Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 31.08.2005, Az.: VgK 35/05
Vergabe von Aufträgen zur Schülerbeförderung nach der Freistellungsverordnung zum Personenbeförderungsgesetz; Beauftragung als organisationsinterne Maßnahme des Auftraggebers zur Erfüllung der ihm aus dem Schulgesetz obliegenden gesetzlichen Pflicht zur Organisation und Gewährleistung der Schülerbeförderung; Beschränkung des öffentlichen Auftraggebers in der seinem Gestaltungsermessen unterliegenden Wahl der Organisationsform durch das Vergaberecht; Voraussetzungen und Grenzen der vergaberechtsfreien In-house-Vergabe; Anwendbarkeit der "Teckal-Kriterien"; Funktionale Differenzierung von Unternehmen; Maßgeblichkeit der tatsächlichen Einflussnahmemöglichkeiten des öffentlichen Auftraggebers für die Beurteilung von privaten Gesellschaftsformen
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 31.08.2005
- Aktenzeichen
- VgK 35/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 20255
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 99 Abs. 1 GWB
- § 99 Abs. 4 GWB
- § 3a Nr. 1 Abs. 4b, c VOL/A
Verfahrensgegenstand
Vergabe von Schülerbeförderung nach der Freistellungs-VO
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Vergabe eines Auftrags von einem öffentlichen Auftraggeber an ein Unternehmen unterliegt dann nicht dem förmlichen Vergaberecht, wenn sich die Beauftragung funktionell als organisationsinterne Maßnahme und nicht als Vertrag zwischen verschiedenen Personen darstellt.
- 2.
Das ist dann der Fall, wenn der Auftraggeber über das beauftragte Unternehmen eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen und wenn das Unternehmen zugleich seine Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Körperschaften verrichtet, die seine Anteile innehaben.
- 3.
Eine ähnliche Kontrolle wie über eigene Dienststellen setzt nicht das Halten aller Unternehmensanteile voraus. Maßgeblich ist allein die tatsächliche Möglichkeit des Auftraggebers zur Durchsetzung seiner öffentlichen Interessen, so dass das Halten socher Anteile ausreicht, die den Auftraggeber in die Lage versetzen, mittelbar über die Gesellschafterversammlung und den Aufsichtsrat die von ihm zu verfolgenden öffentlichen Interessen in vollem Umfange durchzusetzen.
- 4.
Das Vergaberecht ist jedoch auch in diesem Fall immer dann anwendbar, wenn ein Unternehmen beauftragt werden soll, an dem neben dem öffentlichen Auftraggeber ein privates Unternehmen - gleich in welcher Höhe - beteiligt ist. Auch eine private Minderheitsbeteiligung von 1 % führt dazu, dass die Beauftragung nicht mehr als vergaberechtsfreies In-house-Geschäft einzuordnen ist.
Die Vergabekammer hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Dierks
auf die mündliche Verhandlung vom 30.08.2005
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.820 EUR festgesetzt.
- 4.
Die Antragstellerin hat dem Auftraggeber und der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war sowohl für den Auftraggeber als auch für die Beigeladene notwendig.
Gründe
I.
Die Antragstellerin betreibt gewerbliche Busverkehre nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG). Der Auftraggeber hat gemeinsam mit der ... AG die beigeladene Verkehrsgesellschaft ... mbH (...) gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist gemäß § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages (Stand: 15.07.1999) die Ausführung von Linien- und Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen. Nach eigener Darstellung im Internet führt die Beigeladene mit ihren dort genannten Partnerunternehmen im Landkreis ... den öffentlichen Personennahverkehr durch.
Gemäß Beschluss des Kreisausschusses des Auftraggebers vom 29.06.2005 beabsichtigt dieser, die beigeladene Verkehrsgesellschaft des Landkreises ... (...) ab dem 01.08.2005 im Rahmen eines Pilotprojektes mit der Durchführung eines freigestellten Schülerverkehrs nach der Freistellungsverordnung in den Regionen .../... und .../... zu beauftragen. In der dem Beschluss anliegenden Sachverhaltsdarstellung wird die beabsichtigte Beauftragung mit der Schulstrukturreform zum Schuljahreswechsel und der daraus resultierendenÄnderung der Schülerströme im Landkreis begründet. Gegenüber der bisherigen Schülerbeförderung im Linienverkehr würden sich zudem Einsparungen von rd. 107.000,00 EUR pro Jahr erzielen lassen. Die Sachverhaltsdarstellung schließt mit der Empfehlung, vor der Beauftragung der Beigeladenen die vorhandene Schülerbeförderungssatzung entsprechend zu ändern, um die Beauftragung der Beigeladenen im Rahmen einer "In-house-Vergabe" auf eine rechtlich sichere Basis zu stellen. Die Schülerbeförderung auf den in Rede stehenden Linien wird z. Zt. durch die Antragstellerin im Linienverkehr auf eigenwirtschaftlicher Basis durchgeführt. Die Antragstellerin hatte von der für die Erteilung personenbeförderungsrechtlicher Liniengenehmigungen zuständigen Behörde, der ... (...x), mit Datum vom 27.04.2005 entsprechende Genehmigungen erhalten. Parallel dazu hatte die ... der Antragstellerin auch sog. einstweilige Erlaubnisse gem. § 20 PBefG erteilt. Um diese Genehmigungen hatte sich auch die Beigeladene beworben, war in dem Genehmigungswettbewerb der Antragstellerin jedoch unterlegen. Gegen die Erteilung der Liniengenehmigungen für die Antragstellerin hatte sich die Beigeladene sowohl im Rahmen eines Widerspruchs als auch im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 i.V.m. § 123 Abs. 1 VwGO gegen die Erteilung der einstweiligen Erlaubnisse gewehrt. Den diesbezüglichen Antrag der Beigeladenen hat das Verwaltungsgericht Braunschweig unter dem 08.07.2005 zurückgewiesen. Über den eingelegten Widerspruch ist z. Zt. noch nicht entschieden.
Nachdem die Antragstellerin am 01.07.2005 aus der örtlichen Presse von dem Beschluss des Kreistages Kenntnis erlangt hatte, der Beigeladenen die Schülerbeförderung auf den in Rede stehenden Linien im sog. freigestellten Schülerverkehr nach der Freistellungsverordnung zu übertragen, rügte sie gegenüber dem Auftraggeber mit anwaltlichem Schriftsatz vom 06.07.2005 die beabsichtigte Beauftragung der Beigeladenen ohne die vorherige Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens.
Sie führte aus, die vertragliche Einbindung eines Dritten mit dem Ziel, dass dieser die Durchführung des freigestellten Schülerverkehrs übernehme, stelle einenöffentlichen Dienstleistungsauftrag i. S. des § 99 Abs. 4 GWB dar. Das OLG Celle habe in diesem Zusammenhang mit Beschluss vom 13.06.2001 eindeutig entschieden, "...dass jede neue vertragliche Bindung im Bereich der Schülerbeförderung der Schülerfreistellungsverkehre (...) unter Beachtung des Vergaberechts erneut auszuschreiben ist". Nach § 4 Abs. 1 VgV seien auf die Vergabe der freigestellten Schülerverkehre die Regeln des zweiten Abschnitts der VOL/A anzuwenden. Da die entsprechenden Ausnahmetatbestände nicht erfüllt seien, sei der Schülerverkehr im Wege eines offenen Verfahrens zu vergeben. Bei der beabsichtigten Beauftragung der Beigeladenen handele es sich auch nicht um ein In-house-Geschäft. Ausnahmsweise könne eine Kommune eine rechtlich von ihr getrennte Eigengesellschaft ohne vorhergehendes förmliches Vergabeverfahrens beauftragen, wenn die Voraussetzungen des In-house-Geschäftes vorliegen würden. Der Europäische Gerichtshof habe diese Voraussetzungen in den beiden grundlegenden Entscheidungen "Teckal" und "Stadt Halle" präzisiert. Demnach müsse die Auftrag gebende Gebietskörperschaft erstens über den Auftragnehmer "eine Kontrolle wie über ihre eigenen Dienststellen ausüben". Zweitens sei es erforderlich, dass die beauftragte Einheit "ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften verrichtet, die ihre Anteile innehaben". Der EuGH habe in der Rechtssache "Stadt Halle" ausdrücklich entschieden, dass diese Voraussetzungen eng auszulegen seien. Ein In-house-Geschäft sei nach der Rechtsprechung des EuGH eindeutig ausgeschlossen, wenn neben dem öffentlichen Auftraggeber auch private Unternehmen an der zu beauftragenden Gesellschaft beteiligt seien. Im Falle der Beigeladenen sei diese Konstellation gegeben, da die ... ... AG (...) mit 25 % am Gesellschaftskapital der Beigeladenen beteiligt sei. Hieran würde auch nichtsändern, dass sich die ... ihrerseits im unmittelbaren und mittelbaren Besitz des Landes Niedersachsen, der Bundesrepublik Deutschland und einiger Kreise, Städte und Gemeinden befände. Denn ein "privates Unternehmen" i. S. der "Stadt Halle" - Entscheidung sei nicht nur ein Unternehmen, welches sich in privater Hand befinde. Der EuGH begründe die Unzulässigkeit eines In-house-Geschäftes mit privater Beteiligung wegen der unterschiedlichen Interessen eines öffentlichen Auftraggebers und eines privaten Unternehmens. Private Unternehmen i. S. der "Stadt Halle"- Entscheidung - seien jedenfalls diejenigen Unternehmen, die sich an Rentabilitätsinteressen orientierten. Da die ... sich nicht als öffentlicher Auftraggeber oder dessen verlängerter Arm verstehe, sondern als rentabilitätsorientiertes Wirtschaftsunternehmen, stelle sie ein "privates Unternehmen" dar. Dies ergebe sich bereits aus dem Internet-Auftritt der .... Selbst wenn die ... keine Rentabilitätsinteressen verfolgen würde, sei sie als "privates Unternehmen" einzustufen. Der Auftraggeber sei Aufgabenträger für die hier in Rede stehende Schülerbeförderung. Hingegen sei die ... nicht mit der Wahrnehmung entsprechender öffentlicher Aufgaben betraut. Sie stelle insoweit keinen Aufgabenträger dar, dessen Aufgaben über die Beigeladene erfüllt werden sollen. Bereits aus diesem Grunde sei sie als privates Unternehmen anzusehen.
Die Antragstellerin forderte den Auftraggeber unter Fristsetzung bis zum 08.07.2005 auf, von der aus ihrer Sicht vergaberechtswidrigen Direktvergabe der freigestellten Schülerverkehre an die Beigeladene Abstand zu nehmen und die Leistungen des freigestellten Schülerverkehrs nur nach einem europaweiten Ausschreibungsverfahren zu vergeben.
Mit Schreiben vom 11.07.2005 teilte der Auftraggeber der Antragstellerin mit, dass er weiterhin davon ausgehe, dass die Voraussetzungen einer sog. In-house-Vergabe vorliegen würden und wies die Rüge insoweit zurück.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 18.07.2005 beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfverfahrens. Sie vertieft und ergänzt ihren Vortrag aus ihrem Rügeschreiben vom 06.07.2005 in Bezug auf den Charakter der ... als rentabilitätsorientiertes Wirtschaftsunternehmen und der daraus folgenden Unzulässigkeit eines In-house-Geschäftes zwischen dem Auftraggeber und der Beigeladenen. Im Übrigen gehe der Auftraggeber offensichtlich selbst davon aus, dass die Beschaffung von Leistungen im freigestellten Schülerverkehr einen ausschreibungspflichtigenöffentlichen Dienstleistungsauftrag darstelle. Dies werde insbesondere daran deutlich, dass der Auftraggeber eben solche Leistungen unter der EU-Vergabebekanntmachung ... im Mai 2005 europaweit ausgeschrieben habe. Auch gehe der Auftraggeber offensichtlich selbst davon aus, dass er keine Kontrolle über die Beigeladene "wie über seine eigenen Dienststellen ausübe". Dies ergebe sich aus einem Schreiben der Landrätin des Auftraggebers an den Vorsitzenden der dortigen FDP-Kreistagsfraktion vom 13.06.2005, in dem es heißt, dass es dem Kreistag nicht möglich sei, die in den Aufsichtsrat der ... entsandten Kreistagsmitglieder zu einem bestimmten Verhalten anzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 12.08.2005 vertieft die Antragstellerin ihren Vortrag zum Kriterium "ähnliche Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle". In Bezug auf das zweite Kriterium der "Teckal"-Entscheidung, der wesentlichen Tätigkeit für den Auftraggeber, sei zudem festzustellen, dass die Tätigkeiten der Beigeladenen von dem Auftraggeber weder benannt noch nachgewiesen worden seien. Zwar behaupte der Auftraggeber, dass die Beigeladene Verkehre zur Schülerbeförderung auf dem Gebiet des Auftraggebers durchführe. Weitere Angaben zu den Tätigkeiten der Beigeladenen fehlten darüber hinaus jedoch gänzlich. Somit sei zu bestreiten, dass die Beigeladene im Wesentlichen für den Auftraggeber tätig sei. Im Übrigen erbringe die Beigeladene ihre Verkehrsleistungen auf Grundlage von Genehmigungen nach § 13 Personenbeförderungsgesetz und nicht auf der Grundlage von Genehmigungen nach § 13 a Personenbeförderungsgesetz. Folglich müsse es bereits aus Rechtsgründen an einer Vereinbarung zwischen Auftraggeber und Beigeladener zur Erbringung der Verkehrsleistungen fehlen. Die Beigeladene erbringe somit keine Tätigkeiten für den Auftraggeber, sondern erfülle ihre personenbeförderungsrechtliche Pflicht zur Erbringung der Verkehrsleistungen gegenüber den Fahrgästen. Sie werde folglich nicht im Wesentlichen für den Auftraggeber, sondern im Wesentlichen für ihre Fahrgäste tätig. Auch sei zu berücksichtigen, dass nicht der Auftraggeber, sondern der Zweckverband "... ..." Träger des ÖPNV nach dm Nds. Nahverkehrsgesetz ist. Die Voraussetzungen einer In-house-Beauftragung der Beigeladenen könnten somit bereits aus diesem Grund nicht erfüllt sein.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
dem Auftraggeber zu untersagen, die Firma Verkehrsgesellschaft Landkreis ... (...) ohne vorherige Durchführung eines transparenten und diskriminierungsfreien Vergabeverfahrens mit der Erbringung der bislang durch die Linien 120, 121, 125, 140, 141, 142 und 143 durchgeführten Schülerbeförderung als Leistungen im "freigestellten Schülerverkehr" im Landkreis ... zu beauftragen,
- 2.
festzustellen, dass der Auftraggeber verpflichtet ist, die Vergabe von Leistungen im "freigestellten Schülerverkehr" nur nach Durchführung eines transparenten und diskriminierungsfreien Vergabeverfahrens vorzunehmen,
- 3.
die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären.
Der Auftraggeber beantragt,
die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen.
Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin seien beide Voraussetzungen aus der "Teckal"-Entscheidung des EuGH für ein zulässiges In-house-Geschäft vorliegend gegeben.
Die Beigeladene sei nicht als gemischt-wirtschaftliches Unternehmen, d. h. als Unternehmen mit privater Beteiligung, sondern als gemischt-öffentliches Unternehmen einzustufen, auf das sich die zitierte "Teckal"-Entscheidung des EuGH erstrecke. Beide Gesellschafter der Beigeladenen seien öffentliche Auftraggeber, der Landkreis gem. § 98 Nr. 1 GWB und die ... AG zumindest nach § 98 Nr. 4 GWB. Den überwiegenden Anteil der Aktien der ... AG - über 91 % - hielten die klassischen öffentlichen Auftraggeber Bund, Land und Kommunen. Die verbleibenden 8,902 % entfielen auf die ... AG. Die ... AG sei eine bundesweit operierende Eisenbahngesellschaft für den Personennahverkehr und eine 100%igen Tochtergesellschaft der ... AG. Diese wiederum stehe zu 100 % im Eigentum des Bundes. Es würden mithin alle Aktien der ... AG direkt oder indirekt durch klassische öffentliche Auftraggeber gehalten. Die ... würde auch nicht dadurch zu einem privaten Unternehmen i. S. der EuGH-Rechtsprechung, dass sie "Rentabilitätsinteressen" verfolge. Dies sei bei einem Unternehmen, welches in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft betrieben werde, stets gegeben. Die von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang vorgetragene Argumentation, wonach "die Anlage von privatem Kapital in einem Unternehmen auf Überlegungen beruhe, die mit privaten Interessen zusammenhängen und andersartige Ziele verfolge", spräche nicht dagegen, dass an einem gemischt-öffentlichen Unternehmenöffentliche Auftraggeber in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften beteiligt seien, solange hieran ausschließlich Gebietskörperschaften beteiligt seien und die Gesellschaft dementsprechend im öffentlichen Interesse liegende Zielsetzungen verfolge. Sowohl die ... AG als auch die ... AG dienten der Daseinsvorsorge "öffentlicher Personennahverkehr" und damit eindeutig im öffentlichen Interesse liegenden Zielen. Eine schwerpunktmäßig von privaten Interessen geprägte Kapitalanlage durch die Beteiligung bestehe insoweit nicht.
Der Landkreis übe auch eine Kontrolle über die Beigeladene "wie über eine eigene Dienststelle" aus. Die Generalanwältin Stix-Hackl habe in ihren Schlussanträgen zur "Stadt Halle" - Entscheidung in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass insoweit eine "vergleichbare, keine identische Kontrolle über die Gesellschaft" erforderlich sei. Von der Erfüllung dieses Kontrollkriteriums könne bei Einrichtungen, die zu 100 % von einer oder mehreren öffentlichen Stellen gehalten werden, grundsätzlich ausgegangen werden. Auch wenn letztlich rein formal keiner der beiden Gesellschafter die vollständige Kontrolle über die Beigeladene habe "wie über eine eigene Dienststelle", bestehe eine "gemeinsame Beherrschung" aller in dem interkommunalen Zusammenschluss operierenden Anteilseigner. Der einzelne öffentliche Auftraggeber habe daher über das Rechtsinstitut der "gemeinsamen Beherrschung" mit den anderen öffentlichen Auftraggebern insgesamt eine Kontrolle über die Gesellschaft wie über eine eigene Dienststelle.
Zu dem zweiten "Teckal"-Kriterium, dem der wesentlichen Tätigkeit des Unternehmens für die Auftraggeber, die seine Anteile innehaben, habe die Generalanwältin beim EuGH, Juliane Kokott, in ihren Schlussanträgen zur Rechtssache "Parking Brixen" ausgeführt, dass der örtliche Aktionsradius von Unternehmen zu untersuchen sei, d. h. welcher quantitative und qualitative Stellenwert einem etwaigen Tätigwerden des Unternehmens außerhalb der Gemeindegrenzen im Vergleich zur Tätigkeit für seinenöffentlich-rechtlichen Anteilseigner zukomme. Hinsichtlich des nun zur Vergabe anstehenden Auftrages des Landkreises an die Beigeladene verhalte es sich in diesem Zusammenhang so, dass der Landkreis Träger der Schülerbeförderung sei; diese Aufgabe gehöre zu seinem eigenen Wirkungskreis. Der Landkreis setze die Beigeladene also als Erfüllungsgehilfin für ihm obliegende Hoheitsaufgaben ein. Die Erbringung der entsprechenden Leistungen durch die Beigeladene erfolge dann für den Landkreis, ganz überwiegend in dessen Kreisgebiet.
Letztlich entspräche die geplante Beauftragung der Beigeladenen im Wege der In-house-Vergabe auch dem Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 16.03.2005, welcher anlässlich der "Stadt Halle" - Entscheidung des EuGH vom 11.01.2005 herausgegeben wurde.
Die Beigeladene beantragt,
- den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,
- die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen für notwendig zu erklären und
- die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.
Sie unterstützt das Vorbringen des Auftraggebers. Sie vertritt ebenfalls die Auffassung, dass die vom EuGH in der "Teckal-Entscheidung" definierten Voraussetzungen für eine In-house-Vergabe hier vorliegen. Zum Erfordernis der nahezu ausschließlichen Tätigkeit für den Auftraggeber verweist sie anhand einer detaillierten Aufstellung darauf, dass 1.318 von insgesamt 1.422,1 Linienkilometern der von der Beigeladenen bedienten Linien auf dem Gebiet des Landkreises ..., also des Auftraggebers, verlaufen. Ferner sei im Geschäftsjahr 2004 von einem Gesamtumsatz von 10,9 Mio. EUR (nach Abführung verbundbedingter Mehreinnahmen an den Pool) der Löwenanteil von 9,7 Mio. EUR einschließlich der Ausgleichsleistungen nach § 45a PBefG durch die Ausgabe von Schülersammelzeitkarten erzielt worden. In diesem Bereich bediene sich der Auftraggeber der Beigeladenen, um seiner Verpflichtung zur Schülerbeförderung nach dem Nds. Schulgesetz nachzukommen.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 30.08.2005 verwiesen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Die vom Antragsgegner beabsichtigte Beauftragung der Beigeladenen mit der Durchführung der streitbefangenen Schülerbeförderung nach der Freistellungsverordnung zum Personenbeförderungsgesetz (PBefG) ist kein dem Vergaberecht unterliegender öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1, Abs. 4 GWB. Die Beauftragung stellt sich vorliegend vielmehr als organisationsinterne Maßnahme des Auftraggebers zur Erfüllung der ihm aus § 114 Niedersächsisches Schulgesetz obliegenden gesetzlichen Pflicht zur Organisation und Gewährleistung der Schülerbeförderung dar. Es handelt sich daher vorliegend um eine sog. In-house-Vergabe, auf die das Vergaberecht keine Anwendung findet. Dies gilt entgegen der Auffassung der Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass die Auftraggeberin nicht alle, sondern lediglich 74,8 % der Gesellschaftsanteile an der Beigeladenen hält, während die übrigen 25,2 % der Gesellschaftsanteile von der ... ... AG (...) gehalten werden. Bei der ... , deren Anteile sich vollständig in der öffentlichen Hand befinden (Land Niedersachsen, Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Bahn AG sowie einige Kreise, Städte und Gemeinden), handelt es sich nicht um ein "privates Unternehmen" im Sinne der aktuellen Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil v. 11.01.2005, Rs. C-26/03 - Stadt Halle), wonach eine - auch nur minderheitliche - Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, die Annahme einer vergaberechtsfreien In-house-Vergabe ausschließt.
Unstreitig ist die Beauftragung eines in privater Hand befindlichen Unternehmens mit der Durchführung der den Landkreisen und kreisfreien Städten gem. § 114 Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) als Träger obliegenden Schülerbeförderung gem. § 1 Nr. 4 lit. d der zum Personenbeförderungsgesetz vom 21.03.1961 (BGBl. I S. 241) ergangenen Verordnung über die Befreiung bestimmter Beförderungsfälle von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes (Freistellungs-Verordnung) grundsätzlich ein Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1, Abs. 4 GWB und § 1 VOL/A, der bei Erreichen oder Überschreiten des hier maßgeblichen Schwellenwertes in Höhe von 400.000 EUR gem. § 2 Nr. 1 VOL/A europaweit auszuschreiben ist. Das hier streitbefangene Auftragsvolumen überschreitet diesen Schwellenwert deutlich. Der Auftraggeber geht ausweislich der Verwaltungsvorlage des Auftraggebers vom 17.06.2005 für die Sitzung des Kreisausschusses vom 29.06.2005 auf der Basis eines Angebotes der Beigeladenen für die streitbefangene Schülerbeförderung in den Bereichen .../... und .../... im Schuljahr 2005/2006 von Kosten in Höhe von insgesamt 1.080.700 EUR aus.
In Rechtsprechung und Schrifttum ist jedoch anerkannt, dass der öffentliche Auftraggeber durch das Vergaberecht nicht in der seinem Gestaltungsermessen unterliegenden Wahl der Organisationsform - Eigenbetrieb oder Eigengesellschaft - beschränkt werden soll, mittels derer er seine Aufgaben erfüllen will. Beabsichtigt er, die Aufgabe mit eigenen Mitteln zu erfüllen, macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob er dies durch einen Eigenbetrieb oder eine Eigengesellschaft tut (vgl. Weyand, Vergaberecht, § 99 GWB, Rdnr. 603, m.w.N.; Brandenburgisches OLG, Beschluss v. 19.12.2002 - Az.: Verg W 9/2002, zitiert nach VERIS). Die Vergabe eines Auftrags von einem öffentlichen Auftraggeber an ein Unternehmen unterliegt daher dann nicht dem förmlichen Vergaberecht, wenn sich die Beauftragung funktionell als organisationsinterne Maßnahme und nicht als Vertrag zwischen verschiedenen Personen darstellt (vgl. Pape/Holz, Die Voraussetzungen vergabefreier In-house-Geschäfte, NJW 32/2005, S. 2264 ff.). Die Voraussetzungen und Grenzen der vergaberechtsfreien In-house-Vergabe hat der EuGH grundlegend in seinem Urteil vom 18.11.1999 in der Rechtssache "Teckal" (Rs. C-107/98 = NZBau 2000, S. 90, 91) definiert. In dieser Entscheidung hat der EuGH die Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge - ABl. EG Nr. 1 199, S. 1 bis 53 für anwendbar gehalten, wenn ein öffentlicher Auftraggeber wie etwa eine Gebietskörperschaft beabsichtigt, mit einer Einrichtung, die sich formal von ihm unterscheidet und die ihm gegenüber eigene Entscheidungsgewalt besitzt, einen schriftlichen entgeltlichen Vertrag über die Lieferung von Waren zu schließen. Etwas anderes könne nur gelten, wenn die Gebietskörperschaft über die fragliche Person eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Person zugleich ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Körperschaften verrichtet, die ihre Anteile innehaben. Dieser Rechtsprechung hat sich der BGH für den Bereich der Dienstleistungsaufträge mit Urteil vom 12.06.2001 - Az.: X ZB 10/01 angeschlossen. Mit Urteil vom 11.01.2005 in der Rechtssache Stadt Halle (Rs. C-26/03 = NZBau 2005, S. 111 ff.) hat der EuGH seine in der Teckal-Entscheidung formulierte erste Voraussetzung für eine im Vergaberecht unterfallende In-house-Vergabe dahingehend modifiziert, dass es genügt, wenn die öffentliche Stelle, die einöffentlicher Auftraggeber ist, über die fragliche Einrichtung eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen. Hinzu kommen müsse nach wie vor, dass der Auftragnehmer seine Tätigkeit im Wesentlichen für den Auftraggeber verrichtet. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin erfüllt das Verhältnis des Auftraggebers zur Beigeladenen beide vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen für eine Vergabe der streitbefangenen Leistungen im Wege einer In-house-Vergabe:
1.
Soweit der EuGH für das Vorliegen eines vergaberechtsfreien In-house-Geschäfts eine ähnliche Kontrolle über die zu beauftragende Einrichtung wie über eine eigene Dienststelle verlangt, steht dem vorliegend nicht entgegen, dass der Auftraggeber nicht 100 %, sondern gemäß § 3 Abs. 1 des der Vergabekammer vorliegenden Gesellschaftsvertrages (Stand: 15.07.1999) lediglich 74,8 % der Geschäftsanteile an der Beigeladenen hält. Zu 25,2 % ist die ... an der Beigeladenen beteiligt. Die Beteiligung der ... stände nur dann der Annahme eines vergaberechtsfreien In-house-Geschäfts entgegen, wenn die ... als privates Unternehmen (nicht gemeint ist: privatrechtlich organisiertes Unternehmen) im Sinne der Rechtsprechung des EuGH einzustufen wäre. Der EuGH hat nämlich mit seinem Urteil vom 11.01.2005 (Rs. C-26/03 - Stadt Halle = VergabeR 2005, S. 44 ff.) abschließend entschieden, dass eine Auftragsvergabe an ein privat-wirtschaftliches Unternehmen (das Unternehmen befindet sich in der Handöffentlicher und privater Eigentümer) stets dem Vergaberecht unterfällt. Der EuGH hat in diesem Urteil seine Rechtsprechung in der Teckal-Entscheidung noch einmal bestätigt. Er weist jedoch darauf hin, dass im dortigen Fall die betreffende Einrichtung, der der Auftrag übertragen werden sollte, zu 100 % vonöffentlichen Stellen gehalten wurde. In diesem wichtigen Punkt unterscheidet sich der dem Urteil vom 11.01.2005 zugrunde liegende Sachverhalt von der seinerzeit der Teckal-Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Sachlage. Im dortigen Fall hatte die Stadt Halle die ..., eine Gesellschaft, deren Kapital mittelbar mehrheitlich von der Stadt Halle und im Übrigen von einer privaten Gesellschaft gehalten wurde, ohne vorherige förmliche Einleitung eines Vergabeverfahrens mit der Ausarbeitung eines Vorhabens für den Bau einer thermischen Beseitigungs- und Verwertungsanlage für ihre städtischen Restabfälle beauftragt. Zugleich beschloss sie, ebenfalls ohne Ausschreibung, Verhandlungen mit der ... über den Abschluss eines Vertrages über die Entsorgung dieser Abfälle aufzunehmen. Wörtlich heißt es im Urteil des EuGH vom 11.01.2005 (Rdnr. 49, 50 der Entscheidungsgründe):
"Dagegen schließt die - auch nur minderheitliche - Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, es auf jeden Fall aus, dass der öffentliche Auftraggeberüber diese Gesellschaft eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen.
Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Beziehungen zwischen einer öffentlichen Stelle, die einöffentlicher Auftraggeber ist, und ihren Dienststellen durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen. Die Anlage von privatem Kapital in einem Unternehmen beruht dagegen auf Überlegungen, die mit privaten Interessen zusammenhängen, und verfolgt andersartige Ziele."
Der EuGH hat damit die in Rechtsprechung und Schrifttum bis dahin geführten Diskussionen darüber, bis zu welchem Grade eine Minderheitsbeteiligung eines privaten Unternehmens einer ähnlichen Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle des öffentlichen Auftraggebers und damit einem vergaberechtsfreien In-house-Geschäft nicht entgegenstehen kann (vgl. zum seinerzeitigen Diskussionsstand Jaeger, Public Private Partnership und Vergaberecht, NZBau 1/2001, S. 6 ff., S. 9, 10), beendet. Nunmehr gilt, dass das Vergaberecht immer dann anwendbar ist, wenn ein Unternehmen beauftragt werden soll, an dem neben dem öffentlichen Auftraggeber ein privates Unternehmen - gleich in welcher Höhe - beteiligt ist. Auch eine private Minderheitsbeteiligung von z.B. nur 1 % führt dazu, dass die Beauftragung nicht mehr als vergaberechtsfreies In-house-Geschäft einzuordnen ist. Will ein öffentlicher Auftraggeber daher künftig eine ihm obliegende Aufgabe über eine gemeinsam mit einem privaten Unternehmen zu gründende Gesellschaft erledigen, so ist ihm dies auch aufgrund der zitierten aktuellen Rechtsprechung des EuGH zwar nicht grundsätzlich verwehrt. Er ist dann jedoch gehalten, diese gemischtwirtschaftliche Kooperation im Wege eines Vergabeverfahrens herbeizuführen. Dabei kommt z.B. - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - die Ausschreibung eines Kooperationsmodells im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorangegangener Bekanntmachung gem. § 3 a Nr. 1 Abs. 4 lit. b oder c VOL/A in Betracht (vgl. Jaeger, a.a.O., S. 11; VK Lüneburg, Beschluss v. 10.08.1999, Az.: 203-VgK-6/1999 = NZBau 2001, S. 51 ff.; Krohn, "Aus" für In-house-Vergaben an gemischtwirtschaftliche Unternehmen, NZBau 2/2005, S. 92 ff., S. 95). Bei diesem Modell wird die Suche des privaten Gesellschafters zur Gründung eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens und die beabsichtigte Erteilung des Dienstleistungsauftrags an dieses Unternehmen kombiniert und beide Verträge im Rahmen eines einheitlichen Vergabeverfahrens vergeben, was nach wie vor möglich ist.
Während der EuGH jedoch mit seinem Urteil vom 11.01.2005 in der Rechtssache C-26/2003 jeglichen vergaberechtsfreien In-house-Geschäften mit gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen eine klare Absage erteilt hat, bleibt die In-house-Vergabe an eine gemischt-öffentliche Gesellschaft, bei der die Anteile gemeinsam von mehreren Gebietskörperschaften bei sonstigen Anteilseignern der öffentlichen Hand gehalten werden, unter Beachtung der Grundsätze der Teckal-Entscheidung des EuGH vom 18.11.1999 (Rs. C-107/98 = NZBau 2000, S. 90 ff.) nach wie vor möglich (vgl. Müller, Interkommunale Zusammenarbeit und Vergaberecht, VergabeR 4/2005, S. 436 ff., S. 441, 442; Hattig/Ruhland, Kooperationen der Kommunen mit öffentlichen und privaten Partnern und ihr Verhältnis zum Vergaberecht, VergabeR 4/2005, S. 425 ff., S. 428; Pape/Holz, Die Voraussetzungen freier In-house-Geschäfte, NJW 32/2005, S. 2264 ff.).
Bei der Beigeladenen handelt es sich um eine gemischt-öffentliche Gesellschaft in diesem Sinne. Dem steht nicht entgegen, dass die Anteile des Minderheitsgesellschafters, der ... AG, nicht ausschließlich und nicht einmal in erster Linie von kommunalen Trägern gehalten werden. Der Generalanwalt Alber hat in seinen Schlussanträgen vom 18.03.1999 in der Rechtssache C-108/98 (RI.SAN Srl) gegen Comune di Ischia die Auffassung vertreten, es sei zu formalistisch, bei einer gemeinsamen Gesellschaft einer Kommune und einer staatlichen Einrichtung zwischen diesen zu differenzieren. Nach der vom EuGH bevorzugten funktionalen Betrachtungsweise, die im Gegensatz zur formalen Betrachtungsweise dem Einzelfall besser gerecht werden könne und die Eigenarten eines jeden Falls besser berücksichtigen könne, sei die von Kommune und Staat gegründete Aktiengesellschaft Teil derselbenöffentlichen Verwaltung, so dass in Bezug auf diesen Aspekt ein In-house-Geschäft vorliege (Alber, a.a.O., Rdnr. 52, 53 und Erläuterung Nr. 21). Auch der EuGH hat in seinem Urteil vom 11.01.2005 in der Rechtssache C-26/03 in Bezug auf seine Teckal-Entscheidung darauf hingewiesen, "dass in dem vorgenannten Fall die Einrichtung zu 100 % von öffentlichen Stellen gehalten wurde" (Urteil v. 11.01.2005, Rdnr. 49). Maßgeblich für die Zulässigkeit einer Auftragserteilung außerhalb des Vergaberechts ist daher nicht, ob die zu beauftragende Gesellschaft zu 100 % von dem betreffenden öffentlichen Auftraggeber oder etwa von einer Gemeinschaft homogener - hier kommunaler - Auftraggeber gehalten wird. Entscheidend ist unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des EuGH vielmehr, dass die zu beauftragende Gesellschaft, an der der betreffende Auftraggeber beteiligt ist, vollständig von öffentlichen Stellen - "der öffentlichen Hand" - gehalten wird.
Das ist vorliegend der Fall. Die an der Beigeladenen beteiligte ... AG wird ausweislich des von der Auftraggeberin mit Schriftsatz vom 26.08.2005 als Anlage 2 vorgelegten Auszugs des Verzeichnisses der Aktionäre der ... (Stand: August 2004) zu 33,815 % von der Bundesrepublik Deutschland, zu 40,245 % vom Land Niedersachsen, zu 17,038 % von kommunalen Aktionären und zu 8,902 % von der ... AG gehalten. Die ... AG selbst ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der ... AG, die wiederum zu 100 % im Eigentum des Bundes steht. Die Beigeladene befindet sich damit vollständig inöffentlicher Hand. Die für die Annahme eines In-house-Geschäftes erforderliche vergleichbare Kontrolle über die Gesellschaft wie über eine eigene Dienststelle reduziert sich daher im vorliegenden Fall darauf, dass die Auftraggeberin jederzeit in der Lage ist, in dieser Gesellschaft ihren im öffentlichen Interesse liegenden Zielen in vollem Umfang Geltung zu verschaffen (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 01.03.2005 in der Rechtssache Rs. C-458/03 - Parking Brixen GmbH). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin steht der Annahme einer solchen vergleichbaren Kontrolle nicht entgegen, dass die Beigeladene als GmbH organisiert ist. Die Generalanwältin Kokott hat in ihren Schlussanträgen (Rdnr. 68) zu Recht darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass eine Gemeinde als öffentlicher Auftraggeber ihre Eigengesellschaft in der Rechtsform einer AG mit bestimmten Aufgaben betraut, trotz der aktienrechtlich vorgegebenen Eigenständigkeit und Weisungsunabhängigkeit des Vorstands in Angelegenheiten der Geschäftsführung die Annahme eines vergaberechtsfreien In-house-Geschäftes erlauben könne. Es komme vielmehr entscheidend auf die tatsächlich bestehenden Einflussnahmemöglichkeiten an. Maßgeblich für die richtige Beurteilung sei bei privaten Gesellschaftsformen das "Innenverhältnis" zwischen den Vertragsparteien. Typischerweise komme es im Rahmen von Kontrollmöglichkeiten auf rechtlich verankerte oder vereinbarte Weisungsrechte und Aufsichtsbefugnisse an. Da solche aber im Verhältnis zu Leitungsorganen öffentlicher Unternehmen in Form einer Aktiengesellschaft oder auch einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Ausnahme darstellten, würde die strenge Anwendung der "Teckal-Kriterien" auch für diese Fälle - selbst wenn ein öffentlicher Auftraggeber der einzige Gesellschafter wäre - immer zu einer Ausschreibungspflicht führen. Damit aber würde nach Auffassung der Generalanwältin die Umwandlung staatlicher Aufgabenerfüllung in private Gesellschaftsformen stets den Einstieg in die Privatisierung erzwingen. Eine rein interne Reorganisation würde damit unmöglich gemacht. Dies wiederum widerspreche der Organisationshoheit der Mitgliedsstaaten, insbesondere der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (vgl. Kokott, a.a.O., Rdnr. 63 ff., 71, 72, 80; Hattig/Ruhland, a.a.O., S. 428). Ein derartig weitgehender Eingriff in die Organisationshoheit der Mitgliedsstaaten und insbesondere in die Selbstverwaltung vieler Gemeinden wäre auch mit Blick auf die Marktöffnungsfunktion desöffentlichen Auftragsrechts nicht erforderlich.
Maßgeblich allein ist vielmehr die tatsächliche Möglichkeit des Auftraggebers zur Durchsetzung seineröffentlichen Interessen in der gemischt-öffentlichen Gesellschaft. An der entsprechenden Durchsetzungsfähigkeit der Auftraggeberin gegenüber der Beigeladenen bestehen vorliegend keine Zweifel. Die Gesellschafter einer GmbH bestimmen gem. § 46 Nr. 6 GmbHG über die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung. Sie können gem. § 37 GmbHG über den Gesellschaftsvertrag oder durch Beschlüsse sogar die Befugnis der Geschäftsführer zur Vertretung der Gesellschaft beschränken. Gemäß § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der Beigeladenen führen die Geschäftsführer die Geschäfte nach Maßgabe einer von ihnen zu erstellenden und vom Aufsichtsrat zu genehmigenden Geschäftsanweisung. Sie sind darüber hinaus verpflichtet, den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung und des Aufsichtsrates zu folgen. Aufgrund seiner Anteilsmehrheit von 74,8 % stellt der Auftraggeber gem. § 8 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages zudem sechs der acht Mitglieder des Aufsichtsrates. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates ist gem. § 8 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages stets aus dem Kreis der vom Auftraggeber entsandten Mitglieder zu wählen. Willenserklärungen des Aufsichtsrates werden gem. § 8 Abs. 8 des Gesellschaftsvertrages durch den Vorsitzenden oder im Falle seiner Verhinderung durch den stellvertretenden Vorsitzenden abgegeben. Beschlüsse des Aufsichtsrates werden gem. § 10 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages mit Stimmenmehrheit gefasst. Zu den Aufgaben des Aufsichtsrates gehört gem. § 11 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich die Überwachung der Geschäftsführer und die Ausführung der Beschlüsse. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die tatsächliche Durchsetzungsfähigkeit des Auftraggebers maßgeblich von dem Sachverhalt, der dem von der Antragstellerin zitierten Beschluss der BayObLG vom 22.01.2002, Az.: Verg 18/01 zugrunde lag. Dort war der Auftraggeber an der für die vergaberechtsfreie Beauftragung vorgesehenen GmbH gar nicht direkt beteiligt. Beteiligt war lediglich - mit 51 % der Anteile - ein Abfallzweckverband, den der Auftraggeber, eine Stadt, gemeinsam mit zwei Landkreisen gegründet hatte. Im Zweckverband wiederum stellte die dortige Auftraggeberin zwar die Hälfte der Verbandsräte. Da gemäß der Satzung bei Stimmenmehrheit ein Beschlussantrag als abgelehnt galt, konnte sich die dortige Auftraggeberin bei Bedarf nicht gegen die Verbandsräte der anderen Mitglieder des Zweckverbandes durchsetzen. Demgegenüber werden im vorliegenden Fall gemäß § 10 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages der Beigeladenen die Beschlüsse des Aufsichtsrates mit - einfacher - Stimmenmehrheit gefasst. Der Auftraggeber verfügt über 6 der 8 Stimmen. Auch das von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung zitierte aktuelle Urteil des EuGH vom 21.07.2005 in der Rechtssache C-231/03 (Coname) greift im vorliegenden Fall nicht. Dort wurde die wettbewerbsfreie Vergabe einer Konzession für die Verwaltung der öffentlichen Dienstleistung der Gasversorgung durch eine Gemeinde unter anderem deshalb für unzulässig erklärt, weil der Gesellschaftsanteil dieser Gemeinde lediglich 0,97 % (!) betrug. Ferner befand sich das Stammkapital der dortigen Gesellschaft nur überwiegend in öffentlicher, teilweise aber auch in privater Hand. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse und der konkreten Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages im vorliegenden Fall besteht dagegen kein Zweifel daran, dass der Auftraggeber in der Lage ist, über die Gesellschafterversammlung und den Aufsichtsrat die von ihm zu verfolgenden öffentlichen Interessen in vollem Umfange bei der Beigeladenen durchzusetzen. Das nach der Rechtsprechung des EuGH für die Annahme eines In-house-Geschäfts erforderliche "Kontrollkriterium" ist daher vorliegend gewährleistet
2.
Auch die zweite nach der Rechtsprechung des EuGH erforderliche Voraussetzung für den Abschluss eines vergaberechtsfreien In-house-Geschäfts ist vorliegend erfüllt. Die Beigeladene ist im Sinne der EuGH-Rechtsprechung im Wesentlichen für den Auftraggeber tätig. Dabei kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob dieses Kriterium erst erfüllt ist, wenn das zu beauftragende Unternehmen "nahezu ausschließlich" für den öffentlichen Auftraggeber tätig ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.01.2004, Az. VII Verg 71/03 = NVwZ 2004, S. 510), ob analog § 10 VgV (Freistellung verbundener Unternehmen) ein Anteil von 80 % des durchschnittlichen Umsatzes der letzten drei Jahre durch die Tätigkeiten für den Auftraggeber bestimmt werden muss (vgl. Endler, NZBau 2002, S. 125 ff., 132) oder ob es sich lediglich um den "wesentlichen, den größten Teil" der Tätigkeit handeln muss (vgl. Generalanwalt Léger, Schlussanträge in der Rechtssache C-94/99 - ARGE Gewässerschutz, Rdnr. 83, 93). Die Beigeladene übt ihre Tätigkeit nahezu ausschließlich im Kreisgebiet des Auftraggebers aus.
Dabei steht die Tatsache, dass die an der Beigeladenen beteiligte ... AG sich ihrerseits niedersachsenweit am (Konzessions-)Wettbewerb im Bereich des ÖPNV beteiligt, der Annahme eines In-house-Geschäftes nicht entgegen. Sowohl ... AG als auch ... AG sind ihrerseits öffentliche (Sektoren-)Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 4 GWB auf dem Gebiet des Verkehrs. Zu ihren Kernaufgaben gehört auch die überregionale Tätigkeit auf dem Gebiet desÖPNV. Unternehmensgegenstand der ... AG ist gem. § 3 ihrer Satzung in der Fassung vom 21. August 1990 neben dem Betrieb abschließend aufgeführter Eisenbahnlinien und dem Bau, Betrieb und Verwaltung anderer Eisenbahnen und Verkehrsunternehmungen ausdrücklich auch die Beförderung von Personen und Gütern mit Kraftfahrzeugen.
Entscheidend ist vorliegend, dass sich die Beigeladene selbst nahezu ausschließlich im Kreisgebiet des Auftraggebers betätigt. Sie führt im Interesse der Auftraggeberin auf deren Territorium genehmigten ÖPNV gem. §§ 42, 43 PBefG durch. Ausweislich der von der Beigeladenen übersandten Aufstellung handelt es sich dabei um insgesamt 197 Linien mit insgesamt 1422,1 Linien-km. Davon werden - im Peripheriebereich - lediglich 104,1 km außerhalb des Landkreises ... gefahren. Dies ist organisatorisch - nachvollziehbar - unvermeidbar. Die Linien enden nicht immer an der Kreisgrenze. Vergaberechtlich tritt die Beigeladene selbst daher über das Territorium des Auftraggebers hinaus nicht in Wettbewerb zu anderen ÖPNV-Unternehmen.
Die Tätigkeit der Beigeladenen beschränkt sich aber nicht nur räumlich auf das Kreisgebiet des Auftraggebers. Auch inhaltlich nimmt die Beigeladene, deren Gegenstand gem. § 2 des Gesellschaftsvertrages die Ausführung von Linien- und Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen ist, ausschließlich Belange wahr, die durch einen vom Auftraggeber zu verfolgenden, öffentlichen Zweck gerechtfertigt und veranlasst sind. Die Beigeladene wurde als kommunales Wirtschaftsunternehmen im Sinne des § 108 NGO i.V.m. § 65 NLO gegründet und wird nach wie vor auch als solches betrieben.
Der Sachverhalt bietet daher auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Beauftragung der Beigeladenen im Wege eines In-house-Geschäftes durch den Auftraggeber die vergaberechtlichen Grenzen oder die öffentlich-rechtlichen Grenzen eines kommunalen Wirtschaftsunternehmens gem. § 108 Abs. 1 NGO in Verbindung mit § 65 NLO überschreitet. Richtig ist, dass die Beteiligung eines kommunalen Unternehmens an einem Wettbewerb durchaus unlauter im Sinne des § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A sein kann, wenn diese Teilnahme am Wettbewerb nicht durch die entsprechende Gemeindeordnung - im vorliegenden Fall § 65 NLO i.V.m. § 108 Abs. 1 NGO - gedeckt ist. Ein Verstoß gegen diese Zugangsvorschriften würde nach Auffassung der Vergabekammer durchaus als unlauterer Wettbewerb im Sinne von § 1 UWG einzuordnen sein und damit auch gegen § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A verstoßen (vgl. LG München I, Urteil vom 19.05.1999, 1 HK O 3922/99; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.1999, Az.: 2 U 7/99; Beschluss vom 12.01.2000, Az.: Verg. 3/99, ZVgR 3/2000, S. 3 ff.; VK Lüneburg, Beschluss vom 10.02.2005, Az,: 203-VgK-43/2003 - dort zur exterritorialen Betätigung einer kommunalen Abfallentsorgungs-GmbH). Soweit die wirtschaftliche Betätigung einer Kommune gegen § 108 NGO verstößt, sind auch die Interessen privatwirtschaftlicher Unternehmen in den Schutzbereich dieser Vorschrift mit einbezogen. § 108 NGO gehört damit zu den Vorschriften im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB, die im Vergabeverfahren einzuhalten sind. Dabei macht es keinen Unterschied, ob eine Gemeinde oder ein Landkreis sich unmittelbar mit einem Eigenbetrieb oder über eine von ihr gegründete, mehrheitlich oder völlig beherrschte GmbH am Wirtschaftsleben beteiligt. Die Tätigkeit und die Beauftragung der Beigeladenen wird jedoch durch die entsprechend anzuwendende Vorschrift des § 108 Abs. 1 NGO gedeckt. Danach dürfen Gemeinden (und über § 65 NLO auch Landkreise) sich zur Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wirtschaftlich betätigen. Sie dürfen Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn und soweit
- 1.
der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt,
- 2.
die Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinden und zum voraussichtlichen Bedarf stehen,
- 3.
der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann.
Dabei hat das Merkmal der "Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft" nur deklaratorische Bedeutung, weil der örtliche Bezug des gemeindlichen Handelns bereits nach Artikel 28 Abs. 2 GG, Artikel 57 Abs. 3 Niedersächsische Verfassung Grundvoraussetzung seiner Zulässigkeit ist (vgl. Thiele, NGO, 5. Auflage, § 108, Anmerkung Nr. 1). Ein "öffentlicher Zweck" im Sinne des § 108 NGO ist anzunehmen, wenn sich die Betätigung am Gemeinwohl orientiert, also insbesondere dem Ziel dient, das Wohl der Einwohner zu fördern (§ 1 Abs. 1 Satz 2 NGO) und ihnen die erforderlichen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Einrichtungen bereitzustellen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 NGO).
Die Betätigung einer Kommune auf dem Gebiet desöffentlichen Personennahverkehrs gehört zu den klassischen kommunalen Dienstleistungen auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge (vgl. Beckhof, Kommunalverwaltungsrecht Niedersachsen, Vor §§ 108 bis 116a NGO, S. 4 und § 108 NGO, S. 4a, Stand: Dezember 2004, m.w.N.). Beförderungsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr werden daher nach wie vor überwiegend von öffentlichen, d. h. im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Verkehrsunternehmen durchgeführt. Dabei entfällt der größere Anteil sowohl am Personenverkehrsaufkommen (Anzahl der beförderten Personen) als auch an der Personenverkehrsleistung (zurückgelegte Strecke in Personenkilometern) auf die kommunalen Unternehmen sowie die Gemeinschaftsunternehmen verschiedener Gebietskörperschaften (vgl. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung: Der öffentliche Personennahverkehr nach der Regionalisierung, Bielefeld 2000, S. 33). Die Beigeladene nimmt daher kommunalwirtschaftlich veranlasste und durch § 108 NGO gedeckte Belange des Auftraggebers wahr. Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr ist auch nach der ausdrücklichen Regelung des § 2 Abs. 2 Niedersächsisches Nahverkehrsgesetz (NNVG) vom 28.06.1995 eine Aufgabe der Daseinsvorsorge.
Der Zurechenbarkeit der wirtschaftlichen Betätigung der Beigeladenen für den Auftraggeber steht nicht entgegen, dass der Auftraggeber inzwischen - im Gegensatz zur Situation bei Gründung der Beigeladenen zum Geschäftsjahr 1984 - nicht mehr gesetzlicher Träger des ÖPNV im Sinne des Niedersächsischen Nahverkehrsgesetzes ist. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 lit. b NNVG i.V.m. § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Bildung des Zweckverbandes "... ..." vom 27.11.1991 (Nds. GVBl. S. 305) ist nämlich nunmehr der Zweckverband für den Verbandsbereich - und damit auch für das Hoheitsgebiet des Auftraggebers - Aufgabenträger desöffentlichen Personennahverkehrs im Sinne des § 4 Abs. 1 NNVG. Damit wird jedoch weder der wirtschaftlichen Betätigung der Beigeladenen noch der wirtschaftlichen Betätigung des Auftraggebers auf dem Gebiet des ÖPNV an sich die Grundlage entzogen. Gemäß § 4 Abs. 3 NNVG können nämlich Gemeinden und Verbandsmitglieder nach wie vor unbeschadet der Pflichten der Auftraggeber in eigener Verantwortung öffentlichen Personennahverkehr durchführen oder durchführen lassen. Dieser Verkehr soll lediglich mit dem Verkehr unter Verantwortung der Aufgabenträger - hier: mit dem Zweckverband - abgestimmt sein. Die von der Beigeladenen durchgeführten Linienverkehre sind daher immer noch dem Auftraggeber zuzurechnen. Der Auftraggeber hat nach wie vor ein in der Daseinsvorsorge begründetes unmittelbares Interesse daran, gem. § 2 Abs. 2 NNVG die lückenlose Bedienung seines Kreisgebietes mit den notwendigen Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr sicherzustellen. Er ist nicht verpflichtet, dies allein dem Zweckverband oder gar ausschließlich auf dem Gebiet des ÖPNV tätigen, rein kommerziell orientierten privaten Unternehmen zu überlassen. Insbesondere muss der Auftraggeber sicherstellen, dass auch betriebswirtschaftlich unrentable Linienverkehre, soweit geboten, aufrechterhalten werden. Auch dazu kann er sich weiterhin der Beigeladenen bedienen. Schließlich bleibt der Auftraggeber ungeachtet der Zweckverbandsgründung nach wie vor gem. § 114 Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) Träger der Schülerbeförderung. Auch gerade in diesem Bereich bedient sich der Auftraggeber der Beigeladenen, um ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Schülerbeförderung nachzukommen. Aus einer von der Beigeladenen vorgelegten Übersicht über ihre Umsatzerlöse im Geschäftsjahr 2004 geht hervor, dass von den insgesamt 10,9 Mio. EUR Umsatzerlösen 10,8 Mio. EUR Umsatzerlöse einschließlich der Ausgleichsleistungen für die Beförderung von Schülern nach § 45a PBefG und für die Beförderung von Schwerbehinderten nach § 148 SGB IX aus dem Betrieb der genehmigten Linienverkehre erzielt wurden. Dabei entfielen 9,7 Mio. EUR Umsatzerlöse einschließlich der Ausgleichsleistungen nach § 45a PBefG auf die Ausgabe von Schülersammelzeitkarten. Damit liegt auch die vom EuGH für die Annahme eines In-house-Geschäfts geforderte nahezu ausschließliche Tätigkeit des zu beauftragenden Unternehmens für den Auftraggeber im vorliegenden Fall vor.
Die beabsichtigte Beauftragung der Beigeladenen mit der Durchführung der streitbefangenen Schülerbeförderung nach der Freistellungsverordnung zum Personenbeförderungsgesetz (PBefG) ist somit kein dem Vergaberecht unterliegender öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1, Abs. 4 GWB. Der Nachprüfungsantrag war somit als unzulässig zurückzuweisen.
Die Beigeladene wird jedoch angesichts des Auftragsvolumens darauf hingewiesen, dass sie alsöffentliche Auftraggeberin i.S.d. § 98 Nr. 4 GWB verpflichtet ist, Verkehrsleistungen, die sie nicht selbst durchführt, nur nach Durchführung eines - beiÜberschreitung der Schwellenwerte europaweiten - Vergabeverfahrens untervergeben kann. Zu diesem Hinweis sieht sich die Vergabekammer veranlasst, weil der Auftraggeber ausweislich der Verwaltungsvorlage vom 17.06.2005 für die Kreisausschusssitzung vom 29.06.2005 offenbar irrtümlich davon ausgeht, dass die Ausführung des Freistellungsverkehrs weiterhin bei den Busunternehmen "aus dem Landkreis ..." verbleibt, die zurzeit diese Buslinien bedienen. Eine ausschließliche Berücksichtigung von Verkehrsunternehmen aus dem Landkreis ... wäre wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB und das Gleichbehandlungsgebot des § 97 Abs. 2 GWB vergaberechtswidrig.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art 7 Nr. 5 des 9. Euro-
Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 EUR beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.820 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag beträgt nach der Verwaltungsvorlage des Auftraggebers vom 17.06.2005 für die Kreisausschusssitzung vom 29.06.2005 1.080.700 EUR (basierend auf einem Angebot der Beigeladenen).
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 1.080.700 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.820 EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten des Auftraggebers, die diesem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Auftraggeber im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte der Auftraggeber für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zu Gunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahrenübertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Kosten der Beigeladenen:
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zugunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwer wiegend berührt werden".
Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).
Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten einer in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von 2.820 EUR unter Angabe des Kassenzeichens
auf folgendes Konto zu überweisen:
NORD/LB (BLZ 250 500 00) Konto 106035355.
Rohn
Dierks