Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 27.08.2021, Az.: VgK-32/2021

Europaweite Ausschreibung einer Schülerbeförderung im offenen Vergabeverfahren

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
27.08.2021
Aktenzeichen
VgK-32/2021
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 54218
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
des xxxxxx,
- Antragsteller -
gegen
den xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegner -
beigeladen:
1. xxxxxx,
- Beigeladene zu 1 -
2. xxxxxx,
- Beigeladene zu 2 -
3. xxxxxx,
- Beigeladene zu 3 -
4. xxxxx,
- Beigeladener zu 4 -
5. xxxxxx,
- Beigeladener zu 5 -
6. xxxxxx,
- Beigeladene zu 6 -
wegen
Ausschreibung Schülerbeförderung; Referenznummer der Bekanntmachung: xxxxxx
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin ORR'in von dem Knesebeck und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Biologe Sameluck auf die mündliche Verhandlung vom 19.08.2021 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

  4. 4.

    Der Antragsteller hat dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten war für den Antragsgegner notwendig.

Begründung

I.

Der Auftraggeber hat mit Auftragsbekanntmachung vom xxxxxx.2021 die Schülerbeförderung von Schüler*innen im Landkreis xxxxxx im offenen Verfahren europaweit aufgeteilt in 30 Gebietslose ausgeschrieben.

Gemäß Abschnitt II.2.5) der Auftragsbekanntmachung ist einziges Zuschlagskriterium der Preis.

Unter Abschnitt III der Auftragsbekanntmachung waren als Eignungskriterien die Unterzeichnung der Eigenerklärung für Bewerber (Formblatt VVB 124) sowie die Unterzeichnung der Erklärung über Nachunternehmer ggf. zu einer Bietergemeinschaft (wenn erforderlich) benannt worden.

Bis zum Ablauf der Angebotsfrist am 27.04.2021 reichten insgesamt 10 Bieter Angebote für verschiedene Lose ein. Der Antragsteller gab frist- und formgerecht Angebote für alle 30 Lose ab.

Im Rahmen der Eigenerklärung zur Eignung (Formblatt 124 LD) gab der Antragsteller für die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre folgende Umsätze an:

xxxxxx € (netto)

xxxxxx € (netto)

xxxxxx € (netto)

Für welche Jahre die Angaben gemacht wurden, war dem Formblatt nicht zu entnehmen.

Des Weiteren kreuzte er in der Eigenerklärung zur Eignung unter dem Punkt "Angabe zu Insolvenzverfahren und Liquidation" das Kästchen "Ein Insolvenzplan wurde rechtskräftig bestätigt, auf Verlangen werde ich/werden wir ihn vorlegen." an.

Den Angeboten war ein Schreiben des Insolvenzverwalters vom xxxxxx.2019 beigefügt, in dem gemäß § 35 Abs. 2 lnsO erklärt wird, dass das Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit des Antragstellers nicht zur Insolvenzmasse gehört und Ansprüche gegenüber dem Antragsteller aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht werden können.

Aufgrund der Angabe zum Insolvenzverfahren forderte der Antragsgegner zur weiteren Beurteilung der Eignung des Antragstellers mit Nachricht vom 03.06.2021 über das Vergabeportal die folgenden Unterlagen an:

- Unbedenklichkeitsbescheinigungen Berufsgenossenschaft

- Unbedenklichkeitsbescheinigung der tariflichen Sozialkasse (soweit Betrieb beitragspflichtig ist)

- Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes bzw. Bescheinigung in Steuersachen (soweit das Finanzamt derartige Bescheinigungen ausstellt)

- Gewerbeanmeldung

- Handelsregisterauszug und Eintragung in der Handwerksrolle bzw. bei der Industrie- und Handelskammer

- ggf. Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG

- Referenzliste bestehend aus Ausführung von Leistungen in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind.

- Die Zahl der in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren jahresdurchschnittlich beschäftigten Arbeitskräfte, gegliedert nach Lohngruppen mit extra ausgewiesenem Leitungspersonal.

- den Insolvenzplan mit Auskünften zur Fortführungsprognose des Unternehmens

- Genehmigungsurkunde Gelegenheitsverkehr nach §§ 48 und 49 Personenbeförderungsgesetz

Der Antragsteller reichte fristgerecht bis zum 09.06.2021 die folgenden Unterlagen ein:

- Unbedenklichkeitsbescheinigung der Berufsgenossenschaft

- Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes

- Gewerbeanmeldung

- Mitgliedsbescheinigung IHK

- Referenzliste

- Aufstellung der durchschnittlich beschäftigten Arbeitskräfte

- Genehmigungsurkunde gem. §§ 48 und 49 PBefG

- Schreiben des Insolvenzverwalters zur Freigabe des Geschäftsbetriebs

Der Antragsteller erklärte zudem, aufgrund der Betriebsform sowie der Art der Tätigkeit keinen Handelsregisterauszug, keine Unbedenklichkeitsbescheinigung tariflicher Sozialkassen sowie keine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG einreichen zu können. Allerdings wurde ein Handelsregisterauszug des Teilbetriebs xxxxxx eingereicht, da sich die eingereichten Referenzen teilweise auch auf diesen Betrieb beziehen würden.

Ein Insolvenzplan wurde nicht eingereicht, vielmehr gab der Antragsteller die nachstehende Erklärung ab:

"Im laufenden Insolvenzverfahren wurde die Sanierung unseres Unternehmens nicht mittels eines Insolvenzplans durchgeführt, sondern sollte - wie in der Praxis sehr häufig üblich - im Rahmen einer übertragenden Sanierung erfolgen. Als Auffanggesellschaft war die xxxxxx vorgesehen. Jedoch wurde nur ein Teil des Betriebs auf die neue Gesellschaft übertragen. Der Kern des Geschäfts blieb beim xxxxxx und wird nach wie vor dort weitergeführt. Die Freigabe durch den Insolvenzverwalter erfolgterelativ früh im Verfahren (siehe Anlage 3.1), so dass der Betrieb seither unabhängig von der Insolvenzmasse geführt wird."

Aufgrund des fehlenden Insolvenzplanes und der fehlenden Fortführungsprognose bzw. weiterer Unterlagen wurden durch den Antragsgegner am 14.06.2021 weitere Unterlagen nachgefordert. Dabei wurde dem Antragsteller auch umfassend mitgeteilt, dass der Auftraggeber aufgrund der weiterhin bestehenden Insolvenz weitere Unterlagen benötigt, um das Vorliegen eines fakultativen Ausschlussgrundes nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB beurteilen zu können, also ob er trotz Insolvenz in der Lage ist, Leistungen zu erbringen. Der Antragsgegner erläuterte unter anderem, dass unklar sei, welche Vermögensgegenstände, wie beispielsweise Fahrzeuge, sich in der Insolvenzmasse befinden bzw. welchen vom Antragsteller geführten Unternehmen, diese zugeordnet werden können. Wichtig wäre zudem eine Klärung, ob für die bereits zugelassenen Fahrzeuge ein Versicherungsschutz bestehe und ob die Versicherungsprämien gezahlt wurden. Außerdem sei unklar, ob der Antragsteller die xxxxxx als Unterauftragnehmer einsetzen wolle. Für diesen Fall müsse auch für dieses Unternehmen die Eignung überprüft werden.

Folgende Unterlagen wurden daher zur weiteren Beurteilung der Fragestellungen am 14.06.2021 durch den Antragsgegner angefordert:

- Auflistung, welche Unternehmensteile/Vermögensgegenstände von der Freigabe betroffen sind und welche noch vom Insolvenzverwalter verwaltet werden.

- Auflistung welche Vermögensgegenstände zu welchem Zeitpunkt auf die xxxxxx übertragen wurden.

- Auflistung, welche Vermögensgegenstände bei xxxxxx und xxxxxx heute noch vorhanden sind.

- Auflistung, welche der von xxxxxx benannten Fahrzeuge welchem Betrieb zugeordnet sind.

- Bestätigung, dass seitens des Insolvenzverwalters keine Ansprüche an den von xxxxxx benannten Fahrzeugen geltend gemacht werden.

- Bestätigung, dass die benannten Fahrzeuge für den vorliegenden Auftrag zur Verfügung stehen und nicht für andere Antragsgegner eingesetzt werden.

- Aktuelle Bestätigung der Versicherung, dass für die bereits zugelassenen Fahrzeuge Versicherungsschutz besteht und die Versicherungsprämien gezahlt wurden.

- Für den xxxxxx die Jahresabschlüsse der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre, soweit diese noch nicht vorliegen, die BWA (Betriebswirtschaftliche Auswertung), sowie die aktuelle BWA (April oder Mai 2021).

- Für die xxxxxx die Jahresabschlüsse der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre, soweit diese noch nicht vorliegen die BWA, sowie die aktuelle BWA (April oder Mai 2021).

- Für die xxxxxx die Eröffnungsbilanz sowie Jahresabschlüsse der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre, soweit diese noch nicht vorliegen die BWA, sowie die aktuelle BWA (April oder Mai 2021).

- Aktueller Nachweis der Zahlungsfähigkeit des xxxxxx, xxxxxx und xxxxxx z.B. durch Bankenbelege.

- Aufstellung, welche Mitarbeiter bei xxxxxx, bei xxxxxx und bei xxxxxx beschäftigt sind.

- Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes für die xxxxxx.

Abschließend wird der Antragsteller darauf hingewiesen, dass ohne diese Unterlagen eine Prüfung und Prognoseentscheidung nicht möglich wäre.

Der Antragsteller nahm mit Schreiben vom 14.06.2021 zunächst Stellung und wies u. a. darauf hin, dass er ein Angebot als Einzelunternehmer mit xxxxxx und xxxxxx abgegeben habe, da es sich betrieblich, wirtschaftlich und steuerlich um einen Betrieb handele. Des Weiteren stellte er klar, dass er Gesellschafter der xxxxxx sei, die aber nicht als Nachunternehmer eingesetzt werde. Aus diesem Grund reiche er für dieses Unternehmen auch keine Unterlagen ein. Zudem teilte er mit, dass seine Fahrzeuge auch in der Vergangenheit versichert gewesen seien.

Mit Schreiben vom 17.06.2021 reichte der Antragsteller weitere Erklärungen und Unterlagen ein:

- Auflistung von der Freigabe betroffener Vermögensgegenstände

- Auflistung der auf die xxxxxx übergegangenen Vermögensgegenstände

- Auflistung der noch vorhandenen Vermögensgegenstände

- Zuordnung der benannten Fahrzeuge zu den Unternehmen

- Bestätigung des Insolvenzverwalters, dass keine Ansprüche an die benannten Fahrzeuge geltend gemacht werden

- Bestätigung, dass die benannten Fahrzeuge für den vorliegenden Auftrag zur Verfügung stehen

- Bestätigung der Versicherung, dass für die bereits zugelassenen Fahrzeuge Versicherungsschutz besteht und die Versicherungsprämien gezahlt wurden

- BWA 2019, 2020 sowie 2021 (bis April)

- Bankbeleg xxxxxx (Kontoinhaber xxxxxx)

- Bankbeleg xxxxxx (Kontoinhaber xxxxxx)

- Mitarbeiterliste für xxxxxx

- Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes für die xxxxxxx.

Die eingereichten Unterlagen wurden geprüft. Aufgrund der vorgelegten BWAs ergaben sich Widersprüche zu den in der Eigenerklärung zur Eignung für die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre angegebenen Umsätze. Aus den BWAs ergaben sich folgende Umsätze:

2019: xxxxxx EUR (netto)

2020: xxxxxx EUR (netto)

2021 (bis April): xxxxxx (netto)

Mit Schreiben vom 23.06.2021 erklärte der Antragsteller, dass sich die Angaben in der Eigenerklärung zur Eignung auf die Umsätze 2017, 2018 und 2019 beziehen. Des Weiteren würden in der BWA 2019 noch Umsätze aus dem 1. Quartal 2019, Umsätze zwischen dem xxxxxx und der xxxxxx sowie Umsätze aus der Verwertung der Insolvenzmasse fehlen. Der Insolvenzverwalter habe die Abschlüsse jedoch noch nicht freigegeben.

Mit Schreiben vom 25.06.2021 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass dem Antragsgegner der Sachstandsbericht des Insolvenzverwalters für den Zeitraum bis 31.05.2020 vorliege. Bis zu diesem Zeitraum sei eine Insolvenzbuchhaltung durchgeführt worden, so dass der Antragsteller in der Lage sein müsse, Zahlen einzureichen. Zudem wird ihm mitgeteilt, dass er zwar die xxxxxx nicht für den Auftrag einsetzen wolle, sich aber im Rahmen des Nachweises der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mehrfach auf sie berufe. Daher würden auch insoweit Unterlagen benötigt, die aber nicht vollständig vorliegen. Schließlich würden insgesamt im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch widersprüchliche Angaben Zweifel bleiben. Es wird deshalb erneut um Stellungnahme zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gebeten.

Der Antragsteller macht mit Schreiben vom 28.06.2021 weitere Erläuterungen zu seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Es wird erneut erklärt, dass die xxxxxx nicht dazu genutzt werde, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers sicherzustellen. Im Ergebnis müsse nach der Sichtung der angeforderten Unterlagen (positiver Kontostand, vorhandene Liquidität (Barkasse), Versicherungsbestätigung über vollständig gezahlte KFZ-Haftpflichtversicherungsbeiträge, durchweg positiv abgeschlossene BWAs, das Vorhandensein lasten-freier und vertragskonformer Kraftomnibusse) vom Antragsgegner eine positive Prognose ausgesprochen werden können.

Der Antragsgegner kommt nach abschließender Prüfung zu dem Ergebnis, den Antragsteller gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mangels wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auszuschließen (Abschlussvermerk Ausschluss xxxxxx vom 29.06.2021).

Mit Nachrichten über das Vergabeportal vom 29.06.2021 wurden u.a. die Beigeladenen xxxxxx, xxxxxx, xxxxxx, xxxxxx, xxxxx sowie xxxxxx aufgefordert die folgenden Unterlagen einzureichen:

- Unbedenklichkeitsbescheinigungen Berufsgenossenschaft

- Unbedenklichkeitsbescheinigung der tariflichen Sozialkasse (soweit Betrieb beitragspflichtig ist)

- Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes bzw. Bescheinigung in Steuersachen (soweit das Finanzamt derartige Bescheinigungen ausstellt)

- Gewerbeanmeldung

- Handelsregisterauszug und Eintragung in der Handwerksrolle bzw. bei der Industrie- und Handelskammer

- ggf. Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG

- Referenzliste bestehend aus Ausführung von Leistungen in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind.

- Die Zahl der in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren jahresdurchschnittlich beschäftigten Arbeitskräfte, gegliedert nach Lohngruppen mit extra ausgewiesenem Leitungspersonal.

Alle Beigeladenen, bis auf die Beigeladene xxxxxx, reichten vor Versendung der § 134 GWB-Schreiben Unterlagen ein.

Der Antragsgegner informierte den Antragsteller mit Informationsschreiben vom 08.07.2021 über seinen Ausschluss vom Verfahren und über die beabsichtigte Zuschlagserteilung auf die Angebote der Beigeladenen in den jeweiligen Losen. Die übrigen Bieter erhielten ebenfalls Informationsschreiben nach § 134 GWB. Die Beigeladenen wurden zudem aufgefordert, einer Verlängerung der Bindefrist bis zum 23.07.2021 zuzustimmen.

Mit Schreiben vom 12.07.2021, 10:37 Uhr, rügte der Antragsteller über das Vergabeportal den Ausschluss seiner Angebote. Er trägt vor, dass die Insolvenz kein genereller Ausschlussgrund sei. Der am Ausschreibungsverfahren beteiligte Geschäftsbetrieb sei nicht mehr Bestandteil des Insolvenzverfahrens. Dieses werde nur noch gegen den Inhaber xxxxxx geführt. Ausweislich der BWAs sei das Unternehmen wirtschaftlich gesund. Sofern weitere Unterlagen zum Nachweis der Eignung erforderlich wären, müsse der Antragsgegner diese bereits mit der Auftragsbekanntmachung fordern. Insgesamt habe auch mit den nachgereichten Unterlagen die Leistungsfähigkeit nachgewiesen werden können.

Wenige Minuten später, um 10:42 Uhr, beantragte der Antragsteller die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §§ 160 ff. GWB bei der Vergabekammer.

Der Antragsteller begründet seinen Nachprüfungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung seiner Ausführungen in dem o.g. Rügeschreiben.

Der Nachprüfungsantrag sei begründet.

Zwischen Antragsteller und Antragsgegner habe in der Vergangenheit bereits ein Vertragsverhältnis existiert, welches vom Antragsgegner fristlos gekündigt wurde. Gegen die Kündigung klagte der Antragsteller. Das Verfahren wurde mit einem Vergleich beendet, der u.a. zum Inhalt gehabt habe, dass die fristlose Kündigung gegenstandlos sei, da der angeführte Kündigungsgrund des Einsatzes nicht versicherter Fahrzeuge haltlos gewesen wäre. Einen Einsatz nicht versicherter Fahrzeuge habe es nie gegeben.

Aufgrund der Vorgeschichte bestehe beim Antragsteller der Eindruck, der Ausschluss seines Unternehmens hätte von vornherein festgestanden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner eine ermessensfehlerhafte Entscheidung getroffen habe.

Das sich um den Auftrag bewerbende Unternehmen müsse vom Insolvenzverfahren herausgelöst betrachtet werden. Die Vergabestelle vermische die wirtschaftlichen Aktivitäten des Antragstellers (xxxxxx) und der xxxxxx. Weder habe der Antragsteller sich auf letztere hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bezogen noch sei diese für die Übernahme von Leistungen als Bietergemeinschaftsmitglied oder Nachunternehmer vorgesehen.

Die mit der Eigenerklärung eingereichten Umsätze würden die Geschäftsjahre 2017, 2018 und 2019 betreffen. Die Jahresabschlüsse seien durch den Insolvenzverwalter bislang nicht freigegeben worden, weshalb ein Nachweis der Umsätze lediglich über die BWAs ab der Freigabe des Geschäftsbetriebes möglich sei. Der Unterschied der Angabe der Umsätze für 2019 zu der BWA für das Jahr 2019 entstehe durch die hohen Verwertungserlöse im Rahmen des Insolvenzverfahrens, die der Antragsteller im Rahmen der Eigenerklärung berücksichtigt habe. Ein exakter Nachweis der Umsatzerlöse sei mangels Freigabe der Jahresabschlüsse leider noch nicht möglich. Die angegebenen Größenordnungen seien jedoch korrekt. Entsprechende Nachweise würden der Vergabekammer vorliegen. Der Antragsgegner verkenne, dass in den BWAs nicht etwa die Umsätze der xxxxxx fehlen würden, sondern vielmehr die Umsätze, die der des Antragstellers (xxxxxx) mit der xxxxxx getätigt habe, da diese erst im Rahmen der Jahresabschlüsse schlussgerechnet werden würden.

Darüber hinaus seien die vom Antragsgegner eingereichten BWAs für die Jahre 2019, 2020 und 2021 (bis April) aufgrund der positiven Wirtschaftsergebnisse zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit ausreichend.

Sofern der Antragsgegner nunmehr vorbringe, die Kalkulation sei nicht auskömmlich, seien diese Vorwürfe für den Antragsteller neu. Hätten Zweifel an der Urkalkulation bestanden, hätte der Antragsgegner diese dem Antragsteller mitteilen müssen.

Ferner weise der Antragsteller Zweifel an der Einhaltung der Steuerpflichten aufgrund verspäteter Zahlungen zurück. Es liege eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes vor, die auch als eine solche gewertet werden müsse. Auch insoweit werde von einer negativen Auslegung gegenüber dem Antragsteller ausgegangen. Dem Antragsteller sei ein für einen Zuschlag vorgesehenes Unternehmen bekannt, welches seine Steuern nicht bezahlt habe. Des Weiteren habe der Antragsteller Kenntnis über ein Einzelunternehmen, das sich ebenfalls in einem Insolvenzverfahren befinden würde. Es werde vermutet, dass die Vergabestelle die Beibringung der Unbedenklichkeitsbescheinigungen vor der Zuschlagserteilung nicht abgewartet habe. Vielmehr sei mit zweierlei Maß gemessen worden.

Der Antragsteller sei den finanziellen Verpflichtungen des xxxxxx seit der Freigabe durch den Insolvenzverwalter nachgekommen. Alle eingesetzten bzw. für den Einsatz vorgesehenen Fahrzeuge seien lastenfrei erworben und/oder gemietet bzw. die Finanzierung sei in absehbarer Zeit abgeschlossen und vertraglich gesichert. Auch in der Vergangenheit seien alle Fahrzeige immer versichert gewesen. Der Antragsgegner könne sich daher nicht auf die Vorfälle aus der Vergangenheit stützen. Es bedürfe auch nicht eines Nachweises des Insolvenzverwalters, da es einen Rückgriff des Insolvenzverwalters auf die nach der Freigabe erworbenen Fahrzeuge nicht geben könne. Es bestehe lediglich das gewöhnliche unternehmerische Risiko wie bei jedem anderen Bieter auch.

Weiter werde davon ausgegangen, dass erst bei den übrigen Mitbewerbern weitere Nachweise zur Eignung abgefragt wurden, nach dem der Antragsteller entsprechende Hinweise gegeben habe. Er müsse jedoch davon ausgehen, dass mit dieser Anforderung weiterer Unterlagen bei den Wettbewerbern nur weitere Argumente gegen den Antragsteller gesammelt werden sollten, da die Einreichung der Nachweise nicht abgewartet worden sei. Vielmehr habe der Antragsgegner vorher die Zuschlagsentscheidungen getroffen.

Schließlich sei sich der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren bewusst. Er sei dieser auch nachgekommen. Nichts Anderes könne sich aus den umfangreichen Stellungnahmen und Datenlieferungen ergeben. Sofern die Vergabestelle jedoch Belege angefordert habe, die es objektiv nicht geben könne, könne dies dem Antragsteller nicht zur Last gelegt werden. Er habe insgesamt alles getan, um seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu belegen.

Der Antragsteller beantragt:

  1. 1.

    Den Nachprüfungsantrag als begründet anzuerkennen.

  2. 2.

    Seinen Ausschluss aus dem betreffenden Vergabeverfahren "Schülerbeförderung Landkreis xxxxxx" aufzuheben.

  3. 3.

    Dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich sämtlicher Kosten der Rechtsverteidigung aufzuerlegen.

Der Antragsgegner beantragt:

  1. 1.

    Den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückzuweisen.

  2. 2.

    Dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners aufzuerlegen.

  3. 3.

    Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner für notwendig zu erklären.

Der Nachprüfungsantrag sei zwar überwiegend zulässig. Soweit der Antragsteller vortrage, sein Unternehmen werde benachteiligt, da die Zuschlagserteilung an Unternehmen vorgesehen sei, bei denen auch eine Insolvenzvergangenheit ihrer Gesellschafter vorläge bzw. andere Wettbewerber keine Steuern gezahlt hätten, sei der Nachprüfungsantrag jedoch unzulässig, da kein substantiierter Vortrag vorliege, welche Unternehmen betroffen seien. Der Antragsteller sei der einzige Bieter, welcher sich zurzeit in Insolvenz befinde.

Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet.

Für die Beurteilung, ob ein fakultativer Ausschlussgrund nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB vorliege, bedürfe es einer konkreten Überprüfung der Eignung und einer nachfolgenden ermessensfehlerfreien Entscheidung über den Ausschluss des Bieters; hierbei habe der Antragsgegner einen Beurteilungsspielraum. Die Überprüfung der Ermessensentscheidung durch die Vergabekammer sei darauf beschränkt, ob der Antragsgegner das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet, den zugrundeliegenden Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen habe.

Der Antragsgegner habe eine sehr ausführliche Aufklärung betrieben, der Bieter sei abschließend vor der Entscheidung angehört worden und auf dieser Grundlage habe der Antragsgegner eine Prognose erstellt, eine ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen und diese auch dokumentiert.

Dabei sei die Verfügbarkeit der Fahrzeuge positiv bewertet worden, auch wenn eine Erklärung des Insolvenzverwalters nicht vorliege. Das noch kein Fahrpersonal angestellt sei, falle nicht negativ ins Gewicht, da die Anwerbung von Fahrpersonal nach Auftragserteilung im Bereich der Schülerbeförderung ein übliches Vorgehen wäre. Auch die Abfrage der Referenzen habe nicht zu einer negativen Bewertung geführt.

Grundsätzlich habe der Antragsgegner dem Antragsteller die technische und berufliche Leistungsfähigkeit unterstellt und der Antragsgegner habe keine grundsätzlichen Zweifel an der technischen Leistungsfähigkeit des Antragstellers.

Allerdings sei es dem Antragsteller nicht möglich gewesen, seine wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit darzulegen.

Der Antragsteller habe weder einen Insolvenzplan noch eine Fortführungsprognose vorgelegt. Bei Vorliegen eines Insolvenzplans sowie einer Fortführungsprognose oder einer Übertragung zur Sanierung wäre es für den Antragsgegner möglich gewesen, aufgrund der insolvenzrechtlichen Vorgehensweise eine positive vergaberechtliche Entscheidung über die Leistungsfähigkeit des betreffenden Unternehmens zu treffen. Aufgrund des Fehlens der Unterlagen sei eine eigenständige Prüfung erforderlich gewesen.

Trotz mehrfacher Aufforderung wären durch den Antragsteller keine Unterlagen vorgelegt, worden, die ein klares Bild über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers ermöglichen würden. Die Aussagen des Antragstellers seien zudem widersprüchlich.

Einerseits berufe sich der Antragsteller zum Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf Umsätze, bei denen die Umsätze der xxxxxx hinzugerechnet bzw. berücksichtigt werden würden, und andererseits stelle er mehrfach klar, dass dieses Unternehmen nicht für den vorliegenden Auftrag eingesetzt werde, dementsprechend auch nicht hafte und die Vorlage der Umsätze nicht erforderlich wäre. Ein Berufen auf die Umsätze der xxxxxx wäre über die Eignungsleihe auch ohne den Einsatz als Nachunternehmer möglich. Bei Außerachtlassen der (noch) nicht ausgeführten Buchung(-en) aus den Leistungsbeziehungen zur xxxxxx sei die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Antragstellers nach Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung unvollständig. Es sei unklar, welche konkreten Umsätze der Antragsteller in den maßgeblichen Zeiträumen hatte, und seine Erläuterungen, warum keine konkreten Umsätze vorgelegt werden könnten, würden zwangsläufig dazu führen, dass seine Rechnungslegung nicht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung entspreche, wenn Umsätze erst im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten nachgebucht werden würden. Des Weiteren berufe sich der Antragsteller zum Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch auf Umsätze aus der Verwertung der Insolvenzmasse, die jedoch ebenfalls nicht für den vorliegenden Auftrag hafte.

Zwischen den angegebenen und nachgewiesenen Umsätzen des Antragstellers bestünden hohe Differenzen. Die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse seien durch die BWAs auch nach dem eigenen Vortrag des Antragsstellers nicht abgebildet. Es sei daher weiterhin offen, wie sich die wirtschaftliche Situation des Antragsstellers aktuell darstelle. Durch das Abweichen der Umsatzzahlen in der Eigenerklärung im Vergleich zu den BWAs liege zudem keine ordnungsgemäße Eigenerklärung über die Eignung vor, da fehlerhafte bzw. falsche Umsätze angegeben worden seien. Fehlerhafte bzw. falsche Erklärungen seien mit fehlenden Unterlagen gleichzusetzen. Das Angebot sei in diesem Fall unvollständig und damit gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV auszuschließen. Eine Nachforderung gemäß § 56 Abs. 2 VgV komme nicht in Betracht, da eine fehlerhafte bzw. falsche Erklärung nach der aktuellen Rechtslage nicht nachgefordert werden dürfe. Daran würden auch die unzureichenden Angaben zu den Eignungsnachweisen in der Auftragsbekanntmachung nichts ändern. Der fehlende Konkretisierungsgrad in der EU-Bekanntmachung gebe dem Bieter nicht das Recht, falsche Erklärungen abzugeben.

Hinzukommen weitere Indizien, die ebenfalls Zweifel an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit begründen. Gemäß der Bescheinigung des Finanzamtes seien die festgesetzten und fälligen Steuern durch den Antragsteller immer verspätet gezahlt wurden. Dieses spreche gegen eine Einhaltung der Steuerpflichten.

Auch durch die vorgelegten Bankbelege könne die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht belegt werden; hierzu habe der Antragsgegner den Antragsteller nochmals angehört. Dennoch habe der Antragsteller keine weiteren Unterlagen, Belege oder Erklärungen vorgelegt, mit denen er seine Leistungsfähigkeit hätte darlegen können. Insoweit verkenne der Antragsteller, dass er eine Mitwirkungspflicht habe, seine Eignung zu belegen. Ebenfalls verkenne der Antragsteller, dass der Antragsgegner die Unterlagen, die er im Falle einer Insolvenz zur Prüfung abfordere, nicht in der Auftragsbekanntmachung hätte angeben müssen.

Im Hinblick auf die reibungslose Durchführung des zu vergebenden Auftrags sei es für den Antragsgegner von entscheidender Bedeutung, ob der in Insolvenz geratene Antragsteller über eine ausreichend gesicherte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und zwar auch für die Dauer der Leistungsbeziehungen verfüge. Hierzu habe der Antragsgegner keine verlässlichen Informationen erhalten.

Schließlich wehre sich der Antragsgegner dagegen, dass bei anderen Wettbewerbern keine umfangreiche Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfolgt sei. Hierbei verkenne er jedoch, dass sich diese nicht in Insolvenz befinden und dementsprechend nur bei ihm eine entsprechende Pflicht zur Prüfung besteht würde.

Nach Eingang des Nachprüfungsantrags forderte der Antragsgegner mit Schreiben vom 10.08.2021 die Beigeladenen erneut zur Zustimmung der Verlängerung der Bindefrist, bis zum 30.09.2021, auf. Des Weiteren wurde die Beigeladene xxxxxx erneut um Einreichung der bereits mit Nachricht vom 29.06.2021 geforderten Unterlagen gebeten.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärte der Antragsteller, seinen Nachprüfungsantrag nur noch für die Lose 3 - 8, 11, 12, 16, 17, 20, 21, 24, 25, 27 und 28 aufrechtzuerhalten.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die Vergabekammer hat die Frist zur Entscheidung mit Verfügung vom 11.08.2021 bis zum 31.08.2021 verlängert.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2021 Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Der Antragsteller ist durch die Entscheidung des Antragsgegners, die Angebote des Antragstellers aufgrund des anhängigen Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB von der Angebotswertung auszuschließen, nicht in seinen Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt.

Der Antragsgegner hat das den öffentlichen Auftraggebern durch § 124 GWB eingeräumte und auferlegte Ermessen in vergaberechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 8 VgV genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 1 GWB.

Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2020 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Auftragsvergabe ein Schwellenwert von 214.000 € gilt. Ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte (Vergabevermerk - Basisinformationen, Stand: 14.07.2021, a2. Leistungsverzeichnis) überschreiten die gemäß § 3 VgV vom Antragsgegner geschätzten Kosten für den Gesamtauftrag deutlich den Schwellenwert.

Der Antragsteller ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da er ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem er beanstandet, dass der Antragsgegner sein Unternehmen zu Unrecht aufgrund des anhängigen Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB von der Angebotswertung ausgeschlossen und seine Angebote nicht berücksichtigt hat. Er habe das ihm obliegende Ermessen nicht vergaberechtsgemäß ausgeübt. Er, der Antragsteller, habe seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für das am Vergabeverfahren beteiligte Unternehmen hinreichend dargelegt. Insbesondere habe der Antragsgegner aber gleichwohl für seine streitgegenständliche Prognose nicht hinreichend berücksichtigt, dass er seinen Angeboten ein Schreiben des Insolvenzverwalters vom xxxxxx.2019 beigefügt hat, in dem gemäß § 35 Abs. 2 lnsO erklärt wird, dass das Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit des Antragstellers nicht zur Insolvenzmasse gehört und Ansprüche gegenüber dem Antragsteller aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht werden können.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rn. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 107, Rn. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS). Der Antragsteller hat eine mögliche Beeinträchtigung seiner Chancen auf den Zuschlag für mehrere Lose und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt.

Der Antragsteller hat auch seiner Pflicht genügt, die geltend gemachten Verstöße gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen nach positiver Kenntniserlangung gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Bei der Vorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.

Der Antragsgegner informierte den Antragsteller mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 08.07.2021 über seinen Ausschluss vom Verfahren und über die beabsichtigte Zuschlagserteilung auf die Angebote der Beigeladenen in den jeweiligen Losen.

Der Antragsteller hat daraufhin mit Schreiben vom 12.07.2021 über das Vergabeportal den Ausschluss seiner Angebote gerügt. Er hat dabei vorgetragen, dass die Insolvenz kein genereller Ausschlussgrund sei. Der am Ausschreibungsverfahren beteiligte Geschäftsbetrieb sei nicht mehr Bestandteil des Insolvenzverfahrens. Dieses werde nur noch gegen den Inhaber xxxxxx geführt. Ausweislich der BWAs sei das Unternehmen wirtschaftlich gesund.

Die Rüge erfolgte damit rechtzeitig i. S. d. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.

Der Nachprüfungsantrag ist somit zulässig.

2. Der Nachprüfungsantrag ist allerdings unbegründet. Der Antragsgegner hat sich im Rahmen seines ihm durch § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB eingeräumten Ermessens gehalten, als er sich entschied, die Angebote des Antragstellers auszuschließen.

Gemäß § 122 Abs. 1 GWB werden öffentliche Aufträge an geeignete Unternehmen vergeben. Geeignet sind sie nach der Legaldefinition des § 122 GWB dann, wenn sie fachkundig und leistungsfähig sind und nicht nach den §§ 123 oder 124 GWB ausgeschlossen worden sind. § 124 GWB enthält Ausschlussgründe, die in erster Linie die Zuverlässigkeit eines Bieters oder Bewerbers, aber auch die Leistungsfähigkeit bzw. besondere Situationen (Insolvenz, Interessenkonflikt, Projektantenstellung), in der sich der Bieter oder Bewerber befindet, betreffen (vgl. Opitz in: Beck'scher Vergaberechts Kommentar, Vergaberecht, Bd. 1, 3. Aufl., § 124 GWB, Rn. 2). § 124 GWB enthält im Gegensatz zu den zwingenden Ausschlussgründen des § 123 GWB eine Auflistung von Tatbeständen, bei deren Vorliegen ein Unternehmen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden kann. Es handelt sich somit ausdrücklich um fakultative Ausschlussgründe, so dass ein Auftraggeber ein Unternehmen ausschließen kann, wenn ein solcher Ausschlussgrund gegeben ist. Das Vorliegen des Ausschlusstatbestandes indiziert jedoch nicht automatisch den Ausschluss (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18.02.2013 - 13 Verg1/13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.05.2012 - Verg 68/11; VK Niedersachsen, Beschluss vom 18.05.2020 - VgK-07/2020; Wieddekind in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 4. Aufl., § 124 GWB, Rn. 1). Dem öffentlichen Auftraggeber obliegt also, sofern er von Tatsachen Kenntnis erhält, die den Anwendungsbereich des § 124 GWB berühren, gegebenenfalls in doppelter Hinsicht eine Ermessensausübung und -entscheidung. Das Beurteilungsermessen des öffentlichen Auftraggebers erstreckt sich nicht nur auf die Frage des Vorliegens des Ausschlussgrundes, sondern der Auftraggeber hat auch einen Ermessensspielraum, ob er von der Möglichkeit des Ausschlusses bei nachweislichem Vorliegen des Ausschlussgrundes auch tatsächlich Gebrauch machen will (Hausmann/von Hoff in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 124, Rn. 69; Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/6281, Seite 104).

Die Nachprüfungsinstanzen können angesichts des dem Auftraggeber zustehenden Ermessens eine - positive oder negative - Ausschlussentscheidung nach § 124 Abs. 1 GWB grundsätzlich nur auf Ermessensfehler überprüfen (Hausmann/von Hoff, a. a. O., § 124 GWB, Rn. 71). Ermessensfehler liegen nur dann vor, wenn die vom Auftraggeber getroffenen Sachverhaltsermittlungen und Feststellungen oder die Anwendung vergaberechtlicher Rechtsbegriffe auf willkürlichen, sachwidrigen Erwägungen beruht oder aber das Ermessen auf Null reduziert war und der Auftraggeber das verkannt hat (vgl. VK Lüneburg, Beschluss vom 18.10.2005 - VgK-47/2005; VK Bund, Beschluss vom 20.07.2005 - VK 2-72/05).

Der Antragsgegner hat ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte (insbes. Vermerke "Sachliche Prüfung der Angebote" und "Prüfung der Eignung des Bieters xxxxxx" durch das Fachamt xxxxxx vom 29.06.2021 sowie Aufklärungsschreiben des Antragsgegners vom 03.06.2021, 14.06.2021, 25.06.2021 und die daraufhin erfolgten Antwortschreiben des Antragstellers) unter Beachtung dieser Anforderungen einzelfallbezogen geprüft, ob ein Ausschluss des Antragstellers gerechtfertigt ist. Dabei hat er nicht nur eine umfangreiche Sachverhaltsaufklärung unter Berücksichtigung des Vortrags des Antragstellers, der von ihm eingereichten Erklärungen und Nachweise sowie der Konsultation des Insolvenzverwalters betrieben, sondern auf dieser Grundlage eine Prognose hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmens des Antragstellers erstellt und die schließlich die Ermessensentscheidung über den Ausschluss seiner Angebote vom Vergabeverfahren getroffen:

a. Ein fakultativer Ausschlussgrund liegt im Falle des Antragstellers vor. Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB können öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen zahlungsunfähig ist, über das Vermögen des Unternehmens ein Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares Verfahren beantragt oder eröffnet worden ist, die Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, sich das Unternehmen im Verfahren der Liquidation befindet oder seine Tätigkeit eingestellt hat. Über das Vermögen des Antragstellers hat das Amtsgericht xxxxxx unstreitig mit Beschluss vom xxxxxx.2019 das Insolvenzverfahren eröffnet. Dieses ist seitdem anhängig (Schreiben des Insolvenzverwalters xxxxxx, vom xxxxxx.2019). Darüber hinaus hat der Antragsteller in seinem Angebot mit der Eigenerklärung zur Eignung (Formblatt 124 LD) selbst erklärt, dass er sich in Insolvenz befindet, bzw. dass ein Insolvenzplan rechtskräftig bestätigt wurde und auf Verlangen vorgelegt wird.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers erstreckt sich das Insolvenzverfahren auch auf den im vorliegenden Vergabeverfahren beteiligten "xxxxxx". Der Antragsteller vertritt die Auffassung, dass aufgrund der Entlassung des diesbezüglichen Vermögens aus der selbstständigen Tätigkeit aus der Insolvenzmasse gemäß § 35 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) bereits die Voraussetzungen für einen fakultativen Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht vorliegen.

Der Antragsteller hatte seinen Angeboten ein Schreiben des Insolvenzverwalters vom xxxxxx.2019 beigefügt, in dem gemäß § 35 Abs. 2 lnsO erklärt wird, dass

"Vermögen aus ihrer selbstständigen Tätigkeit ab dem xxxxxx.2019 (xxxxxx) nicht zur Insolvenzmasse gehört und dass Ansprüche aus dieser Tätigkeit, soweit diese ab dem xxxxxx.2019 ihm gegenüber entstehen, nicht im Insolvenzverfahren gelten gemacht werden können."

Weiter heißt es dort:

"Die Insolvenzmasse haftet ab dem xxxxxx 2019 für die im Rahmen der Geschäftstätigkeit begründeten Verbindlichkeiten, besondere Steuerverbindlichkeiten. In diesem Zusammenhang weise ich Sie ausdrücklich darauf hin, dass sämtliche Steuererklärungen ausschließlich von ihnen direkt abzugeben sind. Von hier aus werden keinerlei Steuererklärungen, welche im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit ab dem xxxxxx.2019 stehen, gegeben. Zusammengefasst sind sie hinsichtlich sämtlicher Rechtsverhältnisse, welche sie im Rahmen der selbstständigen Tätigkeit begründen, allein berechtigt und verpflichtet."

Daraus folgt jedoch nur, dass der Antragsteller aufgrund der Freigabe gemäß § 35 Abs. 2 InsO losgelöst von den Insolvenz- und Beschlagsregelungen und damit ohne die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters seinen xxxxxx fortführen kann. Seit dem xxxxxx.2019 handelt der Antragsteller mit diesem Betrieb damit selbstständig. Umgekehrt haftet aber auch die Insolvenzmasse und auch der Insolvenzverwalter selbst nicht für diese Tätigkeit. Da es sich um einen inhabergeführten Betrieb handelt, haftet der Antragsteller persönlich für seine Verbindlichkeiten.

Ein Insolvenzplan, dessen Existenz und dessen Vorlage der Antragsteller noch mit seinem Angebot im Formblatt Eigenerklärung zur Eignung ausdrücklich erklärt hatte, liegt nicht vor. Auch eine Fortführungsprognose wurde nicht vorgelegt. Ebenso wurde dem Antragsteller der Betrieb nicht zur Sanierung übertragen. Der Antragsgegner hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich bei der Erklärung des Insolvenzverwalters gemäß § 35 Absatz 2 InsO nicht um eine Übertragung zur Sanierung, sondern um eine sogenannte Negativerklärung handelt. Die Erklärung ist darauf gerichtet, dass Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit aus der Masse auszuscheiden und zugleich die Masse von den künftigen Verbindlichkeiten aus dieser Tätigkeit abzuschirmen (Bornemann, in: FK-InsO, § 35, Rn. 31 ff.).

Der Antragsgegner ist daher zu Recht zu dem Schluss gelangt, dass der fakultative Ausschlussgrund eines anhängigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB vorliegt.

b. Der Antragsgegner war angesichts dieser Sachlage und insbesondere aufgrund der Tatsache, dass ein Insolvenzplan und eine Fortführungsprognose nicht vorliegen, im Rahmen der ihm obliegenden Prüfung nach § 124 GWB gehalten, über die normale, alle Bieter betreffende Eignungsprüfung hinaus den Sachverhalt aufzuklären und eine Prognoseentscheidung zur Leistungsfähigkeit des Antragstellers zu treffen. In diesem Rahmen war er entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht auf die in der Vergabebekanntmachung genannten Eignungsnachweise (§ 48 VgV) beschränkt. Eine Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Bietern im streitgegenständlichen Vergabeverfahren liegt dadurch nicht vor. Denn der Antragsteller ist vorliegend der einzige Bieter, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren anhängig ist.

Hätte der Antragsteller einen Insolvenzplan und eine Fortführungsprognose oder eine ausdrückliche Übertragung zur Sanierung seitens seines Insolvenzverwalters vorlegen können, wäre dem Antragsgegner eine - ggf. positive - Prognoseentscheidung hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Antragstellers bei einem geringeren Aufklärungsaufwand möglich gewesen. Bei insolventen Unternehmen, die sich mithilfe eines vom Gericht zu bestätigenden Insolvenzplans entschulden, fällt einem öffentlichen Auftraggeber eine positive Prognoseentscheidung trotz Insolvenz des Bieterunternehmens regelmäßig leichter. Ein Insolvenzplan dient dem Ziel, das betroffene Unternehmen zu erhalten und wird in der Praxis zumeist die Fortführungsfähigkeit insolventen Unternehmens zumindest teilweise darlegen. Dies gilt grundsätzlich auch für die vom Antragsteller vorgetragene, aber nicht belegte Übertragung eines Betriebs zur Sanierung. Sowohl im Falle eines Insolvenzverfahrens als auch im Falle einer Übertragung zur Sanierung haftet aber die Insolvenzmasse und auch der Insolvenzverwalter für die weitere Tätigkeit.

Dies hat im vorliegenden Fall der Insolvenzverwalter in seinem Schreiben vom xxxxxx.2019 aber im Einklang mit § 35 Absatz 2 InsO ausdrücklich ausgeschlossen. Der Antragsgegner war daher im Rahmen seiner Ausschlussprüfung gemäß § 124 GWB gehalten und berechtigt, insbesondere die Frage der finanziellen Leistungsfähigkeit des Antragstellers aufzuklären und dazu - wie ausführlich geschehen und dokumentiert - weitere Nachweise und Erklärungen des Antragstellers zu fordern, von denen der Antragsteller unstreitig nur einen Teil vorgelegt hat.

c. Da der fakultative Ausschlusstatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB vorliegt, hatte die Vergabekammer daher zu prüfen, ob sich der Antragsgegner bei der Entscheidung zum Ausschluss des Antragstellers im Rahmen seines ihm durch § 124 GWB eingeräumten Ermessens gehalten hat und dieses Ermessen in einer den Anforderungen des § 8 genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert hat.

Der Antragsgegner hat die für die ihm obliegende Prognoseentscheidung zur Leistungsfähigkeit des Antragstellers erfolgten Aufklärungsbemühungen und die im Rahmen der Ermessensentscheidungen berücksichtigten Tatsachen ausführlich in einem in der Vergabeakte enthaltenen Vermerk über die "Prüfung der Eignung des Bieters xxxxxx" durch das Fachamt xxxxxx vom 29.06.2021 dokumentiert.

Dieser Vermerk trägt die Feststellung des Antragsgegners, das es ihm im Ergebnis nicht möglich war, eine positive Prognose zu finanziellen Leistungsfähigkeit des Antragstellers zu stellen, weil der Antragsteller widersprüchliche Angaben zu den Umsätzen und zur finanziellen Situation des Inhaberbetriebes xxxxxx nicht zur hinreichenden Gewissheit des Antragsgegners aufklären konnte.

Dabei hat der der Antragsgegner bei seiner Ermessensentscheidung das Interesse des öffentlichen Auftraggebers an einer ordnungsgemäßen Auftragserfüllung und einer möglichst risikoarmen Verwendung der zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel gegenüber dem Interesse des Antragstellers am Erhalt des Auftrags in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen. Er hat dabei auch zugunsten des Antragstellers festgestellt und berücksichtigt, dass die Fachkunde und technische Leistungsfähigkeit - insbesondere die personelle Ausstattung und technische Ausstattung (notwendige Fahrzeuge) - durch den Antragsteller gewährleistet wird. Der Antragsteller hat jedoch nicht die für die Eignung gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 2 GWB ebenfalls erforderliche wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit belegt.

Der Antragsgegner hat in seinem Vermerk vom 29.06.2021 wie auch in seinem Vortrag im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens zu Recht darauf hingewiesen, dass nach wie vor widersprüchliche Angaben des Antragstellers bezüglich der Umsätze des xxxxxx vorliegen. Im Rahmen der Eigenerklärung zur Eignung (Formblatt 124 LD) gab der Antragsteller für die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre folgende Umsätze an:

xxxxxx € (netto)

xxxxxx € (netto)

xxxxxx € (netto)

Für welche Jahre die Angaben gemacht wurden, war dem Formblatt nicht zu entnehmen. Mit Aufklärungsschreiben vom 14.06.2021 forderte der Antragsgegner für den xxxxxx u. a. die Jahresabschlüsse der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre bzw. - soweit diese noch nicht vorliegen - die BWA (Betriebswirtschaftliche Auswertungen), sowie die aktuelle BWA (April oder Mai 2021) an. Daraufhin reichte der Antragsteller mit Schreiben vom 17.06.2021 BWA ein, die folgende Umsätze auswiesen:

2019: xxxxxx EUR (netto)

2020: xxxxxx EUR (netto)

2021 (bis April): xxxxx (netto).

Mit Schreiben vom 22.06.2021 bat der Antragsgegner den Antragsteller daraufhin um Aufklärung dieser widersprüchlichen Angaben. Mit Schreiben vom 23.06.2021 erklärte der Antragsteller daraufhin, dass sich die Angaben in der Eigenerklärung zur Eignung auf die Umsätze 2017, 2018 und 2019 beziehen. Des Weiteren würden in der BWA 2019 noch Umsätze aus dem 1. Quartal 2019, Umsätze zwischen dem xxxxxx und der xxxxxx sowie Umsätze aus der Verwertung der Insolvenzmasse fehlen. Der Insolvenzverwalter habe die Abschlüsse jedoch noch nicht freigegeben.

Die Vorlage von Unterlagen für die 2019 als Auffanggesellschaft gegründete xxxxxx hatte der Antragsteller bereits mit Schreiben vom 15.09.2021 abgelehnt, da diese Gesellschaft nicht als Nachunternehmer eingesetzt werde.

Er erklärte aber mit Schreiben vom 23.06.2021, dass in den Umsatzzahlen zu 2019 noch (nicht bezifferte) Umsätze zwischen dem xxxxxx und der xxxxxx fehlten. Diese Umsätze würden im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten nachgebucht werden. Gleiches gelte für das Geschäftsjahr 2021.

Zudem seien in dem vorliegenden betriebswirtschaftlichen Bericht für 2019 noch nicht alle Verkaufsumsätze gebucht, die sich aus der Sanierung des - ursprünglichen - Betriebes im Rahmen der Insolvenzverwaltung ergeben hätten (Erlöse aus den Versteigerungen des Unternehmenseigentums).

Auf telefonische Nachfrage des Antragsgegners hat der Insolvenzverwalter des Antragstellers erklärt, dass eine Bestätigung der Umsatzzahlen nicht erteilt werden könne. Ein Steuerberater sei für die Erstellung der Jahresabschlüsse zwar beauftragt worden, diese lägen aber noch nicht vor.

Es ist daher für die Vergabekammer nachvollziehbar, dass der Antragsgegner auch nach seinen umfangreichen Aufklärungsbemühungen zu dem Schluss gelangt ist, dass er gemessen an dem verfahrensgegenständlichen Auftragsvolumen keine hinreichend sichere positive Prognose hinsichtlich der finanziellen Leistungsfähigkeit des Antragstellers erstellen kann.

Der in der Vergabeakte dokumentierte Sachverhalt und die ebenfalls dokumentierten Aufklärungsmaßnahmen und Prüfungen tragen daher die Entscheidung des Antragsgegners, den Antragsteller mit seinen Angeboten vom Vergabeverfahren auszuschließen. Der Antragsgegner hat sich dabei im Rahmen des ihm als öffentlichen Auftraggeber durch § 124 GWB eingeräumten Ermessens gehalten.

Der Nachprüfungsantrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB in der seit dem 18.04.2016 geltenden Fassung (Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsgesetz - VergRModG) vom 17.02.2016 (BGBl. I, S. 203), in Kraft getreten gemäß dessen Art. 3 am 18.04.2016).

Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der Gegenstandswert wird auf xxxxxx € (brutto) festgelegt. Dieser Betrag entspricht der Summe der Angebotspreise des Antragstellers für die streitgegenständlichen Lose 3 - 8, 11, 12, 16, 17, 20, 21, 24, 25, 27 und 28, unter Berücksichtigung der Verlängerungsoption um maximal zwei weitere Vertragsjahre und damit seinem Interesse am Auftrag.

Die Verlängerungsoptionen stellen einen wirtschaftlichen Wert dar, der dem Ausschreibungsgegenstand innewohnt und das Interesse der Bieter am Auftrag mitbestimmt. Die Ungewissheit darüber, ob der Auftraggeber das Optionsrecht ausüben wird, ist mit einem angemessenen Abschlag vom vollen Auftragswert zu berücksichtigen, der rechnerisch während der optionalen Vertragslaufzeit erzielt werden könnte; im Regelfall ist es angezeigt, diesen Abschlag auf 50 % zu veranschlagen (vgl. BGH, Beschluss vom 18.03.2014, X ZB 12/13).

Bei einer Gesamtsumme von xxxxxx € ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag in der Hauptsache keinen Erfolg hatte.

Aufwendungen des Antragsgegners:

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat der Antragsteller dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war erforderlich. Die anwaltliche Vertretung des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Daher kann die Vergabekammer die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Antragsgegner regelmäßig nicht als notwendig ansehen.

Allerdings gehören die das vorliegende Nachprüfungsverfahren maßgeblich prägenden Anforderungen an die Berücksichtigung der Auswirkungen einer Bieterinsolvenz für die Eignungsprognose nicht zu den einfach gelagerten vergaberechtlichen Rechtsfragen, mit der sich ohnehin jede Vergabestelle in der Praxis auseinandersetzen muss. Es erscheint zur Abarbeitung eines Nachprüfungsverfahrens daher angemessen, das anhand der regelmäßigen Linienarbeit bemessene Personal für das Nachprüfungsverfahren anwaltlich zu verstärken. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war daher für den Antragsgegner in diesem Fall als notwendig anzuerkennen.

Angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren in der Hauptsache unterlegen ist, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung erforderlichen Kosten des Antragsgegners zu tragen.

Der Antragsteller wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Gebühr in Höhe von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

...

Gause
von dem Knesebeck
Sameluck