Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.03.2021, Az.: 10 OB 28/21
Direktwahl; Hauptverwaltungsbeamte; Wahlanfechtung; Wahleinspruch; Wahlprüfung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.03.2021
- Aktenzeichen
- 10 OB 28/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 70803
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 20.01.2021 - AZ: 1 A 5987/20
Rechtsgrundlagen
- § 46 Abs 1 S 1 KomWG ND
- § 47 KomWG ND
- § 49 Abs 2 KomWG ND
- § 162 Abs 3 VwGO
- § 65 Abs 2 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Bei einer Klage gegen eine Wahlprüfungsentscheidung, mit der ein Wahleinspruch zurückgewiesen wurde, ist der direkt Gewählte gemäß § 65 Abs. 2 VwGO notwendig beizuladen.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - Berichterstatterin der 1. Kammer - vom 20. Januar 2021 geändert und der Beschwerdeführer gemäß § 65 Abs. 2 VwGO beigeladen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ablehnung seiner Beiladung durch das Verwaltungsgericht.
Der Beschwerdeführer erhielt bei der Stichwahl des Landrats des Landkreises G. 51,14 % der Stimmen. Das Ergebnis wurde am 8. April 2020 veröffentlicht. Hiergegen erhob der Kläger am 9. April 2020 Wahleinspruch. Der Beklagte wies diesen am 29. September 2020 mit der Begründung zurück, das Wahlergebnis sei durch die festgestellten Rechtsverstöße nicht wesentlich beeinflusst worden. Hiergegen hat der Kläger am 13. November 2020 Klage erhoben, mit dem Ziel, den Beschluss des Beklagten vom 29. September 2020 aufzuheben und ihn zu verpflichten, das Ergebnis der Stichwahl für ungültig zu erklären.
Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2020 beantragte der Beschwerdeführer gegenüber dem Verwaltungsgericht seine Beiladung. Er sei notwendig beizuladen, weil er bei einer Aufhebungsentscheidung unmittelbar seine aus der Landratswahl erlangte Rechtsposition verlöre bzw. dies bei einer Umsetzung der Entscheidung durch den Kreistag der Fall wäre. Jedenfalls seien als gewählter Landrat seine rechtlichen Interessen im Sinne des § 65 Abs. 1 VwGO berührt, weil eine Stattgabe der Klage seine bisherige Stellung beeinträchtigen würde. Die Beiladung erweise sich auch mit Blick auf die Beiladungszwecke als sachgerecht und zweckmäßig. Die Beteiligten äußerten keine Bedenken gegenüber der beantragten Beiladung.
Mit Beschluss vom 20. Januar 2021 lehnte das Verwaltungsgericht durch die Berichterstatterin die Beiladung des Beschwerdeführers ab.
Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung lägen nicht vor. Der Beschwerdeführer gehöre nicht zu den in § 47 Abs. 2 NKWG genannten Beteiligten des Wahlprüfungsverfahrens. Mit einer Person im Sinne des § 47 Abs. 2 Nr. 3 NKWG, „gegen deren Wahl der Wahleinspruch unmittelbar gerichtet ist“, sei nur eine solche gemeint, gegen die im Wahlprüfungsverfahren ein personenbezogener Einspruchsgrund geltend gemacht werde (z.B. fehlende Wählbarkeit). Bei einer etwaigen Korrektur des Wahlergebnisses sei der Beschwerdeführer lediglich mittelbar betroffen. Dementsprechend wäre er auch nicht gehindert gewesen, an der Beschlussfassung des Beklagten über den Wahleinspruch des Klägers teilzunehmen, da das Mitwirkungsverbot des § 47 Abs. 3 NKWG nur Beteiligte des Wahlprüfungsverfahrens, nicht aber grundsätzlich alle vom Wahlausschuss als gewählt angesehenen Personen erfasse. Im Fall einer stattgebenden Wahlprüfungsentscheidung hätte der Beschwerdeführer auch nicht nach § 49 NKWG zum Kreis der Klageberechtigten gehört. Da damit das niedersächsische Kommunalwahlrecht, soweit keine personenbezogenen Einspruchsgründe geltend gemacht worden seien, nur von einer mittelbaren Betroffenheit einer vom Wahlausschuss als gewählt angesehenen Person ausgehe, könne auch bezogen auf die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO nicht von einer unmittelbaren rechtlichen Betroffenheit ausgegangen werden. Es erschiene zudem widersinnig, wenn eine vom Wahlausschuss als gewählt angesehenen Person, die befugt gewesen wäre, an der Beschlussfassung über den Wahleinspruch teilzunehmen, im sich anschließenden gerichtlichen Wahlprüfungsverfahren Beteiligter wäre.
Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Denn dem Landesgesetzgeber stehe es frei, dem körperschaftsinternen Wahlprüfungsverfahren auf Landes- und Kommunalebene ein gerichtliches Wahlprüfungsverfahren nachzuschalten und für dieses zugleich auch die allgemein geltenden prozessualen Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung zu modifizieren. Dies sei in § 49 Abs. 2 NKWG hinsichtlich des Kreises der Klageberechtigten geschehen. Dass in einem Wahlprüfungsverfahren, in dem es gerade nicht um persönliche Voraussetzungen der Wählbarkeit einer Person, sondern - wie vorliegend - zumindest im weiteren Sinne um „Auszählungsstreitigkeiten“ gehe, die vom Wahlausschuss als gewählt angesehene Person an dem auf eine rein objektive Überprüfung des Wahlverfahrens und -ergebnisses gerichteten Verfahren nicht beteiligt ist, erscheine durchaus sachgerecht. Wahleinspruch und Wahlprüfungsklage hielten nämlich das Wahlergebnis einstweilen „in der Schwebe“, sodass in dieser Phase gerade noch nicht von einer gefestigten und zu verteidigenden Rechtsposition der als gewählt angesehenen Person ausgegangen werden könne, sondern nur von einer Anwartschaft auf eine solche. Auch das passive Wahlrecht und ein etwaiges Recht auf Chancengleichheit geböten bei bloßen „Auszählungsstreitigkeiten“ keine Beteiligung der als gewählt angesehenen Person im körperschaftsinternen und sich gegebenenfalls anschließenden gerichtlichen Wahlprüfungsverfahren. Das passive Wahlrecht vermittle nur das Recht, gewählt werden zu können, das als solches bei „Auszählungsstreitigkeiten“ gar nicht infrage gestellt werde. Dem Recht auf Chancengleichheit sei jedenfalls dann hinreichend genüge getan, wenn die beklagte Vertretung der Kommune - wie vorliegend - den Wahleinspruch ihrerseits zurückgewiesen habe und damit auch im gerichtlichen Verfahren die Gültigkeit der Wahl verteidige.
Auch eine einfache Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO sei jedenfalls nicht geboten. Nach Ausübung des insoweit bestehenden gerichtlichen Ermessens, sei eine Beiladung des Beschwerdeführers nicht zweckmäßig. Es sei nicht ersichtlich, was dieser konkret zum Streitgegenstand des objektiven Überprüfungsverfahrens beitragen könne, außer dem Gericht seinen subjektiven Standpunkt nahezubringen. Auch im Hinblick auf die Wahrung seiner Interessen oder unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie erscheine eine Beiladung nicht erforderlich.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Beschwerdeführer ist - wie er in seiner Beschwerdebegründung zutreffend ausgeführt hat - gemäß § 65 Abs. 2 VwGO notwendig beizuladen.
Gemäß § 65 Abs. 1 VwGO kann das Gericht […] von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie nach § 65 Abs. 2 VwGO beizuladen (notwendige Beiladung).
Die Beiladung dient dazu, eine Nichtpartei am Rechtsstreit zu beteiligen, wenn sie durch den Streit in Mitleidenschaft gezogen werden könnte (Kintz in BeckOK, VwGO, Stand: 1.1.2021, § 65 vor Rn. 1; Bier/Steinbeiß-Winkelmann in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 65 Rn. 3; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 65 Rn. 1). Zweck der Beiladung ist vor allem, im Interesse der Prozessökonomie durch die damit verbundene Rechtskrafterstreckung auf Dritte (vgl. §§ 121 Nr. 1, 63 Nr. 3 VwGO), die in der Sache betroffen sind, die Ergebnisse eines Rechtsstreits auch ihnen gegenüber zu sichern und ihnen dabei die Möglichkeit zu geben, durch die Verfahrensbeteiligung ihre Interessen in den Prozess der Hauptbeteiligten einzubringen und so auch zur umfassenden Sachaufklärung beizutragen (BVerwG, Beschluss vom 28.8.2002 – 9 VR 11.02 –, juris Rn. 4).
Ein Dritter ist an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt, dass die Entscheidung ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO, wenn die begehrte Sachentscheidung nicht wirksam getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig und unmittelbar in Rechte des Dritten eingegriffen wird, d.h. seine Rechte gestaltet, bestätigt oder festgestellt, geändert oder aufgehoben werden (BVerwG, Beschluss vom 7.2.2011 – 6 C 11.10 –, juris Rn. 2 m.w.N.). Ob dies der Fall ist, ergibt sich aus dem materiellen Recht (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 65 Rn. 14 m.w.N.). Durch die notwendige (verpflichtende) Beiladung und damit verbundene Rechtskrafterstreckung auf den Dritten soll auch vermieden werden, dass dieser die Fragen, über die zwischen den bisherigen Streitbeteiligten rechtskräftig entschieden ist, erneut zur gerichtlichen Prüfung stellt und möglicherweise eine abweichende Entscheidung erlangen kann (BVerwG, Urteil vom 25.3.2009 – 6 C 3.08 –, juris Rn. 30, und Beschluss vom 22.4.2003 – 8 B 144.02 –, juris Rn. 5). Dementsprechend stellt die unterbliebene notwendige Beiladung auch einen Verfahrensfehler dar (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 7.2.1986 – 4 C 30.84 –, juris Rn. 10; zu den möglichen Folgen vgl. Bier/Steinbeiß-Winkelmann in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 65 Rn. 41 f. m.w.N.).
Das Institut der notwendigen Beiladung ist im Verwaltungsstreitverfahren durch die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts entwickelt worden, um im Verwaltungsprozess über die Gültigkeit einer Wahl die Beiladung des Gewählten sicherzustellen (Bier/Steinbeiß-Winkelmann in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 65 Rn. 1). Da nach der Ansicht des Preußischen Oberverwaltungsgericht eine Wahl gegenüber jedem Mitbeteiligten, d.h. Wahlberechtigten oder Gewählten, nur entweder gültig oder ungültig sein kann, durfte ohne vorherige Beiladung des Gewählten nicht entschieden werden (BVerwG, Urteil vom 25.8.1966 – III C 61.65 –, juris Rn. 27). Dementsprechend wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bei der Anfechtung einer Wahl in der Regel die Notwendigkeit einer Beiladung des Gewählten bejaht (BVerwG, Urteil vom 25.8.1966 – III C 61.65 –, juris Rn. 34; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.9.1988 – 7 B 150.88 –, juris Rn. 10, und vom 12.8.1981 – 7 B 195.80 –, juris Rn. 12; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.2.1991 – 15 A 1518/90 –, juris Rn. 11; Bayerischer VGH, Beschluss vom 17.2.1997 – 4 D 96.4282 –, juris Rn. 2; Bier/Steinbeiß-Winkelmann in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 65 Rn. 21, 28; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 65 Rn. 18a; Czybulka/Kluckert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 65 Rn. 122). Denn die Ungültigerklärung der Wahl führt unmittelbar und zwangsläufig zum Verlust der Rechtsstellung des Gewählten (Bayerischer VGH, Beschluss vom 17.2.1997 – 4 D 96.4282 –, juris Rn. 2; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.2.1991 – 15 A 1518/90 –, juris Rn. 11). Dementsprechend sind in Verwaltungsgerichtsverfahren betreffend die Prüfung einer Kommunalwahl regelmäßig auch die Gewählten als Beigeladene beteiligt (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 5.6.2012 – 8 B 24.12 –, juris Rn. 1, und Urteil vom 8.4.2003 – 8 C 14.02 –, juris Rn. 1; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. Oktober 2017 – 4 L 88/16 –, juris Rn. 22; Hessischer VGH, Urteil vom 12.6.2003 – 8 UE 2250/02 –, juris Rn. 2; OVG Brandenburg, Urteil vom 18.10.2001 – 1 A 200/00 –, juris Rn. 24; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.3.2017 – 1 S 1652/16 –, juris Rn. 1). Dies ist (weitgehend) auch in Niedersachsen der Fall (vgl. etwa VG Osnabrück, Urteile vom 30.10.2019 – 1 A 172/19 –, juris Rn. 7, und vom 23.4.2002 – 1 A 126/01 –, juris Rn. 9; VG Lüneburg, Urteil vom 17.4.2002 – 5 A 181/01 –, juris Rn. 2; Senatsbeschluss vom 29. Januar 2009 – 10 LA 316/08 –, juris Rn. 4, sowie Senatsurteile vom 21.4.2008 – 10 LC 85/08 –, und vom 26. März 2008 – 10 LC 203/07 –, juris Rn. 2).
So liegt der Fall auch hier. Im Falle der Ungültigerklärung der Landratswahl als Direktwahl wird gleichzeitig und unmittelbar in Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen, indem er seine Rechtsstellung als Gewählter und damit letztlich auch seine berufliche Stellung als kommunaler Wahlbeamter verliert. Deshalb ist die Beiladung des Beschwerdeführers nach § 65 Abs. 2 VwGO erforderlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.2. 2011 – 6 C 11.10 –, juris Rn. 2), auch um ihm zu ermöglichen, seine Interessen in den Rechtsstreit einzubringen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.8.2002 – 9 VR 11.02 –, NVwZ 2003, 216; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 65 Rn. 1).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Wertungen des Niedersächsischen Kommunalwahlgesetzes (NKWG). Auch wenn vorliegend, wie das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf Thiele/Schiefel (NKWG, 4. Auflage, § 47 Rn. 9) ausführt, der Wahleinspruch mangels eines personenbezogenen Einspruchsgrunds nicht unmittelbar im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 NKWG gegen die Wahl des Beschwerdeführers gerichtet ist, ändert dies nichts daran, dass sich eine Ungültigerklärung der Wahl - wie § 65 Abs. 2 VwGO voraussetzt - unmittelbar auf die Rechte des direkt als Landrat gewählten Beschwerdeführers auswirkt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann aus den Regelungen des NKWG nichts für das Bestehen bzw. Nichtbestehen der Voraussetzungen des § 65 Abs. 2 VwGO hergeleitet werden. Vielmehr sind die Regelungen des § 47 NKWG klar zu unterscheiden von denen des § 65 VwGO.
Das Niedersächsische Kommunalwahlgesetz gilt gemäß § 1 Abs. 1 NKWG für die Wahl der Abgeordneten der Vertretungen, für die Wahl der Mitglieder der Stadtbezirksräte, der Ortsräte und der Einwohnervertretungen sowie für Direktwahlen. Die Wahl des Landrats ist eine Direktwahl (§ 2 Abs. 6 Satz 1 NKWG, § 7 Abs. 2 Nr. 4 NKomVG). Die Wahlleitung ist gemäß §§ 2 Abs. 7 Nr. 3, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 NKWG grundsätzlich der (bisherige) Landrat als Kreiswahlleiter. Vertretung ist der Kreistag (§ 2 Abs. 1 NKWG, § 7 Abs. 2 Nr. 4 NKomVG). Gegen die Gültigkeit einer Wahl nach § 1 Abs. 1 NKWG kann gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 NKWG Wahleinspruch erhoben werden. Dieser kann nur damit begründet werden, dass die Wahl nicht den Vorschriften des NKWG oder der Verordnung nach § 53 Abs. 1 oder 3 NKWG entsprechend vorbereitet oder durchgeführt oder in unzulässiger Weise in ihrem Ergebnis beeinflusst worden ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 NKWG). Über den Wahleinspruch entscheidet die (gegebenenfalls neu gewählte, § 46 Abs. 3 Satz 4 NKWG) Vertretung oder die Einwohnervertretung in öffentlicher Sitzung (§ 47 Abs. 1 NKWG). Die Beteiligten sind auf Antrag zu hören (§ 47 Abs. 2 Satz 1 NKWG). Beteiligte sind nach § 47 Abs. 2 Satz 2 NKWG die Wahlleitung, die Person, die den Wahleinspruch erhoben hat und die Personen, gegen deren Wahl der Wahleinspruch unmittelbar gerichtet ist. Die Beteiligten dürfen an der Beschlussfassung nicht teilnehmen (§ 47 Abs. 3 NKWG).
Thiele/Schiefel begründen die enge Auslegung des § 47 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 NKWG unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. März 1978 (OVGE 34, 359, 367) damit, dass anderenfalls die Interessen sämtlicher Mitglieder der Vertretung berührt sein könnten, mit der Folge der Beschlussunfähigkeit der Vertretung als Wahlprüfungsorgan aufgrund ihres Ausschlusses nach § 47 Abs. 3 NKWG. In Anbetracht dessen, dass sich der Gesetzgeber im Falle eines Wahleinspruchs dafür entschlossen hat, die neu gewählte Vertretung über den Wahleinspruch entscheiden zu lassen (§§ 46 Abs. 3 Sätze 2 und 4, 47 Abs. 1 Satz 1 NKWG), würde eine andere Auslegung (jedenfalls im Falle der Wahl der Abgeordneten der Vertretungen, § 1 Abs. 1 NKWG) die gesetzliche Zuständigkeit der Vertretung für Wahlprüfungsentscheidung leerlaufen lassen. Die neue Vertretung soll gerade selbst über ihre eigene Legitimation und diejenige ihrer Mitglieder entscheiden (Senatsbeschluss vom 7.1.2013 – 10 LA 138/12 –, juris Rn. 22). Diese Auslegung trägt auch dem im Wahlprüfungsverfahren eingeschränkten Prüfungsmaßstab Rechnung, wonach sich der Umfang nach dem Einspruch, durch den der Einspruchsführer den Anfechtungsgegenstand bestimmt hat, richtet (Senatsurteil vom 21.4.2009 – 10 LC 85/08 –; vgl. auch Senatsbeschluss vom 7.1.2013 – 10 LA 138/12 –, juris Rn. 22). Dementsprechend hat auch bereits das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. März 1978 zum Ausschluss der Mitwirkung an der Beschlussfassung über die Wahlprüfungsentscheidung betreffend eine Gemeinderatswahl ausgeführt: Unmittelbar gegen einen Vertreter sei nur der Einspruch gerichtet, der den Vertreter persönlich treffe. Hier richte sich der Einspruch nicht gegen einen oder mehrere Vertreter persönlich, sondern gegen den Wahlvorschlag einer Wählergemeinschaft. Nur sie sei durch den Einspruch unmittelbar betroffen, nicht aber ihre auf der Liste vorgeschlagenen und gewählten Gemeindevertreter.
Dennoch liegen hiervon unabhängig die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO) hier vor. Denn eine Ungültigerklärung der Landratswahl würde unmittelbar und zwangsläufig zum Verlust der Rechtsstellung des Beschwerdeführers führen und ihn auch - anders als das Verwaltungsgericht meint - in seinem passiven Wahlrecht beeinträchtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.3.2012 – 8 C 7.11 –, juris 18). Der vom Verwaltungsgericht gezogene Schluss, ein Gewählter, gegen dessen Wahl der Einspruch nicht unmittelbar gerichtet ist im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 NKWG, sei von der Wahlprüfungsentscheidung - auch im Falle der Ungültigerklärung der Wahl - nicht unmittelbar betroffen im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO, ist daher so nicht möglich. Die beiden Vorschriften treffen nicht vergleichbare Regelungen mit unterschiedlichen Zielsetzungen.
Insoweit ist auch unerheblich, ob dem Beschwerdeführer selbst nach § 49 Abs. 2 NKWG die Möglichkeit eingeräumt ist, gegen eine etwaige Ungültigerklärung der Wahl Klage zu erheben, was das Verwaltungsgericht verneint hat. Zwar dient die Beiladung - wie oben bereits ausgeführt - auch der Vermeidung divergierender Entscheidungen, setzt ihre Möglichkeit aber nicht zwingend voraus. Darüber hinaus gebietet das bundesrechtliche Demokratieprinzip, unabhängig von der Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts, dass gewählte Wahlbewerber ihr Mandat im Wahlprüfungsverfahren verteidigen dürfen (BVerwG, Urteil vom 7.3.2012 – 8 C 7.11 –, juris Rn. 17 f., 24 bis 26; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.10.2017 – 4 L 84/16 –, juris Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.2.1991 – 15 A 1518/90 –, juris Rn. 5).
Daraus folgt zwar - wie das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend ausführt -, dass die gewählten Mitglieder der Vertretung bei der Wahlprüfungsentscheidung der Vertretung nicht Beteiligte des Wahlprüfungsverfahrens und damit auch nicht an der Beschlussfassung gemäß § 47 Abs. 3 NKWG gehindert sind, sofern der Wahleinspruch nicht unmittelbar gegen ihre Wahl gerichtet ist, im gerichtlichen Wahlprüfungsverfahren aber gleichwohl über die notwendige Beiladung zu Beteiligten werden. Dies ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts jedoch nicht widersinnig, sondern Folge der gesetzlichen Regelungen des § 47 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 NKWG und des § 65 Abs. 2 VwGO, die insoweit unterschiedliche Zielrichtungen haben, zumal der Gewählte ohne seine Beiladung seine Interessen im gerichtlichen Verfahren - anders als noch im Wahlprüfungsverfahren - nicht (mehr) wahrnehmen könnte.
Auch handelt es sich bei der Rechtsstellung des Gewählten nicht nur um eine bloße Anwartschaft, wie sie etwa bei den nicht gewählten Listennachfolgern zum Teil angenommen wird (vgl. dazu etwa Bayerischer VGH, Beschluss vom 17.2.1997 – 4 D 96.4282 –, juris Rn. 3). Insbesondere hält der Wahleinspruch, dem gemäß § 46 Abs. 4 NKWG gerade keine aufschiebende Wirkung zukommt, das Wahlergebnis nicht - wie das Verwaltungsgericht meint - „in der Schwebe“. Dies zeigt sich im Übrigen auch daran, dass gegebenenfalls die neu gewählten Mitglieder der Vertretung über den Wahleinspruch entscheiden (§ 46 Abs. 3 Satz 4 NKWG).
Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich (OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.9.2020 – 5 O 8/20 –, juris Rn. 3 m.w.N.).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).