Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 10.03.2005, Az.: VgK-04/2005
Vergabeverfahren über den Betrieb einer mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlage; Anforderungen an die Ausschreibungsreife und die Leistungsbeschreibung; Mangelnde Ausschreibungsreife wegen Streitigkeit über die Wirksamkeit der Kündigung des laufenden Betriebsführungsvertrages; Zulässigkeit der Ausschreibung vor dem Vorliegen einer erforderlichen neuen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung; Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung bei Pflicht der Bieter zur Angebotsabgabe unter Zugrundelegung der noch geltenden Genehmigung (Altgenehmigung); Vorliegen eines ungewöhnlichen Wagnisses bei Möglichkeit zur Vertragsanpassung und Preisanpassung im Falle kalkulationsrelevanter neuer Auflagen; Wagnis der Bieter bei Übernahme des Risikos künftiger kostenerhöhender Auflagen durch den Auftraggeber; Wagnis bei Verpflichtung der Bieter zur Aufrechterhaltung garantierter Werte und Eigenschaften der Anlage ohne genaue Kenntnis der Abfallzusammensetzung; Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch einen öffentlichen Auftraggeber
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 10.03.2005
- Aktenzeichen
- VgK-04/2005
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 23084
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 8 Nr. 1-3 Abs. 1 VOL/A
- § 16 Nr. 1 VOL/A
- § 97 Abs. 7 GWB
- § 107 Abs. 3 S. 1 GWB
- § 114 Abs. 1 GWB
- § 314 Abs. 1 GWB
Verfahrensgegenstand
VOL-Vergabeverfahren Betriebsführung der Mechanisch-Biologischen Abfallbehandlungsanlage ...
Die Vergabekammer hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
den hauptamtlichen Beisitzer BAR Peter und
den ehrenamtlichen Beisitzer BOR Weyer
auf die mündliche Verhandlung vom 02.03.2005
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Die Kosten werden auf 3.817,- Euro festgesetzt.
- 4.
Die Antragstellerin hat dem Auftraggeber und der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war sowohl für den Auftraggeber als auch für die Beigeladene notwendig.
Begründung
I.
Mit EU-Vergabebekanntmachung 2004/S 196-167386 vom 07.10.2004 hat der Auftraggeber die Betriebsführung der Mechanisch-Biologischen Abfallbehandlungsanlage (MBA) xxx für die Zeit vom 01.06.2005 bis 31.03.2009 als Dienstleistungsauftrag gemäß VOL/A europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Abweichend dazu war in den Verdingungsunterlagen des Auftraggebers in der Aufforderung zur Angebotsabgabe festgelegt, dass der Leistungsbeginn durch den Auftragnehmer ab dem 01.04.2005 zu erfolgen habe. Die Laufzeit des Vertrages sollte 4 Jahre betragen. Entsprechend der Vergabebekanntmachung waren Nebenangebote zugelassen, als Zuschlagskriterium war ausschließlich der niedrigste Preis genannt. Schlusstermin für den Eingang der Angebote war der 25.11.2004, 12:00 Uhr. Bis zum Schlusstermin wurden dem Auftraggeber von drei Unternehmen insgesamt drei Hauptangebote und sechs Nebenangebote unterbreitet. Die Antragstellerin gab neben ihrem Hauptangebot drei Nebenangebote ab.
Die Betriebsführung der MBA xxx obliegt zurzeit der Antragstellerin. Der diesbezügliche Vertrag mit dem Auftraggeber datiert vom 07.01.1998 und hatte eine Laufzeit von 15 Jahren ab dem abgeschlossenen Probebetrieb. Der Vertrag wurde von dem Auftraggeber im Vorfeld der streitgegenständlichen Ausschreibung aufgrund einer Rüge der EU-Kommission und der Änderung von abfallrechtlichen Vorschriften und des damit verbundenen erheblichen Umbaus der MBA mit Schreiben vom 17.06.2004 zum 31.03.2005 gekündigt. Gegen die Kündigung des Vertrages legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 29.06.2004 Widerspruch ein. Die Rechtswirksamkeit der Kündigung ist zwischen dem Auftraggeber und der Antragstellerin weiterhin streitig.
Nach Erhalt der Verdingungsunterlagen rügt die Antragstellerin erstmals mit Schriftsatz vom 21.10.2004 das Vergabeverfahren. Das Vorhaben sei entgegen § 16 Nr. 1 VOL/A insgesamt noch nicht ausschreibungsreif, da zwischen der Antragstellerin und dem Auftraggeber weiterhin ein wirksamer Vertrag über die MBA-Betriebsführung für den nunmehr ausgeschriebenen Vertragszeitraum bestehe. In Bezug auf die Verdingungsunterlagen rügt die Antragstellerin im Einzelnen:
- Die in Teil III der Leistungsbeschreibung gemachten Angaben zu Personalbedarf, Abfallzusammensetzung, eingesetzten Aggregaten sowie die Abgrenzung von Reparatur - Wartung - Unterhaltung (RWU) zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer seien nicht hinreichend konkret, sondern zu unbestimmt und somit nicht sachgerecht kalkulierbar.- In Bezug auf den im Bestand verzeichneten Umsetzer (Betriebseinheit BE 0020) sei unklar, ob dieser weiterhin betrieben werden solle und wer für die hieraus resultierenden RWU-Kosten aufzukommen habe. Ferner sei wegen der dort fehlenden Angaben über die Zwischenlagermengen keine sachgerechte Kalkulation möglich.
- Die in der Leistungsbeschreibung beschriebene Beschaffenheitsvereinbarung sei ganz wesentlich abhängig von der Abfallbeschaffenheit. Aufgrund der hierzu nur unzureichend vorhandenen Angaben sei eine sachgerechte Kalkulation durch die Bieter nicht möglich. Dies stelle ein ungewöhnliches Risiko dar. Weiterhin fehle es auch an Regelungen bei Änderungen der Abfallzusammensetzung.
- Gemäß Teil III der Leistungsbeschreibung liege die Genehmigung für den Anlagenumbau noch nicht vor. Aus dieser würden sich jedoch betriebliche Auflagen und damit relevante Leistungsverpflichtungen für den Betriebsführer ergeben. Daraus ergebe sich, dass dem Auftragnehmer ein ungebührliches Wagnis aufgebürdet werde.
- Gemäß Teil III der Leistungsbeschreibung habe der Auftragnehmer als Nebenleistung solche Fraktionen wieder aufzugeben, die aufgrund von Betriebsstörungen oder suboptimalem Betrieb die geforderte Qualität nicht erreicht hätten. Es sei in diesem Zusammenhang auch unklar, wie mit den Fraktionen umzugehen sei, die durch Unverschulden des Auftragnehmers nicht die geforderte Qualität erreichen würden. Diese seien mengenmäßig nicht erfasst und damit nicht sachgerecht kalkulierbar.
- Der Auftraggeber räume in der Leistungsbeschreibung selbst ein, dass weder die Genehmigung für den Anlagenumbau noch die sich daraus ergebenden betrieblichen Auflagen vorliegen würden. Die sich daraus ergebenden relevanten Leistungspflichten für den Betriebsführer wären somit unbekannt. Gleiches gelte auch für das Betriebshandbuch sowie die Betriebsordnung. Der Auftraggeber gehe lediglich davon aus, dass die vorgenannten Regelungen, welche als Auflage der Altgenehmigung bestanden, im Rahmen einer neuen Genehmigung eine Fortschreibung erfahren würden. Dies sei für den Auftragnehmer jedoch nicht kalkulierbar. Hieraus erwachse ein ungebührliches Risiko für den Auftragnehmer.
- Gemäß Teil III der Leistungsbeschreibung habe der Auftragnehmer den ständigen Betrieb der Biologischen Abfallbehandlung (BA) 365 Tage rund um die Uhr sicherzustellen. Diese Anforderung sei nicht verschuldungsunabhängig leistbar und somit auch nicht kalkulierbar.
- Gemäß Teil III der Leistungsbeschreibung obläge dem Auftragnehmer auch die Beherrschung von Betriebsstörungen. Diese Anforderung sei zu unbestimmt und darüber hinaus viel zu weit gehend, da auch durch den Auftragnehmer nicht zu verantwortende Ereignisse wie z.B. der Ausbruch eines Feuers eine Betriebsstörung verursachen könnten. Weiterhin könne es auch zu Betriebsstörungen in Form von Maschinenausfällen kommen, die nur durch spezialisiertes Personal der Herstellerfirmen behoben werden könnten. Dieses Risiko könne nicht auf den Auftragnehmer übertragen werden.
- Der Auftraggeber habe in Teil III der Leistungsbeschreibung festgelegt, dass der Betrieb so zu führen sei, dass die Grenzwerte der Abfallablagerungsverordnung eingehalten würden und der Auftragnehmer in diesem Rahmen dafür zu sorgen habe, dass zugleich der Anteil heizwertreiche Fraktion / Schwergut minimiert und die Deponiegutmenge maximiert werde. Wegen der fehlenden Angaben über die Abfallzusammensetzung werde dem Auftragnehmer hiermit ein ungebührliches Wagnis aufgebürdet, welches nicht kalkuliert werden könne.
- Hinsichtlich der in der Leistungsbeschreibung Teil III aufgeführten Positionen zu Reparatur / Wartung / Unterhaltung sei festzustellen, dass die Abgrenzung der durch den Auftragnehmer zu leistenden Aufgaben nicht ausreichend deutlich dargestellt sei. Eine sachgerechte Kalkulation sei von daher nicht möglich.
- Gemäß Teil IV Betriebsführungsvertrag zahle der Auftraggeber an den Auftragnehmer eine Prämie, soweit dieser bestimmte Anforderungen der Beschaffenheitsvereinbarungen übererfülle. Da der Auftraggeber nicht mitteile, welche Stromerlöse und welche ersparten Aufwendungen für die Entsorgung von Feinkorn als heizwertreiche Fraktion er erwarte, könne diese Prämie kalkulatorisch nicht beurteilt werden.
Auf die Rüge der Antragstellerin reagiert der Auftraggeber mit zwei Bieterrundschreiben vom 03.11.2004 und 15.11.2004. Mit dem Bieterrundschreiben werden die Verdingungsunterlagen teilweise geändert bzw. entsprechend den einzelnen Rügen der Antragstellerin angepasst. Im Weiteren enthalten die Bieterrundschreiben Klarstellungen und weiter gehende Erläuterungen in Bezug auf vermeintliche Unklarheiten der Leistungsbeschreibung. Teilweise wurden die Rügen der Antragstellerin als nicht nachvollziehbar zurückgewiesen. In Bezug auf die ausstehende Genehmigung für den Anlagenumbau und die damit verbundenen Unwägbarkeiten hinsichtlich der sich endgültig ergebenden Leistungspflichten für den Auftragnehmer heißt es auf Seite 2 des Bieterrundschreibens vom 03.11.2004:
"Es wurde als ungewisses Wagnis gerügt, dass ein genehmigungskonformer Betrieb gefordert wird, obwohl noch keine Genehmigung vorliegt.
Die Vergabestelle wirbt hier um Verständnis; die EU-weite Ausschreibung solcher Aufträge muss mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf erfolgen, sodass nicht abgewartet werden konnte, dass die Bezirksregierung die Genehmigung erteilt.
Die Vergabestelle geht davon aus, dass keine Auflagen erteilt werden, welche über die 30. BImSchV, die AbfAblV und den bisherigen Auflagenbestand (vgl. Anhang 6) hinausgehen. Sollte dies doch der Fall sein, erfolgt eine Anpassung nach § 14."
Eine Reaktion der Antragstellerin auf die Bieterrundschreiben in Form weiterer Nachfragen oder als Hinweis auf möglicherweise weiterhin bestehenden Klärungsbedarf erfolgt nach Aktenlage nicht.
Mit Informationsschreiben nach § 13 VgV vom 28.01.2005 teilt der Auftraggeber der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag auf das Angebot der beigeladenen Bietergemeinschaft zu erteilen. Das Nebenangebot 1 der Antragstellerin habe nicht gewertet werden können, da es aufgrund des vorgesehenen Haftungsausschlusses nicht gleichwertig zu den vorgelegten Hauptangeboten sei. Das Nebenangebot 2 bezöge sich auf eine Leistung, die nicht ausgeschrieben worden sei; hierauf könne der Zuschlag nicht erteilt werden. Das Nebenangebot 3 der Antragstellerin sei aus beiden vorstehenden Gründen nicht zuschlagsfähig. Auf das Hauptangebot der Antragstellerin könne nicht zugeschlagen werden, weil es nicht das wirtschaftlichste Angebot sei; zwei andere Bieter hätten niedrigere Hauptangebote unterbreitet.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 01.02.2005 rügt die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabeentscheidung und trägt ergänzend zur Rüge vom 21.10.2004 vor. Grundsätzlich hätte das Vergabeverfahren zu dem gewählten Zeitpunkt noch nicht durchgeführt werden dürfen. Der Auftraggeber habe selbst eingeräumt, dass weder die Genehmigung für den Anlagenumbau noch die sich daraus ergebenden betrieblichen Auflagen und die damit relevanten Leistungspflichten für den Betriebsführer vorliegen würden. Der Auftraggeber gehe lediglich davon aus, dass die vorgenannten Regelungen, welche als Auflage der Altgenehmigung bestanden, im Rahmen einer neuen Genehmigung eine Fortschreibung erfahren würden. Dies habe zu den vergaberechtlichen Problemen führen müssen, die von der Antragstellerin bereits im Einzelnen geltend gemacht worden seien. Es stehe keineswegs fest, dass die Auflagen und die Anforderungen der 30. BImSchV den Kernbestand der zu erwartenden Betriebsauflagen bilden würden. Im Übrigen seien außerhalb des vom Auftraggeber so bezeichneten Kernbestandes weitere Betriebsauflagen mit ungewisser Tragweite denkbar. Hätte der Auftraggeber nicht so frühzeitig ausgeschrieben, sondern zugewartet, hätten die sich aus der neuen Genehmigung ergebenden Maßgaben in die Leistungsbeschreibung mit einfließen können und müssen. Richtigerweise hätte der Auftraggeber darauf hinweisen müssen, dass der zeitliche Vorsprung vor allen Dingen deshalb erforderlich sei, weil er den bestehenden Vertrag mit der Antragstellerin vorzeitig gekündigt habe und deshalb in seinen Augen eine zügige Neubeauftragung notwendig gewesen sei. Die vom Auftraggeber angegebene Eilbedürftigkeit bzw. Dringlichkeit sei insoweit selbst verschuldet. Im Ergebnis führe dies dazu, dass die Verdingungsunterlagen des Auftraggebers nicht dem Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung gem. § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A entsprechen würden. Dies wiederum führe dazu, dass dem Auftragnehmer entgegen dem Gebot des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A ein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden würde für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss habe und deren Einwirkungen auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen könne.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.02.2005 beantragt die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie ergänzt und vertieft ihren Vortrag in Bezug auf die bereits mit Rügeschreiben vom 21.10.2004 und 01.02.2005 monierten Vergaberechtsverstöße. Darüber hinaus trägt die Antragstellerin vor, dass die vom Auftraggeber mit Datum vom 17.06.2004 ausgesprochene Kündigung des bestehenden Betriebsführungsvertrages unwirksam sei. Zum einen sei die Kündigung bereits unter dem Gesichtspunkt der Verfristung unwirksam. Nach § 6 Ziffer 5 des Betriebsführungsvertrages betrage die Kündigungsfrist drei Monate. Damit könne der Kündigungsberechtigte das Kündigungsrecht nur innerhalb von drei Monaten ausüben, nachdem er von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt habe. Die nunmehr für die Begründung der Kündigung angeführten Tatsachen des vergaberechtswidrigen Abschlusses des Altvertrages und der Umwandlung der Restabfallvorbehandlungsanlage aufgrund der Änderung abfallrechtlicher Bestimmungen seien dem Auftraggeber aber länger als drei Monate bekannt gewesen. Darüber hinaus sei die Kündigung auch deshalb unwirksam, weil dem Auftraggeber ein Kündigungsrecht nicht zustehe. Ein besonderes vertragliches Kündigungsrecht bestehe nach § 6 Ziffer 4 des Vertrages dann, wenn ein "wichtiger Grund" vorliege. In der Norm selber seien zwei Regelbeispiele für das Vorliegen eines wichtigen Grundes aufgeführt, die aber vorliegend nicht erfüllt seien. Es sei weder zu einer schwer wiegenden Vertragsverletzung noch zu einer Stilllegung der Mechanisch-Biologischen Restabfallvorbehandlungsanlage gekommen. Auch ansonsten stellten die von dem Auftraggeber als Kündigungsgründe angeführten Tatsachen keinen wichtigen Grund dar. Nach der Rechtsprechung und Literatur sei ein wichtiger Grund dann gegeben, wenn Tatsachen vorliegen würden, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages für den Kündigenden unzumutbar machen würden. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
das Vergabeverfahren aufzuheben,
- 2.
hilfsweise andere geeignete Maßnahmen zu treffen,
- 3.
dem Auftraggeber die Kosten des Nachprüfverfahrens aufzugeben,
- 4.
festzustellen, dass der Auftraggeber der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten hat,
- 5.
festzustellen, dass für die Antragstellerin die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.
Der Auftraggeber beantragt,
- 1.
die Anträge abzuweisen,
- 2.
festzustellen, dass es für den Auftraggeber erforderlich war, einen Bevollmächtigten hinzuzuziehen.
Mit Schriftsatz vom 15.02.2005 tritt der Auftraggeber den Ausführungen der Antragstellerin entgegen. Der Auftraggeber führt aus, dass er sich, bedingt durch die äußeren Umstände, einer besonderen Situation ausgesetzt gesehen habe. Die MBA xxx sei 1997 als eines von drei niedersächsischen Demonstrationsvorhaben mit einer Verarbeitungsmenge von 55.000 t pro Jahr in Betrieb genommen worden. Die Errichtung der Anlage sei seinerzeit europaweit ausgeschrieben worden. Aufgrund der besonderen Marktsituation und der technischen Besonderheiten der Anlage sei aber seinerzeit auf eine europaweite Ausschreibung für die Betriebsführung verzichtet worden. Mit der Betriebsführung sei die jetzige Antragstellerin beauftragt worden. Im Februar 2001 sei dann von der Bundesregierung die "Verordnung über die umweltverträgliche Ablagerung von Siedlungsabfällen und über biologische Abfallbehandlungsanlagen" verabschiedet worden. Diese habe Anforderungen enthalten, welche eine grundsätzlich neue Konfiguration der MBA in xxx erforderlich gemacht hätten. So habe abzulagernder Abfall ab dem 01.06.2005 bestimmte Grenzwerte einzuhalten, und zwar hinsichtlich der biologischen Aktivität und des Heizwertes. Bedingt durch Zweckvereinbarungen mit anderen Kommunen sei ab dem 01.06.2005 zudem eine Anlagenkapazität von ca. 100.000 t pro Jahr erforderlich. Als Konsequenz dessen sah sich der Auftraggeber deshalb mit dem Umstand konfrontiert, dass der bestehende Vertrag mit der Antragstellerin inhaltlich und bezüglich der Entgeltregelungen grundsätzlich neu zu verhandeln gewesen wäre, was einem Neuabschluss des Vertrages gleichgekommen wäre, verbunden mit den entsprechenden vergaberechtlichen Konsequenzen (Neuausschreibung). Parallel dazu habe sich der Auftraggeber einer Rüge der EU-Kommission ausgesetzt gesehen. Die EU-Kommission habe festgestellt, dass der Auftraggeber mit der freihändigen Vergabe der Betriebsführung an die Antragstellerin gegen das EU-Vergaberecht verstoßen habe und dieser Verstoß andauere. Dementsprechend habe die Kommission die Bundesregierung gemäß Artikel 226 EG-Vertrag aufgefordert, ein "EG-vertragskonformes Verhalten herzustellen". Hierdurch sei der Auftraggeber gehalten gewesen, die Neuausschreibung der Betriebsführung der MBA xxx unter Berücksichtigung der Kriterien des Kartellvergaberechts vorzunehmen. Im Ergebnis habe der Auftraggeber daher auf der einen Seite mit dem Beginn der Ausschreibung längstmöglich zugewartet, um den Bietern vollständige Informationen erteilen zu können. Auf der anderen Seite sei mit der Ausschreibung so rechtzeitig begonnen worden, dass sie unter Berücksichtigung der Vorgaben des Kartellvergaberechts rechtzeitig vor Leistungsbeginn abgeschlossen werden konnte.
Der Auftraggeber weist die einzelnen Vorhaltungen der Antragstellerin zurück. Der Nachprüfungsantrag sei bereits teilweise unzulässig. Die Antragstellerin habe in ihrem Nachprüfungsantrag eine Vielzahl von vorher nicht gerügten vermeintlichen Vergabeverstößen geltend gemacht. Diese seien insoweit präkludiert. Zudem genüge ein großer Teil der Rügen nicht den Anforderungen an eine hinreichende Substantiierung. Für den Auftraggeber sei bei diesen Rügen nicht erkennbar gewesen, was genau die Antragstellerin bemängele und welche Reaktion sie von dem Auftraggeber erwarte. Mangels eines Mindestmaßes an Substantiierung sei der diesbezügliche Antrag insoweit unzulässig. Schließlich habe die Antragstellerin teilweise lediglich Fragen gestellt bzw. Auskünfte erbeten. Dies genüge ebenfalls nicht den Anforderungen an eine Rüge. Auch insoweit sei der Antrag mithin unzulässig.
Der Antrag sei aber jedenfalls auch unbegründet. Die Wirksamkeit der durch den Auftraggeber ausgesprochenen Kündigung des Vertrages mit der Antragstellerin vom 07.01.1998 habe keine Relevanz für das vorliegende Verfahren. Nach deutschem Schuldrecht stelle ein bereits bestehender Vertrag über die Leistung kein Hindernis dafür dar,über die Erbringung der entsprechenden Leistung einen weiteren Vertrag abzuschließen. Dies sei ein Problem des Schadensersatzrechtes. Die Antragstellerin versuche offensichtlich, eine Streitigkeit, die ausschließlich mit dem Vertragsvollzug des Altvertrages zu tun habe, im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens einer Klärung zuzuführen. Dies sei jedoch ausschließlich Aufgabe der entsprechenden Zivilgerichte.
Der Auftraggeber habe auch kein verfrühtes Vergabeverfahren durchgeführt. Richtig sei zwar, dass die Genehmigung für den Anlagenumbau der BA zum Zeitpunkt der Ausschreibung noch nicht vorlag. Der Auftraggeber erkenne allerdings nicht, wie dies - unter Berücksichtigung der besonderen Ausgangssituation - eine mangelnde Ausschreibungsreife begründen solle. Trotz der noch nicht abschließend vorliegenden Genehmigung der Neuanlage sei somit kein weiteres Zuwarten möglich gewesen. Dies sei übrigens eine Situation, wie sie im Zusammenhang mit der Ausschreibung von Betriebsführungen von Neuanlagen regelmäßig vorkomme. Da solche Anlagen stets in einem engen Zeithorizont realisiert würden, sei eine zeitliche Überlappung von Ausführungsplanung, Bau und Ausschreibung der Betriebsführung unvermeidbar. Auch eine Interimsbeauftragung sei mangels entsprechender Erforderlichkeit und Dringlichkeit nicht möglich gewesen. Denn schließlich sei genug Zeit vorhanden gewesen, die Leistung im offenen Verfahren zu vergeben. Zudem hätte auch im Falle einer Interimsbeauftragung eine entsprechende Genehmigung nicht frühzeitig vorgelegen. Um etwaigen Abweichungen der tatsächlichen Genehmigung von der Leistungsbeschreibung später Rechnung tragen zu können, habe der Auftraggeber in § 14 Abs. 2 des Betriebsführungsvertrages (Teil IV) geregelt:
"Bei Änderung der Leistung haben beide Seiten Anspruch auf eine Vertragsanpassung. Dasselbe gilt bei Veränderung aufgrund geänderter genehmigungsrechtlicher Bestimmung und nachgewiesenen wesentlichen Änderungen gegenüber dem Leistungsverzeichnis. Die Vergütung ist auf der Grundlage der nach Abs. (3) vorgelegten Urkalkulation unter Beachtung der Grundsätze des § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B anzupassen. Wurde die Urkalkulation nicht vertragsgemäß vorgelegt, scheidet eine Preisanpassung zu Gunsten des AN aus."
Der Auftraggeber habe allen Bietern gleich verständlich mitgeteilt, von welcher genehmigungsrechtlichen Situation bei der Angebotslegung auszugehen sei. Abweichenden Entwicklungen würde durch die entsprechende Anpassungsklausel im Vertragsvollzug Rechnung getragen werden. Es könne mithin keine Rede davon sein, dass nicht alle Bieter die Leistungsbeschreibung im gleichen Maße hätten verstehen können.
Der Auftraggeber vertieft und ergänzt im Weiteren seinen Vortrag im Hinblick auf die bereits mit Rügeschreiben vom 21.10.2004 von der Antragstellerin monierten Vergaberechtsverstöße, die nach dem Vortrag der Antragstellerin zur Aufhebung des Vergabeverfahrens führen müssten. Nach Auffassung des Auftraggebers habe er im Ergebnis die Rügen - soweit sie überhaupt substantiiert und einlassungsfähig gewesen wären - bereits mit Bieterrundschreiben Nr. 1 vom 03.11.2004 umfassend beantwortet und ihnen teilweise abgeholfen.
Mit zwei weiteren Schriftsätzen vom 17.02.2005 und 23.02.2005 ergänzt und vertieft die Antragstellerin ihren Vortrag in Bezug auf die aus ihrer Sicht nicht gegebene Ausschreibungsreife gem. § 16 Nr. 1 VOL/A. Darüber hinaus habe der Auftraggeber imÜbrigen erneut auf die Anpassungsmöglichkeiten des § 14 Betriebsführungsvertrag verwiesen, setze sich mit der Argumentation der Antragstellerin aber nicht auseinander: Ob mit § 14 eine Risikoverwirklichung ausgeschlossen sei, müsse nämlich nach wie vor bezweifelt werden. Der Vertrag betreffe einen Anspruch auf eine Vertragsanpassung, genauer: eine Anpassung des geschlossenen Vertrages, nicht jedoch einen Anspruch auf Anpassung des kalkulierten Angebotspreises. Ergäbe sich vor Auftragserteilung aus einer Genehmigung weiterer, vorher nicht beschriebener, zu betreibender Aufwand, verwirkliche sich das Risiko für den Auftragnehmer deshalb gerade, weil der Auftraggeber dieses Risiko etwaiger Mehraufwendungen durch zusätzliche besondere vertragliche Regelungen gerade nicht übernommen habe. Hier greife der Vertrag damit zu kurz.
Die Beigeladene beantragt,
- 1.
die Nachprüfungsanträge zurückzuweisen;
- 2.
die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen;
- 3.
festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Beigeladene erforderlich war.
Hinsichtlich der durch die Antragstellerin monierten Vergaberechtsverstöße in Bezug auf § 8 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOL/A, § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A und in Bezug auf § 16 VOL/A schließt sich die Beigeladene in ihrem Schriftsatz vom 24.02.2005 den Ausführungen des Auftraggebers an. Darüber hinaus führt sie aus, das es der Antragstellerin bereits an der Antragsbefugnis mangele. Die Antragstellerin liege nach der Wertung der Angebote nur an dritter Stelle, sodass sie den Zuschlag selbst dann nicht erhalten könne, wenn das Angebot der Beigeladenen nicht berücksichtigt werden würde. Deshalb drohe der Antragstellerin aus Fehlern bei der Wertung des Angebotes der Beigeladenen kein Schaden
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Vergabeakte, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 02.03.2005 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten gemäß §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Aus der Entscheidung des Auftraggebers, den Betrieb der MBA bereits auszuschreiben, noch bevor die für den Betrieb erforderliche neue Genehmigung gemäß den §§ 4 und 16 des Bundes-Immissionsschutz-Gesetzes (BImSchG) vorlag, um so den ab 01.06.2005 greifenden zwingenden Anforderungen der Abfallablagerungsverordnung vom 20.02.2001 (BGBl. I, S. 305) genügen zu können, droht der Antragstellerin wie auch den übrigen Bietern kein Schaden. Dem künftigen Auftragnehmer wird insbesondere kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet, weil die Bieter nach den Verdingungsunterlagen eindeutig bei ihrer Kalkulation die noch aktuelle Genehmigung mit dem entsprechenden Auflagenbestand zugrunde zu legen hatten und über § 14 des mit den Verdingungsunterlagen vorgelegten Betriebsführungsvertrages ein umfassendes Recht auf Vertrags- und Preisanpassung erhalten für den Fall, dass die Auflagen der neuen BImSchG-Genehmigung in kalkulationsrelevanter Weise von den bisherigen Auflagen abweichen. Da alle Bieter ihrer Kalkulation unmissverständlich die zurzeit noch geltende Genehmigung zugrunde zu legen hatten, liegt auch kein Verstoß gegen das Gebot der Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A, das Gebot der Angabe aller kalkulationsrelevanten Umstände in den Verdingungsunterlagen gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A oder das Gebot des § 16 Nr. 1 VOL/A vor, wonach Leistungen erst dann ausgeschrieben werden sollen, wenn alle Verdingungsunterlagen fertig gestellt sind. Auch im Übrigen liegen keine Verstöße gegen§ 8 VOL/A vor. Insbesondere stellt die in der Leistungsbeschreibung beschriebene Vereinbarung über die Abfallbeschaffenheit für den Bieter und künftigen Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A dar.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Auftraggeber handelt es sich um einen kommunalen Zweckverband im Sinne des § 7 des Niedersächsischen Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit (NKomZG) (Nds. GVBl. S. 63), dem gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 Niedersächsisches Abfallgesetz (NAbfG), die den Kommunen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 NAbfG originär obliegende Abfallentsorgungspflichtübertragen wurde. Es handelt sich somit um eine juristische Person desöffentlichen Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht-gewerblicher Art zu erfüllen und deren Mitglieder Gebietskörperschaften im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB sind. Der Zweckverband ist somit ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB, der selbstständig und unmittelbar passiv legitimiert ist. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag betreffend die Betriebsführung der Mechanisch-Biologischen Abfallbehandlungsanlage xxx für den Zeitraum 01.04.2005 bis 31.03.2009, für den gemäß § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000 EUR gilt. Der Wert des streitbefangenen Auftragsüberschreitet diesen Schwellenwert bei weitem. Unter Zugrundelegung des vom Auftraggeber ausweislich der Vergabeakte als niedrigstes Angebot ermittelten Nebenangebotes 1 der Beigeladenen betragen die Kosten für die ausgeschriebenen Dienstleistungen bereits 586.260,04 EUR p. a.
Die Antragstellerin ist entgegen der Auffassung des Auftraggebers auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie die Auffassung vertritt, der Auftraggeber hätte das streitbefangene Vergabeverfahren mangels Ausschreibungsreife noch nicht durchführen dürfen. Insbesondere würde den Bietern dadurch, dass die für den Betrieb erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung mit den Verdingungsunterlagen nicht zur Verfügung gestellt werden konnte, ein ungewöhnliches Wagnis hinsichtlich der mit der Genehmigung zu erwartenden Auflagen aufgebürdet, die ihrerseits kalkulationsrelevant im Sinne des§ 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A seien. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, VergabeR, § 107, Rn. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, § 107, Rn. 677). Das tatsächliche Vorliegen der Rechtsverletzung ist vielmehr eine Frage der Begründetheit (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 24.11.1999, Az.: 13 Verg 7/99). Der Antragsbefugnis steht entgegen der Auffassung des Auftraggebers auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin mit ihrem bei der Wertung berücksichtigten Hauptangebot nach dem Ergebnis der Angebotswertung preislich und wirtschaftlich lediglich an dritter Stelle rangiert. Da die Antragstellerin die Aufhebung des Vergabeverfahrens wegen vermeintlich fehlender Ausschreibungsreife im Sinne des § 16 Nr. 1 VOL/A und einer vermeintlich mangelhaften Leistungsbeschreibung im Sinne des § 8 VOL/A begehrt, hätte sie im Erfolgsfall die Möglichkeit, sich bei einer dann erforderlichen erneuten Ausschreibung mit einem neuen Angebot zu beteiligen. Sie hat damit auch schlüssig die Möglichkeit eines Schadens dargelegt.
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber den Auftraggebern unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme zu rügen. Bereits in der Phase der Angebotserstellung rügte die Antragstellerin mit einem sechsseitigen Schreiben vom 21.10.2004 detailliert die aus ihrer Sicht gegen das Gebot der Ausschreibungsreife gemäß § 16 Nr. 1 VOL/A verstoßende Ausschreibung. Dabei verwies sie auf den aus ihrer Sicht nicht wirksam gekündigten, laufenden MBA-Betriebsführungsvertrag zwischen der Antragstellerin und dem Auftraggeber und im Einzelnen auf die vermeintlich mangelhafte, gegen § 8 Nr. 1 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 VOL/A verstoßende Leistungsbeschreibung. Insgesamt wurden 11 Regelungen der Leistungsbeschreibung angefochten. Insbesondere wurde geltend gemacht, dass den Bietern weder die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Anlagenumbau noch die sich daraus ergebenden betrieblichen Auflagen vorgelegt wurden. Da die sich daraus ergebenden relevanten Leistungspflichten für den Betriebsführer unbekannt seien, werde den Bietern ein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet. Gleiches gelte zum Beispiel hinsichtlich der aus Sicht der Antragstellerin nur unreichenden Beschreibung der Abfallbeschaffenheit. Die dort gerügten Sachverhalte sind entgegen der Auffassung des Auftraggebers nicht dadurch verbraucht, dass der Auftraggeber auf die Rüge der Antragstellerin mit zwei Bieterrundschreiben vom 03.11.2004 und 15.11.2004 reagiert hat. Selbst wenn der Auftraggeber, wovon er ausgeht, damit einigen Rügepunkten abgeholfen und andere Rügen eindeutig zurückgewiesen hat, verpflichtet § 107 Abs. 3 GWB den Bieter nicht, bereits einmal gerügte Sachverhalte erneut zu rügen, wenn und soweit er mit der Reaktion des Auftraggebers auf die erste Rüge nicht einverstanden ist.
Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden etwa - wie im vorliegenden Fall - beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses vermeintliche Ungenauigkeiten festgestellt, liegt bereits positive Kenntnis vor (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, § 107, Rn. 681). Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von§ 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/00). Im vorliegenden Fall betreffen die Rügen und der Nachprüfungsantrag die Festlegungen und Bestandteile des Leistungsverzeichnisses. Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Grundsätzlich teilt die Vergabekammer die Auffassung des OLG Koblenz, dass die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 - 3 Tagen nach positiver Kenntniserlangung erfolgen muss (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 18.09.2003, Az.: 1 Verg. 4/03; Bechtold, GWB, § 107, Rn. 2). Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff. [OLG Düsseldorf 13.04.1999 - Verg 1/99]), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger, insbesondere anwaltlicher Hilfe erfordert. Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes ist die erste Rüge vom 21.10.2004 unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB erfolgt, da sie bereits im Zuge der Angebotserstellung erfolgte. Auch die mit Anwaltsschriftsatz vom 01.02.2005 erfolgte erneute Rüge ist nicht präkludiert, soweit sie auf die Rüge vom 21.10.2004 aufbaut und diese konkretisiert. Soweit diese zweite Rüge in Reaktion auf das Informationsschreiben gemäß § 13 VgV vom 28.01.2005 darüber hinaus gegen die Berücksichtigung des Hauptangebotes und des für den Zuschlag favorisierten Nebenangebotes 1 der Beigeladenen gerichtet ist, hat die Antragstellerin den Nachprüfungsantrag diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten. Auch der erst im Rahmen des Nachprüfungsantrags erhobene Vorwurf der Antragstellerin, die Regelung in § 14 des Entwurfes für den Betriebsführungsvertrag zur Vertragsanpassung oder Kündigung aufgrund Veränderung der Geschäftsgrundlage gewähre den Bietern keinen hinreichenden Ausgleich für die insbesondere mit der fehlenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung verbundenen Kalkulationsrisiken, ist nicht präkludiert, da der vermeintliche Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgrund der fehlenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bereits mit dem ersten Rügeschreiben vom 21.10.2004 geltend gemacht wurde.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten gemäß §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Tatsache, dass die mit Schreiben des Auftraggebers vom 17.06.2004 erfolgte Kündigung des zurzeit noch laufenden Betriebsführungsvertrages mit der Antragstellerin aus dem Jahre 1998 hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Berechtigung zwischen dem Auftraggeber und der Antragstellerin nach wie vor streitig ist, führt nicht zu einer mangelnden Ausschreibungsreife im Sinne des § 16 Nr. 1 VOL/A (im Folgenden a). Gleiches gilt für die Vorgabe der Verdingungsunterlagen, nach der die Bieter für ihre Angebotserstellung und Kalkulation die alte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 29.02.1996 über die Errichtung und den Betrieb einer Mechanisch-Biologischen Restabfallvorbehandlungsanlage im Abfallwirtschaftszentrum xxx mit den dortigen Auflagen zugrunde zu legen hatten, da die erforderliche neue Genehmigung für die streitbefangene geänderte Anlage weder zum Zeitpunkt der europaweiten Bekanntmachung noch zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe vorlag. Diese Vorgabe des Auftraggebers verstößt weder gegen das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A noch gegen die Pflicht des Auftraggebers gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A, alle kalkulationsrelevanten Umstände in den Verdingungsunterlagen anzugeben, da alle Bieter von den gleichen Voraussetzungen ausgehen mussten. Durch die im Zeitpunkt der Angebotslegung nicht vorhandene neue immissionsschutzrechtliche Genehmigung wurde den Bietern auch kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet. Denn den Bietern wurde für den Fall von Änderungen des kalkulationsrelevanten immissionsschutzrechtlichen Auflagenbestandes gegenüber dem bei der Kalkulation zugrunde zu legenden Status quo in § 14 des mit den Verdingungsunterlagen vorgelegten Entwurfs des Betriebsführungsvertrages ein umfassendes Recht zur Vertrags- und Preisanpassung auf der Grundlage der von den Bietern mit den Angeboten einzureichenden Urkalkulation eingeräumt. Kostenrelevante Risiken aus der zum Zeitpunkt der Angebotserstellung noch fehlenden, inzwischen mit Datum vom 21.12.2004 vorliegenden Anlagengenehmigung gemäß §§ 4 und 16 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) trägt damit nach dem Entwurf des Betriebsführungsvertrages im Ergebnis allein der Auftraggeber (im Folgenden b).
Auch im Übrigen wird den Bietern durch die Gestaltung der Verdingungsunterlagen kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet. Dies gilt insbesondere auch für die von der Antragstellerin gerügten Angaben zur Abfallbeschaffenheit (im Folgenden c).
a)
Dem Gebot der Ausschreibungsreife gemäß § 16 Nr. 1 VOL/A steht nicht entgegen, dass die Rechtmäßigkeit der mit Schreiben des Auftraggebers vom 17.06.2004 erfolgten außerordentlichen Kündigung des zurzeit noch zwischen der Antragstellerin und der Auftraggeberin laufenden Betriebsführungsvertrages vom 07.01.1998, der eine Laufzeit von 15 Jahren ab Ende des Probebetriebes hatte, nach wie vor im Streit steht. Diese Frage wurde bislang weder einer Klärung im Wege der mit diesem Vertrag getroffenen Schiedsvereinbarung noch einer zivilgerichtlichen Feststellungs- oder Schadensersatzklage zugeführt. Da evidente Zweifel an der formellen Wirksamkeit der schriftlichen Kündigung nicht bestehen, ist der Anwendungsbereich des§ 16 Nr. 1 VOL/A nicht berührt. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Kündigung eines bestehenden Dienstleistungsvertrages kann nicht zum Gegenstand eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens gemäß §§ 107 ff. GWB gemacht werden. Es kann daher hier im Ergebnis dahinstehen, ob die vom Auftraggeber im Kündigungsschreiben vom 17.06.2004 angeführten Gründe ihn zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 314 Abs. 1 BGB berechtigten. Danach kann jeder Vertragsteil ein Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigendem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Der Auftraggeber hat die außerordentliche Kündigung zum einen auf die von der EU-Kommission mit Mahnschreiben vom 30.03.2004 an die Bundesregierung erhobenen Vorwürfe gestützt. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass der Betriebsführungsvertrag über die Mechanisch-Biologische Restabfallvorbehandlungsanlage in xxx vom 07.01.1998 mangels EU-weiter Ausschreibung gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG verstößt. Mit ihrem Mahnschreiben hat die EU-Kommission die Bundesregierung aufgefordert, ein EG-vertragskonformes Verhalten herzustellen. Diese Forderung hatte die Bundesregierung über das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr an den Auftraggeber herangetragen.
Die Frage, ob der "Makel" einer von der EU-Kommission festgestellten, vermeintlichen EU-Vergaberechtswidrigkeit den betroffenen Auftraggeber bereits zur Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 Abs. 1 GWB berechtigt, ist bislang zivilrechtlich nicht geklärt. Der EuGH hat mit seiner bisherigen Rechtsprechung zwar bekräftigt, dass eine unter Verstoß gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG erfolgte De-facto-Vergabe für die gesamte Vertragsdauer zu einem fortwirkenden Richtlinienverstoß führt, der vom EuGH ggf. im Wege einer Zwangsgeldandrohung und Festsetzung geahndet werden kann (vgl. EuGH, Urteil v. 09.09.2004 - C-125/03 - Kommission der EG gegen Bundesrepublik Deutschland; Urteil v. 10.04.2003 - Rs. C-20/01 und C-28/01). Eine durchgreifende, den vermeintlich EU-vergaberechtswidrig - aber zivilrechtlich wirksam - zu Stande gekommenen Vertrag beendende Wirkung hat dagegen weder die Dienstleistungsrichtlinie noch die Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG. Der EuGH verpflichtet den Mitgliedsstaat in den zitierten Entscheidungen dementsprechend mit keinem Wort dazu, notfalls etwa zwangsweise die Rückgängigmachung unzulässigerweise direkt vergebener Verträge durchzusetzen. Das Gericht erkennt vielmehr ausdrücklich an, dass das Prinzip "pacta sunt servanda" die Mitgliedsstaaten ermächtige, "nach Vertragsschluss den nationalen Rechtsschutz auf Schadensersatz für die durch einen solchen Verstoß geschädigten Personen zu begrenzen" (vgl. EuGH, Urteil v. 09.09.2004, NZBau 10/2004, S. 563 ff. [OLG Oldenburg 04.05.2004 - 2 U 112/03]). Die Rechtsmittelrichtlinie ist damit insgesamt Spezialrecht für die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes zur Flankierung eines Gemeinschaftsrechts konformen Ablaufs EU-weiter Vergabeverfahren, enthält jedoch keine Regelungen oder Befugnisse, die in die zeitliche Phase bestehender Verträge nach Zuschlagserteilung hineinreichen (vgl. Heuvels, Fortwirkender Richtlinienverstoß nach De-facto-Vergaben, NZBau Nr. 1/2005, S. 32 ff., 33).
Es spricht jedoch viel dafür, dass der zweite vom Auftraggeber zur Begründung der außerordentlichen Kündigung angeführte Sachverhalt als wichtiger Grund im Sinne des § 314 Abs. 1 BGB einzustufen ist. Der Auftraggeber hat in seinem Kündigungsschreiben auf den zwischenzeitigen erheblichen Umbau der MBA aufgrund der Abfallablagerungsverordnung und der 30. BImSchV mit den damit verbundenen erheblichen Änderungen im Betriebsablauf zum 01.06.2005 hingewiesen. Zudem werden ab 01.06.2005 neben den bisherigen Abfällen aus den Landkreisen xxx und xxx, die Mitglieder des Zweckverbandes sind, auf der Grundlage einer Zweckvereinbarung vom März 2003 auch Abfälle aus dem Landkreis xxx und den Städten xxx und xxx mechanisch-biologisch behandelt. Mechanisch vorbehandelte Abfälle aus der Stadt xxx werden weiter aufbereitet und insbesondere biologisch behandelt. Eine Anpassung des laufenden Betriebsführungsvertrages an die künftigen Gegebenheiten hinsichtlich des geänderten Betriebsablaufs und insbesondere auch der zu behandelnden Mengen (unter anderem Erhöhung der Durchsatzleistung von 56.000 Mg/a auf 113.500 Mg/a) wäre vergaberechtlich nicht zulässig. Vielmehr ist der Auftraggeber zu Recht davon ausgegangen, dass er verpflichtet ist, den erheblichen Änderungen Rechnung zu tragen und die streitbefangene Leistung erneut auszuschreiben. Die Vergabekammer vertritt ebenso wie das OLG Düsseldorf (vgl. Beschluss v. 14.02.2001, Az. Verg 13/00) die Auffassung, dass eine wesentliche Veränderung eines laufenden Leistungsvertrages - in inhaltlicher Hinsicht oder bezüglich der Laufzeit - ggf. sogar als einvernehmliche Aufhebung des Altvertrages und der Vertragsschluss zu den geänderten Konditionen darüber hinaus im Falle der Nichtausschreibung als vergaberechtswidrige De-facto-Vergabe einzuordnen ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Betriebsführung zu derart deutlich modifizierten Bedingungen erfolgen muss. Die Alternative, den laufenden Vertrag einfach an die zum 01.06.2005 verbindlichen abfall- und immissionsschutzrechtlichen Vorgaben anzupassen, bestand für den Auftraggeber somit nicht. Ein Festhalten am ursprünglichen Vertragsverhältnis unter Verletzung des Vergaberechts aber ist dem Auftraggeber nicht zuzumuten. Von daher dürfte im vorliegenden Fall tatsächlich ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 314 Abs. 1 BGB gegeben sein.
Dies kann jedoch dahinstehen, da die abschließend Klärung dieser Frage ggf. in einem zivilgerichtlichen Verfahren, nicht aber im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer herbeigeführt werden kann.
b)
Auch die Tatsache, dass die erst am 21.12.2004 erteilte Genehmigung der Bezirksregierung Weser-Ems gemäß §§ 4 und 16 BImSchG für den Umbau der MBA und die daraus folgenden, ggf. von der bisherigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung abweichenden Auflagen den Bietern weder im Zeitpunkt der Vergabebekanntmachung noch mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe vorlag und damit für die Angebotserstellung unstreitig nicht zur Verfügung stand, führt im Ergebnis nicht zu einer drohenden Verletzung von Rechten im Sinne des § 97 Abs. 7 und § 114 Abs. 1 GWB. Die Antragstellerin hat in diesem Zusammenhang neben einer fehlenden Ausschreibungsreife gemäß § 16 Nr. 1 VOL/A auch eine Verletzung des Gebots der eindeutigen Leistungsbeschreibung gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A, eine Verletzung der Pflicht des Auftraggebers zur Angabe aller kalkulationsrelevanten Umstände in den Verdingungsunterlagen gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A und einen Verstoß gegen die Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A geltend gemacht. Auch diese Vergaberechtsverletzungen liegen jedoch nicht vor:
- § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A legt demöffentlichen Auftraggeber die Pflicht auf, die Leistung so eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber sie im gleichen Sinne verstehen und die Angebote miteinander verglichen werden können. Eine Leistungsbeschreibung ist in diesem Sinne eindeutig und vollständig, wenn sie Art und Umfang der geforderten Leistung mit allen dafür maßgebenden Bedingungen zur Ermittlung des Leistungsumfangs zweifelsfrei erkennen lässt, keine Widersprüche in sich, zu den Plänen oder zu anderen vertraglichen Regelungen enthält und alle für die Lieferung oder Leistung spezifischen Bedingungen und Anforderungen darstellt (vgl. Schaller, VOL, 3. Auflage, § 8 VOL/A, Rn. 3). Eine eindeutige Beschreibung der Leistung ist Grundvoraussetzung für eine einwandfreie Preisermittlung. Angebote, denen eine ungenaue Leistungsbeschreibung zugrunde liegt, können nicht genügend verglichen werden.
Die Tatsache, dass die neue immissionsschutzrechtliche Genehmigung den Bietern für die Angebotserstellung vom Auftraggeber noch nicht zur Verfügung gestellt werden konnte, bietet vorliegend jedoch keinen Anlass zur Besorgnis, dass die Bieter die Leistungsbeschreibung deshalb in unterschiedlichem Sinne verstehen könnten. Der Auftraggeber hatte die Bieter auf Seite 14 der Leistungsbeschreibung unter Ziffer 2.13 "Genehmigungsauflagen sowie Betriebshandbuch und -ordnung" ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Bieter bei der Erstellung ihrer Angebote von der Altgenehmigung und dem damit verbundenen Status quo des Auflagenbestandes auszugehen haben. Dort heißt es:
"Wie bereits angesprochen, liegt die Genehmigung für den Anlagenumbau leider noch nicht vor; wegen des Zeitbedarfs des Vergabeverfahrens konnte das Vorliegen der Genehmigung nicht abgewartet werden. Aus der Genehmigung ergeben sich betriebliche Auflagen und damit relevante Leistungspflichten für den Betriebsführer. Um diese auf dem heutigen Kenntnisstand abzubilden, ist als Anhang 6 die Altgenehmigung (Stand: 29.02.1996) beigefügt. Es ist davon auszugehen, dass diese Auflagen und die Anforderungen der 30. BImSchV den Kernbestand der zu erwartenden Betriebsauflagen bilden; auf die gesetzlichen und berufsgenossenschaftlichen Vorschriften zum Arbeitsschutz wird ergänzend hingewiesen. Diese sind vom Auftragnehmer einzuhalten bzw. zu erfüllen. Auflage der Altgenehmigung war, dass ein Betriebshandbuch und eine Betriebsordnung zu erstellen sind; diese sind im jetzigen Stand als Anhang 7 beigefügt. Es ist davon auszugehen, dass die neue Genehmigung eine Fortschreibung dieser Dokumente erfordern wird. Diese Dokumente werden vom Auftraggeber angefertigt; der Auftragnehmer hat daran mitzuwirken und die Anforderungen fortan zu beachten."
In Reaktion auf die Rüge der Antragstellerin vom 21.10.2004 war der Auftraggeber mit Bieterrundschreiben Nr. 1 vom 03.11.2004 zudem auch auf die Rüge der fehlenden neuen immissionsrechtlichen Genehmigung eingegangen. Dort heißt es auf Seite 2 unter 4.:
"Genehmigung
Es wurde als ungewisses Wagnis gerügt, dass ein genehmigungskonformer Betrieb gefordert wird, obwohl noch keine Genehmigung vorliegt. Die Vergabestelle wirbt hier um Verständnis; die EU-weite Ausschreibung solcher Aufträge muss mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf erfolgen, sodass nicht abgewartet werden konnte, dass die Bezirksregierung die Genehmigung erteilt. Die Vergabestelle geht davon aus, dass keine Auflagen erteilt werden, welche über die 30. BImSchV, die AbfAblV und den bisherigen Auflagenbestand (vgl. Anhang 6) hinausgehen. Sollte dies doch der Fall sein, erfolgt eine Anpassung nach § 14."
Damit stand für alle Bieter eindeutig fest, dass sie bei ihrer Kalkulation hinsichtlich der immissionsschutzrechtlichen Auflagen verbindlich vom Status quo der bisher geltenden Altgenehmigung, die den Verdingungsunterlagen mit Anlagen beigefügt wurde, auszugehen hatten. Damit liegt bezüglich der dem Auftraggeber zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe nicht möglichen Zur-Verfügung-Stellung der neuen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung weder ein Verstoß gegen§ 8 Nr. 1 Abs. 1 noch ein Verstoß gegen die Pflicht zur Angabe der kalkulationsrelevanten Umstände gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A vor.
- Die Antragstellerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Auftraggeber angesichts der zum Zeitpunkt der Übersendung der Verdingungsunterlagen noch ausstehenden neuen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung besonders verpflichtet war, dafür Sorge zu tragen, dass den Auftragnehmern kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet wird, die den Bietern möglicherweise durch die Unwägbarkeiten hinsichtlich der neuen Auflagen für den geänderten Betriebsablauf drohen konnten. Bei der Klärung dieser Frage musste die Vergabekammer die in der mündlichen Verhandlung am 02.03.2005 erstmals vorgelegte neue Genehmigung der Bezirksregierung Weser-Ems vom 21.12.2004 inhaltlich grundsätzlich außer Acht lassen, da diese Genehmigung den Bietern bei der Erstellung ihrer Angebote nicht zur Verfügung stand. Ein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A drohte den Bietern durch die fehlende neue immissionsschutzrechtliche Genehmigung im Ergebnis aber deshalb nicht, weil der Auftraggeber in § 14 des den Bietern als Teil IV mit den Verdingungsunterlagen vorgegebenen Entwurfs des Betriebsführungsvertrages umfassende Rechte zur Anpassung des Vertrages und insbesondere auch der Vergütung eingeräumt hat, die dazu führen, dass sämtliche Kalkulations- und Kostenrisiken im Zusammenhang mit der seinerzeit noch ausstehenden neuen Genehmigung ausdrücklich vom Auftraggeber übernommen werden.
Gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A soll dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Diese Regelung ist im Zusammenhang mit der Risikoverteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zu sehen, die sich aus § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A ergibt (vgl. Zdzieblo in: Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, § 8, Rn. 36 ff., m.w.N.). Danach ist die Leistung eindeutig und erschöpfend so zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Angebote miteinander verglichen werden können. Der Auftraggeber trägt somit die Verantwortung für die Erstellung der erschöpfenden Leistungsbeschreibung. Da er die benötigte Leistung durch die von ihm vorgegebene Leistungsbeschreibung spezifiziert, legt der Auftraggeber prinzipiell auch die Risiken fest, die der Auftragnehmer später mit der Ausführung seiner Leistung übernimmt. Der Auftragnehmer andererseits trägt die Verantwortung für die von ihm erbrachte Leistung. Er ist grundsätzlich auch verantwortlich für diejenigen Risiken, die sich aus der Übernahme der vertraglichen Verpflichtung ergeben (Erfüllungsrisiko). Der Auftragnehmer soll nach § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A also nur gewöhnliche Wagnisse eingehen müssen. Ein Wagnis in diesem Sinne kommt nur in Betracht, wenn das Risiko auf Umständen und Ereignissen beruht, die außerhalb des Einflussbereichs des Auftragnehmers zählen. Zu derartigen Umständen und Ereignissen können beispielsweise Freistellungen, Leistungen vorgeschriebener Unterauftragnehmer, Ersatzteilbedarf und Wartungsaufwand in der Nutzungsphase sowie andere Leistungsziele zählen, bei denen nach gegenwärtigem Stand von Wissenstand und Technik ungewiss ist, ob der Auftragnehmer sie überhaupt erreichen kann, wie z.B. bei Entwicklungsleistungen auf technischem Neuland (vgl. Zdzieblo, a.a.O., Rn. 39). Die Übertragung eines ungewöhnlichen Wagnisses liegt vor, wenn dem Auftragnehmer Risiken aufgebürdet werden, die er nach der in dem jeweiligen Vertragstypüblicherweise geltenden Wagnisverteilung an sich nicht zu tragenhat und im Einzelfall wirtschaftlich schwer wiegende Folgen für den Auftragnehmer mit sich bringen können (vgl. Weyand, Vergaberecht, § 8 VOL/A, Rn. 5225, m.w.N.; Zdzieblo, a.a.O., Rn. 40). Schließlich ist Voraussetzung eines unzulässigen ungewöhnlichen Wagnisses im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A, dass der Auftragnehmer das Wagnis und dessen Einwirkung auf Preise und Fristen nicht im Voraus schätzen kann, sodass das Wagnis hinsichtlich seines Eintritts für den Auftragnehmer ungewiss ist und er keine Möglichkeit hat, es abzuwenden.
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs sind die den Bietern durch die im Zeitpunkt der Angebotserstellung noch fehlende neue immissionsschutzrechtliche Genehmigung zugemuteten Unwägbarkeiten hinsichtlich der künftigen, vom Auftragnehmer bei der Betriebsführung zu beachtenden Auflagen nicht als ungewöhnliches Wagnis im Sinne des§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A zu werten. Zwar sind kalkulationsrelevante Änderungen des Auflagenbestandes für den Bieter im Zeitpunkt der Angebotserstellung nicht auszuschließen gewesen. Die Vertragsgestaltung des Auftraggebers trägt diesen Unwägbarkeiten jedoch Rechnung. Der Auftraggeber nimmt den Bietern durch die in § 14 des Betriebsführungsvertrags vorgegebene Regelung zur Vertragsanpassung die diesbezüglichen Kalkulations- und damit Preisrisiken nahezu vollständig ab. In § 14 des den Verdingungsunterlagen als Teil IV beigefügten Entwurfs des Betriebsführungsvertrages heißt es:
"Vertragsanpassung oder Kündigung aufgrund Veränderung der Geschäftsgrundlage
1
Der Auftragnehmer verpflichtet sich, den Vertrag auch bei Änderungen der Entsorgungspflichten oder der Auftragsverhältnisse des Auftraggebers zu erfüllen. Der Auftraggeber ist berechtigt, den Vertrag auf eine Tochtergesellschaft des Zweckverbandes zu übertragen.2
Bei Änderungen der Leistung haben beide Seiten Anspruch auf eine Vertragsanpassung. Dasselbe gilt bei Veränderungen aufgrund geänderter genehmigungsrechtlicher Bestimmungen und nachgewiesenen wesentlichen Änderungen gegenüber dem Leistungsverzeichnis. Die Vergütung ist auf Grundlage der nach Abs. 3 vorgelegen Urkalkulation unter Beachtung der Grundsätze des § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B anzupassen. Wurde die Urkalkulation nicht vertragsgemäß vorgelegt, scheidet eine Preisanpassung zu Gunsten des Auftragnehmers aus."
Die in Abs. 3 des § 14 geregelte Übergabe der Urkalkulation an den Auftraggeber ist weder bei der Antragstellerin noch bei einem anderen Bieter gerügt worden. Durch die umfassende Regelung der Vergütungsanpassung auf der Grundlage der Urkalkulation des Bietersübernimmt der Auftraggeber letztlich alle Risiken, die mit den Unwägbarkeiten hinsichtlich des kalkulationsrelevanten, geänderten Auflagenbestandes durch die neue immissionsschutzrechtliche Genehmigung zum Zeitpunkt der Angebotserstellung bestanden haben. Dabei ist, wie oben dargelegt, nicht jede kalkulationsrelevante Unwägbarkeit oder jedes sonstige Wagnis als ungewöhnlich und damit dem Bieter unzumutbar im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A einzustufen. Das Wagnis muss vielmehr im Einzelfall wirtschaftlich schwer wiegende Folgen für den Auftragnehmer mit sich bringen (vgl. Zdzieblo, a.a.O., § 8 VOL/A, Rn. 40). Wagnisse aus behördlichen Anordnungen sind in der Regel dann ungewöhnlich, wenn sie auf den Auftragnehmer ausdrücklich überbürdet werden. So ist nach der Rechtsprechung z.B. die Klausel: "Gebühren für verkehrsrechtliche Anordnungen sind in der Position 'Verkehrssicherung' mit einzurechnen" gemäß § 307 BGB unwirksam (LG München I 7 O 1322/94). Diese Klausel steht im Widerspruch zu § 4 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B, der ausdrücklich regelt, dass der Auftraggeber für die erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen einzustehen hat (vgl. Heiermann / Riedl / Rusam, VOB, 10. Auflage, A § 9, Rn. 18). Eine entsprechende ausdrückliche Regelung enthält die VOL/B nicht. Die grundsätzliche Pflicht des Auftraggebers, auch im Dienstleistungsbereich die erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen und Erlaubnisse herbeizuführen, folgt jedoch ohne weiteres aus § 3 Nr. 1 VOL/B, wonach die für die Ausführung erforderlichen Unterlagen dem Auftragnehmer unentgeltlich und rechtzeitig zu übergeben sind, soweit sie nicht allgemein zugänglich sind. Bei der vorliegenden Vertragsgestaltung werden alle möglichen Kalkulationsrisiken aus dem Auflagenbestand der bei Angebotserstellung noch ausstehenden neuen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung aber gerade nicht dem Auftragnehmer überbürdet, sondern vom Auftraggeber übernommen. Er allein trägt angesichts des umfassenden Vertrags- und Preisanpassungsrechts in § 14 Abs. 2 des Vertragsentwurfes das Risiko künftiger Kosten erhöhenderöffentlich-rechtlicher Auflagen.
Der Wirksamkeit und Handhabbarkeit dieser Vertrags- und Preisanpassungsklausel steht auch nicht entgegen, dass nach ihrem Wortlaut die Vergütung ausdrücklich auf Grundlage der nach Abs. 3 vorgelegten Urkalkulation unter Beachtung der Grundsätze des § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B anzupassen ist und in dem Fall, in dem die Urkalkulation nicht vertragsgemäß vorgelegt wurde, eine Preisanpassung zu Gunsten des Auftragnehmers ausscheiden soll. Die Forderung des Auftraggebers nach der Vorlage der Urkalkulation, die von keinem Bieter gerügt wurde, ist sinnvoll, um im Rahmen von Preisanpassungsverhandlungen von unstreitigen und eindeutigen Kalkulationsgrundlagen der ursprünglichen Preisermittlung des Bieters ausgehen zu können. Die Verpflichtung des Auftraggebers gemäß § 9 Nr. 2 Satz 1 VOL/A, wonach in den Verdingungsunterlagen vorzuschreiben ist, dass die allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B) Bestandteil des Vertrages werden, schließt nach § 9 Nr. 2 Satz 2 VOL/A ausdrücklich nicht aus, dass zusätzliche, ergänzende sowie besondere Vertragsbedingungen in die Verdingungsunterlagen aufgenommen werden. Darüber hinaus können gemäß § 9 Nr. 3 Abs. 1 VOL/A diese allgemeinen Vertragsbedingungen der VOL/B ausdrücklich von Auftraggebern, die ständig Leistungen vergeben, für die bei ihnen allgemein gegebenen Verhältnisse durch zusätzliche Vertragsbedingungen ergänzt werden, sofern sie den allgemeinen Vertragsbedingungen nicht widersprechen. Ohne die ausdrückliche Bezugnahme auf die Grundsätze des § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B in § 14 Abs. 2 des Vertragsentwurfs wären etwaige Vertrags- und Preisanpassungen allein nach Maßgabe des § 2 Nr. 3 VOL/B vorzunehmen. Danach ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu vereinbaren, wenn durchÄnderung in der Beschaffenheit der Leistung die Grundlagen des Preises für die im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden. Dem widerspricht die für Bauleistungen getroffene Regelung in § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B nicht. Dieser konkretisiert die Preisanpassung lediglich für den Fall von Mengenschwankungen. Dort ist geregelt, dass bei einer über 10 v. H. hinausgehenden Unterschreitung des Mengenansatzes auf Verlangen der Einheitspreis für die tatsächlich ausgeführte Menge der Leistung oder Teilleistung zu erhöhen ist, soweit der Auftragnehmer nicht durch Erhöhung der Mengen bei anderen Ordnungszahlen (Positionen) oder in anderer Weise einen Ausgleich erhält. Die Bezugnahme auf § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B konkretisiert also lediglich das Procedere der Preisanpassung im Fall von Mengenschwankungen, die auch durch die allgemeiner getroffene Regelung des§ 2 Nr. 3 VOL/B abgedeckt ist. Die Vertragsanpassungsregelung gemäß § 14 Abs. 2 des Vertragsentwurfes widerspricht damit nicht den allgemeinen Vertragsbedingungen der VOL/B im Sinne des § 9 Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 VOL/A. Die Geltung der VOL/B hat der Auftraggeber, wie von§ 9 Nr. 2 Satz 1 VOL/A verlangt, in § 1 Abs. 2 Nr. 4 des Vertragsentwurfes ausdrücklich zur Vertragsgrundlage gemacht.
c)
Auch im Übrigen verstoßen die Verdingungsunterlagen entgegen der Auffassung der Antragstellerin weder gegen das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A noch wird dem Auftragnehmer ein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet.
Dies gilt insbesondere auch für die von der Antragstellerin gerügte Verpflichtung des Auftragnehmers, die vom Hersteller der Anlage in der sog. Beschaffenheitsvereinbarung (Anlage V der Verdingungsunterlagen) garantierten Eigenschaften der Anlage aufrechtzuerhalten und die entsprechenden Werte einzuhalten. Bei der Beschaffenheitsvereinbarung handelt es sich um eine Verpflichtung des Lieferanten der Anlage, dass die Anlage bestimmte Kenngrößen bei der Abfallbehandlung erbringen muss. Dabei sind einige Werte wie etwa die Qualität des Deponieguts durch die gesetzlichen Regelungen vorgegeben, andere sind wiederum Selbstverpflichtungen des Herstellers. In Teil 3 der Leistungsbeschreibung (Seite 13) heißt es unter Ziffer 2.12 Beschaffenheitsvereinbarung:
"Vom Hersteller der Anlage, der Firma xxx, wurden bestimmte Eigenschaften der Anlage garantiert. Hierzu gehören beispielsweise der Energieverbrauch der Anlage, aber auch Angaben über die Stoffstromverteilung: Diese ist deshalb von besonderer Bedeutung, da namentlich die Entsorgung der heizwertreichen Fraktion hohe Kosten beim Auftraggeber auslöst und diesem daran gelegen ist, die Menge heizwertreicher Abfälle zu minimieren. Der vollständige Katalog der Beschaffenheitsvereinbarung MA (Mechanische Anlage) und BA (Biologische Anlage) ist als Anhang 8 (richtig musste es heißen als Anhang 5; wurde vom Auftraggeber mit Bieterrundschreiben vom 03.11.2004 unter Ziffer 2 entsprechend korrigiert) beigefügt. Dieser Katalog erhält zum jetzigen Zeitpunkt Parameter, aber noch nicht die erzielbaren Werte. Der Hersteller hat bestimmte Werte garantiert. Maßgeblich für das Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Betriebsführer sind jedoch die im Probebetrieb validierten Werte - anders ausgedrückt: das, was die Anlage erwiesenermaßen zu leisten im Stande ist. Da der Probebetrieb in die Leistungszeit des Auftragnehmers fällt, ist er an der Validierung dieser Kenngrößen beteiligt. Nach Abschluss des Probebetriebs ist die Einhaltung der Beschaffenheitsvereinbarung Leistungspflicht des Auftragnehmers. Die Nichteinhaltung ist mit Vertragsstrafen bewehrt; eine ständige Nichteinhaltung stellt eine Verletzung wesentlicher Vertragspflichten und damit einen Kündigungsgrund dar."
Die Antragstellerin sieht in dieser Regelung die Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses, weil die dem Bieter und potenziellen künftigen Auftragnehmer obliegende Einhaltung der Werte der Beschaffenheitsvereinbarung insbesondere von der Abfallzusammensetzung abhängig sei und die Verdingungsunterlagen insofern keine ausreichenden und verwertbaren Informationen enthielten. Der Auftraggeber hat auf diese Rüge mit Bieterrundschreiben Nr. 1 vom 03.11.2004 unter Ziffer 3 reagiert und die Beschaffenheitsvereinbarung zur mechanischen Aufbereitung wie folgt neu gefasst:
"1.
Im Rahmen des Probebetriebs der mechanischen Aufbereitung wurde eine Anlagenverfügbarkeit von > 90 % nachgewiesen. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, eine ständige Verfügbarkeit von 90 % sicherzustellen. Auf Verlangen des Auftraggebers hat er dies für den Zeitraum von mindestens fünf aufeinander folgenden Arbeitstagen im 1,5-Schichtbetrieb nachzuweisen; in diesem Zeitraum muss eine Abfallmenge von 45 t/h x 12 h/d x 5 Tage x 90 % Verfügbarkeit = 2.430 t/Wo verarbeitet werden.2.
Mindestens 90 % der im aufgegebenen vorzerkleinerten Abfall enthaltenen Feinfraktion muss sich nach Siebung und Sichtung in der Siebfraktion < 60 mm wieder finden."
Im Übrigen hat der Auftraggeber die Rüge als nicht nachvollziehbar zurückgewiesen, weil die Zusammensetzung von Restabfällen mit für planerische und kalkulatorische Zwecke hinreichender Genauigkeit allen Branchenbeteiligten bekannt sei. Dass Abfallzusammensetzungen schwankend seien, müsse dagegen bei jeder Kalkulation im Abfallbereich berücksichtigt werden.
Die Vergabekammer teilt die Auffassung des Auftraggebers, dass die Verpflichtung des künftigen Auftragnehmers, die Einhaltung der gemäß der Beschaffenheitsvereinbarung erzielbaren Werte der MBA und damit die Verantwortlichkeit für den dort definierten Mindesterfolg der Abfallbehandlung zwar unstreitig kalkulationsrelevant ist, aber kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A darstellt. Die Gewährleistung des ordnungsgemäßen und möglichst optimierten Betriebes der Mechanisch-Biologischen Abfallanlage gehört vielmehr gerade zu denüblichen Hauptleistungspflichten eines mit der Betriebsführung einer Abfallbehandlungsanlage beauftragten Fachunternehmens. Durch die Vorgabe der Beschaffenheitsregelung, wonach sich mindestens 90 % der im aufgegebenen Abfall enthaltenen Feinfraktion nach Zerkleinerung, Siebung und Sichtung in der Fraktion < 60 mm wieder finden müssen, wird gewährleistet, dass der Betriebsführer in Abhängigkeit von der jeweiligen Abfallqualität und Zusammensetzung, die in die Anlage eingegeben wird, einen bestimmten prozentualen Behandlungserfolg im Rahmen der technischen Leistungsfähigkeit der Anlage erwirtschaften muss. Hinter dieser Regelung steht das wirtschaftliche Interesse des Auftraggebers, am Ende der Behandlung einen möglichst hohen Anteil an deponiefähiger Feinfraktion und einen möglichst geringen - weil für den Auftraggeber kostenträchtigeren - fremd zu entsorgenden, heizwertreichen Grobfraktionsanteil zu gewinnen. Dies verpflichtet den Betriebsführer jedoch nicht zur Gewährleistung entsprechender absoluter Mengen. Vielmehr muss er den Behandlungserfolg stets nur in gleicher prozentualer Abhängigkeit von der Qualität und Zusammensetzung des Abfalls gewährleisten, wie er von den entsorgungspflichtigen Körperschaften bei der Anlage angeliefert wird.
Dabei ist im Übrigen unstreitig, dass die entsorgungspflichtigen Körperschaften durch den Auftraggeber verpflichtet wurden, ihre Abfallsatzungen dem jeweiligen Bestand der Auflagen der für den Betrieb erforderlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung stets anzupassen. Dies gilt nicht nur für die bisherigen Mitglieder des Zweckverbandes, die Landkreise xxx und xxx. Diese Verpflichtung wurde laut Auftraggeber vielmehr - von der Antragstellerin unbestritten - über die Zweckvereinbarung vom März 2003 auch den ab 01.06.2005 zusätzlich in die streitbefangene MBA entsorgenden Städten xxx, xxx und xxx sowie dem Landkreis xxx auferlegt. Damit haben bereits die anliefernden entsorgungspflichtigen Körperschaften dafür Sorge zu tragen, dass nur die in der maßgeblichen BImSchG-Genehmigung vorgesehenen Abfallfraktionen angenommen und an die MBA weitergeleitet werden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Hausmüll und Gewerbemüll.
Vom Auftragnehmer als Betriebsführer wird letztendlich lediglich verlangt, dass er bei der Abfallbehandlung die Kenngrößen erwirtschaftet, die die MBA nach den Feststellungen der Abnahmemessungen im Rahmen des Probebetriebs auch tatsächlich zu leisten im Stande ist. Ein ungewöhnliches Risiko im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A ist damit für ihn nicht verbunden.
Auch die übrigen von der Antragstellerin gerügten, vermeintlichen Risiken bürden den fachkundigen Bietern kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A auf:
- Soweit die Antragstellerin dem Auftraggeber mit Rügeschreiben vom 21.10.2004 vorgeworfen hat, dass die in Teil III der Leistungsbeschreibung gemachten Angaben zu Personalbedarf, Abfallzusammensetzung, eingesetzten Aggregaten sowie die Abgrenzung von Reparatur - Wartung - Unterhaltung (RWU) zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer nicht hinreichend konkret seien, hat die Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt, welche Angaben sie über die in Teil III der Leistungsbeschreibung niedergelegten Angaben hinaus benötigt. Teil III Ziffer 2.11 der Verdingungsunterlagen erhält Angaben zum voraussichtlichen Personalbedarf. Zu den eingesetzten Abfällen werden in Teil III unter Ziffer 2.3 tabellarische Angaben zu den Mengenansätzen für Auslegung und Genehmigungsantrag sowie für die Inputmengen gemacht. Hinsichtlich der eingesetzten Aggregate schließlich enthält Teil III der Verdingungsunterlagen unter Ziffer 2.10 (Tabelle 8) eine entsprechende Aggregateliste sowie eine Funktionsbeschreibung, die den Verdingungsunterlagen als Anhang 2 beigefügt wurde.
- Die Frage der Antragstellerin, ob der im Bestand verzeichnete Umsetzer (Betriebseinheit BE 0020) weiterhin betrieben werden solle und wer für die hieraus resultierenden RWU-Kosten aufzukommen habe, hat der Auftraggeber bereits mit Bieterrundschreiben vom 03.11.2004 abschließend dahingehend beantwortet, dass die Reparatur, Wartung und der Unterhalt des Umsetzers nicht Gegenstand der Pos. 3.1 des Leistungsverzeichnisses sind. Für den Fall der Weiternutzung des Umsetzers soll ggf. eine separate Vereinbarung geschlossen werden. Der Auftraggeber behalte sich jedoch vor, diese Leistung anderweitig zu vergeben.
- Soweit die Antragstellerin die Verpflichtung des Auftragnehmers gemäß Ziffer 3.2 des Teil III der Leistungsbeschreibung rügt, wonach der Auftragnehmer als Nebenleistung solche Fraktionen wieder aufzugeben hat, die aufgrund von Betriebsstörungen oder suboptimalem Betrieb die geforderte Qualität nicht erreicht hätten, hat der Auftraggeber unter Ziffer 6 des Bieterrundschreibens Nr. 1 vom 03.11.2004 darauf hingewiesen, dass derzeit noch nicht feststehe, ob diese Mengen direkt verladen, in die Schwergutbox abgeworfen oder wiederholt auf den Vorzerkleinerer gegeben werden sollen. Es könne durchaus erforderlich sein, diese Mengen erneut durch die mechanischen Anlagen durchzufahren. Der Anfall derartiger Mengen, die über 1 - 2 % der Inputmenge hinausgehen, seien aber nur dann zu erwarten, wenn der Vorzerkleinerer schlecht gewartet oder dem Sieb zu große Mengen beaufschlagt wurden, was in der Risikosphäre des Auftragnehmers liege. Sofern den Auftragnehmer jedoch kein Verschulden treffe, beziffert der Auftraggeber die wieder aufzugebenden Mengen mit bis zu 200 t jährlich. Darüber hinausgehende Aufwendungen könne der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber geltend machen. Den Bietern stand damit und diesbezüglich eine eindeutige Kalkulationsgröße zur Verfügung. Eine Abwälzung eines unkalkulierbaren, ungewöhnlichen Wagnisses ist auch hier nicht ersichtlich.
- Hinsichtlich der von der Antragstellerin gerügten Forderung des Auftraggebers gemäß Ziffer 4.1 des Teil III der Leistungsbeschreibung, wonach der Auftragnehmer den ständigen Betrieb der biologischen Anlage (365 Tage rund um die Uhr) sicherzustellen hat, hat der Auftraggeber mit Bieterrundschreiben vom 03.11.2004 unter Ziffer 7 klargestellt, dass diese Formulierung selbstverständlich in Verbindung mit der gegebenen Verfügbarkeit stehe. Diese Formulierung benachteiligt den Auftragnehmer ebenso wenig wie die Forderung unter Ziffer 4.1 Abs. 5 des Teils III der Leistungsbeschreibung, wonach dem Auftragnehmer die Beherrschung von Betriebsstörungen obliegt. Der Auftraggeber hat auch hier mit Bieterrundschreiben vom 03.11.2004 unter Ziffer 8 nachvollziehbar dargelegt, dass diese Regelung nicht bedeutet, dass keine Betriebsstörungen auftreten dürften, sondern dass vom Auftragnehmer im Falle von Betriebsstörungen erwartet wird, die nötigen Maßnahmen zu veranlassen und das ihm Mögliche zu tun, um den Betrieb möglichst kurzfristig wiederherzustellen. Auch die Behebung von Betriebsstörungen oder ihre möglichst zügige Veranlassung gehört ohne weiteres zu den Haupt- und Nebenleistungspflichten des mit der Betriebsführung einer Abfallbehandlungsanlage beauftragten Fachunternehmens und stellt unter keinem Gesichtspunkt ein ungewöhnliches Wagnis dar.
- Auch soweit der Auftraggeber in § 6 Abs. 3 des Betriebsführungsvertrages geregelt hat, dass er dem Auftragnehmer eine Prämie zahlt, wenn dieser bestimmte Anforderungen der Beschaffenheitsvereinbarung - Mindestanforderungen an die Stromverteilung und an die Gasausbeute - übererfüllt, wurde den Bietern kein unkalkulierbares, ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet. Der Auftraggeber hat unter Ziffer 13 des Bieterrundschreibens vom 13.11.2004 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er die der Prämie zugrunde liegenden Beträge noch nicht beziffern könne. Deshalb rate er den Bieten ausdrücklich ab, diese Prämie, die als Prämie für eine zusätzliche Leistung für Übererfüllung zu verstehen sei, bei der Kalkulation zu berücksichtigen.
Auch im Übrigen ist weder das Leistungsverzeichnis noch die Durchführung und Dokumentation des Vergabeverfahrens zu beanstanden. Der Nachprüfungsantrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in§ 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, sodass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 3.817,- EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 1.049.365,20 EUR (netto) p. a., d. h. insgesamt 4.197.460,80 EUR über die gesamte 4-jährige Laufzeit des Vertrages. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem rechnerisch geprüften Hauptgebot der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer gewerteten Angebotssumme von 4.197.460,80 EUR ergibt sich eine Gebühr von 3.817,- EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.
Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i.S.d.§ 128 Abs.3 Satz 1 GWB im vollen Umfang unterlegen ist.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten des Auftraggebers, die diesem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m.§ 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Auftraggeber im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte der Auftraggeber für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenenöffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdn. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdn. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zu Gunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahrenübertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Kosten der Beigeladenen:
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zu Gunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden".
Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).
Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten einer in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 3.817,- EUR unter Angabe des Kassenzeichens
xxx
innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen:
xxx
Peter,
Weyer