Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 26.01.2005, Az.: 203-VgK-56/2004
Vergabeverfahren über Anlagen der Gebäudeautomation in einem Krankenhaus; Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens nach wirksamer Zuschlagserteilung; Anforderung an die Pflicht zur rechtzeitigen Informierung der Bieter über die beabsichtigte Zuschlagserteilung und die Bieterfirma; Umfang der Bindung des Auftraggebers an die bekannt gegebenen Zuschlagskriterien bei der Angebotswertung; Übertragung der Entscheidungskompetenz auf ein mit der Durchführung des Vergabeverfahrens beauftragtes Ingenieurbüro oder Projektbüro; Anforderungen an die Dokumentation von Wertung und Ergebnis in einem Vergabevermerk in der Vergabeakte; Zulässigkeit des Ausschlusses eines isoliert und nicht in Verbindung mit einem Hauptangebot abgegebenen technischen Nebenangebots
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 26.01.2005
- Aktenzeichen
- 203-VgK-56/2004
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 23082
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 13 Satz 1 und 6 VgV
- § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOB/A
- § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A
- § 25 Nr. 5 S. 1 VOB/A
- § 25a VOB/A
- § 30 VOB/A
- § 97 Abs. 1 GWB
- § 97 Abs. 2 GWB
Verfahrensgegenstand
VOB-Vergabeverfahren Gebäudeautomation im Rahmen des Bauvorhabens Kliniken ... in ...
Die Vergabekammer hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
die ehrenamtliche Beisitzerin Dr. Klekamp-Lübbe
auf die mündliche Verhandlung vom 25.01.2005
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Auftraggeber wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und Wertung und Ergebnis in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vergabevermerk in der Vergabeakte zu dokumentieren.
Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Auftraggeber und die Antragstellerin zu je 1/2.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.580,-- EUR festgesetzt.
- 4.
Die dem Auftraggeber und der Antragstellerin entstandenen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen werden gegeneinander aufgehoben. Die Antragstellerin hat der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu 1/2 zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Beigeladene notwendig
Begründung
I.
Der Auftraggeber hat mit Datum vom 02.09.2004 das Erstellen von gebäudeautomationstechnischen Anlagen im Krankenhaus xxx für den 1. Bauabschnitt im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben, nachdem er mit Schreiben vom 07.01.2004 vorab über dieses Verfahren informiert hatte. Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass eine Unterteilung der zu erbringenden Leistungen in Lose nicht vorgesehen ist. Die Bieter wurden jedoch darauf hingewiesen, dass Nebenangebote/Alternativvorschläge berücksichtigt werden.
Hinsichtlich der geforderten Nachweise zur Beurteilung der Eignung wurden verschiedene Angaben und Unterlagen gefordert, die mit dem Angebot vorzulegen waren.
Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Haupt- bzw. Nebenangebot erteilt werden. Es wurden als Kriterien Energieverbrauch, Wartungsaufwand und Schallemission genannt. Ferner wurde zur weiteren Begründung auf die in den Verdingungsunterlagen genannten Kriterien verwiesen. Dort waren genannt worden: Preis, Ausführungsfrist, Qualität, technischer Wert, Gestaltung, Konstruktion technische Beratung und Folgekosten.
Hinsichtlich der Wertung von Nebenangeboten war in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes unter 5.2 festgelegt:
"Abweichend von Nr. 4.3 der Bewerbungsbedingungen gilt bei Nebenangeboten Folgendes:
Nebenangebote sind nur in Verbindung mit dem vollständig ausgefüllten Hauptangebot zulässig."
Darüber hinaus war im Leistungsverzeichnis unter den Allgemeinen Technischen Vorschriften - ATV - auf Seite 11 von 164 unter der Ordnungsziffer 02.02 Nebenangebote festgelegt:
"Dem Bieter wird freigestellt, zusätzlich zu der ausgeschriebenen Leistung Alternativvorschläge in Form eines Nebenangebotes auszuarbeiten. Dabei ist die Gleichwertigkeit der angebotenen mit der vorgegebenen Leistung nachzuweisen."
Weitere Anforderungen hinsichtlich der Zulassung und Wertung von Alternativangeboten/Nebenangeboten sind den Angebotsunterlagen nicht zu entnehmen.
Dem Prüfbericht des beauftragten Ingenieurbüros vom 03.11.2004 ist zu entnehmen, dass bei der Verdingungsverhandlung am 10.11.2004 dem Verhandlungsleiter zum Eröffnungstermin 6 Angebote vorlagen. Es wurde festgehalten, dass das Angebot der Antragstellerin nicht in die Wertung einbezogen wurde, da gemäß der Ausschreibung zu einem Nebenangebot auch ein Hauptangebot einzureichen war. Nach der rechnerischen Prüfung der Angebote ergab sich, dass die Beigeladene mit einer rechnerisch geprüften Angebotssumme in Höhe von 388.817,13 EUR das preisgünstigste Angebot abgegeben hatte. Ferner wurde vermerkt, dass ein weiterer Bieter zum Hauptangebot noch zwei Nebenangebote eingereicht hatte, die jedoch keinen Einfluss auf die Bieterreihenfolge gehabt hätten. Sodann wurde zu den einzelnen Angeboten eine fachtechnische Prüfung vorgenommen, in der die Angebote der drei erstplatzierten Bieter hinsichtlich der Gültigkeit, Kalkulation und vorgelegte Bescheinigungen bewertet wurden. Zum Angebot der Beigeladenen wurde u.a. vermerkt, dass die von ihr angebotenen Fabrikate in allen Zügen der Ausschreibung entsprechen.
Ob das beauftragte Ingenieurbüro, wie in § 25 a VOB/A vorgeschrieben, die Wertung der Angebote gemäß den bekannt gemachten Zuschlagskriterien vorgenommen hat, ist der Vergabeakte nicht zu entnehmen. Als Ergebnis seiner Prüfung und Wertung der Angebote schlug das beauftragte Ingenieurbüro vor, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Ob sich der Auftraggeber dem Vergabevorschlag anschloss, ist der Vergabeakte nicht zu entnehmen.
Mit Schreiben vom 16.11.2004 informierte das beauftragte Ingenieurbüro im Auftrage des Bauherrn die Antragstellerin, dass auf ihr Angebot leider kein Zuschlag erteilt werden konnte, da es gemäß § 25 Nr. 1 VOB/A ausgeschlossen werden musste. Auch die übrigen Bieter wurden entsprechend informiert. Eine ordnungsgemäße Information gemäß § 13 VgV unter Nennung des Namens des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll, erfolgte nicht.
In der Vergabeakte enthalten ist ein Aktenvermerk über ein Bietergespräch am 24.11.2004 mit der Antragstellerin. Dem Vermerk ist u.a. zu entnehmen, dass die Antragstellerin am 17.11.2004 telefonisch den Ausschluss beim beauftragten Ingenieurbüro gerügt habe. Ferner wurde festgehalten, dass die Antragstellerin am 19.11.2004 "Widerspruch" gegen den Ausschluss ihres Nebenangebotes beim Ingenieurbüro eingelegt hat. Zur Klärung der Sachlage habe man die Antragstellerin zu einem Bietergespräch eingeladen, das jedoch ergebnislos verlaufen sei.
Mit Schreiben vom 14.12.2004, eingegangen in der Vergabekammer am 15.12.2004, beantragte die Antragstellerin die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens und vertritt die Auffassung, dass das Vergabeverfahren fehlerhaft durchgeführt worden ist, da ihr Angebot nicht hätte ausgeschlossen werden dürfen.
Zur Begründung ihrer Auffassung vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Rügeschreiben an den Auftraggeber. Ferner führt sie aus, dass ihr die Seite 2 des Formblatts EVM (B) A EG 211 EG (Aufforderung zur Abgabe eines Angebots EG) nicht vorgelegen habe, auf der die Bezeichnung der zuständigen Nachprüfungsstelle verzeichnet sein soll. Diese Information habe sie erst mit Fax-Schreiben vom 10.12.2004 vom Auftraggeber erhalten.
Sie weist zusätzlich darauf hin, dass in der Ausschreibung unter Ziffer 4.3 des EVM (B) BwB/E 212 (Bewerbungsbedingungen) ausdrücklich vorgesehen sei, dass Nebenangebote, die in technischer Hinsicht von der Leistungsbeschreibung abweichen, auch ohne Abgabe eines Hauptangebotes zugelassen sind. Sie habe ein komplettes, technisch anderes Nebenangebot abgegeben, das jedoch die geforderten Leistungsmerkmale beinhalte.
Die Antragstellerin beantragt
die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens.
Die Auftraggeberin beantragt,
den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Der Auftraggeber tritt den Behauptungen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen.
Er weist darauf hin, dass die Behauptung der Antragstellerin, dass die Seite 2 des o. g. Formblattes fehlte, nicht belegbar sei, da die Vorlage dieser Seite weder bestätigt noch widerlegt werden könne. Die Antragstellerin habe auch nicht seinerzeit das Fehlen dieser Seite unverzüglich innerhalb der Bindefrist gerügt.
Ferner führt er aus, dass in seinem Krankenhaus für die Gebäudeautomation bereits Produkte des Herstellers der Beigeladenen im Einsatz seien und sich bewährt hätten. Er habe sich daher nach Rücksprache mit der zuständigen Prüfstelle für Krankenhausbau entschieden, auf diese Produktgruppe zurückzugreifen, um Unwirtschaftlichkeiten zu vermeiden. Folglich habe er angegeben, dass Nebenangebote nur berücksichtigt werden können, wenn eine Verknüpfung mit der vorhandenen Gebäudeleittechnik möglich und die Gleichwertigkeit gegeben sei. Ferner weist er darauf hin, dass er festgelegt habe, Nebenangebote nur zu berücksichtigen, wenn auch das Hauptangebot ausgefüllt worden ist.
Das beauftragte Ingenieurbüro weist zusätzlich darauf hin, dass ihm bei der Wertung der Angebote aufgefallen sei, dass die Unterschrift auf der letzten Seite des Leistungsverzeichnisses (Zusammenfassung der Gliederungspunkte) fehlte. Ferner habe die Antragstellerin angeforderte Bescheinigungen nicht vorgelegt.
Hinsichtlich des vorgelegten Nebenangebotes vertritt das beauftragte Ingenieurbüro die Auffassung, dass es nicht gleichwertig sei. Zur Begründung führt es aus, dass es sich lt. Auskunft der Antragstellerin um eine ganz autarke Anlage der Gebäudeautomation handelt, die nicht mit der schon in der gesamten Liegenschaft vorhandenen Gebäudeautomationsanlage der Beigeladenen verknüpft werden könne. Diese Leistung sei jedoch unter dem Titel 02.05 abgefordert worden. Die Antragstellerin habe selbst im Bietergespräch erklärt, dass eine Verknüpfung technisch nicht erreicht werden könne, sodass der Bauherr mit dieser Anlage ein zweites Fabrikat und damit einen erhöhten Wartungs- und Beschaffungsaufwand in Kauf nehmen müsse.
Dieser Darstellung des Auftraggebers ist wiederum die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten. Ihr Nebenangebot sei durchaus gleichwertig. Die von ihr angebotene Anlage könne sowohl parallel zur vorhandenen Anlage betrieben als auch mit dieser verknüpft werden, wenn der Auftraggeber dies wünsche.
Die Beigeladene hat keine eigenen Anträge gestellt. Sie vertritt die Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag offensichtlich unzulässig sei. Der Auftraggeber habe 14 Tage, nachdem er die Antragstellerin informiert hatte, ihr, der Beigeladenen, den rechtsverbindlichen Zuschlag erteilt. Da ein bereits erteilter Zuschlag gemäß § 114 Abs. 2 GWB nicht mehr aufgehoben werden könne, sei das Nachprüfungsverfahren nicht mehr statthaft.
Wegen des Weiteren Sachverhalts wird auf die Vergabeakte, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 25.01.2004 verwiesen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Der Auftraggeber hat es versäumt, die erfolglosen Bieter im Vergabeverfahren 14 Tage vor Zuschlagserteilung gem. § 13 VgVüber die beabsichtigte Zuschlagserteilung und die Bieterfirma zu informieren, die den Auftrag erhalten soll. Ferner hat der Auftraggeber sowohl gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot gem. § 97 Abs. 1 GWB wie auch gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 97 Abs. 2 GWB verstoßen. Er hat es versäumt, die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gem. § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A und § 25 a VOB/A unter Berücksichtigung aller in der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekannt gemachten Zuschlagskriterien durchzuführen und Wertung und Ergebnis in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vergabevermerk in der Vergabeakte zu dokumentieren. Der Auftraggeber ist jedoch entgegen der Auffassung der Antragstellerin zu Recht davon ausgegangen, dass er das technische Nebenangebot der Antragstellerin gem. § 25 Nr. 5 Satz 1 VOB/A von der Wertung ausschließen musste, weil das Nebenangebot isoliert und nicht in Verbindung mit einem Hauptangebot abgegeben wurde. Diese Bedingung hatte der Auftraggeber jedoch sowohl in der Aufforderung zur Angebotsabgabe als auch im Leistungsverzeichnis ausdrücklich und verbindlich festgelegt. Die Antragstellerin hat daher kein zuschlagsfähiges Angebot abgegeben.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Auftraggeber handelt es sich um eine Stiftung im Sinne des § 1 des Niedersächsischen Stiftungsgesetzes (StiftG) vom 24. Juli 1968 (Nds. GVBl. S. 119 - VORIS 40210 01 00 00 000 -), geändert durch Artikel I des Gesetzes vom 20. Dezember 1985 (Nds. GVBl. S. 609), und damit um eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts. Es handelt sich damit um eine juristische Person des privaten Rechts. Diese erhält für die Baumaßnahme Kliniken HEH, Zusammenlegung in xxx, vom Land Niedersachsen und damit einer Gebietskörperschaft im Sinne des § 28 Nr. 1 GWB Mittel, mit denen das Vorhaben zu mehr als 50 v. H. finanziert wird. Das xxx ist somit öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 5 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Bauleistungen im Sinne des § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 in der zurzeit gültigen Fassung ein Schwellenwert von 5 Mio. Euro. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. Euro oder bei Losen unterhalb von 1 Mio. Euro deren addierter Wert ab 20 v. H. des Gesamtwertes aller Lose. Nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung erreicht der Wert des ausgeschriebenen Fachloses Gebäudeautomation nicht den Wert von 1 Mio. Euro. Gleichwohl ist hier der Anwendungsbereich des 4.Teils des GWB eröffnet. Der Auftraggeber hat das streitbefangene Los nämlich EU-weit ausgeschrieben und als Nachprüfstelle die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg angegeben. Durch diese im Rahmen der EU-weiten Ausschreibung erfolgte Benennung der Vergabekammer als Nachprüfstelle hat der Auftraggeber den rechtlichen Rahmen (§§ 102 ff. GWB) für die Nachprüfung festgelegt. Die Wirkung dieser Festlegung besteht in einer Selbstbindung der Verwaltung, dass sie das verfahrensgegenständliche Los nicht dem 20%-Kontingent nach § 2 Nr. 7 VgV zuordnet, für welches das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet wäre (vgl. BayObLG, Beschluss v. 20.08.2001, Az.: Verg 9/01; BGH NJW 1998, S. 3636 ff., 3638) [BGH 08.09.1998 - X ZR 48/97]. Das Vergabeverfahren ist damit einer Nachprüfung durch die Vergabekammer zugänglich.
Die Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in der Regierungsvertretung Lüneburg ist auch für das Nachprüfungsverfahren sachlich und örtlich zuständig, da ihr mit Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 02.12.2004 (Az.: 26.3 - 32571/23 - VORIS 72081) sämtliche Zuständigkeiten der im Zuge der Auflösung der Bezirksregierungen mit Ablauf des 31.12.2004 aufgelösten Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg übertragen wurden. Die Zuständigkeiten erstrecken sich ausdrücklich auch auf die Fortführung und Entscheidung solcher Nachprüfungsverfahren, die - wie im vorliegenden Fall - nach Ablauf des 31.12.2004 bei der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg beantragt und eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen worden sind.
Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch nicht die Regelung des § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB entgegen. Danach kann ein bereits erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden. Dies hat zur Folge, dass ein Nachprüfungsantrag, der nach wirksamer Zuschlagserteilung bei der Vergabekammer eingeht, als unzulässig zurückgewiesen werden muss. Zwar hat der Auftraggeber im vorliegenden Fall der Beigeladenen mit Auftragsschreiben vom 03.12.2004, eingegangen bei der Beigeladenen am 08.12.2004, bereits den Zuschlag erteilt. Dieser geschlossene Vertrag ist jedoch gem. § 13 Satz 6 VgV wegen Verstoßes gegen die Informationspflicht nichtig. Nach § 13 Satz 1 VgV informiert der Auftraggeber die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll, und über den Grund der vorgesehenen Nichtberücksichtigung. Diese Mitteilung hat sich am Zweck dieser Vorschrift zu orientieren, ohne dass ein bestimmter Umfang vorgeschrieben ist. Die Mitteilung des Grundes kann im Einzelfall auch kurz ausfallen, wenn gewährleistet ist, dass der Bieter aus der erhaltenen Information hinreichend ermessen kann, ob die Durchführung eines Vergabenachprüfungsverfahrens sinnvoll ist oder nicht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 06.08.2001 - Verg 28/01 -). Dabei ist nicht zu beanstanden, wenn der Auftraggeber im Wege der Verwaltungsvereinfachung zu vorformulierten Schreiben greift (vgl. BayObLG, Beschluss v. 18.06.2002 - Az.: Verg 8/02) oder das für die Information nach § 13 VgV vorgesehene Formblatt EFB Info/Abs. EG des Vergabehandbuchs für die Durchführung von Bauvorhaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltungen (VHB) verwendet (vgl. Weyand, Vergaberecht, § 13 VgV, Rn. 2159, m.w.N.). Bei ordnungsgemäßer Verwendung dieses Formblatts kann der Adressat aus dem Formblatt ersehen, welcher namentlich benannte Bieter den Zuschlag erhalten soll und er erhält Auskunft über die Begründung für die Ablehnung seines eigenen Angebotes. Auch die Verwendung dieses Formblattes genügt daher regelmäßig den Mindestanforderungen des § 13 VgV.
Daran fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Der Auftraggeber hat der Antragstellerin wie auch den übrigen erfolglosen Bietern an Stelle eines Informationsschreibens gem. § 13 VgV lediglich mit Datum vom 16.11.2004 ein Absageschreiben gem. § 27 Nr. 1 VOB/A unter Verwendung des entsprechenden Formblattes EFB (B/Z) Abs. 1 des VHB zugesandt. Damit wurde den Bietern aber lediglich unter kurzer Angabe der Gründe mitgeteilt, dass auf ihre Angebote kein Zuschlag erteilt wird. Diese Information erfüllte die Mindestanforderungen des § 13 Satz 1 VgV nur teilweise, weil sie keine Auskunft über den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll, gibt. Zwar löst ein Informationsschreiben, das etwa in der Begründung zu knapp gehalten ist, grundsätzlich nicht die Nichtigkeitssanktion des § 13 VgV aus (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss v. 09.09.2002 - Az.: 6 Verg 4/02). Anders verhält es sich jedoch, wenn die Mindestvoraussetzungen des § 13 Satz 1 VgV gar nicht oder teilweise nicht erfüllt werden. Wird der Name des Bieters, dem der Zuschlag erteilt werden soll, nicht genannt oder wird gar keine Begründung dafür gegeben, weshalb das Angebot des Bieters, der zu informieren ist, nicht berücksichtigt wird, ist der gleichwohl zu Stande gekommene Vertrag nichtig (vgl. Reidt, Stickler, Glahs, Vergaberecht, 2. Auflage, § 13 VgV, Rn. 33, m.w.N.; LG Düsseldorf, Urteil v. 23.10.2002 - 34 O (Kart) 72/02).
Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, dass der Auftraggeber ihr technisches Nebenangebot zu Unrecht ausgeschlossen habe. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, VergabeR, § 107, Rn. 52). Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, § 107, Rn. 677). Das tatsächliche Vorliegen der Rechtsverletzung ist vielmehr eine Frage der Begründetheit (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 24.11.1999, Az.: 13 Verg 7/99; Vergabekammer Südbayern, Beschluss v. 13.12.1999 - 11/99). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat zumindest schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Berücksichtigung ihres Nebenangebotes zumindest eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24). Der EuGH hat in seinem Urteil vom 19.06.2003 in der Rechtssache C-249/01 (vgl. dortigen amtlichen Leitsatz Nr. 2 und Randnummer 23, 24 ff. der Entscheidungsgründe) zudem ausdrücklich festgestellt, dass es einem Bieter im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens ermöglicht werden muss, die Stichhaltigkeit des Grundes für den Ausschluss seiner Angebote anzuzweifeln. Zumindest eine Schlüssigkeit kann dem Vortrag der Antragstellerin nicht abgesprochen werden. Ob die geltend gemachten, vermeintlichen Vergaberechtsverletzungen tatsächlich vorliegen, ist eine Frage der materiellen Prüfung im Rahmen der Begründetheit des Nachprüfungsverfahrens.
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme zu rügen. Der Auftraggeber hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 16.11.2004 darüber informiert, dass auf ihr Angebot kein Zuschlag erteilt werde, weil es gem. § 25 Nr. 1 VOB/A ausgeschlossen wurde. Ausweislich eines in der Vergabeakte enthaltenen Vermerks des beauftragten Ingenieurbüros vom 25.11.2004 über ein Bietergespräch mit der Antragstellerin vom 24.11.2004 hat die Antragstellerin diese Entscheidung des Auftraggebers bereits am 17.11.2004 telefonisch und dann noch einmal mit Telefax vom 19.11.2004 schriftlich gerügt. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes erfolgte sowohl die telefonische Rüge vom 17.11.2004 wie auch die per Telefax erhobene Rüge vom 19.11.2004 unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz GWB.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist jedoch nur teilweise begründet. Der Auftraggeber hat sowohl gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot gem. § 97 Abs. 1 GWB wie auch gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 97 Abs. 2 GWB verstoßen. Er hat es versäumt, die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gem. § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A unter Berücksichtigung aller gem. § 25 a VOB/A in den Vergabeunterlagen bekannt gemachten Zuschlagskriterien durchzuführen und Wertung und Ergebnis in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vergabevermerk in der Vergabeakte zu dokumentieren (im Folgenden a). Dagegen ist nicht zu beanstanden, dass der Auftraggeber das technische Nebenangebot der Antragstellerin gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOB/A i.V.m. § 25 Nr. 5 Satz 1 VOB/A von der Angebotswertung ausgeschlossen hat, weil dieses Nebenangebot nicht in Verbindung mit einem Hauptangebot abgegeben wurde, was der Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen jedoch ausdrücklich gefordert hatte. Diesbezüglich ist der Nachprüfungsantrag unbegründet.
a)
Der Auftraggeber hat entgegen § 30 VOB/A versäumt, wichtige Verfahrensschritte zu dokumentieren, sodass die Angebotswertung selbst gemessen an den Vorgaben des Transparenzgebots gem. § 97 Abs. 1 GWB nicht hinreichend nachvollziehbar ist. Es ist nicht dokumentiert, ob und ggf. mit welchem Ergebnis bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes außer dem Kriterium des "niedrigsten Angebotspreises" auch die übrigen vom Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen genannten Zuschlagskriterien (Qualität, Konstruktion, Ausführungsfrist, technische Beratung, technischer Wert, Folgekosten und Gestaltung) berücksichtigt wurden. Die an einem Vergabeverfahren beteiligten Bieter haben gem. § 97 Abs. 7 GWB ein subjektives Recht auf ausreichende Dokumentation des Vergabeverfahrens und insbesondere der wesentlichen Entscheidungen im Vergabeverfahren (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 03.08.1999, NZBau 2000, S. 44 ff.).
Gemäß § 30 VOB/A ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellungen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. Sinn dieser Bestimmung ist es, die Überprüfbarkeit der im Rahmen des Vergabeverfahrens getroffenen Feststellungen und Entscheidungen herbeizuführen (vgl. Franke/Grünhagen, VOB, A § 30, Rn. 1, m.w.N.). Der Anwendungsbereich des § 30 Nr. 1 VOB/A erstreckt sich dabei sowohl auf den formalen Verfahrensablauf als auch materiell auf die Maßnahmen, Feststellungen und die Begründung der einzelnen Entscheidungen. Der Vergabevermerk ist chronologisch zu fassen und muss sich dabei an der in der VOB vorgeschriebenen Reihenfolge orientieren (vgl. Beck'scher VOB-Kommentar, A § 30, Rn. 12). Zu den materiellen Entscheidungen zählen insbesondere die Entscheidungen, bei denen die Vergabestelle eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, wie beim Ergebnis der Prüfung der Angebote, Angaben über Verhandlungen mit Bietern und deren Ergebnis sowie das Ergebnis der Wertung der Angebote (vgl. VK Sachsen, Beschluss v. 30.04.2001, Az.: 1/SVK/23-01). Ebenso sind im Vergabevermerk die Gründe für die Erteilung des Zuschlags auf das betreffende Angebot anzugeben. Es ist eine nach § 30 Nr. 1 VOB/A zwingende Pflicht des Auftraggebers, die Auswahlentscheidung als wesentliche Entscheidung in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren, um für den Bewerber die erforderliche Überprüfbarkeit zu gewährleisten (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 08.03.1999, a.a.O.). Eine fehlende Dokumentation wesentlicher Schritte bis zur Vergabeentscheidung ist daher rechtsfehlerhaft und führt zu einer Nichtnachvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidung. Daraus folgt, dass im Vermerk die Gründe so dezidiert festzuhalten sind, dass auch einem Außenstehenden bei Kenntnis der Angebotsinhalte deutlich erkennbar und nachvollziehbar wird, warum gerade auf das betreffende Angebot der Zuschlag erteilt werden soll. Mängel der Erkennbarkeit und der Nachvollziehbarkeit in diesem Bereich gehen daher zu Lasten der Vergabestelle. Zwar hat das vom Auftraggeber beauftragte Ingenieurbüro eine in der Vergabeakte enthaltene tabellarische Preisgegenüberstellung für alle gewerteten Angebote sowie einen Prüfbericht mit Datum vom 03.11.2004 gefertigt, der mit dem Vergabevorschlag schließt, den Auftrag an die Beigeladene zu vergeben. Dieser Prüfbericht enthält eine ausführliche Vollständigkeitsprüfung sowie auf Seite 4 eine Begründung des Ausschlusses des Nebenangebotes der Antragstellerin. Darüber hinaus ist der Vermerk jedoch nur ausreichend, um die Angebotswertung anhand des Zuschlagskriteriums "Preis" zu dokumentieren. In keiner Weise dokumentiert ist dagegen, ob, in welcher Weise und ggf. mit welchem Ergebnis die übrigen gem. § 25 VOB/A bekannt gemachten Zuschlagskriterien bei der Angebotswertung berücksichtigt wurden. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Vordruck EVM (B) A EG 211 EG) hatte sich der Auftraggeber unter Ziffer 5.3 ausdrücklich wie folgt festgelegt:
"Zuschlagskriterien bei Haupt- und Nebenangeboten/Änderungsvorschlägen:
Das wirtschaftlich günstigste Angebot bezüglich: Preis, Qualität, Konstruktion, Ausführungsfrist, technische Beratung, technischer Wert, Folgekosten, Gestaltung."
Gemäß § 25 a VOB/A dürfen bei der Wertung der Angebote nur Kriterien berücksichtigt werden, die in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen genannt sind. Gemäß § 97 Abs. 5 GWB und § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A ist der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A ist der niedrigste Angebotspreis allein nicht entscheidend. Die einschlägigen Auftragsvergaberichtlinien der EU legen übereinstimmend fest, dass für die Auftragsvergabe grundsätzlich zwei Kriterien maßgebend sein dürfen. Der öffentliche Auftraggeber darf entweder den Anbieter auswählen, der den niedrigsten Preis anbietet, oder denjenigen Anbieter, der das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat (vgl. Artikel 36 der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie RL 92/50/EWG, ABl. EG Nr. 1 209/1; Artikel 34 der Baukoordinierungsrichtlinie RL 93/37/EWG, ABl. EG Nr. 1 199/54; Artikel 26 der Lieferkoordinierungsrichtlinie RL 93/36/EWG, ABl. EG Nr. 1 199/1).
Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 97 Abs. 5 GWB jedoch zulässigerweise ausdrücklich dafür entschieden, dem Kriterium "wirtschaftlichstes Angebot" den Vorzug vor dem ebenfalls zulässigen Kriterium "niedrigster Preis" zu geben. Das deutsche Recht schließt damit nicht aus, dass die preisliche Beurteilung des Angebotes im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes eine maßgebliche Rolle spielt. Der Preis ist nach dem deutschen Vergaberecht vielmehr regelmäßig das wichtigste, aber eben nicht das allein entscheidende Kriterium (vgl. Boesen, VergabeR, § 97, Rn. 144). Der Auftraggeber ist in der Angebotswertung an die von ihm bekannt gemachten Zuschlagskriterien gem. § 97 Abs. 5 GWB, § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A und § 25 a VOB/A gebunden. Nur in den Fällen, in denen der öffentliche Auftraggeber die Zuschlagskriterien nicht bekannt gemacht hat oder ausdrücklich nur das Kriterium "Preis" benannt hat, kann und darf ausschließlich der niedrigste Preis als Zuschlagskriterium bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes zugrunde gelegt werden (vgl. OLG Schleswig, VergabeR 2001, S. 214 ff.; Kulartz in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, VergabeR, § 97 GWB, Rn. 209; Noch in: Müller-Wrede, VOL/A, § 25, Rn. 139; Kulartz in: Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, § 25, Rn. 43, m.w.N.; Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Auflage, § 25 a VOB/A, Rn. 3).
Der Auftraggeber war daher zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Berücksichtigung aller bekannt gemachten Zuschlagskriterien erneut durchzuführen und Prüfung und Ergebnis in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vergabevermerk in der Vergabeakte zu dokumentieren. Dabei hat der Auftraggeber auch zu dokumentieren, dass er die Prüfungen und Ergebnisse des von ihm beauftragten Ingenieurbüros nachvollzogen, geprüft und die Entscheidungen selbst getroffen hat. Dies folgt aus § 7 VOB/A, der ebenso wie § 6 Nr. 3 VOL/A davon ausgeht, dass der Auftraggeber die Entscheidungen im Vergabeverfahren stets in eigener Verantwortung trifft (vgl. Franke/Grünhagen, a.a.O., A § 7, Rn. 1). Ein Auftraggeber darf seine Entscheidungskompetenzen nicht vollständig dem mit der Vorbereitung und Durchführung des Vergabeverfahrens beauftragten Ingenieurbüro oder einem Projektbüro übertragen. Der Auftraggeber hat eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen. Er darf daher dem Ingenieurbüro keine Befugnisse einräumen, die weder unter dem Gesichtspunkt eines vom Auftraggeber hinzugezogenen "ausschreibenden Planers" im Sinne des § 15 Abs. 2 Nr. 6 HOAI (vgl. Beck'scher VOB-Kommentar, § 7, Rn. 51) noch unter dem Gesichtspunkt einer Mitwirkung von Sachverständigen gem. § 7 VOB/A gerechtfertigt sind. Gemäß § 7 Nr. 1 VOB/A ist die Mitwirkung von "besonderen Sachverständigen" zulässig, sofern sie zweckmäßig ist, um die Vergabe, insbesondere die Verdingungsunterlagen, vorzubereiten oder die geforderten Preise einschließlich der Vergütungen für Stundenlohnarbeiten (Stundenlohnzuschläge, Berechnungssätze) zu beurteilen oder die vertragsgemäße Ausführung der Leistung zu begutachten. Diese Sachverständigen sollen grundsätzlich von Berufsvertretungen vorgeschlagen werden. Sie dürfen weder unmittelbar noch mittelbar an der betreffenden Vergabe beteiligt sein. Wann die Mitwirkung eines Sachverständigen zweckmäßig im Sinne dieser Vorschrift ist, wird grundsätzlich in das Ermessen des den Sachverständigen beauftragten Beteiligten, hier des Auftraggebers gestellt. Der Auftraggeber ist jedoch, wenn er wie im vorliegenden Fall selbst nicht über ausreichenden vergaberechtlichen Sachverstand verfügt, verpflichtet, einen besonderen Sachverständigen oder ein beauftragtes Ingenieurbüro hinzuzuziehen, um eine ordnungsgemäße Durchführung des Vergabeverfahrens zu gewährleisten (vgl. Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, VOB-Kommentar, A § 7, Rn. 6). Dies gilt insbesondere auch für die Prüfung (§ 23 VOB/A) und die vorbereitende Wertung (§ 25 VOB/A) von Nebenangeboten sowie z.B. für die Koordination der Ausschreibung, die Durchführung des Eröffnungstermins, die Prüfung der Angebote in technischer und kaufmännischer Hinsicht, die Sachverhaltsvorbereitung für die Wertung und - nicht zuletzt - die Informations- und Dokumentationspflichten während des Vergabeverfahrens. Aufgabe des Sachverständigen oder des ausschreibenden Planers im Sinne des § 15 Nr. 2 Abs. 6 HOAI ist es, durch schriftliche oder mündliche Äußerungen die Prüfung und Auswertung vorgegebener Tatsachen zu unterstützen, indem er aufgrund seines Fachwissens subjektive Wertungen, Schlussfolgerungen und Hypothesen bekundet. Will sich der Auftraggeber den Inhalt der Feststellungen und Vorschläge des beauftragten Ingenieurbüros oder eines besonderen Sachverständigen bei der Entscheidung zu Eigen machen, so ist er verpflichtet, sich zuvor inhaltlich damit noch einmal auseinander zu setzen. Die Aufbereitung des Sachverhalts durch einen Sachverständigen oder einen ausschreibenden Planer kann die Wertung des Auftraggebers nicht ersetzen. Zutreffend bemerkt deshalb das Vergabehandbuch für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltung (VHB) zu § 7 VOB/A:
"Die Mitwirkung von Sachverständigen entbindet das Bauamt nicht, die Entscheidung in eigener Verantwortung zu treffen."
Die Entscheidungsvorschläge eines beauftragten Ingenieurbüros in den einzelnen Abschnitten des Vergabeverfahrens sind daher für den öffentlichen Auftraggeber nicht nur unverbindlich. Sie entbinden den Auftraggeber vielmehr nicht davon, die notwendigen Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen.
Davon abgesehen sind im vorliegenden Fall lediglich die Prüfung der Vollständigkeit der Angebote, der Ausschluss des technischen Nebenangebotes der Antragstellerin und die Ermittlung des niedrigsten Angebotspreises vom beauftragten Ingenieurbüro hinreichend dokumentiert worden. Eine Überprüfung der Angebote anhand der übrigen Zuschlagskriterien ist dagegen bislang überhaupt nicht dokumentiert. Es ist vielmehr im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass sie auch vom Ingenieurbüro bislang überhaupt nicht berücksichtigt wurden. Der Auftraggeber - vertreten durch das Ingenieurbüro - hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass er der Auffassung war, dass er eine sehr ausführliche und verbindliche Leistungsbeschreibung abgegeben hatte, die insbesondere durch die verbindliche Leitfabrikatsvorgabe des Systems xxx (Beigeladene) in einigen Leistungspositionen eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit den übrigen Kriterien erübrigt hätte, da durch diese Vorgabe und die ihrer Auffassung nach zwingend vorgegebene Kompatibilität mit den vorhandenen Komponenten bereits die wirtschaftlichste Lösung für den Auftraggeber gewählt wurde. Der Auftraggeber ist daher gehalten, die Auseinandersetzung mit den übrigen Zuschlagskriterien im Rahmen einer erneuten Wertung nachzuholen und Wertung und Ergebnis in einem Vergabevermerk in der Vergabeakte zu dokumentieren. Ferner hat der Auftraggeber zu dokumentieren, dass er die maßgeblichen Entscheidungen selbst getroffen hat.
b)
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist dagegen nicht zu beanstanden, dass der Auftraggeber das technische Nebenangebot der Antragstellerin von der Angebotswertung ausgeschlossen hat, weil es isoliert und nicht in Verbindung mit einem Hauptangebot abgegeben wurde. Gemäß § 25 Nr. 5 VOB/A sind Änderungsvorschläge und Nebenangebote zu werten, es sei denn, der Auftraggeber hat sie in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen nicht zugelassen. Dagegen sind Änderungsvorschläge und Nebenangebote gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOB/A zwingend auszuschließen, wenn der Auftraggeber in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen erklärt hat, dass er diese nicht zulässt. Eine Wertung von nicht zugelassenen Änderungsvorschlägen oder Nebenangeboten würde nicht nur diejenigen Bieter benachteiligen, die sich an die Ausschreibungsbedingungen gehalten haben, sondern sie könnten ggf. auch den Wettbewerb verzerren, da bei Zulassung von Änderungsvorschlägen und Nebenangeboten möglicherweise auch andere Bieter solche eingereicht hätten. § 10 Nr. 5 Abs. 4 VOB/A regelt deshalb ausdrücklich, dass der Auftraggeber verpflichtet ist anzugeben, ob er Änderungsvorschläge oder Nebenangebote wünscht oder nicht zulassen will. Da der Auftraggeber diese ausschließen muss, wenn er sie nicht wünscht, sind sie außer bei ausdrücklichem Ausschluss in den Vergabeunterlagen immer zulässig, sofern sie auf besonderer Anlage gemacht oder deutlich als solche gekennzeichnet werden (§ 21 Nr. 2 VOB/A). Ferner muss der Auftraggeber gem. § 10 Nr. 5 Abs. 4 VOB/A ausdrücklich angeben, ob Nebenangebote ohne gleichzeitige Abgabe eines Hauptangebotes ausnahmsweise ausgeschlossen werden (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam a.a.O., A § 10, Rn. 32). Wurden Änderungsvorschläge und Nebenangebote ausgeschlossen, so dürfen sie auch nicht gewertet werden. Das Gleiche gilt für Nebenangebote, deren Zulassung von der gleichzeitigen Abgabe eines Hauptangebotes abhängig gemacht wurde (vgl. Rusam, a.a.O., § 25 VOB/A, Rn. 85).
Im vorliegenden Fall hat der Auftraggeber die Abgabe von Nebenangeboten und Änderungsvorschlägen grundsätzlich zugelassen. Er hat seinen Verdingungsunterlagen den Vordruck EVM (B) BwB/E 212 (Bewerbungsbedingungen) beigefügt. In diesen Bewerbungsbedingungen heißt es unter Ziffer 4.3:
"Nebenangebote, die in technischer Hinsicht von der Leistungsbeschreibung abweichen, sind auch ohne Abgabe eines Hauptangebotes zugelassen. Andere Nebenangebote und Änderungsvorschläge sind nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zugelassen."
Auf Seite 2 seiner Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes (Vordruck EVM (B) A 211 EG des VHB) hatte der Auftraggeber unter Ziffer 5.2 jedoch ausdrücklich folgende Bedingung verbindlich festgelegt:
"Abweichend von Nr. 4.3 der Bewerbungsbedingungen gilt bei Nebenangeboten Folgendes: Nebenangebote sind nur in Verbindung mit dem vollständig ausgefüllten Hauptangebot zulässig."
Die Antragstellerin hat erklärt, dass sie diese maßgebliche Seite 2 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes vom Auftraggeber mit den Verdingungsunterlagen nicht erhalten habe. In der mündlichen Verhandlung hat sie erklärt, dass ihr das Fehlen dieser Seite nicht aufgefallen sei. Es sei zwar nicht völlig ausgeschlossen, dass diese Seite in ihrem eigenen Büro bei Trennung der beiden Ausfertigungen der Verdingungsunterlagen verloren gegangen ist. Sie gehe jedoch nicht davon aus. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung das bei ihr verbliebene Exemplar der Verdingungsunterlagen vorgelegt. Dort fehlt die Seite 2 des Vordrucks zur Angebotsanforderung. Demgegenüber hat der Auftraggeber erklärt, dass er auch der Antragstellerin vollständige Verdingungsunterlagen unter Voranstellung einer vollständigen Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes gemäß dem Vordruck EVM (B) A 211 EG übersandt hatte.
Die Behauptung der Antragstellerin, sie habe die maßgebliche Seite 2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe nicht erhalten, kann vorliegend weder bestätigt noch widerlegt werden. Der insoweit ungeklärte Sachverhalt ist nach Auffassung der Vergabekammer allerdings der Sphäre des Bieters zuzurechnen und geht daher zu Lasten der Antragstellerin. Dies folgt aus den Regelungen hinsichtlich des Umfangs der Angebotsunterlagen gem. § 17 Nr. 5 VOB/A und dem Auskunftsrecht der Bewerber gem. § 17 Nr. 7 Abs. 1 VOB/A. Nach der Bestimmung des § 17 Nr. 5 VOB/A soll jeder Bewerber die Leistungsbeschreibung doppelt und alle anderen für die Preisermittlung wesentlichen Unterlagen einfach erhalten. Diese Bestimmung soll sicherstellen, dass die Bewerber die Angebotsunterlagen vollständig erhalten, damit sie in der Lage sind, ein entsprechendes Angebot abzugeben. Darüber hinaus können die Bewerber gem. § 17 Nr. 7 Abs. 1 VOB/A zusätzliche sachdienliche Auskünfte über die Vergabeunterlagen vom Auftraggeber verlangen, die von diesem unverzüglich zu erteilen sind. Mit diesen Rechten des Bewerbers/Bieters geht auf der anderen Seite jedoch auch eine Pflicht des Bieters einher, die Vergabeunterlagen nach Erhalt zu prüfen und Unvollständigkeiten und Unklarheiten beim Auftraggeber zu reklamieren. Nach der Rechtsprechung besteht bei erkennbaren Unklarheiten der Leistungsbeschreibung eine Erkundigungspflicht des Bieters. Kommt der Bieter dieser Pflicht nicht nach, führt dies dazu, dass der Bieter die unterbliebene Sachaufklärung gegen sich gelten lassen muss (vgl. Heiermann, a.a.O., A § 17, Rn. 40; OLG Naumburg, Beschluss v. 29.10.2001, Az.: 1 Verg 11/01, VK Sachsen, Beschluss v. 17.07.2002 - Az.: 1/SVK/069-02). Dementsprechend war die Antragstellerin verpflichtet, das Fehlen der Seite 2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe beim Auftraggeber zu reklamieren. Die Antragstellerin hätte ein etwaiges Fehlen der Seite 2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter Zugrundelegung einer zumutbaren Vollständigkeitsprüfung schon deshalb bemerken müssen, weil nur dort - unter Ziffer 5.3 - die Zuschlagskriterien benannt wurden, die die Antragstellerin wie die übrigen Bieter auch für ihre Kalkulation benötigten.
Selbst wenn man der Antragstellerin zugesteht, dass sie die Seite 2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe nicht erhalten hat und sie das Fehlen nicht bemerkt hat, war für sie aus der Leistungsbeschreibung erkennbar, dass der Auftraggeber auch technische Nebenangebote nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zugelassen hatte. Auf Seite 11 von 164 des Leistungsverzeichnisses heißt es unter Ordnungsziffer 02.02:
"Nebenangebote
Dem Bieter wird es freigestellt, zusätzlich zu der ausgeschriebenen Leistung, Alternativvorschläge in Form eines Nebenangebotes auszuarbeiten. Dabei ist die Gleichwertigkeit der angebotenen mit der vorgegebenen Leistung nachzuweisen."
(Hervorhebung durch die Vergabekammer)
Die Bedingung des Auftraggebers, technische Nebenangebote nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zu berücksichtigen, war daher für die Antragstellerin auch aus dieser Festlegung in den Verdingungsunterlagen eindeutig erkennbar. Der Auftraggeber ist daher im Zuge der Angebotswertung zu Recht davon ausgegangen, dass er das technische Nebenangebot der Antragstellerin gem. § 25 Nr. 1 lit. d VOB/A von der Angebotswertung ausschließen musste, weil die Antragstellerin dieses Nebenangebot nicht in Verbindung mit einem Hauptangebot abgegeben hatte.
Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Wegen der oben unter 2 a festgestellten Verstöße gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot ist es erforderlich, den Auftraggeber zu verpflichten, die Angebotswertung erneut durchzuführen, dabei sämtliche von ihm mit den Verdingungsunterlagen bekannt gemachten Zuschlagskriterien zu berücksichtigen und Prüfung und Ergebnisbewertung in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren. Der Auftraggeber wird darauf hingewiesen, dass er die Entscheidungen im Vergabeverfahren und damit auch in der Wertung in eigener Verantwortung zu treffen hat. Ferner weist die Vergabekammer darauf hin, dass der Auftraggeber nach erneuter Wertung sämtliche Bieter gem. § 13 VgV mindestens 14 Tage vor Zuschlagserteilung ordnungsgemäß zu informieren hat. Im Übrigen war der Nachprüfungsantrag dagegen aus den unter 2 b dargelegten Gründen zurückzuweisen. Die Antragstellerin kann auch im Rahmen der erneuten Wertung den Zuschlag nicht erhalten, weil sie kein zuschlagsfähiges Angebot abgegeben hat.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art 7 Nr. 5 des 9. Euro-
Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, sodass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.580,-- EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 332.365,46 EUR. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Nebenangebot der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 332.365,46 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.580,-- EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors verfügte Aufteilung der Kosten auf die Antragstellerin und den Auftraggeber folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nur teilweise begründet war Dagegen war der Nachprüfungsantrag hinsichtlich ihres Hauptbegehrens, den Auftraggeber zu verpflichten, ihr technisches Nebenangebot bei der Wertung zu berücksichtigen, erfolglos. Die anteilige Kostentragungspflicht entspricht daher dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens im Nachprüfungsverfahren (vgl. Beschluss des OLG Celle vom 06.06.2003, Az.: 13 Verg 5/03).
Angesichts der Tatsache, dass der Auftraggeber und die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren zu gleichen Teilen unterlegen sind und die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts sowohl für die Antragstellerin wie auch für den Auftrageber erforderlich war, waren die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gemäß § 128 Abs. 4 erforderlichen Aufwendungen der Antragstellerin und des Auftraggebers gegeneinander aufzuheben.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zu Gunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden". Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die Antragstellerin - soweit sie unterlegen ist - die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten eines durch die in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.
Der Auftraggeber wird aufgefordert, den Betrag von 1.290,-- EURO unter Angabe des Kassenzeichens ... auf folgendes Konto zu überweisen:
XXX
Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 1.290,-- EURO unter Angabe des Kassenzeichens ... auf folgendes Konto zu überweisen:
xxx
Schulte,
Dr. Klekamp-Lübbe