Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 05.07.2005, Az.: VgK-26/2005
Voraussetzungen für die Annahme einer unzulässigen Mischkalkulation in einem Angebot; Beschränkung des Beurteilungsspielraums und des Entscheidungsspielraums des Auftraggebers durch einen zwingenden Angebotsausschluss i.S.d. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen (VOB/A); Tragung der Beweislast für das Nichtvorliegen einer Mischkalkulation bei der Häufung von 1-Cent-Positionen im Angebot; Anforderungen an einen Angebotsausschluss wegen eines unangemessen niedrigen Preises gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A; Umfang des Ermessenspielraums des öffentlichen Auftraggebers bei der Beurteilung der Eignung eines Bieters; Folgen der mangelhaften Dokumentation des Vergabeverfahrens durch den öffentlichen Auftraggeber; Voraussetzungen für die Annahme einer Abweichung von Festlegungen der Verdingungsunterlagen
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 05.07.2005
- Aktenzeichen
- VgK-26/2005
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 23734
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 VOB/A
- § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A
- § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A
- § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A
- § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A
- § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A
- § 30 Nr. 1 VOB/A
- § 97 Abs. 7 GWB
- § 98 Nr. 5 GWB
- § 100 Abs. 1 GWB
- § 107 Abs. 2 GWB
- § 107 Abs. 3 S. 1 GWB
- § 114 Abs. 1 GWB
- § 127 GWB
- § 128 GWB
- § 2 VgV
- § 13 VgV
Verfahrensgegenstand
VOB-Vergabeverfahren Neubau und Sanierung der OP-Abteilung, Estrich- und Bodenbelagsarbeiten, Vergabe-Nr. 27, Los 27
Mit dem vorliegenden Nachprüfungsantrag wendet sich die Antragstellerin dagegen, dass bei einer Ausschreibung von Estrich- und Bodenbelagsarbeiten im Rahmen des Neubaus und der Sanierung der OP-Abteilung eines Krankenhauses im offenen Verfahren der Beigeladenen, und nicht ihr selbst, der Zuschlag zu erteilen beabsichtigt wurde. Zwar war das Angebot der Antragstellerin nach einer Korrektur durch die Vergabestelle nach dem der Beigeladenen zunächst das preislich niedrigste. Im Vergabevorschlag wurde hierzu jedoch bemerkt, dass die eingehende Prüfung der Kalkulation und Nachfragen beim Hersteller des angebotenen Bodenbelags ergeben hätten, dass die angebotenen Preise nicht auskömmlich seien. Auch hätten die Referenzauskünfte ergeben, dass die Antragstellerin den ausgeschriebenen Belag noch gar nicht verlegt habe und die Verlegetechniken für Sockel und Sockelecken nicht kenne. In allen Fällen sei von einer Beauftragung dringend abgeraten worden.
Nachdem die Antragstellerin darüber informierte wurde, dass ihr Angebot wegen seines unangemessen niedrigen Preises bei den Sockelpositionen und der Ausführung der Innen- und Außenecken gemäß § 25 Nr. 3 VOB/A nicht in die engere Wahl gekommen sei, rügte diese das Vergabeverfahren und beantragte die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens. Dabei wehrt sie sich im Wesentlichen gegen die Bewertung der Unauskömmlichkeit ihres Angebotes sowie gegen die Geltendmachung der Auftraggeberin, das Angebot der Antragstellerin enthalte eine Mischkalkulation, weshalb es gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit b VOB/A von der Wertung auszuschließen sei.
Mit dem vorliegenden Beschluss wird dem Nachprüfungsbegehren im Ergebnis im vollen Umfang stattgegeben.
Im ersten Punkt ihrer Würdigung führt die Kammer zunächst aus, dass die Auftraggeberin weder berechtigt noch gehalten gewesen sei, das Angebot der Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt einer vermeintlichen "Mischkalkulation" gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A von der Wertung auszuschließen. Denn eine solche Mischkalkulation liege nicht vor. Insoweit lasse die Tatsache, dass einzelne Positionen sehr niedrig angeboten werden, nicht automatisch auf eine vergaberechtswidrige Mischkalkulation schließen. Die Kammer erläutert in diesem Zusammenhang die Entscheidungen des BGH, auf die sich die Auftraggeberin beruft. Dabei macht sie deutlich, dass diesen Entscheidungen jedoch im Gegensatz zum hier vorliegenden Fall Angebote zu Grunde gelegen hätten, bei denen der Bieter bei zahlreichen Positionen des Leistungsverzeichnisses Einheitspreise von 0,01 EUR angeboten hatte. Da bei derartigen "1-Cent-Positionen" regelmäßig der tatsächlich geforderte Preis für die Leistungsposition nicht im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB benannt, sondern in anderen Positionen oder in der Gesamtheit des Angebotes "versteckt" wird, habe dies regelmäßig den zwingenden Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A zur Folge. Im vorliegenden Fall enthalte das Angebot der Antragstellerin aber keine "1-Cent-Positionen" oder in sonstiger Hinsicht offensichtlich irrealistische Einzelpreise. Die Kammer verweist außerdem hinsichtlich einiger am unteren Limit kalkulierter Preise der Antragstellerin auf deren Begründung mit einem Einsparpotenzial wegen der jetzt auf Grund der Materialqualitäten möglichen neuen Verlegetechnik, die mit der Verlegeanleitung des Bodenbelagsherstellers konform sei.
Als nächstes macht die Kammer deutlich, dass auch ein Ausschluss des Angebots der Antragstellerin wegen eines unangemessen niedrigen Preises gem. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A nicht in Betracht komme. Denn gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A müsse der Auftraggeber nur Angebote, die im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen, vor Vergabe des Auftragsüberprüfen. Nach der Konkretisierung durch das Landesvergabegesetz habe diese Prüfung zu erfolgen, wenn das streitige Angebot um mindestens 10 v. H. vom nächsthöheren Angebot abweicht. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Im Übrigen sei von einem Missverhältnis zwischen Preis und Leistung nur dann auszugehen, wenn der Preis von den Erfahrungswerten wettbewerblicher Preisbildung so grob abweicht, dass dies sofort ins Auge fällt.
Soweit die Auftraggeberin den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin erstmals im Zuge des Nachprüfungsverfahrens hilfsweise mit vermeintlich negativen Referenzen begründet hat, stellt die Kammer unter ausführlicher Erörterung fest, dass die Auftraggeberin weder die Referenzabfragen noch die Ergebnisse in einer den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert habe.
Aus alledem ergibt sich die Entscheidung der Kammer mit aus dem Tenor ersichtlichem
Wortlaut.
Die Vergabekammer hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer BAR Hellermann
auf die mündliche Verhandlung vom 27.06.2005
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und dabei das Angebot der Antragstellerin zu berücksichtigen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Auftraggeberin.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.528EUR festgesetzt.
- 4.
Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Antragstellerin notwendig.
Begründung
I.
Am 18.02.05 wurden als Bauauftrag der Stiftung xxx, xxx, im Rahmen der Baumaßnahme "Neubau und Sanierung der OP-Abteilung des Krankenhauses xxx, xxx" unter der Los-Nr. 27 Estrich- und Bodenbelagsarbeiten im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Die Submission wurde für den 07.04.2005 (12:00 Uhr) angekündigt. Als Angebotsfrist wurde der 07.04.05 (11:00 Uhr) festgelegt. Nebenangebote / Alternativvorschläge wurden zugelassen. Nach Ziff. IV.2 der Bekanntmachung soll der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot auf Grund der in den Unterlagen genannten Kriterien erteilt werden.
Mit der Betreuung der Ausschreibung hat die Auftraggeberin das Büro xxx, xxx beauftragt, bei welchem auch die Vergabeunterlagen angefordert werden sollten.
Im Formblatt zur Aufforderung zur Angebotsabgabe hat die Auftraggeberin die für die Angebotserstellung beigefügten Vergabeunterlagen bezeichnet. Die Bieter wurden u.a. darauf hingewiesen, dass Nachweise gemäß § 8 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A ggf. auf Verlangen der Vergabestelle vorzulegen sind und die Erteilung des Auftrages von den Eignungsnachweisen gem. § 8 Nr. 3 Abs. 1 lit a-f VOB/A sowie von der Vorlage eines Auszuges aus dem Gewerbezentralregister abhängig gemacht werden kann. Für die Wertung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes wurden im Formblatt unter Ziff. 5.3 keine der dort aufgeführten Zuschlagskriterien ausgewählt und gekennzeichnet.
Die Bewerbungsbedingungen enthalten unter Ziff. 3 und 4 u.a. folgende Hinweise:
- Das Angebot muss vollständig sein; unvollständige Angebote können ausgeschlossen werden.
- Das Angebot muss die Preise und die in den Verdingungsunterlagen geforderten Erklärungen und Angaben enthalten.
- Ist im Leistungsverzeichnis bei einer Teilleistung eine Bezeichnung für ein bestimmtes Fabrikat mit dem Zusatz "oder gleichwertiger Art" verwendet worden, und macht der Bieter keine Angaben, gilt das im Leistungsverzeichnis genannte Fabrikat als angeboten.
- Änderungen an den Verdingungsunterlagen sind unzulässig.
Im Formblatt für die Abgabe eines Angebotes hat die Auftraggeberin unter Ziff. 1 geregelt, welche Unterlagen mit dem Angebot vorzulegen sind, u.a. gehört hierzu die Tariftreueerklärung. Unter Ziff. 2 - 8 werden verschiedene Bietererklärungen verlangt.
Die allgemeinen Vorbemerkungen zur Leistungsbeschreibung enthalten Angaben zu den Planungsbeteiligten, zur Baustelle, zum Bauvorhaben und Baubetrieb. In den technischen Vorbemerkungen werden konkrete Hinweise und Bedingungen für die ausgeschriebenen Estrich- und Bodenbelagsarbeiten gegeben. Zu den Bodenbelagsarbeiten nach DIN 18365 wird u.a. Folgendes festgelegt:
Es bleibt dem Auftraggeber vorbehalten, für welches Fabrikat er sich entscheidet. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, eine Begründung für die Ablehnung eines Fabrikates zu geben. Die Verlegeanweisung der betreffenden Lieferwerke ist genau einzuhalten.
Vorstrichs- und Ausgleichsmassen (Spachtelmassen) sind ebenfalls nur nach den Verarbeitungs- bzw. Verlegeanleitungen der betreffenden Hersteller zu verarbeiten.
Außerdem wird klargestellt, welche Nebenleistungen mit den Einheitspreisen abgegolten sein müssen.
Die Leistungsbeschreibung enthält - nicht immer produktneutrale - Beschreibungen der einzelnen Positionen sowie die zugehörigen Mengenangaben.
Für Bodenbeläge wird in den Positionen 1.02.04, 2.02.04 und 03.02.04 als Leitfabrikat das
Fabrikat "Tarkett Monolith" vorgegeben und ggf. ein hiervon abweichendes gleichwertiges Fabrikat beim Bieter abgefragt. Als Zulage zu diesen Bodenbelägen wird in den Positionen 1.02.05, 01.02.07, 2.02.05 und 03.02.05 die Herstellung von Hohlkehlsockeln als Wannenverlegung sowie in den Positionen 1.02.07, 2.02.06 und 03.02.06 als Zulage hierzu die Ausbildung von Innen- und Außenecken der Sockelleisten und des Frieses gemäß Herstellerrichtlinien ausgeschrieben. Die Beschreibung übernimmt inhaltlich Teile der Verlegeanleitung der Herstellerfirma des Leitfabrikats und fordert auch für die sonstige Verarbeitung die Beachtung der Verlegerichtlinien für dieses Leitfabrikat.
Für weitere Bodenbeläge wird in den Pos. 01.02.08, 01.02.09, 02.02.08 und 03.02.08 nach detaillierter Beschreibung der geforderten Eigenschaften das Fabrikat Mipolam Technic EL 5 - nicht als Leitfabrikat, sondern verbindlich - ausgeschrieben. Auch für diese Bodenbeläge sind gemäß den Pos. 01.02.10, 02.02.09 und 03.02.09 Hohlkehlsockel nach der Beschreibung für Pos. 01.02.05 herzustellen, jedoch mit dem Material der Vorposition.
In den Pos. 04.01.05 bis 04.01.26 werden Materialpreise für Stundenlohnarbeiten erfragt. Die Abfrage ist in verschiedenen Positionen nicht produktneutral. So wird in Pos. 04.01.09 eine Preisangabe für 10 kg Schnellestrich "Ardurapid 35" erwartet.
Nach den Eintragungen in der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung sind die Verdingungsunterlagen von 20 Unternehmen angefordert worden. Der Vergabeakte ist nicht zu entnehmen, dass es innerhalb der Angebotsfrist Bieteranfragen oder Rügen gegeben hat. Fristgerecht gingen 11 Angebote und insgesamt 3 Nebenangebote bei der Auftraggeberin ein. Die Angebotssummen wurden in die Auflistung der Angebote eingetragen.
Vor der rechnerischen Überprüfung lag das Angebot der Beigeladenen mit einer Angebotssumme von 170.507 EUR auf Rang 1, das Angebot der Antragstellerin folgte mit 177.422 EUR erst auf Rang 3. Die rechnerische Prüfung ergab für das Angebot der Beigeladenen keine Änderung, die Angebotssumme der Antragstellerin beträgt hiernach, bedingt durch einen von der Antragstellerin auf Seite 3 des Angebotsschreibens ohne Bedingungen angebotenen Preisnachlass von 5 %, nur noch 168.551 EUR, wodurch das Angebot auf Rang 1 vorrückt.
Sowohl für das Angebot der Beigeladenen als auch für das Angebot der Antragstellerin wurden verschiedene Unterlagen zur Vervollständigung und Aufklärung nachgefordert, hierunter auch Angaben zur Preisermittlung mit entsprechenden Erklärungen der Bieter. Von der Antragstellerin wurde eine Referenzliste nachgefordert sowie Kalkulationsnachweise für die Pos. 01.02.05, 01.02.06 und 01.02.07. Nach dem vom Architekturbüro xxx gefertigten Preisspiegel vom 21.04.05 hatte die Antragstellerin die Einheitspreise für diese Positionen erheblich niedriger kalkuliert als alle anderen Bieter.
Außer dem Preisspiegel enthält die Vergabeakte keine weiteren Unterlagen über die Prüfung der Angebote. Über die Wertung der Angebote hat das Architekturbüro xxx auf einer Vorlage des Staatlichen Baumanagements einen Vergabevorschlag vom 12.05.05 verfasst. Im Verteiler sind die Auftraggeberin und das Staatliche Baumanagement xxx sowie das Architekturbüro aufgeführt. Dem Vergabevorschlag sind der Preisspiegel und die Niederschrift über die Verdingungsverhandlung beigefügt.
Unter Ziff. 1.3 des Vergabevorschlags ist als Ergebnis nach rechnerischer Prüfung die Antragstellerin mit ihrem Angebotspreis von 168.551 EUR eingetragen. Hierzu wird bemerkt, dass das Angebot ordnungsgemäß und richtig ausgefüllt worden sei. Die eingehende Prüfung der Kalkulation und Nachfragen beim Hersteller des angebotenen Bodenbelags hätten jedoch ergeben, dass die angebotenen Preise nicht auskömmlich seien. Auch hätten die Referenzauskünfte ergeben, dass die Antragstellerin den ausgeschriebenen Belag noch gar nicht verlegt habe und die Verlegetechniken für Sockel und Sockelecken nicht kenne. In allen Fällen sei von einer Beauftragung dringend abgeraten worden.
Unter Ziff.2.3 wird ein Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen vorgeschlagen. Das Angebot liege nach der Auswertung an 2. Stelle, die Beigeladene kenne die ausgeschriebenen Materialien und Verlegearten und habe diese schon vielfach in Krankenhäusern ausgeführt - ausweislich der eingeholten Referenzen mit positivem Ergebnis.
Ein Nachweis darüber, dass die Auftraggeberin selbst eine Entscheidung über den Zuschlag getroffen hat, liegt der Vergabeakte nicht bei.
Mit Schreiben vom 23.05.05 teilte das Architekturbüro xxx für die Vergabestelle den Bietern mit, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden soll. Die Antragstellerin informierte sie darüber, dass ihr Angebot wegen seines unangemessen niedrigen Preises bei den Sockelpositionen und der Ausführung der Innen- und Außenecken gemäß §25 Nr. 3 VOB/A nicht in die engere Wahl gekommen sei.
Mit Anwaltschriftsatz vom 31.05.05 rügte die Antragstellerin die Vergabeabsicht der Auftraggeberin und forderte sie auf, ihre Entscheidung bis zum 01.06.05 zu revidieren.
Die Auftraggeberin wies dieses Begehren mit Schreiben vom gleichen Tage ab unter Hinweis auf einen Beschluss des BGH vom 18.05.05, Az.: X ZB 7/04, wonach Angebote, bei denen die Bieter die tatsächlichen Preise für einzelne Leistungspositionen nicht benennen, sondern in "Mischkalkulation" auf andere Leistungspositionen umlegen, grundsätzlich gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit b VOB/A von der Wertung auszuschließen sind. Eine solche Mischkalkulation meint die Auftraggeberin im Angebot der Antragstellerin zu erkennen. Sie benennt hierfür die in mehreren Positionen ausgeschriebenen Hohlkehlsockel mit Wannenverlegung und die hierfür erforderlichen Außen- und Innenecken. Bei Einsicht in die Kalkulation habe sie festgestellt, das die Antragstellerin diese Positionen mit - im Vergleich zu den von ihr seit Jahren für diese Arbeiten vergüteten Preisen bei deckender Kalkulation - sehr niedrigen nicht auskömmlichen Einheitspreisen einkalkuliert habe. Auch sei der Zeitansatz für diese aufwändigen Arbeiten viel zu knapp bemessen. Die Preisdifferenz für die genannten Arbeiten zum nächsthöheren Bieter betrage ca. 91 %.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 01.06.2005, eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, hat die Antragstellerin die Vergabekammer angerufen.
Zur Begründung ihres Nachprüfungsantrags und nach Akteneinsicht trägt sie vor, ihr Angebot enthalte weder eine Mischkalkulation noch sei es unauskömmlich.
Daraus, dass der von der Antragstellerin angebotene Preis für Oberbeläge um 16 % über dem Angebot des zweitplatzierten liege, könne nicht auf eine Mischkalkulation geschlossen werden. Auch sei ihre Kalkulation nicht mit der vom BGH beurteilten Kalkulation, bei der es sich um Einheitspreise von 0,01 EUR gehandelt habe, vergleichbar.
Die Aufklärung ihres Angebotes habe ergeben, dass die ausgewiesenen Preise die im Angebot für die Leistungen geforderten Preise vollständig wiedergeben. Zweifel an der Auskömmlichkeit einzelner Einheitspreise könnten zudem keinen Ausschluss des Angebotes aus der Wertung begründen. Die Behauptung, dass die Preise mit deckender Kalkulation von der Auftraggeberin seit Jahren so vergütet werden, werde im Übrigen bestritten. Die Verlegetechnologie habe sich im Laufe der Zeit geändert, die ausgeschriebenen PVC-Beläge könnten heute sehr viel kostengünstiger durch die Akkordkolonne der Antragstellerin verlegt werden. Der Akkordlohn der Antragstellerin sehe eine höhere Vergütung für die Herstellung von Ecken und Sockeln im Rahmen der Lohnleistung nicht vor. Die von der Auftraggeberin zum Vergleich herangezogenen Preise seien nicht mehr aktuell. Zum Nachweis der Auskömmlichkeit legt sie die Bestätigung eines Sachverständigen, eine Erklärung eines anderen in xxx ansässigen Verlegebetriebes und die Schlussrechnung eines Mitbewerbers für ein anderes Projekt vor. Der Sachverständige erklärt, die angebotenen Preise seien unternehmerisch knapp kalkuliert, aber technisch zu diesen Preisen durchaus ausführbar. Sie entsprächen in etwa dem derzeitigen Preisniveau in Thüringen und Sachsen. In der Schlussrechnung für eine Baumaßnahme in xxx / xxx ist für die Herstellung von Sockeln der Einheitspreis von 2,82 EUR netto unter Berücksichtigung und Erstellung von Außen- und Innenkanten abgerechnet worden.
Einen Ausschluss nach § 25 Nr. 1 lit b i.V. mit § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A weist sie zurück. Die Auftraggeberin habe in der Wertung des Angebotes festgestellt, dass das Angebot ordnungsgemäß und richtig ausgefüllt worden sei. Die von der Antragstellerin vorgenommene Eintragung zu Pos. 04.01.09 sei erfolgt, weil es das ausgeschriebene Produkt "Schnellestrich Ardurapid 35" nicht gebe. Sie habe diesen Mangel der Verdingungsunterlagen nicht gerügt, sondern die Vorgabe dahingehend ausgelegt, dass die Auftraggeberin ein Produkt mit "Ardurapid-Effekt" wünsche. Sie habe daher ein gleichwertiges Produkt angegeben. Dieser Fehler der Auftraggeberin dürfe nicht zum Ausschluss ihres Angebotes führen.
Aus der Abfrage der Referenzen könne auch nicht darauf geschlossen werden, dass die Antragstellerin den ausgeschriebenen Belag noch nicht verlegt habe, da die Befragten keinen vollständigen Überblick über die Leistungen der Antragstellerin hätten. Negative Referenzen, die im Übrigen von der Auftraggeberin nicht hinreichend belegt worden seien, führt sie ggf. auf Rechtsstreitigkeiten mit diesen Auftraggebern zurück.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
die Auftraggeberin zu verpflichten, den Zuschlag nur unter Berücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin zu erteilen;
- 2.
die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären;
- 3.
der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Auftraggeberin hat bisher keine Anträge gestellt.
Sie tritt den Behauptungen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen.
Die in der Kalkulation der Antragstellerin angesetzten Zeitansätze seien völlig unrealistisch, die geforderte Ausführung gemäß Ausschreibung und Verlegeanleitung des Herstellers könnte für die angebotenen Preise nicht erbracht werden. Für die von ihr vermutete Mischkalkulation verweist sie auf die von der Antragstellerin angebotenen Preise für Oberbelag.
Der Ausschluss des Angebotes sei auch mit der von der Antragstellerin vorgenommene Änderung des Leistungsverzeichnisses in Pos. 04.01.09 sowie den von ihr eingeholten negativen Referenzen zu rechtfertigen.
Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung am 27.06.2005 erklärt, dass sie keinen eigenen Antrag stellt.
Sie unterstützt den Vortrag der Auftraggeberin.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 27.06.2005 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der
§§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin war weder gehalten noch berechtigt, das Angebot der Antragstellerin von der Angebotswertung auszuschließen. Die Voraussetzungen für eine nach der Rechtsprechung des BGH zum zwingenden Ausschluss gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A führende Mischkalkulation liegen nicht vor. Auch die Voraussetzungen für einen Ausschluss wegen eines unangemessen niedrigen Preises gem. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A liegen nicht vor. Soweit sich die Auftraggeberin erstmalig im Zuge des Nachprüfungsverfahrens darüber hinaus auf negative Referenzen beruft, hat sie Referenzabfrage und Ergebnis nicht hinreichend im Sinne des § 30 VOB/A in der Vergabeakte dokumentiert.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine kirchliche Stiftung im Sinne der § 1, 20 des Niedersächsischen Stiftungsgesetzes (StiftG) vom 24. Juli 1968 (Nds. GVBl. S. 119 - VORIS 40210 01 00 00 000 -), geändert durch Artikel I des Gesetzes vom 20. Dezember 1985 (Nds. GVBl. S. 609), und damit um eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts, die im Register des Amtsgerichtes xxxVgK-26/2005 eingetragen ist. Es handelt sich damit um eine juristische Person des privaten Rechts. Diese erhält für die Baumaßnahme Neubau und Sanierung der OP-Abteilung vom Land Niedersachsen und damit einer Gebietskörperschaft im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB Mittel, mit denen das Vorhaben zu weit mehr als 50 v. H. finanziert wird. Die Stiftung xxxVgK-26/2005 (xxx VgK-26/2005 Stift) xxx VgK-26/2005 ist somit öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 5 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Bauleistungen im Sinne des § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 5 Mio. EUR. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. EUR oder bei Losen unterhalb von 1 Mio. EUR deren addierter Wert ab 20 v. H. des Gesamtwertes aller Lose. Nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung erreicht der Wert des ausgeschriebenen Fachloses Nr. 27 Estrich- und Bodenbelagsarbeiten nicht den Wert von 1 Mio. EUR. Gleichwohl ist hier der Anwendungsbereich des 4. Teils des GWB eröffnet. Die Auftraggeberin hat das streitbefangene Los nämlich EU-weit ausgeschrieben und als Nachprüfstelle die Vergabekammer Lüneburg angegeben. Durch diese im Rahmen der EU-weiten Ausschreibung erfolgte Benennung der Vergabekammer als Nachprüfstelle hat die Auftraggeberin den rechtlichen Rahmen (§§ 102 ff. GWB) für die Nachprüfung festgelegt. Die Wirkung dieser Festlegung besteht in einer Selbstbindung der Verwaltung, dass sie das verfahrensgegenständliche Los nicht dem 20%-Kontingent nach § 2 Nr. 7 VgV zuordnet, für welches das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet wäre (vgl. BayObLG, Beschluss v. 20.08.2001, Az.: Verg 9/01; BGH NJW 1998, S. 3636 ff., 3638) [BGH 08.09.1998 - X ZR 48/97]. Das Vergabeverfahren ist damit einer Nachprüfung durch die Vergabekammer zugänglich.
Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, dass die Auftraggeberin das Angebot der Beigeladenen nur deshalb als das wirtschaftlichste Angebot ermittelt habe, weil sie vergaberechtswidrig das Angebot der Antragstellerin von der Wertung ausgeschlossen habe. Der Angebotsausschluss sei weder unter dem Gesichtspunkt einer Mischkalkulation noch unter dem Gesichtspunkt eines nicht angemessenen Preises gerechtfertigt. Das Angebot sei zwar knapp kalkuliert, aber auskömmlich. Auch eine Abweichung von den Festlegungen der Verdingungsunterlagen liege nicht vor. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, VergabeR, § 107, Rdnr. 52). Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte, was sich vorliegend schon daraus ergibt, dass sie ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen Preisübersicht unter Berücksichtigung des angebotenen Nachlasses von 2,56 % mit einer Angebotssumme von 168.551,24 EUR das preislich niedrigste Angebot abgegeben hat. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24). Das tatsächliche Vorliegen der Rechtsverletzung ist vielmehr eine Frage der Begründetheit (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 24.11.1999, Az.: 13 Verg 7/99).
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst und über den Auftraggeber unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden etwa beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses vermeintliche Ungenauigkeiten festgestellt, kann bereits positive Kenntnis vorliegen (vgl. 2. VK Bund, Beschluss v. 20.04.2000, Az.: VK 2-6/00). Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 bis 3 Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 18.09.2003, Az.: 1 Verg 4/00; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff.), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert. Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes erfolgte die Rüge der Antragstellerin noch unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Die Antragstellerin hatte durch das Informationsschreiben des von der Auftraggeberin beauftragten Architekturbüros xxx VgK-26/2005vom 23.05.2005 gem. § 13 VgV erfahren, dass das Angebot der Beigeladenen den Zuschlag erhalten soll und dass ihr eigenes Angebot wegen eines vermeintlich unangemessen niedrigen Preises bei den Sockelpositionen und der Ausführung der Innen- und Außenecken gem. § 25 Nr. 3 VOB/A nicht in die engere Wahl gekommen sei. Auf dieses Informationsschreiben, das am 27.05.2005 bei der Antragstellerin eingegangen ist, reagierte diese bereits mit Anwaltsschreiben vom 31.05.2005 und rügte die Entscheidung der Auftraggeberin. Insbesondere auf Grund der Tatsache, dass zwischen dem Eingang des Informationsschreibens und der Absetzung des Rügeschreibens ein Wochenende lag und dass die Antragstellerin in nicht zu beanstandender Weise mit der Absetzung der Rüge einen Rechtsanwalt beauftragt hat, erfolgte die Rüge innerhalb von 4 Tagen unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Auftraggeberin war weder berechtigt noch gehalten, das Angebot der Antragstellerin von der Wertung auszuschließen. Das Angebot der Antragstellerin weist keine Anhaltspunkte dafür auf, dass ihm eine Mischkalkulation zu Grunde liegt, die nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig zum zwingenden Ausschluss gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A führt (im Folgenden a). Angesichts des geringen preislichen Abstandes zum nächsthöheren Angebot der Beigeladenen kommt auch ein Angebotsausschluss wegen eines unangemessen niedrigen Preises gem. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A nicht in Betracht (im Folgenden b). Soweit die Auftraggeberin den Angebotsausschluss im Zuge des Nachprüfungsverfahrens hilfsweise auf negative Referenzen der Antragstellerin stützt, sind weder die Referenzabfragen noch die Antworten der von der Antragstellerin als Referenz benannten Auftraggeber in der Vergabeakte in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vergabevermerk dokumentiert (im Folgenden c). Auch die ebenfalls erstmals im Zuge des Nachprüfungsverfahrens von der Auftraggeberin geltend gemachte vermeintliche Abweichung des Angebotes der Antragstellerin von Festlegungen der Verdingungsunterlagen gem. § 25 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A liegt nicht vor. Das im Leistungsverzeichnis zu Pos. 04.01.09 geforderte Produkt "Schnellestrich Ardurapid 35" wurde vielmehr vom Hersteller xxx nach dessen eigener Auskunft gegenüber der Antragstellerin in "Ardex 35" umbenannt. Die Eintragung eines dem im Leistungsverzeichnis genannten Leitfabrikat gleichwertigen Produkts kann daher nicht zum Angebotsausschluss führen (im Folgenden d).
a)
Die Auftraggeberin war entgegen ihrer Auffassung weder berechtigt noch gehalten, das Angebot der Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt einer vermeintlichen "Mischkalkulation" gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A von der Wertung auszuschließen. Das Angebot der Antragstellerin ist vielmehr in jeder Hinsicht vollständig und weist für sämtliche im Leistungsverzeichnis abgefragten Positionen die Einheitspreise und Gesamtpreise aus. Die Auftraggeberin hat darauf hingewiesen, dass sie bei der fachtechnischen Prüfung des Angebotes der Antragstellerin zum Teil extrem niedrige Preise für Sockel und Innen- und Außenecken der Sockel festgestellt habe. Nach Prüfung der auf Anforderung von der Antragstellerin zur Verfügung gestellten Kalkulation sei sie zu dem Schluss gekommen, dass die angesetzten Zeitansätze völlig unrealistisch seien und die geforderte Ausführung gemäß Ausschreibung und Verlegeanleitung des Herstellers für die angebotenen Preise nicht erbracht werden könne. Die Auftraggeberin geht daher davon aus, dass die Antragstellerin eine Mischkalkulation vorgenommen hat, die nach der Rechtsprechung des BGH zum Ausschluss des Angebotes führen müsse. Die Tatsache indessen, dass einzelne Positionen sehr niedrig angeboten werden, lässt nicht automatisch auf eine vergaberechtswidrige Mischkalkulation schließen. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A müssen u.a. Angebote ausgeschlossen werden, die die geforderten Erklärungen im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A nicht enthalten. Der Bundesgerichtshof hat in drei Entscheidungen den zwingenden Charakter dieser Regelung betont und die damit verbundene Beschränkung des Beurteilungs- und Entscheidungsspielraums des Auftraggebers herausgestellt. Mit Urteil vom 07.01.2003 (Az.: X ZR 50/01 = VergabeR 5/2003, S. 558 ff. [BGH 07.01.2003 - X ZR 50/01]) hat er betont, dass ein Angebot, das nicht alle geforderten Preisangaben enthalte und deshalb nicht § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A entspricht, zwingend auszuschließen ist. Ein Ausschluss komme nicht etwa nur dann in Betracht, wenn das betreffende Angebot im Ergebnis nicht mit den anderen Angeboten verglichen werden kann. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren, wie es die VOB/A gewährleisten solle, sei nur zu erreichen, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote abgegeben werden. Mit Beschluss vom 18.02.2003 (Az.: X ZB 43/02 = VergabeR 3/2003, S. 313 ff., 317, 318) hat der BGH noch einmal auf die vorgenannte Entscheidung Bezug genommen und das vorlegende Oberlandesgericht angewiesen zu prüfen, ob die fehlende Angabe von Fabrikaten und Herstellern in mehr als 120 Positionen im dortigen konkreten Fall dazu führt, dass das Angebot der Antragstellerin nicht dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A entspricht und deshalb gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A auszuschließen ist. Das BGH betont, dass der öffentliche Auftraggeber im Rahmen des § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A bei Vorliegen der dort aufgestellten Voraussetzungen kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe hat, sondern gezwungen ist, das betreffende Angebot aus der Wertung zu nehmen. In Konsequenz dieser Entscheidungen hat der BGH mit Beschluss vom 18.05.2004 (Az.: X ZB 7/04) entschieden, dass ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, nicht die von ihm geforderten Preise im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A benennt. Deshalb seien Angebote, bei denen die Bieter die Einheitspreise einzelner Leistungspositionen in "Mischkalkulationen" auf andere Leistungspositionen umlegen, letztlich von der Wertung auszuschließen.
Den Entscheidungen des BGH lagen jedoch im Gegensatz zum hier vorliegenden Fall Angebote zu Grunde, bei denen der Bieter bei zahlreichen Positionen des Leistungsverzeichnisses Einheitspreise von 0,01 EUR angeboten hatte. Da bei derartigen "1-Cent-Positionen" regelmäßig der tatsächlich geforderte Preis für die Leistungsposition nicht im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB benannt, sondern in anderen Positionen oder in der Gesamtheit des Angebotes "versteckt" wird, hat dies regelmäßig den zwingenden Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A zur Folge. Insbesondere bei einer Häufung von 1-Cent-Positionen wird eine vergaberechtswidrige Mischkalkulation regelmäßig vermutet. Der Bieter trägt in diesen Fällen die Beweislast für das Nichtvorliegen einer Mischkalkulation (vgl. VK Thüringen, Beschluss v. 28.04.2005, Az.: 360-4002.20-005/05-MGN = IBR 7/2005, S. 393). Lediglich in den Fällen, in denen die Aufklärung nach § 24 VOB/A ergibt, dass dem Bieter für die entsprechenden Einzelpositionen - etwa auf Grund der Verwertung von Nebenprodukten oder der Leistungserbringung durch einen Dritten - tatsächlich keine Kosten entstehen, erfolgt dann kein zwingender Ausschluss (vgl. 2. VK des Bundes, Beschluss v. 11.01.2005, Az.: VK 2. - 220/04). Im vorliegenden Fall enthält das Angebot der Antragstellerin aber keine "1-Cent-Positionen" oder in sonstiger Hinsicht offensichtlich irrealistische Einzelpreise. Die Tatsache allein, dass Einzelpositionen mit sehr niedrigen Preisen angeboten werden, reicht nicht aus, um einen Angebotsausschluss unter Hinweis auf eine unzulässige Mischkalkulation zu rechtfertigen (vgl. 3. VK des Bundes, Beschluss v. 22.03.2005, Az.: VK 3-13/05). Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass sie einige Positionen am unteren Limit kalkuliert habe. Sie hat jedoch den Vorwurf der Mischkalkulation substantiiert zurückgewiesen und erläutert, dass sie in sämtlichen Positionen durchaus derzeit übliche Preise angesetzt habe. Das von ihr genutzte Einsparpotenzial hat sie mit der jetzt auf Grund der Materialqualitäten möglichen neuen Verlegetechnik begründet. Im Gegensatz zur ursprünglichen Verlegetechnik unter Verwendung des Prinzips einer "Hohlkehle" (Bodenbelag wird an den Kanten nicht scharfkantig, rechtwinklig, sondern mittels eines Winkelprofils in den Kanten quasi abgerundet hochgezogen) könne das Material nunmehr ohne Hohlkehle verlegt werden. Die Antragstellerin hat betont, dass dabei sämtliche Vorgaben des Leistungsverzeichnisses eingehalten werden. Insbesondere beinhalte auch ihre Kalkulation eine Abschlusskante für die Sockelleiste, in die das verwendete Profil eingefügt werde. Die von der Antragstellerin vorgesehene Verlegetechnik ist konform mit der Verlegeanleitung des Bodenbelagsherstellers xxx für eine wannenförmige Verlegung des PVC-Bodens, die ausdrücklich von einer Verlegung ohne Hohlkehle ausgeht. Die Auftraggeberin selbst hat den Bietern mit der Leistungsbeschreibung die Einhaltung der Verlegerichtlinien des Herstellers vorgeschrieben. So heißt es unter Pos. 01.02.04 betreffend die Verlegung von 660 qm Bodenbelag:
"Bodenbelag aus PVC, mit PUR vergüteter Oberfläche auf gespachteltem Untergrund als Wannenverlegung aus Bahnenware verkleben... Die Vergaberichtlinien des Herstellers sind zu beachten und einzuhalten.
Fabrikat: Tarkettmonolith o. glw."
Das Angebot der Antragstellerin ist daher vollständig und geht von der geforderten Verlegetechnik aus. Anhaltspunkte für eine Mischkalkulation sind nicht ersichtlich. Insbesondere sind auch keine überhöhten Kostenpositionen ersichtlich, in denen sich Bestandteile anderer Kostenpositionen im Sinne der Rechtsprechung des BGH "verstecken" könnten.
b)
Die Tatsache, dass die Antragstellerin einige Positionen sehr niedrig kalkuliert hat, führt auch nicht dazu, dass die Auftraggeberin das Angebot der Antragstellerin wegen eines unangemessen niedrigen Preises gem. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A auszuschließen hat. Gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A darf auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis der Zuschlag nicht erteilt werden. Gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A muss der Auftraggeber Angebotspreise, die unangemessen niedrig erscheinen und anhand von vorliegenden Unterlagen über die Preisermittlung hinsichtlich ihrer Angemessenheit nicht beurteilt werden können, überprüfen. § 5 Abs. 1 des Niedersächsischen Landesvergabegesetzes vom 2. September 2002 (Nds. GVBl. S. 370 - VORIS 72080) konkretisiert diese Regelung dahingehend, dass der Auftraggeber die Kalkulation eines Angebotes immer dann zu überprüfen hat, wenn es um mindestens 10 v. H. vom nächsthöheren Angebot abweicht. Dies ist vorliegend ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen Preisgegenüberstellung vom 21.04.2005 gerade nicht der Fall. Zwischen dem erstplatzierten Angebot der Antragstellerin, das unter Berücksichtigung eines Nachlasses von 2,56 % mit einem Gesamtpreis von 168.551,24 EUR abschließt, und dem preislich zweitplatzierten Angebot der Beigeladenen mit einem Gesamtpreis von 170.507 EUR brutto liegt lediglich eine Differenz von 3,7 %. Die Auftraggeberin hatte daher keine Veranlassung, die Angemessenheit des von der Antragstellerin angebotenen Preises zu bezweifeln und einer Überprüfung gem. § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A zu unterziehen.
Dass sie dies gleichwohl getan hat, indem sie die ihr von der Antragstellerin auf Anforderung offen gelegte Kalkulation überprüft hat, bleibt ihr unbenommen. Die Tatsache, dass sie dabei zum Teil sehr niedrige Einheitspreise festgestellt hat, führt jedoch nicht zu einer Unangemessenheit des angebotenen Gesamtpreises. Dieser allein ist aber für die Angemessenheitsprüfung nach § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A entscheidend. Von einem Missverhältnis zwischen Preis und Leistung ist nur dann auszugehen, wenn der Preis von den Erfahrungswerten wettbewerblicher Preisbildung so grob abweicht, dass dies sofort ins Auge fällt. Selbst ein beträchtlicher Preisabstand zwischen dem niedrigsten und den nachfolgenden Angeboten allein ist für sich genommen noch kein hinreichendes Merkmal dafür, dass der niedrige Preis auch im Verhältnis zur zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig ist. Hinzukommen müssen vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass der Niedrigpreis wettbewerblich nicht zu begründen ist (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, VOB/A, § 25, Rdnr. 45 ff.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bieter mangels verbindlicher Kalkulationsregeln grundsätzlich in seiner Preisgestaltung frei bleibt. Deshalb ist für die Prüfung der Angemessenheit des Angebotes nicht auf einzelne Positionen des Leistungsverzeichnisses, sondern auf den Gesamtpreis, die Endsumme des Angebotes abzustellen. Auch ist ein öffentlicher Auftraggeber nicht verpflichtet, nur "auskömmliche" Angebote anzunehmen (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 08.11.2001, Az.: 13 Verg 12/01, m.w.N.). Bei einem grundsätzlich leistungsfähigen Bieter kann es verschiedenste Gründe geben, im Einzelfall auch ein nicht auskömmliches oder jedenfalls sehr knapp kalkuliertes Angebot abzugeben. Derartige Angebote sind im Sinne eines Wettbewerbs erwünscht, solange an der ordnungsgemäßen Durchführung der Arbeiten keine Zweifel bestehen. Zu derartigen Zweifeln aber bietet das Angebot der Antragstellerin im vorliegenden Fall, wie oben unter a) dargelegt, keinen Anlass.
c)
Soweit die Auftraggeberin den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin erstmals im Zuge des Nachprüfungsverfahrens hilfsweise mit vermeintlich negativen Referenzen begründet hat, ist festzustellen, dass die Auftraggeberin weder die Referenzabfragen noch die Ergebnisse in einer den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert hat. Gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A hat der Auftraggeber im Rahmen der Wertung die Eignung der Bieter zu prüfen. Zum Nachweis ihrer Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit können gem. § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A verschiedene Angaben und Nachweise gefordert werden, darunter auch Angaben zur Ausführung von Leistungen in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind (§ 8 Nr. 3 Abs. 1 lit. b VOB/A). Grundsätzlich steht dem Auftraggeber bei der Bewertung der Eignung der Bieter ein weiter Ermessensspielraum zu. Dieser engt sich jedoch dann ein, wenn der Auftraggeber selbst dieses weite Ermessen durch Angabe von Mindestvoraussetzungen einschränkt. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass ein Auftraggeber, wie im vorliegenden Fall, bei der Eignung und Zuverlässigkeit der Bieter maßgeblich auch auf die Einholung und Auswertung von Referenzen abstellt. Die Einholung von Referenzen, wie die Auftraggeberin sie zunächst durch den pauschalen Hinweis auf die Nachweise gem. § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A unter Ziffer 4 des Formblattes zur Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 14.03.2005 angekündigt und dann bei den in die engere Wahl genommenen Bietern auch vorgenommen hat, stellt eine geeignete, vergaberechtskonforme Maßnahme dar, die es dem Auftraggeber erleichtert, die Eignungsprüfung im Rahmen der Angebotswertung durchzuführen (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 14.03.2000, Az.: 13 Verg 2/00). Auch steht dem Auftraggeber bei der Beurteilung der Eignung der Bieter ein Ermessen zu, dass im Nachprüfungsverfahren nur daraufhin überprüft werden kann, ob Ermessensfehler vorliegen, insbesondere ob die Vergabestelle ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, ob der Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt worden ist oder ob die Entscheidung durch sachfremde Erwägungen bestimmt worden ist (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 24.02.2004, Az.: 13 Verg 3/04).
Eine derartige Überprüfbarkeit ist jedoch nur dann gewährleistet, wenn der Auftraggeber die Eignungsprüfung sowie auch alle anderen Phasen der Angebotswertung in einer den Anforderungen des § 30 VOB/A und damit des vergaberechtlichen Transparenzgrundsatzes gem. § 97 Abs. 1 GWB genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
Gemäß § 30 Nr. 1 VOB/A ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellungen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. Sinn dieser Bestimmung ist es, die Überprüfbarkeit der im Rahmen des Vergabeverfahrens getroffenen Feststellungen und Entscheidungen herbeizuführen (vgl. Franke/Grünhagen, VOB, A § 30, Rdnr. 1, m.w.N.). Der Anwendungsbereich des § 30 Nr. 1 VOB/A erstreckt sich dabei sowohl auf den formalen Verfahrensablauf als auch materiell auf die Maßnahmen, Feststellungen und die Begründung der einzelnen Entscheidungen. Der Vergabevermerk ist chronologisch zu fassen und muss sich dabei an der in der VOB vorgeschriebenen Reihenfolge orientieren (vgl. Beck'scher VOB-Kommentar, A § 30, Rdnr. 12). Zu den materiellen Entscheidungen zählen insbesondere die Entscheidungen, bei denen die Vergabestelle eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, die Prüfung der Angebote, Angaben über Verhandlungen mit Bietern und deren Ergebnis sowie das Ergebnis der Wertung der Angebote (vgl. VK Sachsen, Beschluss v. 30.04.2001, Az.: 1./SVK/23-01). Es ist eine nach § 30 Nr. 1 VOB/A zwingende Pflicht des Auftraggebers, die Auswahlentscheidung als wesentliche Entscheidung in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren, um für den Bewerber die erforderliche Überprüfbarkeit zu gewährleisten (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 03.08.1999, NZBau 2000, S. 44 ff.). Eine fehlende Dokumentation wesentlicher Schritte bis zur Vergabeentscheidung ist daher rechtsfehlerhaft und führt zu einer Nichtnachvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidung. Daraus folgt, dass im Vergabevermerk die Gründe so dezidiert festzuhalten sind, dass auch einem Außenstehenden bei Kenntnis der Angebotsinhalte deutlich erkennbar und nachvollziehbar wird, warum auf ein bestimmtes Angebot der Zuschlag erteilt werden soll oder warum ein bestimmtes Angebot ausgeschlossen werden soll. Mängel der Erkennbarkeit und der Nachvollziehbarkeit in diesem Bereich gehen daher zu Lasten der Vergabestelle (vgl. VK Lüneburg, Beschluss v. 11.01.2005, Az.: 203-VgK-55/2004).
Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs trägt die Dokumentation in der Vergabeakte nicht die Entscheidung der Auftraggeberin, die Antragstellerin nunmehr wegen vermeintlich mangelnder Eignung auf Grund negativer Referenzen vom Vergabeverfahren auszuschließen. Die Antragstellerin hat auf Anforderung der Auftraggeberin vom 21.04.2005 eine umfangreiche Referenzliste zu bereits getätigten Estrich-, Beschichtungs- und Industriebodenarbeiten vorgelegt. Auf ein weiteres Anforderungsschreiben der Auftraggeberin vom 10.05.2005 hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.05.2005 noch eine ebenfalls umfangreiche Referenzliste über getätigte Bodenbelagsarbeiten vorgelegt. Die Abfrage von Referenzen aus dieser Liste und die darauf erfolgten Antworten der in den Referenzen benannten Auftraggeber selbst sind in der Vergabeakte jedoch in keiner Weise dokumentiert. Weder liegen schriftliche Anfragen oder Antworten vor noch lässt sich anhand von sonstigen Aufzeichnungen wie etwa Telefonnotizen nachvollziehen, welche Referenzen die Auftraggeberin überprüft hat. Erwähnt wird die Referenzüberprüfung lediglich in dem von der Auftraggeberin an das Staatliche Baumanagement xxx mit Schreiben vom 12.05.2005 übersandten Vergabevorschlag. Dort heißt es unter Nr. 1.4:
"Referenzauskünfte ergaben, dass die Firma den ausgeschriebenen Belag noch nicht verlegt hat und die Verlegetechniken für Sockel und Sockelecken nicht kennt. In allen Fällen wurde von einer Beauftragung dringend abgeraten, die Zusammenarbeit wurde teilweise als große Katastrophe bezeichnet."
Die Vergabeakte enthält keine Angaben darüber, von wem diese negativen Auskünfte gegeben wurden. Selbst in der mündlichen Verhandlung sah sich die Auftraggeberin auf Nachfrage der Vergabekammer außer Stande anzugeben, welche Referenzen überprüft wurden. Die Auftraggeberin hat eingeräumt, dass diesbezüglich auch außerhalb der Vergabeakte keine Notizen existieren. Sie konnte sich lediglich erinnern, dass sie etwa drei Referenzen überprüft hat. Angesichts dieser völlig unzureichenden Dokumentation der Eignungsprüfung und insbesondere der Überprüfung der Referenzen kann die Auftraggeberin einen Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin auch nicht auf § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A stützen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass auch die Antragstellerin über die für die ausgeschriebenen Arbeiten erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit verfügt.
d)
Die Auftraggeberin hat auch keine Veranlassung, das Angebot der Antragstellerin nach dem Gesichtspunkt einer Abweichung von Festlegungen der Verdingungsunterlagen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A von der Wertung auszuschließen. Die Auftraggeberin hat die Nichtberücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin erstmals im Zuge des Nachprüfungsverfahrens (in der ursprünglichen Ausschlussbegründung gemäß Informationsschreiben nach § 13 VgV war diese Abweichung vom Leistungsverzeichnis nicht als Grund angeführt) unter anderem auch darauf gestützt, dass die Antragstellerin vom Leistungsverzeichnis abgewichen ist, indem sie unter Pos. 04.01.09 (Seite 40 des Leistungsverzeichnisses) an Stelle der abgefragten "10 kg Schnellestrich Ardurapid 35" ein anderes Produkt, nämlich "Rheorapid Schnellzement" angeboten hat. Richtig ist, dass Angebote, bei denen an den Verdingungsunterlagen gem. § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A Änderungen vorgenommen wurden, nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A zwingend von der Angebotswertung auszuschließen sind. Das Verbot der Änderungen in den Verdingungsunterlagen trägt dem Umstand Rechnung, dass ein fairer Wettbewerb vergleichbare Angebote verlangt. Ausnahmen von der Regel, dass abgegebene Angebote deshalb keine Änderungen gegenüber der Ausschreibung enthalten dürfen, duldet die VOB/A nur bei Abweichungen von den technischen Spezifikationen, wenn zugleich mit dem Angebot nachgewiesen ist, dass es in Bezug auf die Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit gleichwertig ist (vgl. § 21 Nr. 2 VOB/A). Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist das Angebot trotz der technischen Abweichung nicht als Nebenangebot, sondern gem. § 25 Nr. 4 VOB/A als Hauptangebot zu werten. Im Gegensatz zu Änderungsvorschlägen und Nebenangeboten (§ 10 Nr. 5 Abs. 4 VOB/A) steht die Zulassung von Angeboten mit abweichenden technischen Spezifikationen grundsätzlich nicht im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers. Er ist daher zur Bewertung von solchen Angeboten dann verpflichtet, wenn sie die o. g. Voraussetzungen erfüllen (vgl. Franke/Grünhagen, VOB, 2. Auflage, § 25 VOB/A, Rdnr. 133, § 21 VOB/A, Rdnr. 166, m.w.N.). Die Antragstellerin hat die Abweichung hinsichtlich der abgefragten 10 kg Schnellestrich damit begründet, dass sie vom Hersteller xxx Auskunft erhalten habe, dass das abgefragte Produkt Ardurapid 35 unter dieser Bezeichnung nicht mehr erhältlich sei, sodass es sich offenbar um ihr Produkt "ARDEX 35" handeln müsse. Auf der Internetseite des Herstellers xxx wird das Produkt zwar weiterhin unter der Bezeichnung "Ardurapid 35" als Schnellzement mit "Ardurapid-Effekt" zur Herstellung schnell nutzbarer Zementestriche auf Dämmschicht, auf Trennschicht und im Verbund bezeichnet. Offenbar hat der Hersteller das Produkt aber zwischenzeitlich umbenannt. Eine entsprechende Anfrage der Antragstellerin hat die Firma xxx mit Telefax vom 29.06.2005 wie folgt bestätigt:
"Ende 2003 / Anfang 2004 haben wir uns entschieden, auf unsere Produkt-Gattungsnamen wie z.B. auf Ardurapid zu verzichten und alle Produkte "ARDEX" zu benennen. Ab 2005 ist die Umstellung erfolgt. Ardurapid heißt jetzt also ARDEX A 35 Schnellzement."
Angesichts dieser Widersprüchlichkeit der Bezeichnung des Schnellestrichs in der Internetpräsentation einerseits und der ausdrücklichen schriftlichen Erklärung des Herstellers andererseits ist nicht zu beanstanden, dass die Antragstellerin ein gleichwertiges Produkt eines anderen Herstellers angeboten hat. Die Gleichwertigkeit selbst ist von der Auftraggeberin nicht substantiiert bestritten worden. Sie ist daher gehalten, das Hauptangebot der Antragstellerin mit dieser geringen technischen Abweichung hinsichtlich der Pos. 04.01.09 als Hauptangebot gem. § 25 Nr. 4 VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 2 VOB/A zu werten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich hier um eine gemessen am Gesamtauftrag völlig untergeordnete Position mit einem Wert von 121,50 EUR handelt.
Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen der festgestellten vergaberechtswidrigen Nichtberücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin ist es erforderlich, die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und dabei das Angebot der Antragstellerin zu berücksichtigen.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, sodass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.528 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 168.551,24 EUR. Dieser Betrag entspricht dem Angebot der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 168.551,24 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.528 EUR. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB in der Hauptsache unterlegen ist.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragstellerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war auf Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von einem fachkundigen, erfahrenen Bieter wie der Antragstellerin grundsätzlich verlangen darf, dass er über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A verfügt, bedurfte er für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen Bieter ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes. Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306) [BVerwG 10.04.1978 - 6 C 27/77]. Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Angesichts der oben erörterten Tatsache, dass die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
Die Auftraggeberin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von 2.528 EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxx auf folgendes Konto zu überweisen: xxx
Rohn,
Hellermann