Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.03.2021, Az.: 10 ME 26/21
Letztentscheidungsrecht; Schulbegleitung; schulische Integrationshilfe
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 04.03.2021
- Aktenzeichen
- 10 ME 26/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 70794
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 02.02.2021 - AZ: 4 B 12/21
Rechtsgrundlagen
- § 35a SGB 8
- § 36a Abs 1 S 1 SGB 8
- § 114 VwGO
- § 39 VwVfG
- § 45 Abs 1 Nr 2 VwVfG
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade - 4. Kammer - vom 2. Februar 2021 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade, mit dem der Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache eine schulische Integrationshilfe für den Besuch der IGS C. wie bisher für sämtliche verpflichtende Unterrichtsstunden zu gewähren, abgelehnt wurde, hat keinen Erfolg.
Dem am D. geborenen Antragsteller wurde durch den Antragsgegner in der Zeit von Juni 2017 bis 31. Dezember 2020 eine Schulbegleitung für sämtliche verpflichtende Unterrichtstunden gewährt. Mit Bescheid vom 28. Juli 2020 wurde der Umfang für die Monate Januar 2021 bis März auf 20 Wochenstunden, für April und Mai auf 15 Wochenstunden sowie für Juni und Juli auf 10 Wochenstunden reduziert. Gegen diese Reduzierung wendet er sich mit seinem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz. Während des Beschwerdeverfahrens änderte der Antragsgegner am 9. Februar 2021 seinen Bescheid vom 28. Juli 2020 dahingehend ab, dass dem Antragsteller weiterhin für die Dauer von sieben Monaten ab erneutem Hilfebeginn die Übernahme der Kosten für eine schulische Integrationshilfe in den ersten drei Monaten in einem Umfang von 20 Wochenstunden, in den folgenden zwei Monaten von 15 Wochenstunden und in den weiteren zwei Monaten von 10 Stunden wöchentlich gewährt werde. Auf den Antrag des Vaters des Antragstellers leitete der Antragsgegner zudem im Februar 2021 die Überprüfung des Stundenkontingents ein.
Die vom Antragsteller binnen der Monatsfrist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich die Entscheidung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 8.4.2020 – 10 ME 61/20 –, juris Rn. 10 m.w.N.), lassen nicht erkennen, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht den Antrag des Antragstellers abgelehnt hat. Sein Vorbringen zur Begründung seiner Beschwerde stellt die vom Verwaltungsgericht angenommene mangelnde Glaubhaftmachung eines entsprechenden Anordnungsanspruchs nicht in Frage, zumal angesichts der zumindest zeitweiligen Vorwegnahme der Hauptsache ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des Anordnungsanspruchs sprechen muss (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 9.7.2019 – 10 ME 122/19 –, juris Rn. 7; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.11.2017 – 12 B 1124/17 –, juris Rn. 6 m.w.N.)
1. Der Antragsteller rügt mit seiner Beschwerdebegründung, dass die verwaltungsgerichtliche Überprüfung der Entscheidung des Antragsgegners nicht dazu führen könne, dass er den Verwaltungsspielraum richtig und nachvollziehbar ausgeübt habe, wenn sich wie vorliegend aus dem Bescheid gar keine Anhaltspunkte ergäben, ob und wie der Beurteilungsspielraum ausgenutzt worden sei. Es sei nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts, erstmalig im Beschluss Gründe anzuführen, die die Verwaltungsentscheidung tragen könnten.
Diese Ausführungen vermögen die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht, nicht in Frage zu stellen. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr rechtsfehlerfrei angenommen, die Einschätzung des Antragsgegners, es sei eine Verbesserung der Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers im schulischen Bereich eingetreten und daher könne die Gewährung der Schulassistenz ein halbes Jahr nach dem Schulwechsel zur Erprobung und Förderung seiner Selbständigkeit reduziert werden, sei nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Damit hat der Antragsgegner zugleich auch aus vertretbaren Erwägungen die von dem Antragsteller begehrte Eingliederungshilfe in Form einer schulischen Integrationshilfe für sämtliche Unterrichtspflichtstunden abgelehnt, so dass ein Anspruch des Antragstellers hierauf auch nicht besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.10.2013 – 5 B 58.13 –, juris Rn. 5, und Urteil vom 18.10.2012 – 5 C 21.11 –, juris Rn. 33)
Wie das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 9.12.2014 - 5 C 32.13 -, juris Rn. 30, und Beschluss vom 8.10.2013 – 5 B 58.13 –, juris Rn. 5) zutreffend ausgeführt hat, ist die gerichtliche Kontrolldichte bezüglich der Ablehnung der begehrten Hilfe auf Grund der Steuerungsverantwortung des Jugendhilfeträgers beschränkt. Auch die Entscheidung über die Geeignetheit der Hilfe ist das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung des Kindes bzw. Jugendlichen und mehrerer Fachkräfte, welches nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, sondern eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten soll, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle hat sich daher darauf zu beschränken, ob allgemeingültige fachliche und rechtliche Maßstäbe beachtet worden, keine sachfremden Erwägungen eingeflossen und ob die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind (BVerwG, Urteile vom 9.12.2014 - 5 C 32.13 -, juris Rn. 30, und vom 18.10.2012 – 5 C 21.11 –, juris Rn. 31 f.; Senatsbeschlüsse vom 31.3.2020 – 10 PA 68/20 –, juris Rn. 4, und vom 25.3.2020 – 10 LA 292/18 –, juris Rn. 14, jeweils m.w.N.). Sind mehrere rechtmäßige Entscheidungen denkbar, so verlangt Art. 19 Abs. 4 GG im Hinblick auf die Abwehr von Rechtsverletzungen durch gerichtlichen Rechtsschutz nicht, dass die Auswahl unter ihnen letztverbindlich vom Gericht getroffen wird (BVerwG, Urteil vom 25.6.1981 – 3 C 35.80 –, juris Rn. 36). Vielmehr muss, wo das materielle Recht in verfassungsrechtlich zulässiger Weise der Verwaltung Spielräume belässt, das behördliche Letztentscheidungsrecht auch von den Gerichten respektiert werden (BVerwG, Urteil vom 2.3.2017 – 2 C 21.16 –, juris Rn. 16 m.w.N.). Dementsprechend darf auch bei einem Beurteilungsspielraum das Gericht nicht seine Einschätzung an die Stelle der Beurteilung durch die Behörde setzen (Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 114 Rn. 351). Um die eingeschränkte gerichtliche Überprüfung aber überhaupt zu ermöglichen, bedarf die Entscheidung der Behörde einer ausreichenden Begründung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.12.1992 – 1 BvR 167/87 –, juris Rn. 53 f.; BVerwG, Urteil vom 25.6.1981 – 3 C 35.80 –, juris Rn. 35; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, 26. Auflage 20120, § 114 Rn. 47). Damit beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung auch bei der Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Jugendhilfemaßnahme nicht auf eine reine Ergebniskontrolle, sondern erfasst auch die von der Behörde - maßgeblich ist die letzte Behördenentscheidung - gegebene Begründung (BVerwG, Beschluss vom 8.10.2013 – 5 B 58.13 –, juris Rn. 5, und Urteil vom 18.10.2012 – 5 C 21.11 –, juris Rn. 33). Denn diese muss bei der Selbstbeschaffung einer abgelehnten bzw. vom Hilfeplan ausgeschlossenen Leistung im Hinblick auf § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII (Steuerungsverantwortung) für den Betroffenen nachvollziehbar sein, um ihn in die Lage versetzen, mittels einer Prognose selbst darüber zu entscheiden, ob eine Selbstbeschaffung (dennoch) gerechtfertigt ist (BVerwG, Beschluss vom 8.10.2013 – 5 B 58.13 –, juris Rn. 5, und Urteil vom 18.10.2012 – 5 C 21.11 –, juris Rn. 33). Die Erwägungen der Behörde sind auch dann zu berücksichtigen, wenn der Betroffene keine Selbstbeschaffung der Jugendhilfemaßnahme beabsichtigt. Denn zum einen dient die Begründung eines Bescheides auch dazu, den Adressaten in die Lage zu versetzen, seine Rechte sachgemäß verteidigen zu können (BVerwG, Urteil vom 29.5.2019 – 6 C 8.18 –, juris Rn. 14) bzw. ist Voraussetzung dafür, dass der Adressat prüfen kann, ob Rechtsbehelfe angezeigt sind und Aussicht auf Erfolg haben können (Tiedemann in BeckOK VwVfG, Stand: 1.1.2021, § 39 Rn. 5) und zum anderen ermöglicht diese - wie oben bereits ausgeführt - erst die eingeschränkte gerichtliche Überprüfung der von der Behörde unter Ausnutzung ihres Beurteilungsspielraums getroffenen Entscheidung. Dies schließt aber nicht aus, dass das Gericht im Rahmen der in jedem Fall durchzuführenden Ergebniskontrolle auch eigene Argumente anführt, die das von der Behörde gefundene Ergebnis bestätigen.
Der durch den Bescheid vom 9. Februar 2021 abgeänderte Bescheid vom 28. Juli 2020, mit dem die Zahl der Unterrichtsstunden in denen der Antragsteller von einer schulischen Integrationshilfe begleitet werden soll, schrittweise reduziert werden, enthält keine eigenständige Begründung, sondern verweist als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe auf den aktuellen Hilfeplan. Im Hilfeplan vom 29. November 2019 (Bl. 313 ff. VV) finden sich allerdings keine Erwägungen zu einer vereinbarten oder beabsichtigten Reduzierung der Stundenzahl. Aus der fehlenden, aber nach § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 39 Abs. 1 und 2 VwVfG erforderlichen Begründung der Entscheidung des Antragsgegners ergibt sich die formelle Rechtswidrigkeit des (abgeänderten) Bescheides.
Der Fehler wurde jedoch nach § 1 NVwVfG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG durch die im gerichtlichen Verfahren nachgeholte Begründung geheilt. In der Antragserwiderung vom 13. Januar 2021 (Bl. 19 d.A.), in der unter anderem auch auf die Erwiderung im Klageverfahren vom 7. September 2020 (Bl. 31 d.A. – 4 A 1332/20 –) Bezug genommen wird, hat der Antragsgegner ausgeführt, dass die Entscheidung für eine schrittweise Reduzierung als zielführend und geeignet angesehen worden sei, um, insbesondere im Hinblick auf eine Verselbständigung des Antragstellers und eine perspektivische Ablösung der Hilfe, Phasen ohne Begleitung zu erproben. Erforderlichenfalls würde auch eine quantitative Ausweitung geprüft werden. Bei der letzten Überprüfung der Teilhabebeeinträchtigung im Herbst 2019 hätten sich vermehrt Hinweise auf Fortschritte und Verbesserungen bezüglich der Beeinträchtigung am Leben in der Gesellschaft, Lebensbereich Schule, und somit eine Minderung störungsbedingter Auswirkungen ergeben. Eine weitere Minderung der Beeinträchtigungen sei bei weiterem positiven Verlauf der Hilfe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Hinsichtlich der Beschreibung der konkreten Verbesserungen und Fortschritte nimmt der Senat auf die Klageerwiderung vom 7. September 2020 (Bl. 32 d.A. – 4 A 1332/20 –) Bezug. Dort wird ferner ausgeführt: Die Fachkräfte des Antragsgegners seien daher in einer kollegialen Beratung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger gute Fortschritte gemacht habe, die Hilfe aber, insbesondere auch im Hinblick auf den Schulwechsel, noch weiterverfolgt werden müsse, um bereits erzielte Erfolge zu verfestigen. Die bewilligte, künftig schrittweise zu reduzierende Eingliederungshilfe sei aufgrund der derzeit noch schweren Teilhabebeeinträchtigung im schulischen Bereich bei gleichzeitig schon eingetretener und mit höchster Wahrscheinlichkeit noch zu erwartender Minderung daher geeignet und erforderlich.
Der Antragsgegner hat damit die für die behördliche Entscheidung maßgeblichen Erwägungen, die in dem Bescheid nicht wiedergegeben waren, dem Antragsteller nachträglich bekannt gegeben (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17.12.2015 – 7 C 5.14 –, juris Rn. 20 f.). Die den Antragsgegner bei Erlass des Bescheides leitenden Erwägungen sind der Vorlage zur kollegialen Beratung vom 29. Juni 2020 (Bl. 468 ff. VV) sowie dem Entscheidungsvorschlag der fallübergreifenden Fachkraft vom 15. Juli 2020 (Bl. 477 ff. VV), in dem angeregt wurde, die Hilfe nach dem ersten Schulhalbjahr stundenweise und monatlich zu reduzieren, zu entnehmen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat damit das Verwaltungsgericht auch nicht erstmalig Gründe angeführt, die die Verwaltungsentscheidung tragen könnten.
Unabhängig davon würde auch allein aus der Rechtswidrigkeit des Bescheides des Antragsgegners nicht folgen, dass der Antragsteller den von ihm geltend gemachten Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hätte. Denn nur wenn feststeht, dass allein die begehrte Maßnahme zur Deckung des Hilfebedarfs erforderlich und geeignet ist und damit das Ermessen des Jugendhilfeträgers reduziert ist, kann trotz des Beurteilungsspielraums des Jugendhilfeträgers seine Verpflichtung zur Durchführung der beantragten Maßnahme ausgesprochen werden (Senatsbeschluss vom 31.3.2020 – 10 PA 68/20 –, juris Rn. 4 m.w.N.; Hessischer VGH, Beschluss vom 15.10.2013 – 10 B 1254/13 –, juris Rn. 11, 22; vgl. auch allgemein zu Ermessenentscheidungen: BVerwG, Beschluss vom 16.8.1978 – 1 WB 112.78 –, juris Rn. 16). Dies ist unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers vorliegend nicht der Fall. Denn der Antragsteller hat mit seiner Beschwerdebegründung nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner allgemeingültige fachliche und rechtliche Maßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder die Leistungsadressaten nicht in ausreichender Weise beteiligt hat und - entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts - allein die vom Antragsteller begehrte schulische Integrationshilfe im Umfang aller verpflichtenden Schulwochenstunden die erforderliche und geeignete Hilfemaßnahme wäre. Auch ist danach nicht überwiegend wahrscheinlich, dass eine erneute - fachgerechte - Ausnutzung des Beurteilungsspielraums zugunsten des Antragstellers ausgehen würde und ein der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG genügender effektiver Rechtsschutz nur durch den Erlass der vom Antragsteller begehrten einstweiligen Anordnung zu erreichen wäre (vgl. hierzu: Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11.6.2008 – 4 ME 184/08 –, juris Rn. 5), mithin ihm - wie er vorträgt - ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung unzumutbare Nachteile drohen würden.
Insoweit bringt der Antragsteller mit seiner Beschwerdebegründung unter Bezugnahme auf den Lernentwicklungsbericht vom 29. Januar 2021 (Bl. 87 ff. d.A.) gegen die angegriffene Entscheidung vor, die Beeinträchtigungen bestünden entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht nur insbesondere im Deutschunterricht, sondern selbst mit der bisher vorhandenen Schulbegleitung auch in den Fächern Mathematik, Englisch, Naturwissenschaften, Gesellschaftswissenschaften, Kunst und Musik sowie im Sport. Diese lägen ganz allgemein im sozialen Miteinander vor.
In dem vom Antragsteller angeführten Bericht für das erste Halbjahr der 5. Klasse wird beschrieben, dass der Antragsteller im Fach Deutsch mitunter zu ordentlichen Ergebnissen gefunden habe, er aber selten bereit gewesen sei, sich in das Unterrichtsgeschehen einzubringen. Auch sei es ihm wiederholt schwergefallen, Arbeitsaufträge konsequent umzusetzen. Seine „materielle Vorbereitung“ sei aber stets vorbildlich gewesen. In Mathematik habe er in den Klassenarbeiten sehr gute Leistungen erbringen können, an den Unterrichtsgesprächen beteilige er sich allerdings bisher nicht. Insgesamt mache er Mathematikunterricht gut mit. Auch hinsichtlich der Fächer Englisch und Naturwissenschaften beschreibt der Bericht gute Leistungen des Antragstellers, bei wenig Beteiligung am Unterricht. Im Fach Gesellschaftswissenschaften beteilige er sich an Unterrichtsgesprächen, habe aber Schwierigkeiten bei der Bearbeitung der Aufgaben. Im Kunstunterricht habe er fleißig mitgearbeitet und sich mit seinen Arbeiten Mühe gegeben. Im Sportunterricht verhalte er sich sehr passiv und zeige wenig Einsatzbereitschaft. Dementsprechend erfolgte auch die Bewertung auf den den schriftlichen Erläuterungen folgenden Seiten zu den einzelnen Fächern, die deutliche Schwächen in den Fächern Deutsch, Sport und Gesellschaftswissenschaften zeigt und auf die hiermit Bezug genommen wird.
Danach sind die vom Antragsteller vorgebrachten erheblichen Einschränkungen in den Fächern Mathematik, Englisch, Naturwissenschaften, Kunst und Musik nicht ersichtlich. Auch gehen aus dem Bericht die behaupteten Einschränkungen im sozialen Miteinander nicht hervor. Dort wird vielmehr ausgeführt, er habe im Allgemeinen keine Schwierigkeiten, mit anderen zusammenzuarbeiten, zeige sich gegenüber den Mitschülern stets aufgeschlossen und hilfsbereit. Er zeige sich in der Klassengemeinschaft stets friedfertig und beachte Regeln, die das Zusammenleben erleichtern stets einsichtig. Partnerschaftliches Arbeiten falle ihm nicht schwer. Das Sozialverhalten wird in drei Kategorien mit der mittleren und in den zwei weiteren mit der zweithöchsten Stufe von fünf bewertet.
Zwar zeigen sich nach dem Lernentwicklungsbericht deutliche Beeinträchtigungen auch in den Fächern Gesellschaftswissenschaften und Sport (Bl. 95, 99 d.A.). Unter Berücksichtigung des Stundenplans des Antragstellers (Bl. 48 d.A.) reicht allerdings auch die reduzierte Stundenzahl aus, eine Begleitung des Klägers - neben dem Deutschunterricht - auch in diesen Fächern zu ermöglichen, zumal die Schwierigkeiten in den anderen Fächern nach der Einschätzung seiner Klassenlehrerin neben seiner Verweigerungshaltung (die sich insbesondere im Fach Sport auswirkt, Bl. 90, 118 d.A.) auch auf die mangelnden Kompetenzen des Antragstellers beim Lesen und Schreiben zurückzuführen sind (Bl. 473 VV).
Mit Schriftsatz vom 23. Februar 2021 hat der Antragsteller ergänzend mitgeteilt, dass sich auch aus dem letzten Bericht der Schulbegleitung ergebe, dass ohne die Unterstützungsleistung der schulischen Integrationskraft eine gelingende Teilhabe des Antragstellers am gesamten Schulalltag nicht möglich sei. Weitergehende, insbesondere konkrete Ausführungen dazu, weshalb allein die vom Antragsteller begehrte Schulbegleitung für sämtliche verpflichtenden Unterrichtsstunden die erforderliche und geeignete Hilfemaßnahme sein soll, enthält der Schriftsatz nicht.
Unabhängig davon wird die vom Verwaltungsgericht angenommene mangelnde Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs durch den Bericht vom 4. November 2020 aber auch nicht in Frage gestellt. Diesem ist - in grundsätzlicher Übereinstimmung mit dem vom Antragsteller mit seiner Beschwerdebegründung vorgelegten jüngeren Lernentwicklungsbericht vom 29. Januar 2021 - zu entnehmen, dass insbesondere beim Lesen und Schreiben Unterstützung durch die schulische Integrationskraft erforderlich ist (Seite 2 f.). Weiter geht aus dem Bericht hervor, dass er Unterstützung durch die Lehrkräfte benötigt und auch erhält (Seite 2 f.). Soweit darin auch Probleme im Fach Mathematik geschildert werden (Seite 2 f.), bestehen diese nach der Einschätzung der Klassenlehrerin nach dem Ende des ersten Schulhalbjahres nicht (mehr). Vielmehr werden seine diesbezüglichen Leistungen in dem Lernentwicklungsbericht weitgehend positiv gewertet (Bl. 89, 91 d.A.).
Nach alledem hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass aufgrund seiner Teilhabebeeinträchtigung allein eine schulische Integrationshilfe im Umfang von sämtlichen verpflichtenden Unterrichtsstunden die allein erforderliche und geeignete Maßnahme zur Deckung des Hilfebedarfs ist. Er hat mit seinem Beschwerdevorbringen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Reduzierung der Wochenstunden schließe seine Begleitung im Umfang seines Hilfebedarfs, insbesondere im Deutschunterricht, nicht aus, nicht in Frage gestellt. Vielmehr erscheint die durch den Antragsgegner nunmehr zeitlich reduzierte Gewährung der Eingliederungshilfemaßnahme fachlich vertretbar und nachvollziehbar, auch wenn - wie vom Antragsgegner aber auch beabsichtigt -, die weitere Entwicklung im Rahmen der Erprobung einer Verselbständigung des Antragstellers und eine perspektivische Ablösung der Hilfe insbesondere in Hinblick auf die Probleme des Antragstellers in den Fächern, in denen sich seine Beeinträchtigungen - wie auch vom Antragsgegner angenommen - (noch) erheblich auswirken, zu beobachten und beurteilen sein werden. Eine weitere Überprüfung des quantitativen Hilfebedarfs hat der Antragsgegner - auf Veranlassung des Vaters des Antragstellers - auch bereits veranlasst.
Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang rügt, das Verwaltungsgericht habe erstmals in dem angegriffenen Beschluss die Argumentation vorgebracht, es sei von ihm nicht dargelegt worden, dass die Bewilligung der Schulassistenz für sämtliche verpflichtende Unterrichtsstunden erforderlich sei, um die drohende Teilhabebeeinträchtigungen im schulischen Kontext abzuwenden, begründet dies keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Wenn das Gericht Tatsachen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, in einer Weise würdigt oder aus ihnen Schlussfolgerungen zieht, die nicht den subjektiven Erwartungen eines Prozessbeteiligten entsprechen oder von ihm für unrichtig gehalten werden, begründet dies keine unzulässige Überraschungsentscheidung. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht grundsätzlich auch nicht, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (Senatsbeschluss vom 30.12.2020 – 10 LA 275/20 –, juris Rn. 5).
2. Weiter bringt der Antragsteller vor, dass ihm entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ein unzumutbarer Nachteil drohe, weil keine Integrationskraft zu den vom Antragsgegner herbeigeführten Arbeitsbedingungen arbeiten wollen würde.
Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass die bisherige Schulbegleitung zwar ihre Tätigkeit zum 1. Januar 2021 - ohne Mitteilung einer Begründung - beendet habe, allerdings derzeit eine geeignete Schulbegleitung gesucht werde. Sobald diese gefunden sei, stünde diese ihm für zunächst mindestens drei Monate im Umfang von 20 Wochenstunden im Distanzlernen, Wechselunterricht oder Präsenzunterricht zur Verfügung. Decke dieser Umfang den Bedarf nicht und funktioniere die Erprobung der Verselbständigung nicht, bestehe die Möglichkeit, dies gegenüber dem Antragsgegner geltend zu machen und - soweit erforderlich - gerichtlichen Rechtsschutz zu suchen.
Der Antragsteller bringt gegen diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts zunächst vor, dieses arbeite - wie auch der Antragsgegner - mit Prognosen, statt den aktuellen Sach- und Streitstand zugrunde zu legen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist es dem Jugendhilfeträger nicht verwehrt, bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit und Geeignetheit der Hilfe im Rahmen seines Beurteilungsspielraums prognostische Erwägungen anzustellen (vgl. hierzu auch Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 114 Rn. 47 a.E.). Der diesbezügliche pädagogische Entscheidungsprozess zur Auswahl einer angemessenen Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthält naturgemäß auch Elemente einer Prognose, da er auch die künftige Entwicklung des Kindes bzw. Jugendlichen - gerade auch durch die Hilfemaßnahme - in den Blick zu nehmen hat. Dementsprechend soll auch regelmäßig überprüft werden, ob die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und erforderlich ist (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VIII). So hat auch der Antragsteller ausdrücklich seine Bereitschaft zu der Prüfung einer quantitativen Ausweitung für den Fall erklärt, dass ihm entsprechende Umstände bekannt werden (Bl. 20 d.A.).
Aus dem Vorbringen des Antragstellers in seiner Beschwerdebegründung geht auch nicht hervor, dass der Antragsgegner bei seiner Prognose über die Verfügbarkeit einer schulischen Integrationskraft für den reduzierten Stundenumfang allgemeingültige fachliche und rechtliche Maßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt und - entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts - allein die vom Antragsteller begehrte schulische Integrationshilfe im Umfang aller verpflichtenden Schulwochenstunden die erforderliche und geeignete Hilfemaßnahme wäre.
Der Antragsteller trägt insoweit in seiner Beschwerdebegründung vor, dass die bisherige Schulbegleiterin nach ihren Angaben ab Januar deshalb nicht mehr zur Verfügung gestanden habe, weil es sich für sie nicht mehr gelohnt habe, nur noch 20 Stunden pro Woche zu arbeiten. Bis zum heutigen Tage habe noch immer keine schulische Integrationskraft gefunden werden können. Für ihn sei es ein unzumutbarer Nachteil, wenn der Antragsgegner Arbeitsbedingungen herbeiführe, unter denen - nach aktuellem Stand - keine Integrationskraft arbeiten wollen würde.
Damit hat der Antragsteller jedoch bereits nicht glaubhaft gemacht, dass eine schulische Integrationskraft für den reduzierten Umfang der schulischen Begleitung nicht zu finden wäre. Aus dem Umstand, dass die bisherige Integrationskraft kein Interesse an einer zeitlich reduzierten Begleitung des Antragstellers hat, kann - mangels Verallgemeinerungsfähigkeit - bereits nicht der Schluss gezogen werden, andere Schulbegleiter stünden hierfür ebenfalls nicht zur Verfügung. Der Antragsteller hat insoweit auch nicht etwa weitere Absagen vorgelegt. Er führt auch nicht weiter aus, weshalb bisher keine schulische Integrationskraft gefunden werden konnte bzw. welche Bemühungen hierzu - seitens ihm selbst und des Antragsgegners - angestellt worden sind. Demgegenüber hat der Antragsgegner unter anderem auf die Möglichkeit hingewiesen, wenn der bisherige Leistungserbringer (Lebenshilfe Rotenburg-Verden gGmbH) keine Kraft stellen könne, in Zusammenarbeit mit der fallführenden Fachkraft des Jugendamtes eine Fachkraft eines anderen Trägers einzusetzen. Dass der Antragsteller dieses Angebot - erfolglos - in Anspruch genommen hätte, hat er ebenfalls nicht vorgetragen. Weiter hat der Antragsgegner ausgeführt, dass ihm kein Fall im Landkreis Rotenburg (Wümme) bekannt sei, in dem ein Schüler mit Anspruch auf Eingliederungshilfe in Form einer schulischen Integrationshilfe ohne eine Schulbegleitung auskommen müsse (Bl. 20 d.A.). Dass entgegen der Annahme des Antragsgegners und des Verwaltungsgerichts eine schulische Integrationshilfe zur Begleitung des Antragstellers nicht zu finden wäre und ihm deshalb unzumutbare Nachteile drohten, hat er nach alledem nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 188 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).