Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 23.05.2005, Az.: VgK 19/2005
Ausschreibung eines Bauauftrags; Aufhebung des Verhandlungsverfahrens; Vergabe eines Nachtragsauftrags; Verhandlungsverfahren ohne öffentliche Vergabebekanntmachung
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 23.05.2005
- Aktenzeichen
- VgK 19/2005
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 23730
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 Nr. 4 VOB/B
- § 3 a Nr. 5 lit. e VOB/A
- § 16 Nr. 2 VOB/A
- § 26 Nr. 1 lit. c VOB/A
Verfahrensgegenstand
VOB-Vergabeverfahren "Aufnahme und Ablagerung von Baggergut aus dem Industriehafen xxxxxxx", Februar 2005
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Die Kosten werden auf 3.811 EUR festgesetzt.
- 4.
Die Antragstellerin hat der Auftraggeberin und der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war sowohl für die Auftraggeberin als auch für die Beigeladene notwendig.
Begründung
I.
Die Auftraggeberin hatte einen Auftrag für Schwimmbagger- und Pumparbeiten im Industriehafen xxxxxxx im Februar 2004 europaweit ausgeschrieben. Der Beginn der Arbeiten war für den 01.04.2004 geplant. Die Arbeiten sollten voraussichtlich bis zum 30.09.2005 abgeschlossen sein. Der Auftrag wurde der Fa. xxxxxxx erteilt. Bei Ausführung der Baggerarbeiten wurden im Baggergut Schutt, Schrott, Steine und sonstiger Unrat gefunden. Das Material konnte nicht auftragsgemäß verspült werden. Da Art und Umfang des Unrats im Leistungsverzeichnis zum Hauptauftrag nicht beschrieben waren, hat die Auftragnehmerin in der Bergung und Beseitigung des Unrats daher entsprechende zusätzliche Leistungen außerhalb des Hauptauftrages gesehen. Die beauftragten Schwimmbagger- und Pumparbeiten wurden am 01.10.04 eingestellt, weil sie auf Grund der vorgefundenen Mengen Unrats technisch nicht unverändert fortgeführt werden konnten.
Die Auftraggeberin nahm daher mit der Auftragnehmerin des Hauptauftrags, der beigeladenen Fa. xxxxxxx Verhandlungen über einen entsprechenden Nachtragsauftrag auf. Da die Auftraggeberin mit dem von ihr beauftragten Ingenieurbüro unterschiedliche technische Lösungsvorschläge für die Bergung und Beseitigung des Unrats entwickelt hatte, hat die Auftragnehmerin entsprechende Nachtragsangebote ausgearbeitet, über welche preislich und technisch verhandelt worden ist. Das aktuellste Nachtragsangebot der Auftragnehmerin trägt das Datum 25.01.2005. Es wurde ausweislich der Vergabeakte rechnerisch und sachlich geprüft und blieb unbeanstandet. Dieses Nachtragsangebot für die Fortführung der bereits 2004 beauftragten Arbeiten unter Bergung des Unrats beläuft sich auf eine Summe von 3.236.533,60 EUR brutto. Die Entsorgung des abgetrennten Unrats ist nicht Gegenstand des Nachtragsauftrages. Auf dieses Angebot erteilte die Auftraggeberin der Beigeladenen den Nachtragsauftrag. Die Auftragsbestätigung datiert vom 15.04.2005.
Parallel zu den Nachtragsverhandlungen und offenbar ohne Wissen der Beigeladenen hat die Auftraggeberin ab Dezember 2004 über die identischen Leistungen, allerdings zzgl. der Entsorgung des abgetrennten Unrats, mit weiteren Firmen verhandelt und diesen dabei ausdrücklich mitgeteilt, dass die Beauftragung eines anderen Bieters dann in Betracht käme, wenn die Verhandlungen mit dem bisherigen Auftragnehmer nicht zu einer Nachtragsbeauftragung führen sollten. Die Vergabeakte enthält mehrere Angebote, die in diesem Rahmen offenbar für verschiedene technische Lösungen abgegeben worden sind.
Am 10.02.05 hat die Auftraggeberin (ohne vorherige Bekanntmachung) mindestens zwei Firmen förmlich zur Abgabe von Angeboten auf ein von ihr erarbeitetes Leistungsverzeichnis aufgefordert, um die Entscheidungüber das Nachtragsangebot der Beigeladenen, die für den 18.02.05 terminiert war - nach eigener Darstellung der Auftraggeberin - "möglichst optimal vorzubereiten". Sie verwies in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots noch einmal ausdrücklich auf den bereits in den Vorgesprächen mitgeteilten o. a. Vorbehalt. Sie bezeichnet diese Aufforderung als "Leistungsanfrage" und die abgegebenen Angebote als "indikative Angebote".
Nach Maßgabe der Vergabeakte hat dies keiner der aufgeforderten Bieter gerügt. Nur die Antragstellerin hat in diesem Parallelverfahren fristgerecht ein Haupt- und ein Nebenangebot abgegeben. Die zweite Bieterin sah sich nicht in der Lage, innerhalb von drei Tagen ein seriöses Angebot vorzulegen, verwies jedoch auf ein im Januar 2005 von ihr abgegebenes Angebot, an das sie sich noch gebunden fühle.
Das Hauptangebot der Antragstellerin beläuft sich auf 4.179.931,82 EUR, ihr Nebenangebot hat eine Angebotssumme von 4.077.034,02 EUR.
Nach den in der Vergabeakte nicht dokumentierten Darlegungen der Auftraggeberin hat ihr Aufsichtsrat in seiner Sitzung am 18.02.05 beschlossen, das Nachtragsangebot der Beigeladenen vom 25.01.05 anzunehmen. Die Antragstellerin erhielt durch die Presse Kenntnis von dieser Entscheidung. Mit Schreiben vom 24.02.05 (der Vergabeakte nicht beigefügt) forderte sie die Auftraggeberin auf, bis zum 25.02.05 den Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen, da es das wirtschaftlichste Angebot sei.
Um - nach Aussage der Auftraggeberin - Streitigkeiten zu vermeiden, sagte die Auftraggeberin mit Schreiben an die Antragstellerin vom 25.02.05 (der Vergabeakte nicht beigefügt) eine Überprüfung der Sach- und Rechtslage zu. Die Auftraggeberin kam zu dem Ergebnis, dass kein Anlass für eine Änderung der beschlossenen Entscheidung besteht.
Die Auftraggeberin beraumte daraufhin zwei Einigungsgespräche mit der Antragstellerin und der Beigeladenen mit dem Ziel einer vergleichsweisen Einigung an. Die Gespräche am 15. und am 21.03.05 brachten nicht das gewünschte Ergebnis, da Antragstellerin und Beigeladene nicht zu einer von der Auftraggeberin vorgeschlagenen Kooperation bereit waren.
Nach Darlegung der Auftraggeberin sei jedoch mit der Antragstellerin Einvernehmen dahingehend erreicht worden, dass der Aufsichtsrat noch einmal umfassend über die Sach- und Rechtslage und insbesondere die Rechtsauffassung der Antragstellerin informiert werden solle, um auf dieser Grundlage erneut zu beschließen. Die Antragstellerin sei für diesen Fall sogar bereit gewesen, sich der Aufsichtsratsentscheidung unter Verzicht auf Rechtsmittel zu unterwerfen.
Dementsprechend hat der Aufsichtsrat der Auftraggeberin am 06.04.05 erneut über die Vergabeentscheidung beraten und beschlossen, an der Entscheidung zur Vergabe des Nachtragsauftrags an die Beigeladene fest zu halten.
Ausweislich der Vergabeakte hat die Auftraggeberin einen entsprechenden Nachtragsauftrag erteilt, die Auftragsbestätigung datiert vom 15.04.05.
Mit Schreiben vom 07.04.05 hat die Auftraggeberin die Antragstellerin über die am 06.04.05 beschlossene Aufhebung des Vergabeverfahrens informiert.
Mit Schreiben vom 11.04.05 rügte die Antragstellerin die Aufhebung der Ausschreibung. Sie forderte die Auftraggeberin auf, die aus ihrer Sicht vergaberechtswidrige Aufhebung rückgängig zu machen und das Vergabeverfahren ordnungsgemäß durch Zuschlagserteilung auf das wirtschaftlichste Angebot, das Angebot der Antragstellerin, zu erteilen. Gleichzeitig verwies sie auf die Regelungen des § 13 VgV.
In ihrer Antwort vom 15.04.05 teilte die Auftraggeberin mit, dass eine Auftragsvergabe endgültig aufgegeben worden sei.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 19.04.05, eingegangen per Fax am gleichen Tage, beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
Die Vergabekammer hat mit Verfügung vom 06.04.2005 der Auftraggeberin den Nachprüfungsantrag zugestellt und vorab per Fax am gleichen Tage bekannt gegeben.
In ihren Schriftsätzen trägt die Antragstellerin vor, die am 10.02.2005 ausgeschriebenen Leistungen, insbesondere die Bergung und Entsorgung von Unrat, seien nicht Gegenstand des Verfahrens im Februar 2004 und damit auch nicht Gegenstand der damaligen Auftragserteilung an die Beigeladene gewesen. Die Auftraggeberin habe kein - aus ihrer Sicht unzulässiges - Verhandlungsverfahren nach § 3 a lit e VOB/A mit der Beigeladenen geführt. Wegen der Dringlichkeit der Wiederherstellung der Schiffbarkeit des Hafens sowie förderungsrechtlicher Terminvorgaben und finanzieller Zwänge und bestärkt durch vorherige unverbindliche Preisanfragen bei der Antragstellerin, habe sie sich berechtigter Weise zur Durchführung eines Verhandlungsverfahrens gem. § 3 a Nr. 5 d VOB/A entschieden.
Der in der Aufforderung zum Angebot vom 10.02.05 enthaltene Vorbehalt dürfe nur so ausgelegt werden, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot gemäß den benannten Zuschlagskriterien im Rahmen dieses Verfahrens erfolgt, es sei denn, das "Nachtragsangebot" des auf der Baustelle bereits tätigen Auftragnehmers xxxxxxx seinach den benannten Zuschlagskriterien wirtschaftlich günstiger als das wirtschaftlich günstigste Angebot eines Bieters aus diesem Vergabeverfahren. Eine andere Auslegung des Vorbehaltes verbiete sich, da andernfalls die Ausschreibungen unter Verstoß gegen § 16 Abs. 2 VOB/A vergabefremden Zwecken gedient hätte.
Die Auftraggeberin habe dem entsprechend die eingegangenen Angebote preislich verglichen. Hierbei habe sich das Hauptangebot der Antragstellerin gegenüber dem Nachtragsangebot der Beigeladenen - sogar trotz vergaberechtswidriger Zurechnung eines sog. Vertragsrisikos von 700.000,00 EUR - immer noch als preislich günstiger erwiesen.
Allerdings sei bei Akteneinsicht festgestellt worden, dass sich die Angebotssumme des zwischenzeitlich beauftragten Nachtragsangebotes der Beigeladenen nur noch auf "netto 2.790.115,17 EUR" belaufe. Die Antragstellerin vermutet daher, dass nach der wertenden Gegenüberstellung der Angebote und gegebenenfalls auch nach der ersten Aufsichtsratssitzung unzulässige Preisverhandlungen im Sinne von § 24 Nr. 3 VOB/A stattgefunden haben und/oder dem Nachtragsangebot der Beigeladenen Teilleistungen entnommen wurden.
Hierin liege ggf. ein Verstoß gegen das Transparenz- und das Gleichbehandlungsgebot.
Die Antragstellerin beruft sich im Übrigen auf das durch § 26 VOB/A geschützte Vertrauen der Bieter, dass ein einmal ausgeschriebenes Vergabeverfahren entsprechend seiner Funktion und seinem Regelungszusammenhang normalerweise seinen Abschluss durch Zuschlag findet. Dieser müsse nach Maßgabe der mitgeteilten Kriterien auf ihr Angebot erteilt werden. Das Angebot entspreche den Ausschreibungsbedingungen, beinhalte, wie durch Sachverständigengutachten belegt, eine praktikable Lösung und sei im Ergebnis das wirtschaftlichste Angebot nach Maßgabe der bekannt gemachten Kriterien.
Der Vorbehalt in der Aufforderung zum Angebot berechtige die Auftraggeberin keineswegs gemäß § 26 VOB/A zur Aufhebung der Ausschreibung vom 10.02.05. Diese sei nichtig.
Überdies handele es sich um eine Scheinaufhebung, da die Auftraggeberin den Auftrag - unter Verstoß gegen § 13 VgV - vergeben habe.
Die Antragstellerin hat beantragt,
- 1.
festzustellen, dass die Ausschreibung "Aufnahme und Ablagerung von Baggergut aus dem Industriehafen xxxxxxx, Februar 2005" nicht wirksam aufgehoben worden ist,
- 2.
festzustellen, dass eine etwaige zwischenzeitlich erteilte Auftragsvergabe an den Bieter xxxxxxx nichtig ist,
- 3.
die Antragsgegnerin zu verpflichten, das unter Ziff. 3 bezeichnete Vergabeverfahren fortzusetzen,
- 4.
die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten seitens der Antragstellerin für erforderlich zu erklären,
- 5.
der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen,
- 6.
hilfsweise für die Fälle des § 114 Abs. 2 GWB festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist.
Mit Schriftsatz vom 26.04.2005 hat die Antragstellerin gesondert einen Eilantrag gestellt und unter Berufung auf § 115 Abs. 3 GWB zum Schutz der Rechte der Antragstellerin aus § 97 Abs. 7 GWB beantragt,
der Auftraggeberin zu untersagen, die Leistungen des streitgegenständlichen Verfahrens vor einer Entscheidung der Vergabekammer und dem Ablauf der Beschwerdefrist nach § 117 Abs. 1 GWB ausführen zu lassen.
Die Auftraggeberin hat beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag und den Eilantrag zurückzuweisen,
- 2.
hilfsweise das Verfahren - unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer - fortzuführen,
- 3.
die Hinzuziehung eines anwaltlichen Rechtsbeistandes auf Seiten der Antragsgegnerin für notwendig zu erklären,
- 4.
die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.
Sie hebt hervor, es handele sich um zwei getrennte Sachverhalte.
Zum einen gehe es um die Prüfung eines unvorhergesehenen "technischen Nachtrags" zu einem der Beigeladenen bereits im Jahr 2004 im Rahmen eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens erteilten Auftrag. Im hier zur Überprüfung anstehenden Fall gehe es dagegen um ein anderes Vergabeverfahren. Es wurde durchgeführt, um einerseits die Entscheidung des Aufsichtsrates der Auftraggeberin über das Nachtragsangebot der Beigeladenen möglichst optimal vorzubereiten. Andererseits sollte für den Fall, dass die Nachtragsverhandlungen mit der Beigeladenen nicht zu einem wirtschaftlichen Ergebnis führen, tatsächlich ein Zuschlag auf das nach den bekannt gemachten Kriterien wirtschaftlichste Angebot dieses Vergabeverfahrens erteilt werden. Es könne deshalb nicht die Rede davon sein, dass das Verfahren einzig vergabefremden Zwecken zu dienen bestimmt war. Auf den Vorbehalt habe sie die Bieter in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes ausdrücklich und bewusst hingewiesen. Die Antragstellerin habe in ihrem Schreiben vom 11.04.2005 die Aufhebung der Ausschreibung und eine aus ihrer Sicht fehlende Bieterinformation nach § 13 VgV gerügt. Weitere Rügen habe die Antragstellerin nicht und schon gleich nicht unverzüglich ausgesprochen.
Soweit sich der Nachprüfungsantrag gegen die Aufhebung der Ausschreibung vom Februar 2005 richte, verweise sie darauf, dass trotz der Einleitung eines Vergabeverfahrens die Antragstellerin weder einen Anspruch noch einen berechtigten Anlass habe, darauf zu vertrauen, dass die Auftraggeberin den Auftrag auch vergibt. Schon aus haushaltsrechtlichen Gründen müsse sie zu jedem Zeitpunkt eines Vergabeverfahrens eine sachgerechte Entscheidung treffen können. Es könne vorliegend auch nicht von einer Scheinaufhebung gesprochen werden, da für die Entscheidung zur Aufhebung der Ausschreibung wirtschaftlichen Erwägungen ausschlaggebend gewesen seien und aus dem streitgegenständlichen Verfahren gar kein Auftrag erteilt worden sei.
Die Vergabekammer hat die Fa. xxxxxxx auf deren Antrag gemäß § 109 GWB beigeladen, weil ihre Interessen schwer wiegend berührt sind.
Die Beigeladene beantragt,
- 1.
die Anträge der Antragstellerin zu 1. bis 3. zurückzuweisen,
- 2.
die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten seitens der Beigeladenen für notwendig zu erklären,
- 3.
die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.
Sie trägt vor, sie sei mit dem Nachtragsauftrag nicht als Bieter beauftragt worden, sondern schlicht als Vertragspartner der Auftraggeberin. Mit Erteilung des Nachtragsauftrages der Auftraggeberin an die Beigeladene würden Vergabevorschriften überhaupt nicht erfasst. In einem bestehenden Vertragsverhältnis wurden vielmehr geänderte Leistungen beauftragt, ohne dass die Beigeladene als Auftragnehmerin in ein (neues) Vergabeverfahren eingebunden war. Sie sei davon ausgegangen, dass die Auftraggeberin im Februar 2005 lediglich "Vergleichsangebote" eingeholt habe. Keinesfalls habe aber eine "Ausschreibung" entsprechend den vergaberechtlichen Vorschriften in der Weise stattgefunden, dass sich hieran alle leistungsbereiten Anbieter (dies wäre auch die Beigeladene gewesen) beteiligen konnten.
Wie sie schriftsätzlich ausführt, liegt nach ihrer Auffassung in dem Nachtragsauftrag keine zusätzliche Leistung im Sinne einer eigenständigen Bauleistung nach§ 3 a Nr. 5 lit. e) VOB/A vor, sondern eine Leistungsänderung im Sinne des § 1 Nr. 3 VOB/B oder zumindest "nicht vereinbarte Leistungen" nach § 1 Nr. 4 VOB/B. Die beauftragten Leistungen seien technisch untrennbar mit den ursprünglich beauftragten Leistung verbunden und dienten dazu, denselben Leistungserfolg, wie er vertraglich beabsichtigt ist, zu verwirklichen.
Es werden weiterhin die vertraglich geschuldeten Leistungen ausgeführt, jedoch müssten sie auf Anordnung der Auftraggeberin anders ausgeführt werden. Hierüber sei im Wege des Nachtragsauftrages eine Preisvereinbarung getroffen worden. Für diese zusätzlichen Maßnahmen begründet sich der Anspruch der Beigeladenen auf eine zusätzliche Vergütung nach § 2 Nr. 5 VOB/B.
Mit Beschluss vom 29.04.05 hat die Vergabekammer den auf § 115 Abs. 3 GWB gestützten Eilantrag der Antragstellerin als unbegründet zurückgewiesen.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 19.05.2005 verwiesen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Fortführung der bereits 2004 beauftragten und begonnenen, am 01.10.2004 wegen des vorgefundenen Unrats vorübergehend eingestellten Schwimmbagger- und Pumparbeiten unter Bergung und Beseitigung dieses Unrats nicht in ihren Rechten im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB verletzt. Dieser Auftrag beruht auf einem bereits 2004 auf der Grundlage eines Vergabeverfahrens mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrag. Die Voraussetzungen für die erfolgte Nachtragsbeauftragung bezüglich der Bergung des bei der ursprünglichen Beauftragung unbekannten und nicht berücksichtigten Unrats lagen gem.§ 1 Nr. 4 VOB/A vor, weil sie zur Ausführung der bereits beauftragten vertraglichen Leistung erforderlich sind. Die Auftraggeberin war dagegen nicht befugt, parallel zu den Nachtragsverhandlungen mit der Antragstellerin ein Verhandlungsverfahren über die identischen Leistungen zu führen. Dieses Verfahren diente der Markterkundung und der Einholung von Vergleichsanschlägen und damit vergabefremden Zwecken im Sinne des § 16 Nr. 2 VOB/A. Die von der Antragstellerin angefochtene Aufhebung des Vergabeverfahrens war daher wegen Vorliegens schwer wiegender Gründe gem. § 26 Nr. 1 lit. c VOB/A nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar geboten. Die Antragstellerin hat insbesondere auch keinen Anspruch darauf, dass die Auftraggeberin den bereits 2004 mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrag über die Bagger- und Spülarbeiten kündigt, um so den Auftrag in der nunmehr erweiterten Form im Wege des Verhandlungsverfahrens an die Antragstellerin zu vergeben.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Die Auftraggeberin ist ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine GmbH, die die Stadt xxxxxxx zur Durchführung von Aufgaben der Stadtwerke in ihrem Hoheitsgebiet gegründet hat. Die Auftraggeberin ist eine eigenwirtschaftliche Gesellschaft, die die Stadt xxxxxxx zu 100 % hält. Die Auftraggeberin ist damit öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB in Form einer Gesellschaft des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht-gewerblicher Art zu erfüllen, und die von der Stadt xxxxxxx und damit einer Gebietskörperschaft im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB beherrscht wird. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Auftrag für Schwimmbagger- und Pumparbeiten im Industriehafen xxxxxxx unter Bergung und Beseitigung des dabei vorgefundenen Unrats und damit um einen Bauauftrag im Sinne des § 1 VOB/A. Der streitbefangene Auftrag ist Teil des Gesamtbauvorhabens Hafenentwicklung xxxxxxx, 2. Bauabschnitt. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) ein Schwellenwert von 5 Mio. EUR. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. EUR oder bei Losen unterhalb von 1 Mio. EUR deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Die Antragstellerin hat mit Angebot vom 14.02.2005 die streitbefangenen Leistungen für einen Preis von 4.179.931,82 EUR angeboten. Der Wert des streitbefangenen Loses übersteigt daher den maßgeblichen Schwellenwert von 1 Mio. EUR deutlich. Das Vergabeverfahren ist damit einer Nachprüfung durch die Vergabekammer zugänglich.
Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie vorträgt, dass die Auftraggeberin das Vergabeverfahren zu Unrecht gem. § 26 VOB/A aufgehoben hat. Vielmehr seien die Nachtragsverhandlungen mit der Beigeladenen zu Unrecht erfolgt. Die Voraussetzungen des§ 1 Nr. 4 VOB/B lägen nicht vor. Dagegen habe sie selbst im Rahmen eines zulässigen Verhandlungsverfahrens ohne Vergabebekanntmachung gem. § 3 a Nr. 5 lit. d VOB/A das wirtschaftlichste Angebot abgegeben und müsse deshalb den Zuschlag erhalten. Die Antragstellerin hat damit ein Rechtsschutzbedürfnis im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB dargelegt. Diesbezügliche Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, 2. Aufl., § 107, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat zumindest schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformem Verhalten der Auftraggeber zumindest eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Die Auftraggeberin hatte mit Schreiben vom 14.02.2005 ein Angebot im streitbefangenen Verhandlungsverfahren abgegeben. Im Nachgang hat sie aus der örtlichen Tageszeitung erfahren, dass sie zwar das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben habe, der Zuschlag jedoch im Rahmen des Nachtragsverfahrens auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden solle. Diesen Sachverhalt hat die Auftraggeberin der Antragstellerin unstreitig am 24.02.2005 telefonisch bestätigt. Bereits am gleichen Tage, mit Schreiben vom 24.02.2005 rügte die Antragstellerin diese Entscheidung der Auftraggeberin unter Hinweis auf die im Aufforderungsschreiben zur Angebotsabgabe vom 10.02.2005 von der Auftraggeberin benannten Zuschlagskriterien. Mit Schreiben vom 07.04.2005 unterrichtete die Auftraggeberin die Antragstellerin darüber, dass sie auf der Grundlage einer Entscheidung ihres Aufsichtsrates das Verhandlungsverfahren aufgehoben habe. Auch diese Entscheidung rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.04. mit der Begründung, dass die Voraussetzungen des§ 26 VOB/A für eine Aufhebung nicht vorlägen. Beide Rügen der Antragstellerin erfolgten unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Diese Rügepflicht entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne vom § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes erfolgten beide äußerst kurzfristig abgesetzten Rügeschreiben unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin ist weder durch die auf der Grundlage von Nachtragsverhandlungen erfolgte Beauftragung der Beigeladenen noch durch die Aufhebung des mit ihr und einem weiteren Bieter parallel geführten Verhandlungsverfahrens gem. § 26 VOB/A in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt. Die Nachtragsverhandlungen mit der Beigeladenen über die streitbefangenen zusätzlichen bzw. modifizierten Leistungen zur Bergung und Beseitigung des bei den Baggerarbeiten vorgefundenen Unrats waren gem. § 1 Nr. 4 VOB/B gerechtfertigt, weil diese zunächst nicht vereinbarten Leistungen zur Ausführung der vertraglich bereits 2004 wirksam vereinbarten Leistungen erforderlich sind (im Folgenden a). Demgegenüber war die Auftraggeberin nicht befugt, parallel zu diesen Nachtragsverhandlungen in einem laufenden, noch nicht abgeschlossenen Vertragsverhältnis zusätzlich mit der Antragstellerin und einer weiteren Bieterin ein Verhandlungsverfahren gem. § 3 a Nr. 5 lit. d VOB/A zu führen. Dieses diente allein der Markterkundung und dem Ziel, Vergleichsanschläge einzuholen und damit vergabefremden Zwecken im Sinne des § 16 Nr. 2 VOB/A. Die Auftraggeberin war daher nicht nur berechtigt, sondern sogar gehalten, das Verhandlungsverfahren wegen Vorliegens schwer wiegender Gründe gem. § 26 Nr. 1 lit. c VOB/A aufzuheben (im Folgenden b).
a)
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war die Auftraggeberin berechtigt, die notwendig gewordenen zusätzlichen Leistungen zur Bergung und Beseitigung des bei den bereits 2004 begonnenen Baggerarbeiten im Industriehafen xxxxxxx vorgefundenen Unrats im Wege von Nachtragsverhandlungen gem. § 1 Nr. 4 VOB/B an die Beigeladene zu vergeben. Die Nachtragsverhandlungen erfolgten im Rahmen des bereits 2004 auf der Grundlage eines offenen europaweiten Vergabeverfahrens mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrages über die Schwimmbagger- und Pumparbeiten im Industriehafen xxxxxxx, die im Sommer 2004 begonnen wurden und ausweislich des Auftragsschreibens der Auftraggeberin vom 24.04.2004, das die Beigeladene im Zuge des Nachprüfungsverfahren mit Schriftsatz vom 28.04.2005 vorgelegt hat, ursprünglich bis zum 30.09.2005 andauern sollten. Die vertragsgemäßen Arbeiten sind unstreitig noch nicht abgeschlossen, das ursprüngliche Vertragsverhältnis zwischen der Beigeladenen und der Auftraggeberin damit noch nicht beendet.
Die Auftraggeberin war berechtigt, einen Nachtragsauftrag an die Beigeladene zu vergeben, der ein im ursprünglichen Baggerauftrag nicht enthaltenes Verfahren zur Bergung auch des festgestellten Unrats beinhaltet, um so den notwendigen Baggerarbeiten, die am 01.10.2004 wegen eben dieses Unrats eingestellt wurden, Fortgang zu geben und der Beigeladenen damit zu ermöglichen, ihre vertraglichen Leistungen überhaupt ausführen zu können. Das mit dem Nachprüfungsantrag verfolgte Ziel der Antragstellerin beruht auf der unstreitigen Tatsache, dass die Auftraggeberin ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen Auftragsbestätigung vom 15.04.2005 die streitgegenständlichen Leistungen im Wege eines Nachtragsauftrags an die im vorangegangenen, europaweiten offenen Verfahren "Baggerung im xxxxxxx Industriehafen" (xxxxxxx) obsiegende und beauftragte Beigeladene vergeben hat, während sie ein parallel im Februar 2005 mit der Antragstellerin und zumindest einem weiteren Unternehmen geführtes Verhandlungsverfahren mit Beschluss des Aufsichtsrates der Auftraggeberin vom 06.04.2005 aufgehoben und diese Aufhebung der Antragstellerin mit Schreiben vom 07.04.2005 mitgeteilt hat. Unstreitig ist auch, dass die Antragstellerin von Anfang an wusste, dass eine Auftragserteilung in diesem parallelen Verhandlungsverfahren nur möglich sein würde, wenn die Nachtragsverhandlungen der Beigeladenen nicht zu einem wirtschaftlichen Ergebnis führen würden. Demgegenüber wurde die Beigeladene sowohl nach ihrem eigenen Vortrag als auch ausweislich der Vergabeakte von der Auftraggeberin über die Parallelverhandlung nicht informiert. Es wurde somit kein einheitliches Verhandlungsverfahren geführt, sondern ein Nachtragsverfahren mit der Beigeladenen im Rahmen eines bereits rechtswirksamen bestehenden und noch nicht zu Ende geführten Vertragsverhältnisses und parallel dazu ein Verhandlungsverfahren mit der Antragstellerin und mindestens einem weiteren Unternehmen.
Zwar hat die Antragstellerin zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Nachtragsverhandlungen mit der Beigeladenen im Ergebnis nicht auf der Grundlage des von der Vergabekammer in dem im Rahmen dieses Nachprüfungsverfahrens gefassten Eilbeschlusses gem. § 115 Abs. 3 GWB vom 29.04.2005 zitierten § 3 a Nr. 5 lit. e VOB/A geführt werden konnten. Danach ist das Verhandlungsverfahren ohne öffentliche Vergabebekanntmachung unter anderem zulässig, wenn an einen Auftragnehmer zusätzliche Leistungen vergeben werden sollen, die weder in seinem Vertrag noch in dem ihm zu Grunde liegenden Entwurf enthalten sind, jedoch wegen eines unvorhergesehenen Ereignisses zur Ausführung der im Hauptauftrag beschriebenen Leistung erforderlich sind, sofern diese Leistungen sich aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht ohne wesentliche Nachteile für den Auftraggeber vom Hauptauftrag trennen lassen. Unstreitig war die Bergung und Beseitigung des einer Verspülung des Baggergutes entgegenstehenden, hafenuntypischen Schuttes, Schrottes, der Steine und sonstigen Unrates nicht Gegenstand der ursprünglichen Ausschreibung der Baggerleistungen vom Februar 2004 gewesen, mit der die Beigeladene wirksam beauftragt wurde. Der Unrat wurde vielmehr erst gelegentlich der Baggerarbeiten entdeckt. Da eine Erfüllung der vertraglich von der Beigeladenen geschuldeten Baggerarbeiten inkl. Verspülung des Baggergutes ohne gleichzeitige Bergung und Beseitigung des Unrates nicht möglich ist, lassen sich beide Leistungen aus technischen Gründen jedenfalls nicht vernünftigerweise und nicht ohne technische Nachteile trennen. § 3 a Nr. 5 lit. e VOB/A setzt jedoch für beide dort genannten Sachverhalte voraus, dass die geschätzte Vergütung für derartige zusätzliche Leistungen die Hälfte der Vergütung der Leistung nach dem ursprünglichen Hauptauftrag nicht überschreitet. Diese zweite Voraussetzung des § 3 a Nr. 5 lit. e VOB/A ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Denn die Vergütung für den bereits 2004 mit der Beigeladenen abgeschlossenen Baggervertrag betrug lediglich 1.824.196,67 EUR netto, während die von den Nachtragsverhandlungen umfassten zusätzlichen Leistungen ausweislich des in der Vergabeakte enthaltenen letzten Nachtragsangebotes der Beigeladenen vom 25.01.2005 zu einem Preis von 2.790.115,17 EUR netto angeboten wurden.
Die Nachtragsverhandlungen finden im vorliegenden Fall jedoch ihre Grundlage in § 1 Nr. 4 VOB/B. Danach hat ein Auftragnehmer nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich wären, auf Verlangen des Auftraggebers mit auszuführen, außer wenn sein Betrieb auf derartige Leistungen nicht eingerichtet ist. Andere Leistungen können dem Auftraggeber nur mit seiner Zustimmung übertragen werden. Liegen die Voraussetzungen für die Nachtragsbeauftragung ursprünglich nicht vereinbarter Leistungen gem. § 1 Nr. 4 VOB/B vor, greifen die Vorschriften des Verhandlungsverfahrens über zusätzliche Leistungen gem. § 3 a Nr. 5 lit. e VOB/A und damit auch die dort vorgesehene Begrenzung auf die Hälfte der ursprünglichen Vergütung der Hauptleistung nicht ein (vgl. Jasper in: Beck'scher VOB-Kommentar, § 3 a VOB/A, Rdnr. 55). Zusätzlich im Sinne des § 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B ist eine Leistung, die in technischer Hinsicht und/oder im Hinblick auf die bisher beabsichtigte Nutzung unmittelbar im Zusammenhang mit der geschuldeten Vertragsleistung steht (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Aufl., § 2 VOB/B, Rdnr. 43 ff.). Sie darf nicht bereits nach dem bisherigen Vertragsinhalt, den in ihn einbezogenen Regelungen und der Verkehrssitte geschuldet sein; sie muss vielmehr zu den vereinbarten Leistungen auf Grund des vom Auftraggeber geforderten neuen Leistungsziels hinzukommen. Dabei müssen die Zusatzleistungen erforderlich sein; das bedeutet, dass ohne sie die Vertragsleistung nicht oder nicht fachgerecht ausgeführt werden kann. Daraus ergibt sich, dass die zusätzlichen Leistungen von der ursprünglich geschuldeten Leistung abhängig sein müssen. Sie müssen also in einem sachlichen Zusammenhang stehen.
Dabei braucht diese zusätzliche Leistung entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht etwa geringfügiger Art sein. Die zusätzliche Leistung kann vielmehr auch beachtlichen Umfang annehmen, wenn nur so die Erbringung der ursprünglichen Bauleistung gewährleistet wird (vgl. Riedl, in: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Aufl., B § 1, Rdnr. 40 a, 40 b, m.w.N.).
Die Voraussetzungen des § 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B liegen im vorliegenden Fall vor. Die notwendigen zusätzlichen Leistungen zur Bergung und Beseitigung des bei den Baggerarbeiten vorgefundenen Unrats wie Schutt, Schrott und Steine waren unstreitig nicht von dem mit Zuschlagsschreiben vom 24.04.2004 mit der Beigeladenen wirksam geschlossenen Vertrag erfasst. Ob die Auftraggeberin aus fachlicher Sicht schon mit derartigem Unrat rechnen musste oder ob der vorgefundene Unrat tatsächlich für alle Beteiligten unvorhersehbar war, ist unbeachtlich. Unerheblich für die Leistungspflicht des Auftragnehmers nach § 1 Nr. 4 VOB/B ist nämlich, wenn die Notwendigkeit der Zusatzleistungen bereits bei Vertragsabschluss objektiv feststand, an sie aber nicht gedacht oder deren Aufnahme in die Leistungsbeschreibung vergessen wurde (vgl. Riedl, a.a.O., B § 1, Rdnr. 40 a). Es genügt die hier vorliegende Tatsache, dass die Beigeladene ihre vertraglich geschuldeten Leistungen, nämlich die Baggerung und Ablagerung von Baggergut aus dem Industriehafen xxxxxxx, nur dann erbringen kann, wenn sie zusätzlich auch mit der Bergung und Beseitigung des dabei vorgefundenen Unrats beauftragt wird. Dafür steht ihr eine vom ursprünglichen Auftrag nicht erfasste, besondere zusätzliche Vergütung gem. § 2 Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/B zu.
Alternativ hätte die Auftraggeberin lediglich die Möglichkeit gehabt, vom laufenden Vertrag mit der Beigeladenen zurückzutreten oder auf eine einvernehmliche Aufhebung des Vertrages - gegen Zahlung einer Abstandssumme, die den entgangenen Gewinn der Beigeladenen für die noch nicht erbrachten vertraglichen Leistungen berücksichtigt - hinzuwirken. Einen Anspruch auf Beendigung des wirksamen, mit der Beigeladenen bestehenden Vertrages hat die Antragstellerin jedoch selbst dann nicht, wenn sie im Endeffekt die Gesamtleistungen wirtschaftlicher erbringen könnte.
b)
Demgegenüber verstieß das mit der Antragstellerin nach eigenem Vortrag der Auftraggeberin offenbar vorsorglich und zu "Preisvergleichszwecken" geführte Verhandlungsverfahren über die identischen Leistungen gegen das in § 16 Nr. 2 VOB/A geregelte Verbot einer Ausschreibung für vergabefremde Zwecke. Das Vergabeverfahren ist allein Mittel zum Zweck der Erteilung eines Bauauftrages. Es muss daher ernsthaft auf das Ziel der Auftragserteilung gerichtet sein. Dies gilt für alle Vergabeverfahren gleichermaßen. Schreibt der Auftraggeber Bauleistungen ohne konkrete Vergabeabsicht aus, so täuscht er die Bewerber und Bieter, die sich im Vertrauen auf einen echten Bedarf und in der Erwartung, den Auftrag erhalten zu können, an der Ausschreibung beteiligen und Zeit und Kosten für die Ausarbeitung eines ernst gemeinten Angebotes aufwenden. Unzulässig ist deshalb unter anderem auch eine Ausschreibung zum Zwecke der Markterkundung und zur Einholung von Vergleichsanschlägen (vgl. Sterner in: Beck'scher VOB-Kommentar, § 16, Rdnr. 20 ff., Rdnr. 24, m.w.N.). Diese in § 16 VOL/A ausdrücklich genannten Beispielsfälle stellen auch im Rahmen der VOB/A vergabefremde und damit unzulässige Zwecke dar. Die Markterkundung ist nur als Vorstufe und zur Vorbereitung eines Vergabeverfahrens zulässig. Aus den gleichen Erwägungen ist ein Vergabeverfahren mit dem Ziel, Vergleichsanschläge einzuholen, unzulässig. Benötigt eine Vergabestelle im Vorfeld von Vergabeverfahren Preisangaben von Unternehmen - etwa, um realistische Haushaltsansätze und -planungen zu ermöglichen - so ist sie gehalten, an geeignete Unternehmen heranzutreten und diese außerhalb eines Vergabeverfahrens um unverbindliche Preisangaben zu bitten. Über eine derartige Einholung von unverbindlichen Preisangaben hinaus bestand für ein neues Vergabeverfahren kein Anlass, da bezüglich der Bagger-, Pump- und Spülarbeiten bereits ein gültiger, noch laufender Vertrag mit der Beigeladenen bestand und auch die Nachtragsverhandlungen über die Bergung des Unrats nicht gescheitert sind.
Wegen des schwer wiegenden Verstoßes gegen das Verbot der Ausschreibung zu vergabefremden Zwecken gemäß § 16 Nr. 2 VOB/A ist die Auftraggeberin nach Auffassung der Vergabekammer im Ergebnis nicht nur berechtigt, sondern sogar gehalten gewesen, das mit der Antragstellerin parallel geführte Verhandlungsverfahren aus schwer wiegenden Gründen gemäß § 26 Nr. 1 lit. c VOB/A aufzuheben. Denn ein derartiger Aufhebungsgrund liegt u.a. gerade auch dann vor, wenn der Auftraggeber im Verfahren selbst, wie im vorliegenden Fall, schwer wiegend gegen Vergaberecht verstoßen hat oder sonstige wesentliche Fehler gemacht hat (vgl. Jasper in: Beck'scher VOB-Kommentar, § 26 VOB/A Rdnrn. 31 ff., 36, 37, m.w.N.).
Soweit die Antragstellerin darüber hinaus hilfsweise gemäß § 114 Abs. 2 GWB beantragt hat festzustellen, dass sie durch einen etwaigen zwischenzeitigen Zuschlag in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist, war auch dieser Hilfsantrag zurückzuweisen. § 114 Abs. 2 GWB (Fortsetzungsfeststellungsantrag) greift im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil der Zuschlag an die Beigeladene bereits am 15.04.2005 und damit vor Stellung des Nachprüfungsantrags vom 19.04.2005 erfolgt ist (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 114 GWB, Rdnr. 1077). Im übrigen ist die Antragstellerin, wie oben dargelegt, nicht in ihren Rechten verletzt. Ob der Antragstellerin bezüglich der Aufwendungen für die Angebotserstellung im aufgehobenen Verhandlungsverfahren gegebenenfalls ein Schadensersatzanspruch auf das negative Interesse zusteht, ist nicht Gegenstand des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens.
Der Nachprüfungsantrag war daher zurückzuweisen.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungs-
gesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die
DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw. in Ausnahmefällen 50.000 EUR beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe 3.811 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 4.179.931,82 EUR. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Angebot der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 4.179.931,82 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 3.811 EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.
Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB im Vollen Umfang unterlegen ist.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Auftraggeberin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Auftraggeberin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte die Auftraggeberin für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zu Gunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahrenübertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Kosten der Beigeladenen:
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zu Gunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwer wiegend berührt werden".
Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 128, Rdnr. 1432).
Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten einer in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 3.811 EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxxxxxxxxxx innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen: NORD/LB (BLZ 250 500 00) Konto 106035355
Rohn
Dr. Pade