarendes eigenes wirtschaftliches Interesse des Versicherungsmaklers am Auftrag vorliegt, wenn der Makler auch die Betreuung des angestrebten Versicherungsvertragesübernehmen soll und in diesem Rahmen eine Courtage vom bezuschlagten Versicherungsunternehmen erhält.

52

Auch ungeachtet der Tatsache, dass der Auftraggeber im vorliegenden Fall keinen Versicherungsmakler, sondern einen von einem Gericht gem. Art. 1 § 1 Satz 2 Nr. 2 RBerG zugelassenen Versicherungsberater mit der Vorbereitung und Begleitung des Vergabeverfahrens beauftragt hat, ist der vorliegende Fall schon deshalb nicht mit der von der Antragstellerin zitierten Rechtsprechung vergleichbar, weil der Versicherungsberater seine Vergütung voll und ganz vom Auftraggeber erhält und in keine wirtschaftliche Beziehung zu einem Versicherungsunternehmen tritt (vgl. Trautner/Förster, Vergabe von Versicherungsdienstleistungen, VergabeR 3/2001, S. 191 ff., 204, 205, m.w.N.). Auch im Übrigen ist im vorliegenden Fall keine gegen§ 2 Abs. 2 Nr. 3 VOL/A oder § 6 Nr. 3 VOL/A verstoßende Beteiligung des Versicherungsberaters xxx ersichtlich. Insbesondere ist in der Vergabeakte dokumentiert, dass der Auftraggeber die notwendigen Entscheidungen im Vergabeverfahren in eigener Verantwortung getroffen hat.

53

c)

Der Auftraggeber hat entgegen der Auffassung der Antragstellerin durch die Handhabung des von ihm bereits in der Bekanntmachung vom 10.04.2003 benannten Zuschlagskriteriums "Umfang des angebotenen Versicherungsschutzes" auch nicht gegen das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung gem.§ 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A, der Ermöglichung der einwandfreien Preisermittlung gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A und der Vermeidung eines ungewöhnlichen Wagnisses für die Bieter gem. § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A verstoßen. Der Auftraggeber hatte in seinen Verdingungsunterlagen als Anlage 1 unter anderem folgenden Hinweis zur Angebotserstellung gegeben:

"Ausschluss von Terrorschäden - soweit für einzelne Versicherungsorte aus Sicht der Anbieter der Ausschluss von Schäden durch Terror notwendig ist, sollte dies gesondert unter Nennung der entsprechenden Ziffer (Liste der Versicherungsorte) kenntlich gemacht werden. Der Text der Terrorausschlussklausel ist in diesem Fall beizufügen. In diesem Fall sollen die Prämien für den Wiedereinschluss genannt werden. Soweit die Terrorgefahr nur eingeschränkt, z.B. mit Sonderkündigungsrecht versichert werden kann, ist dies gesondert anzubieten."

54

Die Antragstellerin sieht darin eine unzulässige Alternativausschreibung. Demgegenüber hat der Auftraggeber dieses beim Hauptangebot allein das Risiko Terror betreffende, über dem Hauptzuschlagskriterium "niedrigster Preis" völlig untergeordnete Kriterium "Umfang des Versicherungsschutzes" damit erklärt, dass er bestrebt gewesen sei, eine Vielzahl von Bietern anzusprechen und daher nicht wollte, dass insbesondere hinsichtlich der Frage der Abdeckung des Risikos "Terroranschläge" von vornherein möglicherweise einige Bieter sich nicht von der Ausschreibung angesprochen gefühlt hätten. Einigkeit bestand in der mündlichen Verhandlung unter den Beteiligten, dass das Risiko Terror vor dem 11.09.2001 regelmäßig durch die Feuerversicherung mit abgedeckt war. Erst seit den Anschlägen in New York sei diesbezüglich der Markt jedoch in Bewegung geraten. Insbesondere auf Grund des Verhaltens der Rückversicherer sei ab einem Objektwert von 25 Millionen, im Falle eines kommunalen Objektes ab 50 Millionen in der Regel nur der Weg über die von den Versicherungsunternehmen eigens dafür gegründete xxx AG gegeben.

55

Auch das vom Auftraggeber mit den Verdingungsunterlagen den Bietern vorgegebene Vertragswerk enthält keine Aussagen zum Risiko Terror, sodass es automatisch abgedeckt ist, wenn der Zuschlag unter Zugrundelegung dieses Vertragswerks erfolgt. Es ist von daher nicht zu beanstanden, dass der Auftraggeber die Bieter darauf in seinen Verdingungsunterlagen gesondert hingewiesen hat und ihm für dieses besondere Risiko eingeräumt hat, ggf. Prämien für den Wiedereinschluss gesondert auszuweisen und mit dem Hauptangebot anzubieten. Auch die gesonderte Ausweisung einer Prämie für das Risiko Terror führt für den Auftraggeber dazu, dass er vergleichbare Angebote unter Einschluss der Deckung des Risikos Terroranschläge erhält. Die Leistungsbeschreibung ist daher eindeutig im Sinne des § 8 Nr. 1 VOL/A. Auf Grund der eindeutigen Formulierung des Hinweises und der Tatsache, dass der Auftraggeber die Nennung der Prämien für den Wiedereinschluss im Falle einer Terrorausschlussklausel in den Angeboten ausdrücklich gefordert und nicht etwa offen gelassen hat, war für die Versicherungsunternehmen eine einwandfreie Preisermittlung auch für die Deckung des Risikos Terror gem.§ 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A möglich. Ferner wurde ihnen kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet für Umstände und Ereignisse, auf die die Versicherungsunternehmen keinen Einfluss haben und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen sie nicht im Voraus schätzen können. Ein solches Wagnis wäre vielmehr eher zu besorgen gewesen, wenn die Verdingungsunterlagen gar keinen Hinweis auf die Deckung des akut leider besonders zu berücksichtigenden Risikos Terrorschäden enthalten hätten.

56

Auch das von dem Auftraggeber bekannt gemachte und bei der Wertung berücksichtigte Zuschlagskriterium "Servicedienstleistungen" genügt den vergaberechtlichen Anforderungen an eine eindeutige Leistungsbeschreibung.

57

Auch dieses Zuschlagskriterium ist nach Ansicht der Antragstellerin unzulässig, da nicht einmal ansatzweise ersichtlich sei, was unter dem Begriff zu verstehen sei. Ihrer Meinung nach sei erkennbar, dass hier unter diesen Begriff eine unbestimmte Vielzahl von Leistungen fallen können. Der Auftraggeber mit Schreiben vom 21.05.2003 die entsprechende Nachfrage und Rüge der Antragstellerin vom 07.05.2003 dahingehend beantwortet, dass er unter Serviceleistungen Leistungen zur Unterstützung der Vertragsverwaltung sowie Leistungen zur reibungslosen Abwicklung von Schadensfällen versteht. Er hat ferner mit Schreiben vom 23.05.2003 allen Bietern diese sowie weitere Klarstellungen der Bedingungen mitgeteilt. Einer weiteren Präzisierung bedurfte es nicht. Der Auftraggeber hat mit dieser Klarstellung der Rüge der Antragstellerin bezüglich der Erläuterung des Kriteriums "Serviceleistungen" im laufenden Vergabeverfahren abgeholfen. Dies ist gerade Sinn und Zweck des Rügeerfordernisses des § 107 Abs. 3 GWB.

58

d)

Der Auftraggeber war auch nicht gehalten, das Angebot der Beigeladenen wegen bislang fehlender Vorlage von Untervollmachten für von ihr für den streitbefangenen Auftrag konsultierte andere Versicherungsunternehmen auszuschließen. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/Akönnen Angebote ausgeschlossen werden, die nicht die geforderten Angaben und Erklärungen enthalten. Der Auftraggeber hatte mit den Verdingungsunterlagen den Nachweis von Bevollmächtigungen verlangt. Unter Ziffer 6 der Bewerbungsbedingungen heißt es:

"Angebote in fremdem Namen -

Soweit Angebote in fremdem Namen abgegeben werden, ist die Bevollmächtigung nachzuweisen."

59

Die Beigeladene, die ihr Angebot vom 23.05.2003 über die Versicherungsmakler xxx und xxx abgegeben hatte, hat dem Angebot eine Vollmacht vom 08.05.2003 für die Versicherungsmakler beigefügt. Die Beigeladene hatte ihrem Angebot als Anlage jedoch auch einen sog. Teilungsplan beigefügt, aus dem sich für den Auftraggeber ergab, dass die Beigeladene lediglich 75 % des ausgeschriebenen Versicherungsumfangs unmittelbar selbst versichern will, während sie den Anteil von 25 % an die xxx, xxx, untervergeben will. Eine Untervollmacht der Versicherung xxx enthält das Angebot nicht. Der Auftraggeber hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er das Erfordernis des Bevollmächtigungsnachweises auf die Fälle beschränkt wissen wollte, in denen ein Unternehmen sein Angebot nicht unmittelbar, sondern über einen Versicherungsmakler abgeben wollte. Auf Untervollmachten zwischen einem führenden und ggf. von diesem beteiligten Versicherungsunternehmen habe er dagegen keinen Wert gelegt. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass Ziffer 6 der Bewertungsbedingungen bezüglich der Vertretungsverhältnisse nicht differenziert, sondern pauschal den Nachweis für Bevollmächtigungen verlangt, soweit Angebote in fremdem Namen abgegeben werden. Diese Klausel betrifft somit auch das Vertretungsverhältnis von führendem und von diesem beteiligten Versicherungsunternehmen im Falle eines gemeinsamen Angebotes.

60

Das Fehlen dieser Untervollmacht zwingt den Auftraggeber entgegen der Auffassung der Antragstellerin aber nicht dazu, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen. Vielmehr ist er gehalten, gem.§ 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A sein Ermessen dahingehend auszuüben, ob der Ausschluss gerechtfertigt und notwendig ist. Es handelt sich hier um einen fakultativen Ausschlussgrund. Nach § 21 Nr. 1 Abs. 1 Nr. 1 VOL/A müssen die Angebote neben den Preisen auch die sonstigen geforderten Angaben und Erklärungen enthalten. Fehlen diese, so führt das nicht automatisch zum Ausschluss des jeweiligen Angebotes, vielmehr liegt die Entscheidung darüber im pflichtgemäßen Ermessen des öffentlichen Auftraggebers (vgl. Kulartz, a.a.O., § 25 Rn. 24, m.w.N.). Entscheidendes Kriterium für die Ermessensausübung ist dabei, ob das Ergänzen der fehlenden Angaben die Wettbewerbstellung des betreffenden Bieters ändert oder nicht. Die Kannbestimmung soll einem übertriebenen Formalismus vorbeugen, da es Angaben und Erklärungen gibt, die wettbewerbsunschädlich nachträglich eingeholt werden können (vgl. OLG Bremen, Beschluss v. 20.07.2000, Az.: Verg 1/2000). Dies ist vorliegend der Fall. Der Auftraggeber ist ohne weiteres in der Lage, die Untervollmachten der xxx von der Beigeladenen nachzufordern oder sich diese im Rahmen eines Aufklärungsgesprächs gem. § 24 Nr. 1 VOL/A von der Beigeladenen nachreichen zu lassen. Dadurch wird die Wettbewerbstellung der Beigeladenen nicht geändert. Auch würden weder das Angebot noch der angebotene Preis verändert, was gegen§ 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A verstoßen würde. Wegen der Selbstbindung des Auftraggebers bezüglich der geforderten Bevollmächtigungsnachweise ist der Auftraggeber daher gehalten, die notwendige Untervollmacht der Bruderhilfe nachzufordern und erst dann darüber zu entscheiden, ob das Angebot der Beigeladenen zuschlagsfähig ist. Nur wenn die Beigeladene die entsprechende Vollmacht nicht beibringt, wäre der Auftraggeber berechtigt, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen.

61

Gemäß § 114 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern.

62

Wegen des unter II. 2. festgestellten Verstoßes gegen vergaberechtliche Bestimmungen ist es geboten, den Auftraggeber zu verpflichten, erneut in die Wertung einzutreten, diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer neu durchzuführen und Prüfung, Wertung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte zu dokumentieren. Eine Aufhebung des Vergabeverfahrens war im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hingegen nicht erforderlich.

63

III. Kosten

64

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in§ 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, sodass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.

65

Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.616 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

66

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 442.152,78 EUR. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Hauptangebot der Antragstellerin über die gesamte ausgeschriebene 3-jährige Laufzeit.

67

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenüber gestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 442.152,78 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.616 EUR.

68

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

69

Die im Tenor verfügteKostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist.

70

Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragstellerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m.§ 80 VwVfG. Danach war auf Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von einem fachkundigen, erfahrenen Bieter wie der Antragstellerin grundsätzlich verlangen darf, dass er über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A verfügt, bedurfte er für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen Bieter ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

71

Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdn. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdn. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

72

Angesichts der oben erörterten Tatsache, dass der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen. Der Auftraggeber wird aufgefordert, den Betrag von 2.616 EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxxx auf folgendes Konto zu überweisen:

73

...

Gause
Schulte
Dr. Pade