Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 07.06.2005, Az.: VgK-21/2005
Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags hinsichtlich eines bereits in einem anderen Verfahren geklärten Sachverhalts; Zulässigkeit des Ausschlusses eines Angebots vom Vergabeverfahren wegen eines Abweichens von den Verdingungsunterlagen; Bestimmung des Zeitpunkts des Entstehens einer Rügepflicht des Anbieters; Beurteilung der Verpflichtung zur unverzüglichen Rüge nach Verstößen getrennt; Anforderungen an die Wertung der einzelnen Kriterien im Vergabeverfahren; Darlegung der Kriterien für die Bestimmung des wirtschaftlichsten Angebots
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 07.06.2005
- Aktenzeichen
- VgK-21/2005
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 22152
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A
- § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A
Verfahrensgegenstand
VOL-Vergabeverfahren über die Lieferung eines Gefangenentransportbusses
Die Vergabekammer hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Bereichsleiter Senger,
auf die mündliche Verhandlung
vom 02.06.2005
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.620 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Mit EU-Vergabebekanntmachung vom 14.12.04 hat die Auftraggeberin den Lieferauftrag "Lieferung von 1 Gefangenentransportbus" als offenes Verfahren europaweit ausgeschrieben. Der Zuschlag soll gemäß Ziff. IV.2) der Bekanntmachung auf das wirtschaftlich günstigste Angebot aufgrund der in den Unterlagen genannten Kriterien erfolgen.
Nach Maßgabe der den Bietern übersandten Vergabeunterlagen soll der Zuschlag auf das Angebot mit dem besten Preis-/Leistungsverhältnis erfolgen. Bezüglich der Zuschlagskriterien und deren Gewichtung wird auf die Leistungsbeschreibung und eine ihr beigefügte Zusammenstellung der vorgesehenen Gewichtungen hingewiesen.
Ziff. I-IV des Leistungsverzeichnisses beschreibt die rechtlichen und technischen Anforderungen an das zu beschaffende Fahrzeug, den gewünschten Ausbau sowie allgemeine Anforderungen. Die Beschreibung ist in tabellarischer Form so aufgebaut, dass der Bieter bei Beantwortung der gestellten Fragen erkennt, ob seine Antwort ggf. zum Ausschluss aus der Wertung führt oder ob sie (lediglich) bewertungsrelevant ist.
Erfüllt ein Angebot die unter I. beschriebenen rechtlichen Anforderungen nicht, führt dies zum Ausschluss des Angebotes.
Zwingend vorgegebene technische Anforderungen nach Ziff. II sind hiernach:
- ein Reisebusfahrgestell
- eine Motorleistung von mehr als 250 kW
- eine Hebe- und Senkvorrichtung
- eine Servolenkung
- ABS und ESP
- asbestfreie Bremsbeläge
- ein beidseitig betankbarer Kraftstofftank mit mindestens 400 l Fassungsvermögen
- eine Warnblinkanlage
- Kennzeichenbeleuchtung
- Rückfahrscheinwerfer
- ein Drehzahlmesser.
Die gestellten Anforderungen an den Ausbau des Gefangenentransportbusses unter III. sind nicht ausschlussrelevant.
Die allgemeinen Anforderungen unter Ziff. IV verlangen - mit Ausschlussrelevanz
- die Abwicklung des Geschäftsverkehrs in deutscher Sprache
- zulassungsfähige Abnahme, Prüfbuch und KFZ-Brief als Teil des Lieferumfangs
- Zulassungsunterlagen in deutscher Sprache
- eine 100 km/h-Ausstattung.
Alle anderen Abfragen des Leistungsverzeichnisses sind laut Leistungsbeschreibung nicht ausschluss-, sondern wertungsrelevant. Dem Leistungsverzeichnis ist zur Information der Bieter eine Übersicht über die prozentuale Gewichtung der im Leistungsverzeichnis als solche gekennzeichneten Bewertungskriterien beigefügt. Für die Entscheidung über den Zuschlag sollen die hiernach bewerteten Leistungen und der Preis im gleichen Verhältnis gewertet werden.
Nach Maßgabe der Vergabeakte wurden von den Bietern keine Fragen zu den Ausschreibungsunterlagen gestellt, noch wurden diese gerügt.
Innerhalb der Angebotsfrist sind 5 Angebote und ein Nebenangebot eingegangen.
Die Auftraggeberin hat deren Auswertung nach Maßgabe der Vorgaben im Leistungsverzeichnis tabellarisch vorgenommen und in einem Bericht dokumentiert.
Das Ergebnis der Auswertung schloss mit der Empfehlung, den Zuschlag auf das Hauptangebot der Beigeladenen zu erteilen, da es das wirtschaftlichste Angebot sei. Das Angebot der Antragstellerin folgt auf Rang 2. Nach Rüge bei der Auftraggeberin stellte die Antragstellerin am 08.03.05 bei der Vergabekammer Lüneburg einen Nachprüfungsantrag.
In diesem Verfahren (Az.: VgK-09/2005) beantragte die Antragstellerin festzustellen, dass das Angebot der Beigeladenen wegen Nichterfüllung der im Leistungsverzeichnis gestellten Mindestanforderungen auszuschließen ist. Außerdem beantragte sie eineÜberprüfung der Abwertung ihres eigenen Angebotes hinsichtlich der Kriterien Kundendienst und Folgekosten.
Mit Beschluss vom 11.04.05 hat die Vergabekammer die Auftraggeberin verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Berücksichtigung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und Wertung und Ergebnis gem. § 30 VOL/A in der Vergabeakte zu dokumentieren. Im Übrigen wurde der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.
Durch den Beschluss, gegen den keine Beschwerde eingelegt worden ist, war die Auftraggeberin verpflichtet, bei der Angebotswertung folgende Vorgaben zu beachten:
- Bei der Bewertung des Unterkriteriums "Gewährleistung/Garantie", welches nach den bekannt gemachten Wertungskriterien mit einem Anteil von 6 % an den gesamten Eigenschafts-Zuschlagskriterien zu berücksichtigen ist, ist der Vorteil des Angebots der Antragstellerin gegenüber den anderen Angeboten bei der Punktevergabe zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes angemessen zu berücksichtigen.
- Die Eigenschafts-Zuschlagskriterien sind entsprechend der Festlegung und Bekanntgabe im Verhältnis von 50 : 50 mit dem Kriterium "niedrigster Preis" in die Wertung einzustellen.
Über den erneuten Eintritt in die Wertung enthält die Vergabeakte eine überarbeitete tabellarische Auswertung. In der tabellarischen Auswertung hat die Auftraggeberin dem Angebot der Antragstellerin bezüglich des Kriteriums Gewährleistung / Garantie unverändert 60 Punkte - und damit die maximal mögliche Punktzahl - zuerkannt. Das Angebot der Beigeladenen erhielt nunmehr lediglich 30 Punkte. Die Gesamtpunktzahl des Angebots der Antragstellerin blieb unverändert auf 888, während die Gesamtpunktzahl des Angebotes der Beigeladenen von vorher 930 auf 900 abfiel.
Zur Wertung des Angebotspreises hat die Auftraggeberin die gleiche Maximalpunktzahl von 1000 festgelegt, wie dies für die qualitative Wertung geschah. Diese Maximalpunktzahl wurde dem preislich günstigsten der in der Wertung verbliebenen 3 Angebote, dem Angebot der Beigeladenen, zugeordnet. Das preislich höchste Angebot erhielt 0 Punkte. Die auf die Angebotssumme der Antragstellerin zu vergebenden Punkte wurden durch lineare Interpolation nach Maßgabe ihrer Differenz zum preislich günstigsten Angebot ermittelt. Auf diese Weise entfielen auf die Angebotssumme der Antragstellerin 515,41 Punkte.
Das Angebot der Beigeladenen erhält hiernach insgesamt 1900 Punkte und liegt unverändert vor dem Angebot der Antragstellerin mit 1403 Punkten.
Ein der Vergabeakte beigefügter Bericht an das Nds. Justizministerium vom 26.04.05 fasst das Vergabeverfahren, das Nachprüfungsverfahren, die erneute Angebotswertung nach Maßgabe des Beschlusses der Vergabekammer und deren Ergebnis zusammen. Es wird festgestellt, dass auch nach erneuter Wertung das Angebot der Beigeladenen das wirtschaftlichste Angebot sei. Mit Informationsschreiben nach § 13 VgV vom 27.04.05 wurden die Bieter über das Ergebnis der erneuten Angebotswertung und den hiernach beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen informiert. Der Antragstellerin wurde mitgeteilt, dass ihr Angebot bezüglich der Kriterien Preis, Kundendienst und Folgekosten ungünstiger gewesen sei.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 04.05.05 rügte die Antragstellerin das Vergabeverfahren. Sie machte Verstöße gegen Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz geltend und rügte vorsorglich, dass bei der erneuten Wertung die Vorgaben der Vergabekammer nicht eingehalten worden seien. Schließlich machte sie zusätzlich geltend, dass die Auftraggeberin sie auf eine Nachfrage fehlinformiert habe. Die Rüge ist in der Vergabeakte nicht enthalten. Sie war Anlage des Nachprüfungsantrages. Auch ist nicht ersichtlich, ob die Auftraggeberin auf die Rüge geantwortet hat.
Ebenfalls am 04.05.05 beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer Lüneburg erneut die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nach § 107 GWB. Zur Begründung trug sie vor, es sei nicht auszuschließen, dass die Auftraggeberin erneut unter Verstoß gegen den Transparenzgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 GWB und den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 2 GWB die Vorgaben der Vergabekammer nicht eingehalten habe.
Sie vermutet vorsätzliche Manipulationen der Auftraggeberin.
Die Antragstellerin beanstandet weiterhin, dass die Auftraggeberin den Zuschlag in Abweichung zu ihren eigenen Ausschreibungsbedingungen auf das Angebot der Beigeladenen erteilen will. Dieser Ansicht sei die Vergabekammer im Rahmen des ersten Nachprüfungsverfahrens zwar nicht gefolgt, da sie eine eindeutige Definition des Begriffes Reisebus nicht feststellen konnte. Zwischenzeitlich habe die Antragstellerin jedoch eine solche Definition ermitteln können. Bereits in mehreren Entscheidungen habe sich die Kommission der Europäischen Gemeinschaft mit dem Markt für Kraftomnibusse auseinander gesetzt. Danach gibt es - trotz möglicher Überschneidungen - drei abgrenzbare Marktsegmente: Stadtbusse, Überlandbusse und Reisebusse.
- Stadtbusse dienen danach dem öffentlichen Nahverkehr.
- Überlandbusse werden im ländlichen Verkehr zwischen den Städten eingesetzt.
- Reisebusse sind für den Freizeitbereich im Wesentlichen für Langstreckenreisen gedacht.
Die Tatsache, dass es mittlerweile Kombibusse gibt, die sowohl für den Überland- als auch den Reisebusverkehr einsetzbar sind, führe nicht zu einer Abweichung von dieser aus Sicht der Antragstellerin verbindlich geltenden Definition der Kommission.
Zum Nachweis legte die Antragstellerin einen Internet-Ausdruck bei, der sich inhaltlich auf zwei Entscheidungen der Kommission bezieht, und zwar auf Entscheidungen zur Erklärung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses der Firmen Mercedes-Benz / Kässbohrer und Volvo/Scania mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen.
Die Vergabekammer hat dies entsprechend recherchiert:
Der Entscheidung der Kommission vom 14. März 2000 bezüglich des Zusammenschlusses der Firmen Volvo/Scania (Sache COMP/M.1672 - Volvo/Scania) ist zusätzlich zu den von der Antragstellerin vorgelegten Unterscheidungen Folgendes zu entnehmen:
"Unterschiede bei den technischen Merkmalen(222) Die Marktuntersuchung der Kommission in der vorliegenden Sache hat ergeben, dass insbesondere zwischen Stadt-/Überlandbussen auf der einen und Reisebussen auf der anderen Seite zu unterscheiden ist. Dies gilt sowohl für die Angebots- als auch für die Nachfrageseite.
(223) Die sowohl von Volvo und Scania als auch von anderen Herstellernübermittelten angebotsorientierten Daten bestätigen, dass es beim Fahrgestell zwischen den verschiedenen Bustypen erhebliche Unterschiede gibt. So handelt es sich bei dem meistverkauften Fahrgestellmodell der Parteien für einen Stadtbus in den meisten Ländern um einen zweiachsigen Niederflurbus (bzw. Bus mit niedriger Einstiegsplattform) mit relativ geringer Motorleistung (meist um 250 PS). Das meistverkaufte Reisebusfahrgestell der Parteien ist dagegen ein Hochflurbus mit einer Motorleistung von ca. 400 PS. Außerdem verkauft sich in einigen Ländern ein dreiachsiges Reisebusmodell am besten. Ein typischer Überlandbus hat generell einen hohen Flur und einen gegenüber einem Reisebus schwächeren Motor.Überlandbusse können auch länger als Stadt- und Reisebusse sein. Gelenkbusse kommen vorwiegend im Überlandverkehr zum Einsatz.
(224) Nachfrageseitig verlangen diese Unterschiede bei den technischen Merkmalen nicht nur eine Entscheidung über die vorgesehene vorrangige Verwendung des Fahrzeugs, sondern führen auch zu merklichen Preisunterschieden zwischen den Fahrgestellen für Stadtbusse, Überlandbusse und Reisebusse.
(225) Zur Erinnerung seien hier noch einmal die Hauptmerkmale der drei Bustypen aufgeführt:
a) Stadtbusse
Stadtbusse sind für den öffentlichen Nahverkehr in städtischen Gebieten bestimmt. Sie haben meist einen niedrigen Flur (oder eine niedrige Einstiegsplattform) ohne Stufen und verfügen über mehr und breitere Türen als andere Busse. In Stadtbussen ist eigens Raum für Stehplätze vorgesehen. Sie sind speziell für häufiges Ein- und Aussteigen konzipiert. Hauptabnehmer sind Städte und Gemeinden bzw. in Ländern, in denen dieöffentliche Personenbeförderung in private Hände gelegt wurde, private Busbetreiber, die von Städten und Gemeinden den Zuschlag für die Abwicklung desöffentlichen Personenverkehrs mit Bussen erhalten haben.b) Überlandbusse
Überlandbusse werden im öffentlichen Personenverkehr in ländlichen Gebieten und zwischen Städten eingesetzt. Sie sind ebenso wie Stadtbusse in der Regel nicht besonders aufwändig ausgestattet. Im Gegensatz zu Stadtbussen sind sie meist nicht niederflurig und verfügen in der Regel über stärkere Motoren (allerdings nicht so starke wie Reisebusse). Die Art der Beförderungsleistung bringt es mit sich, dass Vorrichtungen, die das Ein- und Aussteigen erleichtern, bei Überlandbussen weniger wichtig sind als bei Stadtbussen. Hauptabnehmer sind öffentliche und private Busunternehmen, die regionale Linien befahren. Die Abnehmer von Überlandbussen und Stadtbussen sind häufig identisch.c) Reisebusse
Reisebusse sind überwiegend für den Freizeitmarkt, d. h. im Wesentlichen für Langstreckenreisen, gedacht. Ebenso wie Überlandbusse benötigen auch sie nicht unbedingt Vorrichtungen, die das häufige Ein- und Aussteigen erleichtern. Reisebusse sind in der Regel mit einem Handschaltgetriebe ausgerüstet, während die beiden anderen Bustypen automatische Getriebe haben. Sie sind in der Regel höher als Überlandbusse und relativ aufwändig ausgestattet. Zur Ausrüstung gehören häufig ein größerer Stauraum, Klimaanlage, Toiletten und Bildschirme, die das Reisen über längere Strecken angenehmer machen sollen. Hauptabnehmer sind private Busunternehmen, die Ausflugsfahrten oder Charterreisen durchführen. Laut Marktuntersuchung setzen einige Busunternehmen ihre Reisebusse außerhalb der Hochsaison auch für andere Zwecke ein, z.B. als Überlandbusse. Dass ein Reisebus auch noch für andere Zwecke eingesetzt werden kann, bedeutet jedoch nicht, dass er durch andere Bustypen, z.B. einen Überlandbus, ohne weiteres austauschbar wäre.(226) Die Kommission stellt außerdem fest, dass auch in den Verkaufsprospekten der Anbieter nahezu durchgängig zwischen den drei hier genannten Marktsegmenten unterschieden wird. Sowohl bei Anbietern als auch bei Abnehmern ist diese Unterscheidung weithin üblich."
(Hervorhebungen durch die Vergabekammer)
Die Antragstellerin beanstandet, dass die Frage, ob der von der Beigeladenen angebotene Kraftomnibus ein Reiseomnibus sei, nicht nach Maßgabe der Definitionen der Kommission entschieden worden sei. Die Firma ... bewerbe den angebotenen Kraftomnibus selbst alsÜberlandbus, der auch für Reisefahrten am Wochenende eingesetzt werden könne.
Ca. 4 Wochen vor Abgabe des Angebots habe auf Anfrage der Antragstellerin und des ...-Vertreters ein Vertreter der Auftraggeberin ausdrücklich erklärt, ein Bus wie er auf dem Hof stehe, nämlich auf der Basis des Modells "Integro", solle nicht mehr angeschafft werden, man wolle einen Reiseomnibus haben. Durch die Aussagen der Auftraggeberin im Vorfeld des Vergabeverfahrens sei die Antragstellerin getäuscht und dazu verleitet worden, ein Fahrzeug auf der Basis des Modells "Travego" anzubieten. Andernfalls hätte sie einen vergleichbaren Bus wie die Beigeladene - ohne Automatikgetriebe - angeboten, allerdings um 44.600,00 EUR günstiger. Die Äußerung des Mitarbeiters der Auftraggeberin habe mithin dazu geführt, dass die Chancengleichheit für die Antragstellerin nicht gewahrt ist.
Die Kraftomnibusse der Marke Mercedes Modell "Integro" und der von der Beigeladenen angebotenen Marke Setra, Modell S 415 GT seien jedoch vergleichbar. Wesentliche Unterschiede gebe es nur in der Form der Karosserie und der Innenausstattung. Zudem sei für das Modell Marke Setra S 415 GT ebenso wie für das Modell Mercedes "Integro" ein Automatikgetriebe gar nicht erhältlich. Das Modell Mercedes "Travego" sei als einziges der genannten Modelle mit dem geforderten Automatikgetriebe lieferbar.
Die Auftraggeberin habe ein Automatikgetriebe nachgefragt. Hätte sie sich bei Abfassung des Leistungsverzeichnisses nicht abschließend entscheiden wollen, ob sie ein Automatikgetriebe haben will, hätte sie die Abfrage als "Wahlposition" kennzeichnen können. In diesem Fall hätte den Bietern vorab bekannt gegeben werden müssen, welche Kriterien entscheidend dafür sind, ob eine Automatikgetriebe gewünscht wird oder nicht. Allein das Automatikgetriebe bewirke einen Mehrpreis von ca. 10.000,00 EUR, Angebote mit und ohne Automatikgetriebe seien also nicht miteinander vergleichbar. Auch wenn das Automatikgetriebe nicht als Ausschlusskriterium genannt wurde, müsse deshalb im Angebot der Beigeladenen eine unzulässige Änderung der Leistungsbeschreibung gesehen werden, denn diese habe einen Bus angeboten, für welchen das geforderte Automatikgetriebe nicht erhältlich ist.
Die Antragstellerin rügt, dass ihr im Rahmen der Akteneinsicht die Einsichtnahme in die Angebote der anderen Bieter zwecks Überprüfung der vorgenommenen Bewertung verwehrt worden ist. Z.T. unter Nichtwissen ergänzt und vertieft sie deshalb ihre Kritik an der vorgenommenen Bewertung hinsichtlich der Kriterien Abmessungen, Kraftstofftank, Kofferraumvolumen, Zellen sowie Heizung und Belüftung.
Wie bereits im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren VgK-09/2005 wendet sich die Antragstellerin insbesondere gegen die Wertung bezüglich des Kriteriums Logistik (Ziff. 30). Diesbezüglich hätten die Bieter den Verdingungsunterlagen nicht entnehmen können, dass die Auftraggeberin ihre Bewertung von einer aus ihrer Sicht vergaberechtswidrigen eigenen hypothetischen Folgekostenermittlung abhängig machen würde. Sie wussten auch nicht, was hierbei eine Rolle spielen würde. Zur Bewertung sei im Leistungsverzeichnis unter Ziff. 30.6 lediglich die nächstgelegene Fachwerkstatt abgefragt worden, welche - nicht zum Auftrag gehörige - Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten durchführen kann.
Die Antragstellerin habe für die technische Instandsetzung auf den Hersteller ... verwiesen, dies jedoch nicht mit der Konsequenz, dass die Auftraggeberin im Falle des Zuschlages hieran gebunden wäre. Auch die von der Auftraggeberin unter Ziff. 31.2 nachgefragte und allein von der Antragstellerin angebotene Sondervereinbarung zur Gewährleistung, die imÜbrigen in der Wertung unberücksichtigt geblieben sei, führe nicht - auch nicht während der Garantiezeit - zu einer Bindung an die genannte Werkstatt. Die Auftraggeberin habe z.B. durchaus die Möglichkeit, ebenfalls die von der Beigeladenen benannte Fa. ... zu beauftragen, da diese Vertragswerkstatt für sämtliche Marken sei, die unter der Fa. ... geführt werden. Deshalb seien ihrem Angebot zumindest nicht die durch eine höhere Preisgestaltung der von ihr benannten Werkstatt bedingten ungünstigeren Logistikkosten zuzurechnen.
Darüber hinaus hat die Antragstellerin auch Zweifel an der Richtigkeit der von der Auftraggeberin ermittelten Logistik-/Folgekosten.
Aus den genannten Gründen hält die Antragstellerin die vorgenommene Wertung zu Ungunsten ihres Angebotes für vergaberechtswidrig. Im Hinblick auf den auffallend hohen Bewertungsfaktor für die Logistik und darauf, dass der Auftraggeberin aus der Vergangenheit die Arbeitswerte und Einheitsverrechnungspreise sowohl der Fa. ... als auch des Nutzfahrzeugzentrums ... bekannt waren, vermutet die Antragstellerin eine bewusste, gegen ihr Angebot gerichtete Manipulation.
Zweifel habe sie auch bezüglich des Kriteriums Garantie/Gewährleistung. Da sie als einziger Bieter die erbetene Sondervereinbarung zur Gewährleistung angeboten habe, hätten alle anderen Angebote entsprechend abgewertet werden müssen, was nicht geschehen sei.
Nicht plausibel sei schließlich die Wertung des Angebotspreises. Zum einen sei die Punktevergabe nicht nachvollziehbar, zum anderen sei, wie dargelegt, eine Vergleichbarkeit der Angebote nicht gegeben, da die Beigeladene weder das Automatikgetriebe noch die Sondervereinbarung zur Gewährleistung angeboten habe. Nach ihrer Einschätzung hätte ihr Angebot diesbezüglich mindestens 950 Punkte erhalten müssen.
Die Antragstellerin geht davon aus, dass nach entsprechenden Wertungskorrekturen, sowohl durch Aufwertung ihres Angebotes als auch durch Abwertung des Angebotes der Beigeladenen, sich ihr Angebot als das wirtschaftlichste darstellen wird.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
der Auftraggeberin zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen
- 2.
die Auftraggeberin zu verpflichten, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen,
- 3.
hilfsweise für die Fälle des § 114 Abs. 2 GWB festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Bieterrechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt wurde,
- 4.
die anwaltliche Vertretung der Antragstellerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären
- 5.
der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Auftraggeberin beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Sie weist die Vorwürfe der Antragstellerin zurück und vertritt die Auffassung, dass die im Beschluss der Vergabekammer vom 11.04.05 gerügten Sachmängel abgestellt worden sind.
Im Einzelnen trägt sie zum Nachprüfungsantrag vom 04.05.05 vor, die von ihr verfasste Leistungsbeschreibung sei hinsichtlich des nachgefragten Automatikgetriebes nicht zu beanstanden. Die Abfrage sei zweifelsfrei als bewertungsrelevant aber nicht als ausschlussrelevant gekennzeichnet gewesen. Hiernach hätte jeder Bieter jederzeit auch ein Fahrzeug ohne Automatikgetriebe anbieten können, ohne von der Ausschreibung ausgeschlossen zu werden. Anhand der detaillierten Angaben zur beabsichtigten Wertung in der Bekanntgabe der Zuschlagskriterien auf Seite 36 der Leistungsbeschreibung musste jedem Bieter auch klar sein, dass ein Angebot ohne Ausrüstung des Fahrzeuges mit dem erfragten Automatikgetriebe bei Bewertung des Punktes 4 "Trieb- und Fahrwerk" mit etwa einem Drittel der hierfür angegebenen max. 8 %, jedoch niemals stärker als 8 % bei der Gesamtbewertung der technischen Anforderungen abgewertet werden konnte.
Jeder Bieter habe also abschätzen können, welche Auswirkungen sich bei Veränderungen von bestimmtem Angeboten bzw. Nicht-Angeboten sowohl im Bereich der technischen Anforderungen als auch in der Preisgestaltung ergeben würden, ein Vergleich der Angebote "Bus mit Automatikgetriebe" und "Bus ohne Automatikgetriebe" sei jederzeit möglich gewesen. Zur Kontrolle hat sie selbst eine entsprechende Berechnung vorgenommen. Diese geht davon aus, das auch die Antragstellerin einen Bus ohne Automatikgetriebe angeboten hätte. Hierzu hat sie die von der Antragstellerin genannten Mehrkosten von 10.000 EUR für ein Automatikgetriebe von deren Angebotspreis abgezogen und dies in der Bewertung des Angebotspreises berücksichtigt. Im Gegenzug wurden in der qualitativen Wertung unter Punkt 4 "Trieb- und Fahrwerk" der technischen Anforderungen aber auch die vorgesehenen 30 Punkte für das Nicht-Angebot eines Automatikgetriebes von der vollen Punktzahl 80 subtrahiert. Am Vorrang des Angebotes der Beigeladenen ändere sich hierdurch nichts.
Bei einer weiteren Kontrollberechnung hat die Auftraggeberin - der Forderung nach einer stärkeren qualitativen Gewichtung für das Angebot eines Fahrzeuges mit Automatikgetriebe folgend - der Beigeladenen unter Punkt 4.2 "Getriebe" keinerlei Punkte zuerkannt, das Angebot der Antragstellerin behielt die maximale Punktzahl. Auch diese Wertungsvariante zeige, dass in der Auswertung weiterhin die Beigeladene das beste Angebot vorzuweisen habe.
Die Kritik an ihrer bisherigen und auf Grund des Beschlusses der Vergabekammer erneut vorgenommenen Bewertung weist sie vollinhaltlich zurück.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie unterstützt das Vorbringen des Auftraggebers.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 02.06.2005 verwiesen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig, aber unbegründet. Er ist unzulässig, soweit die Antragstellerin ihren erneuten Nachprüfungsantrag auf Sachverhalte stützt, die bereits Gegenstand des rechtskräftigen Beschlusses der Vergabekammer vom 11.04.2005 gewesen sind, der im Zuge des vorangegangenen Nachprüfungsverfahrens VgK-09/2005 ergangen ist. Soweit sich die Antragstellerin auf eine ihr erst im Nachgang zum vorangegangenen Nachprüfungsverfahren bekannt gewordene Definition der EU-Kommission zum Begriff "Reisebus" und der übrigen Segmente des Marktes für Kraftomnibusse stützt und sich gegen die Umsetzung der Vorgaben des Beschlusses der Vergabekammer vom 11.04.2005 durch die Auftraggeberin bei der erneuten Angebotswertung wendet, ist der Nachprüfungsantrag zulässig, aber unbegründet. Die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen wegen Abweichens von den Verdingungsunterlagen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A und wegen Nichterfüllung der im Leistungsverzeichnis geforderten Mindestanforderungen liegen nicht vor. Die Auftraggeberin hat auch unter Beachtung der Vorgaben der Vergabekammer im vorangegangenen Beschluss vom 11.04.2005 die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gem. § 25 Nr. 3 VOL/A wiederholt und in Korrektur der ursprünglichen, beanstandeten Wertung hinsichtlich des Zuschlagskriteriums Gewährleistung/Garantie, das ausweislich der in den Verdingungsunterlagen bekannt gemachten Gewichtung mit 6 % in die Gesamtwertung mit einfließen sollte, zu Gunsten der Antragstellerin die diesbezüglichen Vorteile des Angebots (keine Einschränkung der Garantieleistungen durch getätigte Kleinreparaturen der Auftraggeberin) hinreichend berücksichtigt. Ferner hat die Auftraggeberin zur Wahrung des Transparenzgebotes die Gewichtung der gesamten leistungsbezogenen Zuschlagskriterien zum Zuschlagskriterium Preis - wie auf Seite 36 der Verdingungsunterlagen bekannt gemacht - nunmehr auch tatsächlich im Verhältnis 50 : 50 vorgenommen. Die Auftraggeberin ist in vergaberechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Justizvollzugsanstalt des Landes Niedersachsen auf der gesetzlichen Grundlage des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Der streitbefangene Auftragübersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei der ausgeschriebenen Leistung handelt es sich um einen Vertrag über die Lieferung eines Gefangenentransportbusses und damit einen Lieferauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1, Abs. 2 GWB, für den gem. § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000 EUR gilt. Bereits unter Berücksichtigung des preislich niedrigsten, wegen Abweichung von den Verdingungsunterlagen aber ausgeschlossenen Angebotesüberschreitet der Wert des Auftrags deutlich den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.
Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie vorträgt, die Auftraggeberin beabsichtige, den Zuschlag auf ein nicht berücksichtigungsfähiges Angebot zu erteilen. Die von der Auftraggeberin favorisierte Beigeladene habe in Abweichung von den zwingenden Festlegungen in den Verdingungsunterlagen einen Gefangenentransportbus angeboten, der nicht auf einem Reisebusfahrgestell basiere und darüber hinaus auch nicht mit einem Automatikgetriebe lieferbar sei. Ferner habe die Auftraggeberin im Zuge der neuen Wertung unter Berücksichtigung der Vorgaben der Vergabekammer im Beschluss vom 11.04.2005 dem Angebot der Antragstellerin für das Wirtschaftlichkeitskriterium "Angebotspreis" nicht genügend Punkte zugemessen und auch sonst die Vorgaben der Vergabekammer nicht hinreichend beachtet. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 102 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, 2. Aufl., § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat zumindest schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung und bei Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen, wie von der Antragstellerin gefordert, zumindest eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).
Die Antragsbefugnis ist lediglich zu verneinen, soweit sich die Antragstellerin erneut zur Begründung ihres Antrags auf ihren Vortrag und auf Sachverhalte bezieht, die bereits Gegenstand des vorangegangenen Nachprüfungsverfahrens VgK-09/2005 waren und von der Vergabekammer im bestandskräftigen Beschluss vom 11.04.2005 als unbegründet zurückgewiesen wurden. Dies gilt insbesondere für die Bewertung des Unterkriteriums "Logistik" und der dort berücksichtigten Wartungs- und Personalkosten.
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Die Auftraggeberin hatte die Antragstellerin wie auch die übrigen Bieter per Telefax vom 27.04.2005 darüber informiert, dass auch die erneute Bewertung unter Berücksichtigung des vorangegangenen Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer keine Änderung der Vergaberangfolge ergeben habe. In einem formularmäßigen Informationsschreiben gem. § 13 VgV vom gleichen Tage wies die Auftraggeberin die Antragstellerin zudem darauf hin, dass auf das Angebot der Antragstellerin der Zuschlag nicht erteilt werden könne, weil ein niedrigeres Hauptangebot vorliege und das Hauptangebot der Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste sei. Maßgeblich seien dafür die Kriterien Preis, Kundendienst und Folgekosten. Der Zuschlag solle auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden. Mit Anwaltsschreiben vom 04.05.2005 rügte die Antragstellerin diese Entscheidung mit der Begründung, dass der von der Beigeladenen angebotene Bus nicht mit einem Automatikgetriebe geliefert werden könne. Dies stelle eine unzulässige Abänderung der Leistungsbeschreibung dar. Ferner mutmaßte die Antragstellerin, dass die Vorgaben der Vergabekammer für die Bewertung der Angebote gemäß Beschluss vom 11.04.2005 nicht ordnungsgemäß eingehalten worden sind. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, kann bereits positive Kenntnis vorliegen (vgl. 2. VK Bund, Beschluss v. 20.04.2000, Az.: VK 2-6/00). Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs erfolgte die Rüge der Antragstellerin vom 04.05.2005 noch rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 - 3 Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 18.09.2003, Az.: 1 Verg 4/00; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff.) kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin zwar bereits durch das Telefax der Auftraggeberin am 27.04.2005 erfahren hatte, dass die Beigeladene den Zuschlag erhalten soll. Da sie jedoch in nicht zu beanstandender Weise zur Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen einen Rechtsanwalt beauftragt hat, erfolgte die 6 Tage später abgesetzte Rüge noch unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Auftraggeberin ist auch unter Berücksichtigung des neuen Vortrags der Antragstellerin weder berechtigt noch gehalten, das Hauptangebot der Beigeladenen wegen Nichterfüllung der im Leistungsverzeichnis gestellten Mindestanforderungen auszuschließen. Die Voraussetzungen für einen Angebotsausschluss wegen Abweichung von den Verdingungsunterlagen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A liegen nicht vor (im Folgenden a). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat die Auftraggeberin auch in vergaberechtlich nicht zu beanstandender Weise und unter Beachtung der Vorgaben des Beschlusses der Vergabekammer vom 11.04.2005 das Angebot der Beigeladenen als wirtschaftlichstes Angebot im Sinne des § 25 Nr. 3 VOL/A ermittelt (im Folgenden b).
a)
Die Auftraggeberin ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch unter Berücksichtigung des gegenüber dem vorangegangenen Nachprüfungsverfahren VgK-09/2005 neuen Vortrags der Antragstellerin weder gehalten noch berechtigt, das Hauptangebot der Beigeladenen wegen Abweichung von Festlegungen der Verdingungsunterlagen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A von der Angebotswertung auszuschließen. Die Voraussetzungen für einen Angebotsausschluss liegen nicht vor. Wie die Vergabekammer bereits im Ausgangsbeschluss vom 11.04.2005 festgestellt hat, hat auch die Beigeladene einen Bus auf Basis eines Reisebusses angeboten, der den Vorgaben der Verdingungsunterlagen und insbesondere auch der zwingenden Anforderung gem. Nr. 2.1 der Technischen Anforderungen (Seite 16 der Verdingungsunterlagen) entspricht, wonach der ausgeschriebene Gefangenentransportbus auf einem Reisebusfahrgestell basieren muss. Wie die Vergabekammer bereits im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren ermittelt und dargelegt hatte, existiert keine gesetzliche Definition des Begriffs "Reisebus". Insbesondere nimmt die StVZO (vgl. § 35 f, § 35 i und Anlage X Nr. 1 zu § 35 e Abs. 4 StVZO) keine Differenzierung der Kraftomnibusse nach ihren Einsatzzwecken Linienbus, Überlandlinienbus und Reisebus vor. In der Praxis wird die Einordnung der Fahrzeuge in die unterschiedlichen Kategorien vielmehr nach dem vorgesehenen Einsatzzweck der Kunden (Busunternehmen) und den dafür von den Herstellern für die einzelnen Kategorien eingebauten und gelieferten unterschiedlichen Ausstattungspaketen vorgenommen. Die Vergabekammer verweist insoweit auf ihre ausführliche Begründung im Beschluss vom 11.04.2005, Az.: VgK-09/2005. An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin nunmehr erstmals herangezogenen Definition der EU-Kommission. Die Kommission hat in ihrer Entscheidung vom 14.03.2000 bezüglich des Zusammenschlusses der Firmen Volvo/Scania (Sache COMP/M. 1672 - Volvo/Scania) unter anderem folgende technische Unterscheidungsmerkmale zwischen den Buskategorien ermittelt:
"(222) Die Marktuntersuchung der Kommission in der vorliegenden Sache hat ergeben, dass insbesondere zwischen Stadt-/Überlandbussen auf der einen und Reisebussen auf der anderen Seite zu unterscheiden ist. Dies gilt sowohl für die Angebots- als auch für die Nachfrageseite.
(223) Die sowohl von Volvo und Scania als auch von den anderen Herstellern übermittelten angebotsorientierten Daten bestätigen, dass es beim Fahrgestell zwischen den verschiedenen Bustypen erhebliche Unterschiede gibt. So handelt es sich bei dem meistverkauften Fahrgestellmodell der Parteien für einen Stadtbus in den meisten Ländern um einen zweiachsigen Niederflurbus (bzw. Bus mit niedriger Einstiegsplattform) mit relativ geringer Motorleistung (meist um 250 PS). Das meistverkaufte Reisebusfahrgestell der Parteien ist dagegen ein Hochflurbus mit einer Motorleistung von ca. 400 PS. ... Ein typischer Überlandbus hat generell einen hohen Flur und einen gegenüber einem Reisebus schwächeren Motor ...
(225) Zur Erinnerung seien hier noch einmal die Hauptmerkmale der drei Bustypen aufgeführt:
a) Stadtbusse
Stadtbusse sind für den öffentlichen Nahverkehr in städtischen Gebieten bestimmt. Sie haben meist einen niedrigen Flur (oder eine niedrige Einstiegsplattform) ohne Stufen und verfügen über mehr und breitere Türen als andere Busse ...b) Überlandbusse
Überlandbusse werden im öffentlichen Personenverkehr in ländlichen Gebieten und zwischen Städten eingesetzt. Sie sind ebenso wie Stadtbusse in der Regel nicht besonders aufwändig ausgestattet. Im Gegensatz zu Stadtbussen sind sie meist nicht niederflurig und verfügen in der Regel über stärkere Motoren (allerdings nicht so starke wie Reisebusse) ...c) Reisebusse
Reisebusse sind überwiegend für den Freizeitmarkt, d. h. im Wesentlichen für Landstreckenreisen, gedacht. Ebenso wie Überlandbusse benötigen auch sie nicht unbedingt Vorrichtungen, die das häufige Ein- und Aussteigen erleichtern. Reisebusse sind in der Regel mit einem Handschaltgetriebe ausgerüstet, während die beiden anderen Bustypen automatische Getriebe haben. Sie sind in der Regel höher als Überlandbusse und relativ aufwändig ausgestattet ..."(Hervorhebungen durch die Vergabekammer)
Auch unter Zugrundelegung der von der EU-Kommission ermittelten technischen Unterscheidungsmerkmale erfüllt das von der Beigeladenen ihrem Hauptangebot zugrunde gelegte Fahrzeug der Firma Setra, Typ S 415 GT, die Anforderungen an einen Reisebus. Das Fahrzeug erfüllt ebenso wie der von der Antragstellerin angebotene Bus auf Basis eines Mercedes "Travego RH" alle Anforderungen des Leistungsverzeichnisses an die Komfortausstattung (insbesondere Klimaanlage pp) und die elektronische Sicherheitsausstattung wie ESP, ABS, ASR, EBS und Bremsassistent. Auch die Motorleistung des von der Beigeladenen angebotenen Busses erfüllt mit 260 kW (354 PS) sowohl die Mindestanforderung gem. Ziffer 4.1 der Leistungsbeschreibung (Seite 17), die mindestens 250 kW verlangt, als auch die von der Kommission herausgearbeitete Eigenschaft, dass Reisebusse gegenüber Stadtbussen und Überlandbussen in der Regel eine deutlich über 250 PS liegende Motorleistung aufweisen. Ferner ist der von der Beigeladenen angebotene Bus mit einem Schaltgetriebe ausgerüstet, was nach der Kategorisierung der Kommission ebenfalls kennzeichnend für einen Reisebus ist.
Das Angebot der Beigeladenen ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht deshalb gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A von der Angebotswertung auszuschließen, weil der von der Beigeladenen angebotene Bus auf Basis des Setra, Typ S 415 GT, mit einem Schaltgetriebe angeboten wurde und auch nicht optional mit einem Automatikgetriebe angeboten werden kann. Die Lieferbarkeit eines Automatikgetriebes ohne Wandler (sog. Direktschaltgetriebe) war ausweislich der Verdingungsunterlagen ausdrücklich keine Mindestanforderung, sondern sollte lediglich - positiv - bei dem Zuschlagskriterium Nr. 4 "Trieb- und Fahrwerk" berücksichtigt werden. Auf die Unterscheidung zwischen Ausschlusskriterien und Bewertungskriterien hatte die Auftraggeberin in der Leistungsbeschreibung ausdrücklich hingewiesen. Unter I. Rechtliche Anforderungen (Seite 13 der Leistungsbeschreibung) heißt es dazu:
"Anmerkungen:
- Werden mit Ausschluss gekennzeichnete Anforderungen/Fragen mit Nein beantwortet, führt dies zum Ausschluss von Verfahren
- Die Beantwortung der mit Bewertung gekennzeichneten Anforderungen/Fragen fließt in die Gesamtbewertung ein."
Dementsprechend hat die Auftraggeberin sämtliche technischen Leistungsanforderungen der Leistungsbeschreibung entweder als Ausschlusskriterium oder als Bewertungskriterium unmissverständlich gekennzeichnet. Während etwa unter Nr. 4 Trieb- und Fahrwerk die Motorleistung von mindestens 250 kW als Ausschlusskriterium gekennzeichnet ist, heißt es unter 4.2 Getriebe:
"Getriebe dem Fahrzeugtyp je nach Gewicht und Motor zugeordnet:
Automatik ohne Wandler - Bewertung ja/nein."
Die Ausstattung mit einem Automatikgetriebe ohne Wandler sollte also offensichtlich kein Ausschlusskriterium sein, sondern bei der Bewertung hinsichtlich des Eigenschafts-Zuschlagskriteriums Nr. 4 "Trieb- und Fahrwerk, das seinerseits, wie von der Auftraggeberin bekannt gemacht, mit einer Gewichtung von 8 % in die Gesamtbewertung der Eigenschaftszuschlagskriterien einfließen sollte, positiv berücksichtigt werden. Dem hat die Auftraggeberin ausweislich der Vergabeakte im Zuge der Wertung auch ausdrücklich Rechnung getragen, indem die Antragstellerin für das Kriterium Trieb- und Fahrwerk die max. mögliche Punktzahl von 80 Punkten erhalten hat, während das Angebot der Beigeladenen mangels Lieferbarkeit eines Automatikgetriebes lediglich 50 Punkte erzielt hat.
b)
Die Auftraggeberin hat im Ergebnis auch entgegen der Auffassung der Antragstellerin in vergaberechtlich nicht zu beanstandender Weise und unter Beachtung der Vorgaben des Beschlusses der Vergabekammer vom 11.04.2005 das Angebot der Beigeladenen als wirtschaftlichstes Angebot im Sinne des § 25 Nr. 3 VOL/A ermittelt. Die Vergabekammer hatte die Auftraggeberin im vorangegangenen Nachprüfungsverfahren mit Beschluss vom 11.04.2005 verpflichtet, erneut in die Wertung einzutreten und bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes die von ihr auf Seite 36 der Verdingungsunterlagen bekannt gemachte Gewichtung zwischen dem Block der qualitätsbezogenen Eigenschaftszuschlagskriterien einerseits und dem Zuschlagskriterium "Angebotspreis" andererseits im Verhältnis 50 : 50 einzuhalten. Dieser Vorgabe ist die Auftraggeberin ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen neuen Auswertung nachgekommen, indem sie dem preislich niedrigsten Angebot (Beigeladene) für den Preis 1000 Punkte und damit die gleiche Maximalpunktzahl zugemessen hat, die insgesamt durch die qualitätsbezogenen Eigenschaftszuschlagskriterien zu erreichen waren. Die Vergabekammer hatte im Ausgangsbeschluss darüber hinaus festgelegt, dass die Auftraggeberin - ausgehend von dem niedrigsten Angebot - die Punkte für die Übrigen in der Wertung verbliebenen Angebote entsprechend abgestuft und rechnerisch nachvollziehbar vergeben muss. Die Auftraggeberin hat diese Vorgabe dergestalt umgesetzt, dass sie dem preislich höchsten Angebot nur 0,01 und dem Angebot der Beigeladenen, das zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Angebot lag, 515,41 Punkte zugemessen hat. Dies ist zwar mathematisch nachvollziehbar. Diese Methode führt jedoch zu einem Punkteabstand auf das mit 1000 Punkten bewertete Angebot der Beigeladenen, der angesichts des in Anbetracht der Angebotssummen geringen Preisabstandes nicht gerechtfertigt ist. Die Vergabekammer hat daher selbst eine Vergleichsberechnung durchgeführt, indem sie eine der prozentualen Preisabweichung entsprechende Abstufung bei der Punktevergabe vorgenommen hat. Danach erhält das preislich niedrigste Angebot der Beigeladenen unverändert die Höchstpunktzahl 1000, die Beigeladene 950,58 und der in der Wertung verbliebene dritte Bieter 898,03 Punkte. Auch diese - den Preisabständen gerecht werdende - Vergleichsberechnung, die den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 02.06.2005 ausgehändigt wurde, ändert jedoch nichts daran, dass die Beigeladene das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat.
Die Vergabekammer hatte die Auftraggeberin mit Beschluss vom 11.04.2005 darüber hinaus verpflichtet, im Zuge der neuen Angebotswertung den Vorteil des Angebots der Antragstellerin hinsichtlich des Zuschlagskriteriums Gewährleistung/Garantie bei der Punktevergabe zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes zu berücksichtigen. Ausweislich der Bekanntgabe der Zuschlagskriterien auf Seite 36 der Verdingungsunterlagen sollte das Unterkriterium "Gewährleistung/Garantie" mit einem Anteil von 6 % an den gesamten Eigenschafts-Zuschlagskriterien berücksichtigt werden, die wiederum insgesamt mit einem Verhältnis von 50 : 50 mit dem Kriterium "niedrigster Preis" im Verhältnis 50 : 50 in die Wertung einfließen sollten. Auf Seite 16 ff. der Verdingungsunterlagen werden diese Eigenschafts-Zuschlagskriterien noch einmal detailliert beschrieben. Auf Seite 34 heißt es unter IV. Allgemeine Anforderungen, 31 Gewährleistung/Garantie (Gewichtung 6 %):
"31.2 Bleiben diese Regelungen bei der Eigenwartung/Instandsetzung durch justizeigene Werkstätten erhalten? Bitte Erläuterung in einer Anlage"
Die Antragstellerin hatte im Gegensatz zur Beigeladenen den Erhalt der Gewährleistung/Garantie eingeräumt. Ihrem Angebot ist eine Erklärung der Firma ... zur Sachmängelhaftung und Gewährleistung enthalten (Stand: 31.01.2005). Dort heißt es auf Seite 2 unter Ziffer 31.2:
"Durchführung der Mängelbeseitigung
Unter den beiliegenden Bedingungen (Anlage RWS-Vereinbarung) erhält der Auftraggeber für den genannten Lieferumfang die Berechtigung zur Durchführung von Arbeiten im Rahmen der Sachmängelhaftung." ...
Im Zuge der neuen Auswertung der Angebote unter Beachtung der Vorgaben der Vergabekammer hat die Auftraggeberin diesem Vorteil des Angebotes der Antragstellerin Rechnung getragen, indem sie dem Angebot der Antragstellerin hinsichtlich des Unterkriteriums 31 Gewährleistung/Garantie die maximal möchte Punktzahl von 60 zugemessen hat, während das Angebot der Antragstellerin dort lediglich die Punktzahl 30 erhalten hat. Auch diese Neubewertung führt selbst unter Berücksichtigung der von der Vergabekammer vorgenommenen für die Antragstellerin günstigeren Punkteabstufung beim Kriterium Angebotspreis im Ergebnis aber dazu, dass die Beigeladene mit insgesamt 1900 Punkten das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, während das Angebot der Antragstellerin mit insgesamt 1838,58 Punkten auf Rang 2 liegt.
Diese Rangfolge der Angebote ändert sich selbst dann nicht, wenn man mit der Antragstellerin unter dem Zuschlagskriterium Nr. 30 "Logistik" der - zwischen den Beteiligten grundsätzlich unstreitigen - Tatsache Rechnung trägt, dass die Antragstellerin im Gegensatz zur Beigeladenen ein Automatikgetriebe ohne Wandler (sog. Direktschaltgetriebe) angeboten hat, das eine erheblich höhere Lebensdauer als ein Schaltgetriebe aufweist und daher seltener überholt bzw. ausgetauscht werden muss. Streitig war in der mündlichen Verhandlung zwischen der Antragstellerin und der Auftraggeberin lediglich die tatsächlich zugrunde zu legende Laufleistung. Während die Antragstellerin unter Berufung auf Angaben des Herstellers ... von einer Laufleistung des angebotenen AS-Tronic-Getriebes von 750.000 km ausgeht, hat die Auftraggeberin eine derart hohe problemlose Laufleistung bezweifelt und mit nachgelassenem Schriftsatz vom 03.06.2005 zwei per E-Mail versandte Auskünfte des Herstellers ... vom 02. und vom 03.06.2005 vorgelegt. Dort wird darauf hingewiesen, dass zu Gunsten des Automatikgetriebes ohne Wandler im Vergleich zum Schaltgetriebe im gleichen Einsatz von einer Verdoppelung der Kupplungslebensdauer ausgegangen werden kann. Eine Nachfrage in der Serienfertigung habe kein besonderes Ergebnis erbracht. Genaue Kilometerfestlegung wolle und könne auch keiner machen. Ein Feldversuch vor einiger Zeit habe dies noch einmal recht deutlich zum Ausdruck gebracht. Man habe ein AS-Tronic-Getriebe im Vergleich zu einem normalen Schaltgetriebe - allerdings in einem Lkw - getestet. Das Ergebnis habe Unterschiede in der Laufleistung von 50.000 km bis zu 3.000.000 km erbracht. Je nach Fahrer und Belastungszustand bzw. Verwendung des Fahrzeugs könne hier die Laufleistung variieren. Wörtlich heißt es weiter:
"Aus diesem Grunde kann Ihnen auch keiner etwas Schriftliches geben. Grundsätzlich aber, teilte man mir mit, kann man bei einem AS-Tronic von einer beinahe doppelt so hohen Lebensdauer der Kupplung ausgehen. Dies hat den Grund, da immer der optimale Zeitpunkt für Betätigung errechnet wird."
Auch die Firma ..., ..., die die von der Beigeladenen angebotenen Busse der Marke Setra vertreibt, geht in einer per Mail am 03.06.2005 an die Auftraggeber versandten Auskunft davon aus, dass beim Schaltgetriebe GO 190 Kupplungsstandzeiten von bis zu 250.000 km möglich sind. Im Gegensatz zum Getriebehersteller ... hält die Firma ... für das AS-Tronic-Getriebe jedoch lediglich Zeiten bis zu 300.000 km für möglich. Die Aussage, dass die Kupplung bei einem AS-Tronic-Getriebe 700.000 km halte, müsse sehr differenziert betrachtet werden.
Die Auftraggeberin hat, dem Hinweis der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung folgend, gleichwohl die Wertung zum Zuschlagskriterium Nr. 30 "Logistik" noch einmal aufgegriffen und unter dem Gesichtspunkt der unterschiedlichen Laufleistungserwartungen für die angebotenen Getriebeüberarbeitet. Beim Kriterium Logistik, das bereits Gegenstand des vorangegangenen Nachprüfungsverfahrens VgK-09/2005 und des Beschlusses vom 11.04.2005 war, hat die Auftraggeberin bei den jeweils von den Bietern im Angebot benannten Wartungsbetrieben eine Abfrage hinsichtlich typischerweise zu erwartender Inspektions-, Wartungs- und Reparaturkosten vorgenommen. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die Zugrundelegung der Kosten für die Positionen Jahresinspektion, Sonderprüfung, Klimaservice, Fehlerspeicher, Reifen, Bremsklötze, Windschutzscheibe, Kofferraumklappe und schließlich für den Ein- und Ausbau eines Getriebes mit Erneuerung der Druckplatte, der Mitnehmerscheibe und der Schwungscheibe. Dort hatte der von der Beigeladenen genannte Wartungsbetrieb ... mit Schreiben vom 16.02.2005 auf die Abfrage der Auftraggeberin vom 11.02.2005 Kosten in Höhe von 3.376,95 EUR benannt (gesamt: 10.007.21 EUR), während das von der Antragstellerin als Wartungsbetrieb benannte Nutzfahrzeugzentrum ... für die Getriebeüberarbeitung Kosten in Höhe von 8.000 EUR (gesamt 18.860 EUR) benannt hat. Die Auftraggeberin hat nunmehr im Nachgang zur mündlichen Verhandlung zwei neue Musterberechnungen aufgestellt, wobei sie in der für die Antragstellerin günstigsten Variante unterstellt, dass bei einer Zugrundelegung von einer Mindestnutzungsdauer von 12 Jahren und einer jährlichen Fahrleistung von 70.000 km das von der Antragstellerin angebotene Automatikgetriebe lediglich einmal erneuert werden muss, während die gleichen Arbeiten für das von der Beigeladenen angebotene Leitgetriebe in 12 Jahren drei Mal anfallen.
Die Auftraggeberin hat damit die von der Antragstellerin genannte unterschiedliche Lebensdauer der Getriebe zugrunde gelegt. Im Ergebnis führt dies dazu, dass beim Angebot der Beigeladenen Getriebekosten von insgesamt 10.130,85 EUR zu veranschlagen sind, während diese Kosten beim Angebot der Antragstellerin wegen der nur einmal fällig werdenden Erneuerung lediglich 8.000 EUR betragen. Dies ändert im Ergebnis jedoch nichts daran, dass das gesamte Inspektions-, Wartungs- und Reparaturpaket, das in die Wertung des Zuschlagskriteriums Logistik eingeflossen ist, unter Berücksichtigung der Preise, die von dem von der Antragstellerin im Angebot benannten Wartungsbetrieb genannt wurden, mit insgesamt 118.020 EUR zu Buche schlagen, während die Gesamtkosten für das gleiche Paket bei dem von der Beigeladenen benannten Wartungsbetrieb lediglich 96.747,97 EUR betragen. Es verbleibt somit eine Differenz von 21.272,03 EUR zu Gunsten des Angebotes der Beigeladenen. Die Auftraggeberin geht in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 03.06.2005 deshalb davon aus, dass unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Getriebe die Punktzahl für das Zuschlagskriterium Logistik beim Angebot der Antragstellerin lediglich leicht von vormals 60 auf 70 Punkte zu erhöhen sei, während der Beigeladenen, deren Angebot die niedrigsten Reparaturkosten aufweise, die für das Zuschlagskriterium vorgesehene höchste Punktzahl von 120 zu belassen ist. Selbst wenn man aber dem Angebot der Antragstellerin entgegen dem Ansatz der Auftraggeberin noch weitere 30 Punkte für das Zuschlagskriterium Logistik zumessen würde (mithin 100 Punkte), würde sich die Gesamtpunktzahl für die Antragstellerin lediglich von 1838,58 auf 1878,58 Punkte erhöhen, während das Angebot der Beigeladenen mit 1900 Gesamtpunkten nach wie vor auf Rang 1 steht. Dabei hat die Vergabekammer bereits die den geringen Preisabständen der Angebote gerechter werdende Punkteabstufung der eigenen Vergleichsberechnung hinsichtlich des mit 50 % in die Gesamtwertung einfließenden Angebotspreises berücksichtigt.
Die Beigeladene hat damit im Ergebnis - wenn auch knapp - das wirtschaftlichste Angebot abgegeben. Die Entscheidung der Auftraggeberin, ihr den Zuschlag zu erteilen, ist daher nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die Angebotswertung im Übrigen. Die Auftraggeberin hat insbesondere gem. § 9 a VOL/A in sehr transparenter und detaillierter Weise den Bietern mit den Verdingungsunterlagen nicht nur alle Zuschlagskriterien bekannt gegeben, sondern auch deren Gewichtung. Weder Kriterien noch Gewichtung wurden von Bieterseite gerügt. Die Leistungsbeschreibung genügt den Anforderungen der Rechtsprechung an die Transparenz der Zuschlagskriterien und deren Gewichtung (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 16.02.2005, Az.: VII-Verg 74/04 = VergabeNews 6/2005, S. 59). Die Auftraggeberin hat ausweislich der Vergabeakte die Angebotswertung unter Beachtung sämtlicher Kriterien und deren bekannt gemachter Gewichtung durchgeführt. Die Auftraggeberin war nicht verpflichtet, eine noch detailliertere Aufschlüsselung der Kriterien und deren Gewichtung im Vorfeld der Vergabe vorzunehmen und bekannt zu machen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn sich ein öffentlicher Auftraggeber für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gem. § 25 Nr. 3 VOL/A einen bestimmten Ermessensspielraum erhält, um die Qualität der unterschiedlichen Angebote angemessen würdigen zu können (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 02.09.2004, Az.: 13 Verg 14/04).
Der Nachprüfungsantrag war daher zurückzuweisen.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art 7 Nr. 5 des 9. Euro-
Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw. in Ausnahmefällen 50.000 EUR beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.620 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 454.198 EUR. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Angebot der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 454.198 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.620 EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von 2.620 EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxx auf folgendes Konto zu überweisen:
NORD/LB (BLZ 250 500 00) Konto 106035355.
IV.
Rechtsbehelf
Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden. Diese ist beim Oberlandesgericht Celle, Schlossplatz 2, 29221 Celle, einzulegen. Die Beschwerde ist gem. § 117 GWB binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung einzulegen. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 117 Abs. 2 GWB mit ihrer Einlegung zu begründen.
Senger