Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 11.12.2015, Az.: VgK-45/2015

Ausschreibunng der maschinellen Fahrbahnreinigung nach Unfällen mit wassergefährlichen Stoffen; Vergabeentscheidung in vergabegaberechtlich zu beanstandender Weise wegen Beurteilungsfehlern; Eignungsprüfung bezüglich der Zulässigkeit der Beigeladenen; Ausschluss eines Unternehmens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
11.12.2015
Aktenzeichen
VgK-45/2015
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 37984
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
xxxxxx,
- Antragsgegnerin -
beigeladen:
xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigter: xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
Vergabeverfahren "Fahrbahnreinigung nach Unfällen mit wassergefährlichen Stoffen 2015 - 2018"
hat die Vergabekammer durch die Vorsitzende RR'in Meinecke, den hauptamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Peter und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.- Biologe Sameluck, auf die mündliche Verhandlung vom 11.12.2015 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist, weil die Antragsgegnerin ihre Vergabeentscheidung in vergaberechtlich zu beanstandender Weise wegen Beurteilungsfehlern getroffen hat. Das Vergabeverfahren ist in den Stand vor Angebotsbewertung zurück zu versetzen und die Bewertung der Eignung der Beigeladenen neu vorzunehmen. Dabei hat die Antragsgegnerin die aus den Entscheidungsgründen ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.

  2. 2.

    Die Höhe der Gebühr wird auf xxxxxx € festgesetzt. Auslagen sind nicht entstanden.

  3. 3.

    Die Kosten (Gebühren und Auslagen der Vergabekammer) des Nachprüfungsverfahrens tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene je zur Hälfte. Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Entrichtung ihres Gebührenanteils befreit.

  4. 4.

    Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben der Antragstellerin je zur Hälfte die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

I.

Die Vergabestelle und Antragsgegnerin hat mit EU-Vergabebekanntmachung vom xxxxxx.2015 die maschinelle Fahrbahnreinigung nach Unfällen mit wassergefährdenden Stoffen für die Bezirke der Autobahnmeistereien xxxxxx, xxxxxx und xxxxxx in drei Losen europaweit im offenen Verfahren als Dienstleistungsauftrag gem. VOL/A-EG für den Zeitraum vom 01.10.2015 bis zum 30.09.2018 ausgeschrieben. Einziges Zuschlagskriterium war gem. Ziffer IV.2.1) der Bekanntmachung der niedrigste Preis.

Die Durchführung der Fahrbahnreinigung sollte nach Maßgabe der den Bietern mit den sonstigen Ausschreibungsunterlagen übersandten Ausführungsbeschreibung erfolgen. Danach sollten u. a. für die Reinigungsarbeiten grundsätzlich Großgeräte mit einer Reinigungsleistung von mindestens 3.000 m2/h für die Flächenreinigung bzw. 2.000 m/h für die Spurreinigung eingesetzt werden. Im Weiteren waren die Leistungen nach Abruf der zuständigen Autobahnmeisterei unverzüglich, jedoch spätestens 60 Minuten nach Beauftragung, durchzuführen.

Bis zum Schlusstermin für den Eingang der Angebote am 25.08.2015 gaben in Bezug auf das hier streitgegenständliche Los 1 zwei Bieter ein Angebot ab. Nach der preislichen Wertung lag die Beigeladene auf Rang 1, die Antragstellerin auf Rang 2.

Mit Bieterinformationsschreiben gem. § 101 a GWB vom 13.10.2015 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, den Zuschlag am 24.10.2015 auf das Angebot der Beigeladenen erteilen zu wollen, da die Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe.

Auf die Bieterinformation hin rügte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schreiben vom 15.10.2015 das Vergabeverfahren unter der Begründung, dass die Beigeladene seinerzeit in den Korruptionsskandal bei der Autobahnmeisterei xxxxxx involviert gewesen sei, infolge dessen wegen Unzuverlässigkeit von der Vergabe ausgeschlossen wurde und zu bezweifeln sei, dass die Beigeladene in der Zwischenzeit ausreichende Maßnahmen getroffen habe, ihre Zuverlässigkeit wiederherzustellen. Zudem sei das Angebot der Beigeladenen wegen der Nichterfüllung der technischen Leistungsanforderungen auszuschließen, da die Beigeladene nicht über Großgeräte verfüge, die die in der Ausführungsbeschreibung vorgegebenen Reinigungsleistungen erfüllen würden. Die Antragstellerin setzte der Antragsgegnerin eine Frist zur Abhilfe ihrer Rüge bis zum 20.10.2015.

Nachdem die Antragsgegnerin innerhalb der gesetzten Frist nicht reagierte, beantragte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22.10.2015 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Sämtliche Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages lägen vor.

Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet.

Die Beigeladene verfüge nicht über die erforderliche Zuverlässigkeit zur Durchführung des Auftrages. So sei sie von der Antragsgegnerin bereits in einem Vergabeverfahren zur Fahrbahnreinigung nach Unfällen mit wassergefährdenden Stoffen aus dem Jahr 2011 wegen einer nachweislich begangenen schweren Verfehlung von dem Vergabeverfahren gem. § 6 Abs. 6 lit. c) VOL/A-EG ausgeschlossen worden. Die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses sei mit Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen vom 12.12.2011 (VgK-53/2011) bestätigt worden.

Auch in einem weiteren Vergabeverfahren zur maschinellen Fahrbahnreinigung aus dem Jahr 2012 habe die Vorlage unrichtiger Prüfzeugnisse durch die Beigeladene, die dort als Nachunternehmer fungierte, zu einem zwingenden Ausschluss gem. § 6 Abs. 6 lit. e) VOL/A-EG geführt. Der diesbezügliche Beschluss der Vergabekammer vom 12.07.2012 (VgK-21/2012) sei durch den Hinweisbeschluss des OLG Celle vom 02.08.2012 (13 Verg 8/12) bestätigt worden.

Es sei zu bestreiten, dass die Beigeladene in der Zwischenzeit ausreichende Maßnahmen getroffen habe, um ihre Zuverlässigkeit wiederherzustellen.

Nach der Entscheidungspraxis der Vergabekammer Niedersachsen handele es sich bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit für den zu vergebenden Auftrag um eine Prognoseentscheidung, bei der die Vergabestelle zu berücksichtigen habe, ob der Bieter selbst glaubwürdige und Erfolg versprechende Maßnahmen ergriffen habe, um in der Vergangenheit vorgekommene Rechtsverletzungen für die Zukunft ausschließen zu können. Dies könne ein Unternehmen u. a. durch innerbetriebliche und personelle Maßnahmen erreichen.

Hinsichtlich der personellen Maßnahmen habe das OLG Brandenburg mit Beschluss vom 14.12.2007 (Verg W 21/07) festgestellt, dass sich ein Unternehmen weiterhin eine schwere Verfehlung zurechnen lassen müsse, soweit es sich nicht unverzüglich und vollständig von einer Person trenne und ihr jeden Einfluss auf die Geschäftsführung verwehre, die eine schwere Verfehlung begangen habe. Vorliegend stehe jedoch fest, dass die damals betroffene Geschäftsführerin, Frau xxxxxx, weiterhin im Unternehmen tätig sei. Es könne insoweit nicht ausgeschlossen werden, dass Frau xxxxxx weiterhin Einfluss auf Unternehmensentscheidungen ausübe. Diesbezüglich habe die Antragsgegnerin in ihrem Vermerk vom 16.09.2015 zum Ausschluss der Beigeladenen selbst festgestellt, dass die getroffenen personellen Veränderungen für sich allein genommen nicht ausreichend seien, von einer erfolgreichen Selbstreinigung auszugehen.

Allein auf Basis dieser Feststellung hätte die Zuverlässigkeit der Beigeladenen verneint werden müssen. Spielraum für eine Ermessensausübung zugunsten der Beigeladenen hätte es nach dieser Feststellung nicht mehr gegeben.

Ein Ausschluss der Beigeladenen wegen mangelnder Zuverlässigkeit sei auch weiterhin möglich. Die Antragsgegnerin stütze sich bei ihrer Vergabeentscheidung auf § 126 GWB-E und somit auf eine Vorschrift, die sich noch im Entwurfsstadium befinde, also noch nicht in Kraft sei. Selbst wenn man aber den diesbezüglichen Maßstab hier heranziehen wolle, wäre hinsichtlich der gegenüber den damaligen Geschäftsführerinnen angenommenen Straftatbestände des § 333, 331 StGB entsprechend der obligatorischen Ausschlussgründe des § 123 GWB-E an den Zeitpunkt der rechtskräftigen Verurteilung anzuknüpfen gewesen. In dem Vermerk zum Ausschluss der Beigeladenen habe es diesbezüglich lediglich geheißen:

"Ob zwischenzeitlich eine Verurteilung erfolgt ist, ist mir momentan nicht bekannt"

Daher hätte die Antragsgegnerin auf dieser Tatsachengrundlage weitere Erkundigungen einholen müssen, ob mittlerweile ein Strafurteil gegen die ehemaligen Geschäftsführerinnen der Beigeladenen vorliege und wann dieses rechtskräftig geworden sei. Eine entsprechende Anfrage bei der Justiz hätte ergeben, dass zwischenzeitlich tatsächlich ein am 18.08.2015 rechtskräftig gewordenes Strafurteil gegen die ehemaligen Geschäftsführerinnen vorliegt. Die Vergabestelle habe ihre Vergabeentscheidung insoweit auf einen unzutreffenden, weil nicht ausermittelten Sachverhalt, gestützt. Bereits damit habe die Antragsgegnerin die Grenzen ihres Ermessensspielraums bei der Zuverlässigkeitsprüfung der Beigeladenen überschritten.

Darüber hinaus sei die Beigeladene wegen Nichterfüllung der in der Ausschreibung festgelegten Leistungsanforderungen zwingend auszuschließen.

Gem. der Ausführungsbeschreibung sollten zur Auftragsdurchführung grundsätzlich Großgeräte mit einer Flächenreinigungsleistung von mindestens 3.000 m2/h eingesetzt werden. Nach den Informationen der Antragstellerin verfüge die Beigeladene lediglich über eine Großkehrmaschine des Typs "xxxxxx". Aber selbst diese Maschine erfülle die hier geforderten technischen Vorgaben nicht. Ausgehend von den Angaben im technischen Datenblatt könne diese Reinigungsmaschine max. eine halbe Stunde arbeiten, bevor sie entleert und wieder befüllt werden müsse. Die hier vorgegebenen technischen Anforderungen seien somit auch mit zwei solchen Fahrzeugen nicht erfüllbar.

Zudem verfüge das benannte Reinigungsfahrzeug nicht über ein gültiges Prüfzeugnis. Das Gutachten für dieses Fahrzeug sei mit Hilfe einer gemieteten Maschine der Fa. xxxxxx erstellt worden. Daher sei das Prüfzeugnis für den "xxxxxx" nicht anzuerkennen.

Und schließlich befinde sich diese Großreinigungsmaschine am Standort xxxxxx. Da es sich hierbei um ein LKW-Fahrgestell handele und ein LKW lediglich auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 60 km/h komme, sei ein Erreichen der Einsatzstellen im gesamten Auftragsgebiet der Autobahnmeisterei xxxxxx bei normalen Verkehrsaufkommen in den vorgeschriebenen max. 60 Minuten nicht möglich.

Nach alledem sei das Angebot der Beigeladenen zwingend auszuschließen und der Zuschlag zu Los 1 auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    festzustellen, dass die Antragstellerin in ihrem Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren verletzt ist,

  2. 2.

    den Antragsgegner zu verpflichten, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die geltend gemachten Verstöße gegen Vergabevorschriften zu beseitigen,

  3. 3.

    die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin für notwendig zu erklären,

  4. 4.

    die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen.

Ferner wird beantragt,

der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten der Vergabestelle zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen und über die weiteren Anträge von Amts wegen zu entscheiden.

Hinsichtlich der behaupteten Unzuverlässigkeit der Beigeladenen habe die Vergabestelle während des laufenden Verfahrens einen Ausdruck aus dem Gewerbezentralregister eingeholt. Dieser am 03.09.2015 eingegangene Ausdruck habe keine Eintragungen enthalten.

Im Weiteren habe die Vergabestelle aufgrund der Beteiligung der Beigeladenen am Korruptionsfall aus dem Jahr 2009/2010 ihr Rechtsdezernat um Zustimmung zur Auftragserteilung unter dem Gesichtspunkt der Unzuverlässigkeit gebeten. Diese sei am 17.09.2015 erteilt worden. Aus dem diesbezüglichen Vermerk des Rechtsdezernates ergebe sich, dass eine Abwägung der einzelnen Argumente für und wider der Erteilung der Zustimmung stattgefunden habe.

Soweit die Antragstellerin davon ausgehe, dass die Vergabestelle das ihr zustehende Ermessen gem. § 6 Abs. 6 lit. c) VOL/A-EG hinsichtlich eines Bieterausschlusses nicht richtig ausgeübt habe, sei dies unzutreffend. Ein Ermessensfehler liege nur dann vor, wenn die vom Auftraggeber getroffenen Sachverhaltsermittlungen oder die Anwendung vergaberechtlicher Rechtsbegriffe auf willkürlichen oder sachwidrigen Erwägungen beruhten, oder aber das Ermessen auf null reduziert war und der Auftraggeber dies verkannt habe.

In dem Korruptionsfall 2009/2010 hätten die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 6 lit. c) VOL/A-EG dem Grunde nach vorgelegen. Bei der Prüfung, ob die Zuverlässigkeit in Frage stehe, seien deshalb insbesondere die ergriffenen personellen und organisatorischen Maßnahmen, die Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und die Schadenswiedergutmachung zu berücksichtigen.

In personeller Hinsicht sei seit dem 24.07.2013 Geschäftsführer der Beigeladenen Herr xxxxxx. Die beiden damals involvierten Geschäftsführerinnen hätten das Unternehmen zwischenzeitlich verlassen bzw. seien in eine untergeordnete Position versetzt worden. Entscheidend sei, dass keine der beiden ehemaligen Geschäftsführerinnen noch Einfluss auf die geschäftliche Tätigkeit in Bezug auf die Angebotserstellung ausüben würden.

Weiterhin sei der zeitliche Abstand der Bestechungstaten aus den Jahren 2009/2010 zu der hier in Streit stehenden Vergabe zu berücksichtigen gewesen. Wieviel Zeit seit der Tat vergangen sein müsse, um eine Unzuverlässigkeit nicht mehr annehmen zu können, sei im Gesetz nicht geregelt. In Anlehnung an die Novellierung des GWB habe die Vergabestelle die neu einzuführenden §§ 123 - 126 GWB zur Ausübung des Ermessens herangezogen. Gem. § 126 GWB n. F. sollen sich die Ausschlussfristen nach den § 123 und 124 GWB n. F. bemessen. Bei einem Ausschlussgrund nach § 123 GWB n. F. betrage die Ausschlussfrist bei nicht genügenden Selbstreinigungsmaßnahmen fünf Jahre ab der Verurteilung. Bei einem Ausschlussgrund nach § 124 GWB n. F. betrage die Ausschlussfrist höchstens drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis.

Eine Beurteilung nach § 123 GWB n. F. sei vorliegend nicht in Betracht gekommen, da über eine Verurteilung der Geschäftsführerinnen nichts bekannt gewesen sei. Vielmehr habe es sich um eine schwere Verfehlung i. S. d. § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB n. F. gehandelt, welcher dem hier heranzuziehenden § 6 Abs. 6 lit. c) VOL/A-EG entspräche. Die Tat erfolgte im Jahre 2009/2010. Unter diesem Gesichtspunkt sei es unangemessen und damit ermessensfehlerhaft erschienen, die Beigeladene nach einer erfolgten Ausschlusszeit von mehr als drei Jahren weiter auszuschließen.

Und schließlich sei die Beigeladene auch nicht wegen der von der Antragstellerin behaupteten Nichterfüllung der technischen und personellen Leistungsanforderungen auszuschließen.

Mit Schreiben vom 27.08.2015 habe die Vergabestelle die Beigeladene aufgefordert, Nachweise hinsichtlich der zertifizierten Entsorgung, der Wirksamkeit der Reinigungsgeräte und der Reinigungsleistung, der Erklärung des Bieters über Personal- und Geräteeinsatz sowie der Vereinbarung zur Entsorgung vorzulegen. Dem sei die Beigeladene mit Schreiben vom 01.09.2015 nachgekommen. Danach verfüge die Beigeladene über drei Reinigungsgeräte an den Standorten xxxxxx und xxxxxx und auch über Mitarbeiter, welche die notwendigen Fahrerlaubnisse und Fachkunde besäßen. Soweit die Antragstellerin behaupte, die Großkehrmaschine der Beigeladenen erreiche nicht die in der Ausführungsbeschreibung geforderte Reinigungsleistung, sei dies schlichtweg falsch. Die Beigeladene habe hierzu eine Beschreibung der Firma xxxxxx eingereicht, woraus sich eine Flächenleistung von bis zu 10.000 m2/h ergebe.

Die Beigeladene erfülle danach auch die technischen Leistungsanforderungen. Das Angebot sei nicht wegen Ungeeignetheit auszuschließen gewesen.

Die Beigeladene beantragt mit Schriftsatz vom 03.12.2015,

den Nachprüfungsantrag vom 22.10.2015 kostenpflichtig zurückzuweisen und der Antragstellerin auch die Kosten der anwaltlichen Vertretung der Beigeladenen aufzuerlegen.

Sie tritt dem Vorbringen der Antragsgegnerin zur gegebenen Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit der Beigeladenen vom Grundsatz her bei und vertieft deren Vortrag insbesondere auf die aus Sicht der Beigeladenen nicht mehr gegebenen Einflussmöglichkeiten der ehemaligen Geschäftsführerinnen xxxxxx und xxxxxx auf die jetzige Geschäftspolitik der Beigeladenen.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 11.12.2015 Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und überwiegend begründet. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, der Beigeladenen den Zuschlag für das streitgegenständliche Gebietslos 1 erteilen zu wollen, hat sie in vergaberechtlich zu beanstandender Weise getroffen, weil sie von einem nicht voll ausermittelten und unzutreffenden Sachverhalt ausging. Die Antragstellerin ist daher in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 7 GWB i.V.m. § 19 EG Abs. 4 i.V.m. § EG Abs. 4 lit. e) VOL/A verletzt.

Es liegt seitens der Antragsgegnerin ein Verstoß gegen § 6 EG Abs. 4 VOL/A vor, weil die Antragsgegnerin den Anhaltspunkten, die auf eine rechtskräftige Verurteilung der beiden ehemaligen Geschäftsführerinnen der Beigeladenen wegen einer der Katalogtaten des Absatzes 4 hindeuten, hätte nachgehen müssen und somit Kenntnis von dem noch vor Ende der Angebotsfrist mit dem 18.08.2015 rechtskräftig gewordenen Strafurteil haben müssen. Unter den besonderen Umständen des streitigen Vergabeverfahrens drängen sich weitere Nachforschungen geradezu auf. Sofern sich der Auftraggeber bewusst vorliegenden Informationen verschließt und einer im Einzelfall bestehenden Aufklärungspflicht nicht nachkommt, genügt grundsätzlich bereits das "Kennen müssen" für einen Verstoß gegen § 6 EG Abs. 4 VOL/A (siehe dazu unter 2. a).

Ob die Beigeladene daher zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen ist oder ob die Ausnahmeregelung gemäß § 6 EG Abs. 5 VOL/A greift, hängt von der Bewertung der Zuverlässigkeit durch die Antragsgegnerin ab. Ein Umstand, der die Zuverlässigkeit eines Bieterunternehmens trotz eines Verstoßes gegen § 6 EG Abs. 4 VOL/A nicht in Frage stellt, kommt in Fällen der Selbstreinigung in Betracht. Der Vergabestelle steht hierbei zwar ein gewisser Beurteilungsspielraum zu bei der Bewertung darüber zu, ob die Zuverlässigkeit der Beigeladenen infolge von durchgeführten Selbstreinigungsmaßnahmen wieder gewährleistet ist und eine vertragsgemäße Erfüllung des zu vergebenden Auftrags zu erwarten steht. Es handelt sich dabei um eine Prognoseentscheidung, welche durch die Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar ist. Nämlich, nur dahin gehend, ob ein Auftraggeber unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls abgewogen hat und alle ihm zur Verfügung stehenden Informationen als Entscheidungsgrundlage genutzt hat. Die Kammer geht im vorliegenden Verfahren davon aus, dass die Antragsgegnerin von einem nicht vollständig ermittelten und unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, weil sie nicht alle ihr bekannten bzw. ohne Weiteres zugänglichen Informationen in ihre Prognoseentscheidung hat einfließen lassen, sodass die Bewertung der Zuverlässigkeit im Rahmen der Eignungsprüfung daher unter Berücksichtigung der ihr nunmehr bekannt gemachten Tatsachen neu zu erfolgen hat und die Antragsgegnerin gehalten ist, weitere Aufklärung des Sachverhalts zu betreiben (siehe dazu unter 2. b). Der bloße Zeitablauf genügt zur Feststellung der Zuverlässigkeit nicht, erst durch erfolgreich durchgeführte Maßnahmen der Selbstreinigung können Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Bieters ausgeräumt werden (siehe dazu unter 2. c).

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um das Land Niedersachsen, vertreten durch die xxxxxx, und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Die Antragsgegnerin ist jedenfalls passiv legitimiert, soweit ein Auftrag für die Bundesrepublik Deutschland vergeben werden soll. Nach der Rechtsprechung ist in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, das eine Bundesauftragsangelegenheit im Sinne der Art. 85, 90 Abs. 2 GG zum Gegenstand hat, das Land und nicht der Bund Antragsgegner (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 06.06.2011 - 13 Verg 2/11, zitiert nach ibr-online).

Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um die Vergabe eines Auftrags zur maschinellen Fahrbahnreinigung nach Unfällen mit wassergefährlichen Stoffen und damit um einen Dienstleistungsauftrag, für den gemäß § 2 Nr. 1 VgV in der seit 01.01.2014 geltenden Fassung ein Schwellenwert von 207.000 € gilt. Werden Dienstleistungsaufträge, wie vorliegend, losweise ausgeschrieben, so beträgt der Schwellenwert 80.000 € oder bei Losen unterhalb von 80.000 € deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Ausweislich der Bekanntgabe vom xxxxxx.2015 beträgt der geschätzte Gesamtauftragswert xxxxxx € netto (ohne Mehrwertsteuer). Allein der Wert des hier streitbefangenen Gebietsloses 1 wurde auf xxxxxx €/Jahr netto, also für die Gesamtlaufzeit auf xxxxxx € netto geschätzt.

Die Antragstellerin ist gemäß § 107 Abs. 1 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung ihrer Rechte aus § 97 Abs. 7 GWB geltend macht.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB, dass das den Nachprüfungsantrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, wenn ein Bieter schlüssig einen durch die Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Auflage, § 107, Rdnr. 52). Die Antragstellerin hat deutlich herausgestellt, dass sie ein eigenes Interesse an der ausgeschriebenen Leistung hat. Durch Einreichen von eines Angebotes auf das streitgegenständliche Gebietslos 1 und der später erhobenen Rüge hat sie dies deutlich zum Ausdruck gebracht. Sie hat ferner vorgetragen und begründet, dass sie sich durch die Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin in ihrem Recht auf Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen verletzt sieht. Der Antragstellerin fehlt auch nicht die Antragsbefugnis aufgrund fehlender Zuschlagschancen. Neben der Beigeladenen, hat nur noch die Antragstellerin ein Angebot auf Los 1 abgegeben und dies wäre, im Falle des Ausschlusses der erstplatzierten Beigeladenen, das preisgünstigste und würde, da der Preis das alleinige Zuschlagskriterium ist, im Fall der Eignungsfeststellung der Bieterin den Zuschlag erhalten. Da ihr aufgrund der Vergabeentscheidung zugunsten der Beigeladenen der Zuschlag nicht erteilt wird, droht ihr ein finanzieller Schaden.

Die Antragstellerin ist ihrer Verpflichtung aus § 108 GWB, den Nachprüfungsantrag inhaltlich substantiiert abzufassen, nachgekommen.

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Antragsgegnerin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Die Antragstellerin wurde durch die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 13.10.2015 gemäß § 101a GWB darüber informiert, dass beabsichtigt ist, nicht auf das Angebot der Antragstellerin den Zuschlag zu erteilen. Die nur innerhalb von zwei Tagen nach Erhalt der ablehnenden Information der Antragsgegnerin gemäß § 101a GWB abgesetzte Rüge mit Schreiben vom 15.10.2015 erfolgte unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB. Als unverzüglich in diesem Sinne gilt grundsätzlich ein Zeitraum innerhalb von ein bis drei Tagen nach positiver Kenntnisnahme (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003 - 1 Verg 4/03; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Es kann daher vorliegend dahinstehen, ob die Präklusionsregel gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile vom 28.01.2010 in den Rs C-406/08 und C-456/08) überhaupt noch anwendbar ist (bejahend OLG Dresden, Beschluss vom 07.05.2010, Az.: WVerg 6/2010, und OLG Rostock, Beschluss vom 20.10.2010 - 17 Verg 5/10, zitiert nach ibr-online; offen gelassen noch OLG Celle, Beschluss vom 16.09.2010 - 13 Verg 8/10).

Die Antragstellerin hat ihren Nachprüfungsantrag auch rechtzeitig gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB, weil innerhalb von 15 Tagen nach Zurückweisung ihrer Rüge, erhoben.

2. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend begründet. Er ist lediglich nicht begründet, soweit die Antragstellerin begehrt, die Beigeladene wegen fehlender Eignung aufgrund Nichterfüllung der in der Ausschreibung festgelegten technischen Leistungsanforderungen vom Vergabeverfahren auszuschließen.

Jedenfalls ist der Nachprüfungsantrag jedoch begründet, soweit die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB als verletzt anzusehen ist, weil die Antragsgegnerin ihre Zuschlagsentscheidung in vergaberechtlich zu beanstandender Weise getroffen hat, insbesondere die Eignungsprüfung bezüglich der Zulässigkeit der Beigeladenen nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat.

a) Die Antragsgegnerin hat ihre Vergabeentscheidung im Rahmen des § 19 EG Abs. 4 VOL/A i.V.m § 6 EG Abs. 6 lit. c) VOL/A getroffen, welcher den Ausschluss eines Bewerbers vom Vergabeverfahren in das Ermessen des Auftraggebers stellt. Gemäß § 6 EG Abs. 6 lit. c) VOL/A können Angebote von Bietern ausgeschlossen werden, die nachweislich eine schwere Verfehlung begangen haben, die ihre Zuverlässigkeit und damit ihre Eignung als Bewerber in Frage stellt. Die Vergabestelle muss sich indessen mit einem fakultativen Ausschlussgrund nach § 6 EG Abs. 6 VOL/A nicht auseinandersetzen, wenn das betroffene Bieterunternehmen ohnehin gemäß § 6 EG Abs. 4 VOL/A zwingend ausgeschlossen werden muss (vgl. Hausmann/Kern in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, 3. Auflage, § 6 EG VOL/A Rdnr. 78). Die Regelungen stehen in einem Stufenverhältnis zu einander. Erst wenn ein zwingender Ausschluss eines Bieters vom Vergabeverfahren nicht einschlägig ist, ist der Anwendungsbereich des § 6 EG Abs. 6 lit. c) VOL/A eröffnet (vgl. Wagner-Cardenal in Diekann/Scharf/Wagner-Cardenal, 1. Auflage, § 6 EG VOL/A Rdnr. 60).

Im vorliegenden Fall kommt ein zwingender Ausschlussgrund gemäß § 6 EG Abs. 4 lit. e) VOL/A in Betracht und die Erfüllung der Tatbestandmerkmale hätten von der Antragsgegnerin geprüft werden müssen. Dies hat die Antragsgegnerin verkannt und auch nicht in der Darstellung über die Abwägungen eines möglichen Ausschlusses der Beigeladenen vom weiteren Vergabeverfahren in dem Vermerk vom 16.09.2015 thematisiert. Nach § 6 EG Abs. 4 VOL/A ist ein Unternehmen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren auszuschließen, wenn der Auftraggeber Kenntnis davon hat, dass eine Person, deren Verhalten dem Unternehmen zuzurechnen ist, rechtskräftig verurteilt ist wegen einer der in Absatz 4 genannten Katalogtaten. In diesem Fall ist Bestechung gemäß § 334 des Strafgesetzbuches als Katalogtat nach § 6 EG Abs. 4 lit. e) VOL/A zutreffend. Eine strafrechtliche Verurteilung beider ehemaliger Geschäftsführerinnen, xxxxxx und xxxxxx, wegen gemeinschaftlicher Bestechung gemäß §§ 334 I, 25 II, 56 StGB liegt mit dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts xxxxxx vom 18.08.2015 vor.

Erforderlich ist die "Kenntnis" des Auftraggebers über das Vorliegen eines Urteils. Die Antragstellerin macht geltend, dass dem Wortlaut des § 6 EG Abs. 4 VOL/A nach nur positive Kenntnis den Tatbestand ausfülle. Sie habe zum Zeitpunkt der Vergabeentscheidung keine positive Kenntnis über die Verurteilung der ehemaligen Geschäftsführerinnen Frau xxxxxx und Frau xxxxxx gehabt. Die Vergabekammer ist der Auffassung, dass die Antragsgegnerin sich hierüber Gewissheit verschaffen hätte müssen und können.

Grundsätzlich kann nicht von einer Nachforschungsverpflichtung des Auftraggebers ausgegangen werden (vgl. Hausmann/Kern in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, 3. Auflage, § 6 EG VOL/A Rdnr. 68). Dies schon allein im Interesse eines zügigen und einfachen Ablaufs des Vergabeverfahrens. Das Vergabeverfahren sollte nicht durch aufwendige Nachforschungen bei einem gegebenenfalls größeren Bieterkreis verzögert und verkompliziert, letztendlich auch teurer werden (vgl. Wagner-Cardenal in Diekmann/Scharf/Wagner-Cardenal, 1. Auflage, § 6 EG VOL/A, Rdnr. 40). Sicherlich ist es der Antragsgegnerin daher auch nicht zumutbar, ständig den aktuellen Sachstand im Laufe eines Strafverfahrens zu verfolgen. Die Zuschlagsentscheidung ist jedoch auf Grundlage aller dem Auftraggeber zur Verfügung stehender Informationen zu treffen. Liegen daher Anhaltspunkte vor, muss der Auftraggeber sich Gewissheit verschaffen und Hinweisen nachgehen (vgl. Müller-Wrede, 4. Auflage, § 6 EG, Rdnr. 35). Welchen Umfang eine Nachforschungspflicht des Auftraggebers hat, hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Im streitgegenständlichen Vergabeverfahren liegen genügend Anhaltspunkte vor, aufgrund derer die Antragsgegnerin verpflichtet ist, Nachforschungen über das Vorliegen einer Verurteilung anzustellen und ggf. vom Bieter weitergehende Informationen zu verlangen.

Im Zusammenhang mit früheren Auftragsvergaben der Antragsgegnerin an die Beigeladene, welche nicht nur mehrere Nachprüfungsverfahren (Az.: 53/2011 und 21/2012) vor dieser Kammer zur Folge hatten, sondern auch in die strafgerichtliche Verurteilung des ehemaligen Leiters der Autobahnmeisterei xxxxxx (LG Braunschweig, Urteil vom 30.09.2011 - 6 KLs 19/11, bestätigt durch den BGH, Beschluss vom 25.04.2012 - 5 StR 130/12) mündeten, drängt es sich geradezu auf, noch vor einer Entscheidung über den Zuschlag hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Loses 1 Gewissheit zum Vorliegen einer Verurteilung der beiden damaligen Geschäftsführerinnen zu erhalten. Dies gilt umso mehr, dass der Antragsgegnerin aufgrund des vorausgegangenen Korruptionsskandals, in welchen sie selbst involviert war, die Sensibilität einer Beteiligung der Beigeladenen an einer Auftragsvergabe bewusst war. So hat sie nach eigenen Angaben ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2015 einen Rechtsanwalt mandatiert, der sie ständig in diesem Zusammenhang berät. Darauf dass auch der Rechtsanwalt nichts von der Verurteilung der beiden ehemaligen Geschäftsführerinnen gewusst haben soll, kann sich die Antragsgegnerin nicht berufen. Es steht in ihrer eigenen Verantwortungssphäre als Vergabestelle sicherzustellen, dass die Regeln eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens eingehalten werden. Eine Auftragserteilung trotz erwiesener vorangegangener Bestechung sendet darüber hinaus ein falsches Signal an andere Bieter, die Öffentlichkeit und die eigenen Beschäftigten und kann den Eindruck erwecken, Korruption werde durch die Vergabestelle offen gebilligt und bleibe ohne nachhaltige Konsequenzen. Vor diesem Hintergrund lediglich einen Auszug aus dem Gewerberegister mit Datum vom 28.08.2015 anzufordern, wie es die Antragsgegnerin getan hat, sieht die Kammer nicht als ausreichend an, um sich eine Gewissheit und fundierte Informationsgrundlage für die Zuschlagsentscheidung zu verschaffen. Mit der Rüge der Antragstellerin vom 15.10.2015, spätestens jedoch mit Einleitung des Nachprüfungsverfahrens, wäre Anlass geboten gewesen, weitere Aufklärung zu betreiben und es nicht bei der Aussage in dem Vermerk vom 16.09.2015 zu belassen:

"Ob zwischenzeitlich eine Verurteilung der beiden Geschäftsführerinnen erfolgt ist, ist mir unbekannt."

Es wäre für die Antragsgegnerin auch ein Leichtes gewesen, sich bei der zuständigen Staatsanwaltschaft xxxxxx über den Stand des Strafverfahrens gegen die ehemaligen Geschäftsführerinnen der Beigeladenen zu erkundigen. Zumal über die Folgen des vorausgegangenen schweren Korruptionsskandals immer wieder in der Presse berichtet wurde. Es ist von einem Auftraggeber zu erwarten, allgemein zugängliche Informationen über relevante Strafverfahren (z.B. aus der Presse) zur Kenntnis zu nehmen und Hinweisen dann nachzugehen (vgl. Hausmann/Kern in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, 3. Auflage, § 6 EG VOL/A Rdnr. 68). Sofern sich der Auftraggeber bewusst vorliegenden Informationen verschließt und einer im Einzelfall bestehenden Aufklärungspflicht nicht nachkommt, genügt grundsätzlich bereits das "Kennen müssen" für einen Verstoß gegen § 6 EG Abs. 4 VOL/A.

b) Rechtsfolge gemäß § 6 EG Abs. 4 VOL/A ist grundsätzlich ein zwingender Ausschluss des betroffenen Bieters vom Vergabeverfahren. Ein Ausschluss kommt im Rahmen des § 6 EG Abs. 4 VOL/A dann nicht mehr in Betracht, wenn das Bieterunternehmen nicht (mehr) als unzuverlässig anzusehen ist (vgl. Hausmann/Kern in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, 3. Auflage, § 6 EG VOL/A Rdnr. 77; Müller-Wrede, 4. Auflage, § 6 EG VOL/A Rdnr. 52). Dies ergibt sich aus § 6 EG Abs. 5 VOL/A. Danach kann von einem Ausschluss abgesehen werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls die Zuverlässigkeit des Bieterunternehmens nicht (mehr) in Frage steht. Bei diesem Ausnahmetatbestand handelt es sich um ein Korrektiv der zwingenden Rechtsfolge aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (vgl. Hausmann/Kern in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, 3. Auflage, § 6 EG VOL/A Rdnr. 90). Vereinzelt wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass neben der Zuverlässigkeit auch zwingende Gründe des Allgemeininteresses vorliegen müssen (vgl. Müller-Wrede, § 6 EG VOL/A, Rdnr. 53; u.a.). Diese Auffassung verkennt jedoch, dass diese Gründe im Rahmen des zweiten Ausnahmetatbestandes des Abs. 5 keine Rolle spielen (so auch Wagner-Cardenal in Diekmann/Scharf/Wagner-Cardenal, 1. Auflage, § 6 EG VOL/A, Rdnr. 50). Mag der Wortlaut nicht ganz eindeutig sein, ergibt sich die Ausnahme aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Denn sofern ein Ausschluss vom Vergabeverfahren unverhältnismäßig ist, weil an der Zuverlässigkeit des betroffenen Bieterunternehmens keine Zweifel (mehr) bestehen, kann es auf das Allgemeininteresse nicht mehr ankommen.

Ein Ausschluss wäre insbesondere dann unverhältnismäßig, wenn der Ausschlussgrund längere Zeit zurückliegt und die strafrechtlich verurteilten Mitarbeiter nicht mehr in dem Unternehmen tätig sind. Es kommt also maßgeblich darauf an, ob Selbstreinigungsmaßnahmen des betroffenen Bieterunternehmens ausreichend durchgeführt worden sind. Sofern solche Maßnahmen erfolgreich sind und in dem erforderlichen Umfang umgesetzt worden sind, kann ein Ausschluss unverhältnismäßig sein (vgl. Hausmann/Kern in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, 3. Auflage, § 6 EG VOL/A Rdnr. 91).

Unter dem Begriff "Selbstreinigung" werden Maßnahmen verstanden, die die Zuverlässigkeit des Bieters wiederherstellen sollen. Dazu gehören insbesondere eine lückenlose Aufklärung des Sachverhalts, vor allem sind personelle und organisatorische Konsequenzen zu ergreifen, um diejenigen, die an den Vorgängen, welche zur Unzuverlässigkeit des Bieterunternehmens geführt haben, an der erneuten Vornahme inkriminierten Handlungen zu hindern (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.04.2003 - Verg 66/02; OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.12.2007 - Verg W 21/07). Insbesondere ist eine Trennung von den betroffenen Personen erforderlich und es muss sichergestellt sein, dass keinerlei Einflussnahmemöglichkeiten mehr auf Vorgänge innerhalb des Bieterunternehmens bestehen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.12.2007 - Verg W 21/07). Bei juristischen Personen betrifft diese Forderung neben den Geschäftsführern auch leitende Angestellte. Zum Teil kann es angemessen sein, auch Pläne zur Schadenswiedergutmachung zu fordern (vgl. VK Lüneburg, Beschluss vom 01.12.2011 - VgK-53/2011 und Beschluss vom 14.02.2012 - VgK-5/12). Bei den die Eignung ausmachenden Gesichtspunkten der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit und damit auch bei dem Begriff der Eignung selbst, handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe (vgl. BayObLG, Beschluss vom 03.07.2002 - Verg 13/02; VK Lüneburg, Beschluss vom 18.10.2005 - VgK-47/05). Ob ein Bieter die notwendige Zuverlässigkeit besitzt, welche unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die ordnungsgemäße und vertragskonforme Ausführung der ausgeschriebenen Leistung einschließlich der Erbringung von Gewährleistungen erwarten lässt, ist Gegenstand einer vom Auftraggeber zu treffenden Prognose. Die Antragsgegnerin hätte also unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls abwägen müssen und muss es nunmehr erneut, ob die Zuverlässigkeit der Beigeladenen wieder gewährleistet ist, weil ausreichend Selbstreinigungsmaßnahmen ergriffen worden sind.

Da die Prüfung der Eignung, respektive Zuverlässigkeit, eines Unternehmens ein wertender Vorgang ist, ist dem Auftraggeber insoweit ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Abwägung, ob der Bieter nicht (mehr) als unzuverlässig anzusehen ist, einzuräumen. Dieser ist nur einer eingeschränkten Kontrolle durch die Vergabekammer zugänglich (vgl. OLG München, Beschluss vom 21.04.2006 - Verg 8/06; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.01.2005 - VII-Verg 55/05, Weyand, Vergaberecht, 2. Auflage, Rdnr. 396 m.w.N.). Die Vergabekammer überprüft die Beurteilung der Auftraggeberin hinsichtlich der Eignung der Antragstellerin nur daraufhin, ob die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums überschritten sind. Dies ist dann anzunehmen, wenn das vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten wird, wenn nicht von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wird, wenn sachwidrige Erwägungen in die Wertung einbezogen werden oder wenn der sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung haltende Beurteilungsmaßstab nicht zutreffend angewendet wird (vgl. Weyand, a.a.O.).

Die Vergabekammer geht davon aus, dass die Antragsgegnerin von einem nicht vollständig ermittelten und unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und die Bewertung der Zuverlässigkeit im Rahmen der Eignungsprüfung daher neu zu erfolgen hat. Die Darstellung der Abwägung zur Zuverlässigkeit in dem Vermerk vom 16.09.2015 und in den Schriftsätzen der Antragsgegnerin jedenfalls lässt gewichtige Gesichtspunkte und Tatsachen außer Acht.

Die Antragsgegnerin hätte - wie bereits oben dargestellt - Kenntnis von der rechtskräftigen Verurteilung der beiden ehemaligen Geschäftsführinnen der Beigeladenen wegen gemeinschaftlicher Bestechung haben müssen. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Urteil des AG Braunschweigs vom 18.08.2015 wäre geboten gewesen und muss nun in den Bewertungsvorgang einfließen.

Ebenso wäre eine gründliche Auseinandersetzung und weitere Aufklärungsarbeit bezüglich der Rolle der ehemaligen Geschäftsführerinnen, xxxxxx und xxxxxx, geboten und nun nachzuholen. Dabei ist insbesondere zu klären, ob eine Einflussnahme auf die geschäftliche Tätigkeit der Beigeladenen in Bezug auf die Angebotserstellung tatsächlich vollständig ausgeschlossen werden kann.

Die Antragsgegnerin ging zum Zeitpunkt ihrer Vergabeentscheidung ausweislich des Vermerks vom 16.09.2015 und nach ihrer Antragserwiderung vom 30.10.2015 davon aus, dass zwar xxxxxx und xxxxxx nicht mehr als Geschäftsführerinnen tätig sind, jedoch zumindest Frau xxxxxx weiterhin bei der Beigeladenen beschäftigt ist (siehe Vermerk vom 16.09.2015 Seite 2; Antragserwiderung Seite 4). Eine Aussage dazu, welche Maßnahmen getroffen sind, um eine Einflussnahme auf die Geschäfte der Beigeladenen zu verhindern, bleibt bei der Antragsgegnerin offen. Es kommt gerade darauf an, dass eine faktische Einflussnahme auf die geschäftlichen Tätigkeiten in Bezug auf die Angebotserstellung nicht mehr möglich ist (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.12.2007 - Verg W 21/07).

Die Antragsgegnerin ging ausweislich des Vermerks vom 16.09.2015 und ihrer Antragserwiderung vom 30.10.2015 davon aus, dass zumindest Frau xxxxxx ebenso Geschäftsanteile hält. Laut Handelsregisterauszug vom 16.11.2015, den die Kammer im Rahmen ihrer Amtsermittlung beigezogen hat, hält die ehemalige Geschäftsführerin, xxxxxx, noch Geschäftsanteile i.H.v. 20 %, während der neue Geschäftsführer, xxxxxx, Anteile i.H.v. 80 % hält. Für eine ausreichende Selbstreinigung darf aber die für die Verfehlung verantwortliche Person keinen Einfluss mehr auf die Führung der Geschäfte haben. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung haben sich neue Aspekte ergeben, welche die Antragsgegnerin nunmehr aufklären und die sich daraus ergebenen Tatsachen in ihre Bewertung der Eignung einbeziehen muss. Frau xxxxxx soll nur 10 % ihrer Geschäftsanteile behalten haben, da dies sich steuerlich günstig auswirke. Sie erbringe auch keine Dienstleistungen für die Beigeladene. Im Übrigen lebe Frau xxxxxx mittlerweile die meiste Zeit des Jahres auf Teneriffa. Frau xxxxxx habe keine beruflichen Verbindungen mehr zur Beigeladenen. Auch hierzu ist von Antragsgegnerin Aufklärung zu betreiben. Denn aus der Darstellung der Beweisaufnahme in dem Urteil des AG Braunschweig vom 18.08.2015 ist ersichtlich, dass Frau xxxxxx auf freiberuflicher Basis Aushilfstätigkeiten für die Beigeladene erbringt.

Auch die besondere Situation nach dem Geschäftsführungswechsel ist von der Antragsgegnerin in den Abwägungsprozess einzubeziehen. Es mag nicht ungewöhnlich sein, dass der neue Geschäftsführer, Herr xxxxxx, die Geschäfte von Bayern aus führt und nicht am Sitz der Beigeladenen in xxxxxx. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung kann aber noch nicht einmal der beauftragte Rechtsanwalt der Beigeladenen angeben, wer vor Ort die täglichen Geschäfte und damit auch die Angebotserstellung im Rahmen von Auftragsbewerbungen der Beigeladenen, lenkt.

Neben personellen Maßnahmen kommt es auch darauf an, inwieweit aufgrund von organisatorischen Maßnahmen Selbstreinigung umgesetzt werden, um durch Transparenz und Kontrolle künftige Verfehlungen zu verhindern (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.12.2007 - Verg W 21/07; OLG München, Beschluss vom 22.11.2012 - Verg 22/12). Die Antragsgegnerin hat dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2015 und bereits in dem Vermerk vom 16.09.2015 (siehe Seite 2 und 3) zufolge dies auch erkannt und ist zu dem Schluss gelangt, dass solche Maßnahmen durch die Beigeladene nicht ergriffen wurden. In welchem Umfang strukturelle und organisatorische Maßnahmen erbracht werden müssen, ist einzelfallabhängig (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.12.2007 - Verg W 21/07). Hier ist sicherlich zu beachten, dass es sich bei der Beigeladenen um kleineres Unternehmen mit etwa zehn Mitarbeitern handelt und organisatorische Veränderungen in einem sehr beschränkten Rahmen nur möglich sind. Die Einführung eines Wertekodex oder Durchführung einer Mitarbeiterschulung zum Thema Korruptionsverhinderung, Compliance o.ä. ist aber durchaus im Bereich des Machbaren. Ob so etwas geschehen ist, bleibt nun der Aufklärung der Antragsgegnerin überlassen.

Weiterhin wäre es geboten gewesen und muss nunmehr nachgeholt werden, das noch laufende Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft xxxxxx unter dem Aktenzeichen xxxxxx gegen die ehemaligen Geschäftsführerinnen xxxxxx und xxxxxx wegen Betrug in über 2.000 Fällen in die Bewertung über die Zuverlässigkeit einfließen zu lassen. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung war der Antragsgegnerin das Ermittlungsverfahren bekannt. Die Kammer weist darauf hin, dass auch noch ein aktuell laufende Ermittlungsverfahren ausreichend berechtigte Zweifel an der Zuverlässigkeit hervorrufen kann, so dass ein Ausschluss vom Vergabeverfahren in Betracht kommt (vgl. VK Lüneburg, Beschluss vom 12.12.2011 - VgK-53/2011).

Das Ergebnis der Eignungsprüfung kann die Vergabekammer nicht vorwegnehmen. Richtschnur für die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Bieters ist stets seine Prognose, inwieweit die zur Beurteilung stehenden Gesichtspunkte geeignet sind, eine ordnungsgemäße und vertragsgerechte Erbringung gerade der ausgeschriebenen Leistung in Frage zu stellen (vgl. Weyand, Vergaberecht, 2. Auflage, Rdnr. 505). Die Prognoseentscheidung als solche ist von der Vergabekammer nicht überprüfbar (vgl. unter vielen OLG München, Beschluss vom 04.04.2013 - Verg 4/13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.12.2012 -VII- Verg 47/12). Letztlich liegt die Entscheidung über die Zuverlässigkeit eines Bieters in der Risikosphäre eines jeden Auftraggebers und bleibt ihm daher auch überlassen.

c) Die Frage, ob ein Ausschluss der Beigeladenen aus dem Vergabeverfahren wegen Zeitablaufs möglich sei oder nicht, muss hier nicht beantwortet werden. Entscheidend kommt es im Rahmen der Eignungsprüfung darauf an, ob ein Auftraggeber beurteilungsfehlerfrei davon ausgehen kann, dass das Bieterunternehmen für die von ihm zu vergebenden Aufträge als zuverlässig erscheint.

Zwar wird in der Literatur erörtert, dass der zeitliche Rahmen eines Ausschlusses nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begrenzt sein müsse und insoweit wird in Rechtsprechung und Literatur überwiegend ein Zeitraum bis maximal 3 Jahren herangezogen (vgl. KG Berlin Urteil v. 17.01.2011, Az.: 2 U 4/06 Kart., NZBau 2012, S. 56ff [KG Berlin 17.01.2011 - 2 U 4/06 Kart]; Müller-Wrede, Kommentar VOL/A, 4.Auflage, § 6 EG VOL/A Rdnr. 79; Werner in Willenbruch/Wieddekind, Kompaktkommentar Vergaberecht, 3. Auflage, § 6 VOL/A Rdnr. 19.). Im Übrigen kann zumindest indiziell auf den für die Leistungsfähigkeit nach § 7 Abs. 2 lit. d) und Abs. 3 lit. a) VOL/A maßgebliche Zeitraum von drei Jahren abgestellt werden.

Eine ausdrückliche Regelung über die Dauer eines Ausschlusses enthält die VOL/A nicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein betroffenes Bieterunternehmen zeitlich völlig unbegrenzt von allen künftigen Vergaben auszuschließen wäre (vgl. Hausmann/Kern in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOL/A, 3.Aufl. 2014, § 6 EG VOL/A Rn. 79; Müller-Wrede, Kommentar VOL/A, 4.Auflage, § 6 EG VOL/A Rdnr. 79). Ein solcher dauerhafter Ausschluss würde im Widerspruch zum Wettbewerbsgrundsatz aus § 97 Abs. 1 GWB und § 2 Abs. 1 VOL/A stehen.

Anknüpfungspunkt für die Bestimmung eines verhältnismäßigen Zeitrahmens ist der Zeitpunkt der Begehung der Tat, die dem Bieterunternehmen zuzurechnen ist. In diesem Fall hier sind dabei zwei Zeitpunkte zu berücksichtigten, da in der Vergangenheit schwere Verfehlungen bei zwei aufeinander folgenden Vergabeverfahren festgestellt wurden. Zum einen waren das die Taten, die Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens 53/2011 zum Ausschreibungsverfahren "Fahrbahnreinigung nach Unfällen mit wassergefährlichen Stoffen 2011 - 2012; xxxxxx" waren (Aufnahme des Sohnes von Herrn xxxxxx in die neu gegründete Firma xxxxxx mit Arbeitsvertrag aus dem Jahre 2009). Zum anderen sind die Taten im Zusammenhang mit der Ausschreibung zur "maschinellen Fahrbahnreinigung nach Unfällen mit wassergefährlichen Stoffen 2012 - 2014; xxxxxx" hier maßgeblich (Vorlage gefälschter Prüfzeugnisse).

Es ist zu berücksichtigen, dass sich der Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des verhältnismäßigen Zeitrahmens verschiebt, wenn in der Folgezeit der verantwortlichen Person weiteres Fehlverhalten vorzuwerfen ist, so verlängert sich der Zeitraum entsprechend.

Die Antragsgegnerin stützt ihre Ansicht auch nicht nur, wie von der Antragstellerin vorgetragen, auf §126 GWB-E und damit auf eine Vorschrift, die noch keine Rechtskraft entfaltet. Vielmehr bezieht sie die aktuelle vorherrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung in ihre Erwägungen in dem Vermerk vom 16.09.2015 ein (siehe dort Seite 3). Sie trägt in der Antragserwiderung vom 30.10.2015 dann ebenso vor:

"Auch nach derzeitiger Literatur sowie der Rechtsprechung wird von einer Höchstdauer von drei Jahren ausgegangen. ... Unter diesen Gesichtspunkten erschien es unangemessen und daher ermessensfehlerhaft die Erstplatzierte vom Vergabeverfahren nach einer erfolgten Ausschlusszeit von mehr als drei Jahren auszuschließen." (siehe Seite 6 der Antragserwiderung)

Maßgeblich ist, dass ein Ausschluss nicht (mehr) in Betracht kommt, wenn das Bieterunternehmen nicht (mehr) als unzuverlässig anzusehen ist. Die Frage der zeitlichen Fortdauer eines Ausschlusses vom Vergabeverfahren, stellt sich insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit, das Vorliegen des Ausschlusstatbestandes - also der Unzuverlässigkeit - durch Selbstreinigung zu beseitigen (vgl. Hausmann/Kern in Kulartz/Marx/Portz/ Prieß, Kommentar zur VOL/A, 3. Auflage, § 6 EG VOL/A Rdnr. 79).

Bei der Beurteilung, ob die zur Selbstreinigung ergriffenen Maßnahmen ausreichend sind, handelt es sich um eine Prognoseentscheidung des Auftraggebers. Die Antragsgegnerin hat einen gewissen Beurteilungsspielraum und muss unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls abwägen, ob die Zuverlässigkeit wieder gewährleistet ist. Davon hängt die Dauer eines Ausschlusses von dem Vergabeverfahren ab. (vgl. Werner in Willenbruch/Wieddekind, Kompaktkommentar Vergaberecht, 3. Auflage, § 6 VOL/A Rdnr. 20; Hausmann/Kern in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOL/A, 3. Auflage, § 6 EG VOL/A Rdnr. 82).

Wie oben ausgeführt, geht die Kammer davon aus, dass die Antragsgegnerin von einem nicht vollständig ermittelten und unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und die Bewertung der Zuverlässigkeit im Rahmen der Eignungsprüfung daher neu zu erfolgen hat. Im Rahmen dieser Bewertung hat die Antragsgegnerin dann auch die Frage nach der Fortdauer eines Ausschlusses neu zu bewerten. Der bloße Zeitablauf genügt zur Feststellung der Zuverlässigkeit nicht, erst durch erfolgreich durchgeführte Maßnahmen der Selbstreinigung können Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Bieters ausgeräumt werden (vgl. Werner in Willenbruch/Wieddekind, 3. Auflage, § 6 VOB/A, Rdnr. 18).

Die Frage, ob die Antragsgegnerin sich auf die Ausschlussfristregelungen in den neuen §§ 123 ff GWB-E beziehen kann, kann hier daher ebenso offen bleiben.

d) Ein Ausschluss nach § 6 EG Abs. 6 lit. e) VOL/A kommt nicht in Betracht. Danach können Bewerber vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn sie vorsätzlich unzutreffende Erklärungen in Bezug auf ihre Eignung abgegeben haben.

Im Rahmen der Eigenerklärung "Eignung" (siehe Vergabeakte Ordner 2, Seite 3) hat die Beigeladene angeben:

"Ich erkläre/Wir erklären, dass keine schwere Verfehlung vorliegt, die meine/unsere Zuverlässigkeit als Bewerber in Frage stellt z.B. ...

- rechtskräftiges Urteil innerhalb der letzten 2 Jahre gegen Mitarbeiter mit Leitungsaufgaben wegen: ...

- Bestechung (§ 334 StGB) ...

die mit Freiheitstrafe von mehr als 3 Monaten oder Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen geahndet wurde."

Diese Erklärung ist zutreffend. Zwar liegt seit dem xxxxxx.2015 eine rechtskräftige Verurteilung zu jeweils einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten wegen Bestechung gegen die beiden ehemaligen Geschäftsführerinnen xxxxxx und xxxxxx vor. Beide sind jedoch nicht mehr in leitender Funktion im Unternehmen tätig. Die Eigenerklärung ist somit nicht vorsätzlich unrichtigerweise abgegeben worden.

e) Das Angebot der Beigeladenen ist nicht wegen Nichterfüllung der in der Ausführungsbeschreibung festgelegten Leistungsanforderungen auszuschließen gewesen. Insofern ist die Antragstellerin nicht ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt.

Nach § 97 Abs. 4 GWB und § 2 EG Abs. 1 VOL/A werden Aufträge nur an geeignete Unternehmen vergeben. Daher legt § 19 EG Abs. 5 VOL/A fest, dass nur die Bieter bei der Auswahl der Angebote zu berücksichtigen sind, die die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erforderliche Eignung besitzen. Eignung meint maßgeblich die Kriterien Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit. Die erforderliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens ist anzunehmen, wenn es in technischer, kaufmännischer, personeller und finanzieller Hinsicht über die zur ordnungsgemäßen d.h. fach- und fristgerechten Auftragsausführung, notwendigen Mittel verfügt (vgl. Müller-Wrede, 4. Auflage, § 7 EG VOL/A Rdnr. 17).

In der Ausführungsbeschreibung zur streitgegenständlichen Auftragsvergabe wird unter Ziffer 3.2 eine Ausführung der Leistungen unverzüglich, "jedoch spätestens 60 Minuten nach Beauftragung" gefordert. Zudem ist grundsätzlich der Einsatz von Großgeräten mit einer Flächenreinigungsleistung von 3.000 m2/h vorgesehen (siehe Ausführungsbeschreibung Seite 6). Nach Aufforderung durch die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 27.08.2015 hatte die Beigeladene Nachweise u.a. bezüglich der Wirksamkeit der Reinigungsgeräte und Reinigungsleistung sowie eine Erklärung über Personal- und Geräteeinsatz abzugeben. Dem ist sie durch Einreichung der entsprechenden Unterlagen unter dem 01.09.2015 nachgekommen. Dem technischen Datenblatt zufolge verfügt die von der Beigeladenen zur Auftragserfüllung vorgesehenen Großreinigungsmaschine xxxxxx über eine Flächenreinigungsleistung von bis zu 10.000 m2/h. Ebenso ergibt sich aus den von der Beigeladenen eingereichten Nachweisen, dass die zur Führung des Fahrzeuges berechtigen Personen über die erforderlichen Fahrerlaubnisse verfügen.

Auch die Erreichbarkeit des Einsatzortes des streitgegenständlichen Gebietsloses 1 im Bezirk der AM xxxxxx innerhalb von 60 Minuten nach Beauftragung durch die Antragsgegnerin sieht die Vergabekammer als gewährleistet an. Die zeitliche Vorgabe hinsichtlich der Leistungsausführung unter Ziffer 3.2 der Ausführungsbeschreibung ist nach Ansicht der Vergabekammer nicht in der Weise zu verstehen, dass der Auftrag innerhalb des vorgegebenen Zeitraumes abgeschlossen sein müsse. Dies wäre auch praktisch kaum umsetzbar, wenn es beispielsweise zu einem Stau innerhalb des Einsatzgebietes komme, sodass die Großreinigungsmaschine gar nicht innerhalb der vorgegebenen Zeit mit der Leistungsausführung beginnen könnte. Vielmehr ist diese Anforderung dahin gehend zu verstehen, dass eine Leistungsbereitschaft innerhalb von 60 Minuten nach Beauftragung am Einsatzort sicherzustellen ist. Die Beigeladene hat ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2015 angegeben, dass das Großreinigungsgerät xxxxxx am Standort xxxxxx stationiert sein wird. Die Erreichbarkeit des räumlichen Einsatzgebietes im Bezirk des AM xxxxxx innerhalb von 60 Minuten sieht die Kammer damit als gewährleistet an.

Eine Standortzuordnung der Einsatzgroßgeräte ist im Übrigen nicht erfolgt. Nach der Erklärung des Bieters über den Geräte- und Personaleinsatz vom 01.09.2015, welche der Antragstellerin nach erweiterter Akteneinsicht vom 13.11.2015 vorliegt, ist keine Zuordnung der von der Beigeladenen zur Auftragsausführung eingesetzten Großreinigungsmaschine xxxxxx zu einem der angegebenen Standort xxxxxx und xxxxxx erfolgt. Die technischen Anforderungen an die Leistungsfähigkeit werden somit erfüllt.

Im Übrigen braucht die technische Leistungsfähigkeit erst bei Auftragserteilung, also bei Zuschlag, nachgewiesen werden. So kann ein Auftragnehmer die Leistungserfüllung auch mit Fremdmitteln erbringen, z.B. durch Leasing der zur Auftragsdurchführung erforderlichen Fahrzeuge oder Maschinen. Eine Verlegung des Großreinigungsgerätes xxxxxx an den Standort xxxxxx hat die Beigeladene gemäß dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2015 bereits in Aussicht gestellt. Letztlich trägt der Auftraggeber das Risiko, dass er aufgrund der Bieterangaben davon ausgeht, dass die in der Leistungsbeschreibung festgelegten Leistungsanforderungen erfüllt werden.

Das von der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 17.11.2015 erwähnte Prüfzeugnis der xxxxxx ist nicht Inhalt der Vergabeakte und daher nicht relevant für das nun zu überprüfende Vergabeverfahren. Das von der Beigeladenen eingereichte Prüfzeugnis über einen xxxxxx vom 31.08.2012 ist ausgestellt vom Prüfinstitut und Ingenieurbüro xxxxxx und bestätigt die geforderte Leistungsfähigkeit. Auch insoweit steht nichts der Erfüllung der geforderten Leistungsfähigkeit entgegen.

f) Die Vergabekammer vermag ebenso hier keinen Verstoß gegen die Dokumentationspflichten nach § 24 EG VOL/A feststellen.

Die Bieter haben nach § 97 Abs. 2 und Abs. 1 GWB einen Anspruch auf ein transparent und fair geführtes Vergabeverfahren. Dazu gehört auch die Einhaltung der Dokumentationspflichten gemäß § 24 EG VOL/A durch die Vergabestelle. § 24 EG VOL/A ist grundsätzlich bieterschützend. Die Dokumentation dient aus Sicht des Bieters dem Ziel einen effektiven Primärrechtsschutz zu gewährleisten und es sowohl dem Bewerber als auch den Nachprüfungsinstanzen im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens zu ermöglichen, den Gang des Vergabeverfahrens nachzuvollziehen und kontrollieren zu können (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 12.05.2010 - 13 Verg 3/10; OLG München, Beschluss vom 02.11.2012 - Verg 26/12; Zeise in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, 3. Auflage, § 24 EG VOL/A, Rdnr. 2). Ein Bieter kann einen Nachprüfungsantrag jedoch nur dann auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die Mängel auf seine Rechtstellung im Vergabeverfahren negativ auswirken würden (vgl. VK Bund, Beschluss vom 10.12.2003 - VK 2-116/03 und Beschluss vom 15.11.2007 - VK 2-102/07; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.08.2011 - VII-Verg 36/11).

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Nachprüfungsbegehren gegen die Angebotswertung der Antragsgegnerin. Sie kann sich im Rahmen der Geltendmachung einer Rechtsverletzung wegen Verstoß gegen die Dokumentationspflicht nur insofern darauf berufen, dass die Angebotswertung anhand der Dokumentation nicht oder nicht hinreichend nachvollzogen werden kann. Der in § 24 EG Abs. 1 VOL/A etablierte Umfang der Dokumentationspflicht ist notwendig, aber auch ausreichend, um die Transparenz und Fairness des Vergabeverfahrens zu gewährleisten. Die erforderliche Dokumentation soll im Kern zusammenfassend und nachvollziehbar sein, d.h. nicht nur formelhafte Erläuterungen enthalten (vgl. Müller-Wrede, 4. Auflage, § 24 EG VOL/A Rdnr. 17.). Die Begründung der Angebotswertung muss sich vielmehr mit dem überprüften Angebot konkret auseinandersetzen. Eine minutiöse Protokollierung ist jedoch nicht gefordert.

Die Angebotswertung der Antragsgegnerin ist insgesamt ausreichend dokumentiert. Insbesondere ist der Abwägungsprozess hinsichtlich der Annahme der Zuverlässigkeit umfänglich beschrieben. Die Darstellung in dem Vermerk vom 16.09.2015, welcher vier Seiten umfasst, genügt den Anforderungen. Eine Differenzierung der Prüfung nach Losen war im Rahmen der konkreten Bewertung der Eignung entbehrlich, weil die Beigeladene lediglich für das streitgegenständliche Gebietslos 1 im Bereich AM xxxxxx ein Angebot eingereicht hat. Deshalb hat die Antragsgegnerin die von der Beigeladenen abgegebenen Eigenerklärungen und die entsprechend eingereichten Unterlagen zur Leistungsfähigkeit denklogisch auch nur losspezifisch geprüft.

Die Vergabekammer weist darauf hin, dass die Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Beschluss vom 08.02.2011 - XZB 4/10, Rdnr. 71 bis 73) nur noch in seltenen Fällen dazu führt, dass eine Vergabeentscheidung wegen mangelhafter Dokumentation aufgehoben werden muss. Nach der neueren Rechtsprechung zur Dokumentationspflicht und zum Beschleunigungsgrundsatz (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.03.2011- Verg 63/10, Beschluss vom 08.09.2011 -Verg. 48/11; OLG Celle, Beschluss vom 13.01.2011 - 13 Verg 15/10) ist eine etwaige Wiederholung einer Wertung aufgrund von Dokumentationsmängeln nur geboten, wenn eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung bei alleiniger Berücksichtigung der nachgeschobenen Dokumentation im Nachprüfungsverfahren zweifelhaft ist. Selbst wenn also ein Dokumentationsmangel vorliegen sollte, führt das in der Praxis eher selten zu einer Maßnahme nach § 114 GWB. Die Vergabekammer Niedersachsen hat ergänzt (Beschluss vom 05.12.2013 - VgK-39/2013), dass die Dokumentationspflicht auch in Ansehung der Rechtsprechung des BGH fortbesteht. Die Dokumentationspflichten der Vergabe- und Vertragsordnungen sind eine wesentliche Säule des vergaberechtlichen Transparenzgebotes gemäß § 97 Abs. 1 GWB. Sie wären völlig wirkungslos und überflüssig, wenn man den öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit einräumen wollte, jegliche fehlende Dokumentation, sei der betroffene Wertungsvorgang bzw. der zu dokumentierende Sachverhalt auch noch so wichtig, jederzeit erst aufgrund eines Nachprüfungsantrags einfach nachreichen zu können. Vielmehr ist der öffentliche Auftraggeber weiterhin gehalten, einen überhaupt nicht dokumentierten Wertungsabschnitt erneut oder gegebenenfalls erstmalig durchzuführen und dann zeitnah zu dokumentieren. Derartige Verstöße liegen jedoch hier nicht vor, so dass die Vergabekammer keinen Anhaltspunkt hat, von einer Verletzung der Dokumentationspflicht auszugehen.

Die Antragsgegnerin hat Ihre Vergabeentscheidung letztendlich in vergaberechtlich zu beanstandender Weise getroffen. Der Nachprüfungsantrag ist daher überwiegend begründet. Das Vergabeverfahren ist in den Stand der Angebotswertung zurückzuversetzen.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790).

Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx € gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.

Die Vergabekammer hat der Gebührenermittlung einen Gegenstandswert von xxxxxx € (brutto) zugrunde gelegt. Dieser Wert entspricht der Angebotssumme der Antragstellerin für Los 1 und damit ihrem Interesse am Auftrag.

Unter Zugrundelegung eines Auftragswertes von xxxxxx € ergibt sich nach der o. g. Gebührentabelle durch Interpolation eine Basisgebühr in Höhe von xxxxxx €.

Die in Ziffer 3 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin und die Beigeladene mit ihren Anträgen keinen Erfolg hatten.

Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung ihres Kostenanteils gemäß § 128 Abs. 1 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).

Die in Ziffer 4 des Tenors geregelte Übernahme der Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung je zur Hälfte durch die Antragsgegnerin und die Beigeladene folgt aus § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des anderen zutragen. Für den antragstellenden Bieter ist wegen der Komplexität und Schwierigkeit des Vergaberechts die Beauftragung eines Rechtsanwaltes regelmäßig erforderlich (vgl. Vavra in Hattig/Maibaum, Praxiskommentar Kartellvergaberecht, 2. Auflage, § 128 GWB, Rdnr. 25). Neben Kenntnissen im Vergaberecht mit Ausstrahlung in das Europarecht sind für eine optimale Vertretung im Nachprüfungsverfahren auch Kenntnisse des speziellen Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahrens und die Erfahrung im Umgang mit knappen Fristen sowie den Problemen mit der eingeschränkten Akteneinsicht erforderlich. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Auseinandersetzung mit Fragen zur Eignungsprüfung besonders vertiefte Kenntnisse des Vergaberechts verlangen.

Es war deshalb festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für die Antragstellerin notwendig gewesen ist. Angesichts der Tatsache, dass die Antragsgegnerin und die Beigeladene mit ihren Anträgen im Nachprüfungsverfahren unterlegen sind, haben sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin je hälftig zu tragen.

Die Beigeladene wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

xxxxxx

V. Rechtsbehelf

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Meinecke
Peter
Sameluck