Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.03.2021, Az.: 12 ME 25/21

Fahreignungs-Bewertungssystem; Fahrer; Führerschein; Führerschein, Umtausch; Führerschein-Richtlinie; Löschung; Punktesystem; Tilgung; Umtausch; Verwarnung; Verzicht

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.03.2021
Aktenzeichen
12 ME 25/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70814
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 26.01.2021 - AZ: 1 B 236/20

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Da bei einem Umtausch eines auf Grund einer deutschen Fahrerlaubnis ausgestellten Führerscheins in einen ausländischen - hier griechischen - Führerschein die deutsche Fahrerlaubnis grundsätzlich bestehen bleibt, unterliegt diese unverändert einer Entziehung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG, die zugleich entsprechend § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG für den ausländischen Führerschein wirkt. Dieser ist daher zur Eintragung eines entsprechenden Sperrvermerks vorzulegen.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - 1. Kammer - vom 26. Januar 2021 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der 1984 geborene Antragsteller wendet sich gegen die auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gestützte Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch den Antragsgegner.

Der jedenfalls ursprünglich allein im Bundesgebiet wohnhafte Antragsteller erhielt im Jahr 2002 eine deutsche Fahrerlaubnis u. a. der Klasse B. Ab dem Jahr 2015 beging er im Bundesgebiet eine Mehrzahl von Verkehrsverstößen. Im September 2017 wurde er deshalb vom Antragsgegner ermahnt. Danach nahm er an einem Fahreignungsseminar teil, worüber er am 25. Mai 2018 eine Bescheinigung erhielt. Mit Schreiben vom 20. Juni 2019 wurde er verwarnt. Am 25. November 2019 tauschte der – nach seinen Angaben zwischenzeitlich im Erstwohnsitz nach Griechenland verzogene – Antragsteller seinen deutschen Führerschein in einen griechischen Führerschein um. Nach Anhörung wurde dem Antragsteller am 24. Juli 2020 die auf den „17.2.2020“ lautende Entziehung der Fahrerlaubnis zugestellt. Nach der Begründung des Bescheides habe sie die Wirkung, dass der Antragsteller von seiner ausländischen – hier griechischen – Fahrerlaubnis im Bundesgebiet keinen Gebrauch mehr machen dürfe. Der Antragsteller wurde zugleich unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgefordert, seinen Führerschein zur Eintragung dieser Entscheidung vorzulegen, und ihm wurde andernfalls die Festsetzung eines Zwangsgeldes angedroht. Die zur Entziehung erforderliche Punktezahl ergab sich aus Sicht des Antragsgegners aus den folgenden, tabellarisch zusammengefassten Verkehrsverstößen:

Nr.     

Tattag

Rechtskraft

Mitteilung an AG

Punkte

Tilgung

1.    

7.7.2015

18.5.2016

(spät.) 15.5.2017

2       

18.5.2021

2.    

1.7.2016

13.9.2016

(spät.) 15.5.2017

1       

13.3.2019

3.    

1.2.2017

20.6.2018

12.7.2018

2       

20.6.2023

4.    

16.3.2017

19.4.2017

15.5.2017

1       

19.10.2019

5.    

26.9.2017

12.1.2019

6.3.2019

1       

12.7.2021

6.    

30.9.2017

30.3.2019

3.6.2019

1       

30.9.2021

7.    

15.10.2018

12.11.2019

3.12.2019

1       

12.5.2022

Gegen diesen für sofort vollziehbar erklärten Bescheid hat der Antragsteller fristgerecht Anfechtungsklage erhoben und ergänzend einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Der letztgenannte Antrag ist vom Verwaltungsgericht mit seinem aus dem Tenor ersichtlichen Beschluss nach Umdeutung des Bescheides abgelehnt worden. Die als Aberkennung des Rechts, von seiner griechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, wirkende Entziehung der Fahrerlaubnis sei in die Feststellung umzudeuten gewesen, dass der Antragsteller (aufgrund des griechischen Führerscheins) nicht (d. h. nie) zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt (gewesen) sei. Denn er habe (auch) im November 2019 seinen Wohnsitz im Bundesgebiet gehabt.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Das Prüfprogramm hinsichtlich der Begründetheit der Beschwerde in einem, wie hier, § 146 Abs. 4 VwGO unterfallenden Beschwerdeverfahren ist ggf. zweistufig (vgl. Senatsbeschl. v. 7.9.2017 - 12 ME 249/16 -, juris, Rn. 78; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl., § 146, Rn. 43; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. § 146 Rn. 107 f., 115, jeweils m. w. N.): Grundsätzlich ist in einem ersten Schritt gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfen, ob der jeweilige Beschwerdeführer die Gründe, die die erstinstanzliche Entscheidung tragen, so hinreichend in Zweifel gezogen hat, dass sie der begehrten Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nicht mehr entgegenstehen würden. Ist dies der Fall, so ist in einem zweiten Schritt in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO von Amts wegen zu prüfen, ob die Entscheidung aus anderen Gründen zutreffend ist, und insoweit eine vollumfängliche Prüfung des Antrags auf vorläufigen/einstweiligen Rechtsschutz vorzunehmen. Erweist sich die Entscheidung aus einem anderen Grund als zutreffend, so kann daher ggf. der erste Schritt „übersprungen“ werden, d. h. offenbleiben, ob die vom Verwaltungsgericht angeführten Gründe ebenfalls zutreffen oder bereits entkräftet sind.

Hieran gemessen kann offenbleiben, ob der Antragsteller mit seinen Beschwerdegründen hinreichende Zweifel an der Richtigkeit der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Umdeutung des Bescheides aufgezeigt hat. Denn aus den folgenden Gründen ergibt sich, dass eine solche Umdeutung schon deshalb nicht in Betracht kam, weil die Entziehung der (deutschen) Fahrerlaubnis nach dem vom Verwaltungsgericht zutreffend aufgezeigten Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht – wie von ihm angenommen – ins Leere ging, sondern voraussichtlich erforderlich und rechtmäßig gewesen ist (1). Auch die weiter streitgegenständlichen Regelungen in dem Bescheid, d. h. die Pflicht zur Vorlage des griechischen Führerscheins (2.) sowie die Zwangsgeldandrohung (3.), sind danach nicht zu beanstanden.

1. Die Entziehung der (deutschen) Fahrerlaubnis ist nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG erforderlich gewesen, weil die dem Antragsteller ursprünglich erteilte deutsche Fahrerlaubnis weder durch den Umtausch seines deutschen Führerscheins in einen griechischen Führerschein (a) noch durch Verzicht erloschen ist (b), sondern damit bis zur konstitutiv wirkenden Entziehung fortbestand.

a) Dass bei einem – hier durch Verwendung der Codenr. 70 in Zeile 12 des griechischen Führerscheins erkennbaren – Umtausch eines deutschen Führerscheins in den eines anderen Unionsstaates die deutsche Fahrerlaubnis aus Sicht des deutschen Rechts grundsätzlich nicht erlischt, wird durch § 30a Abs. 1 Satz 1 FeV deutlich (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 7.7. 2017 - 11 CS 17.1009 -, juris, Rn. 12; Neu in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 30a FeV, Stand: 11.7.2019, Rn. 9) und ist auch höchstrichterlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.9.2012 - 3 C 34/11 -, juris, Rn. 26) anerkannt.

Durchgreifende Bedenken hiergegen bestehen auch aus Sicht des Unionsrechts nicht. Zwar darf nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a) der Richtlinie 2006/126/EG jede Person nur Inhaber eines einzigen Führerscheins sei. Die Richtlinie unterscheidet jedoch nicht im Sinne des deutschen Rechts zwischen der Fahrerlaubnis als Fahrberechtigung und dem Führerschein als Nachweisdokument. Der jeweilige Sinngehalt ist vielmehr einzelfallbezogen zu ermitteln (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.9.2012 - 3 C 34/11 -, a.a.O., Rn. 18). So verstanden ist nicht ersichtlich, dass Art. 7 der Richtlinie 2006/126/EG der Aufrechterhaltung einer nationalen Fahrerlaubnis unter den hier gegebenen Umständen entgegensteht (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl., § 30a FeV, Rn. 10).

b) Der Verzicht auf eine Fahrerlaubnis ist nicht gesetzlich geregelt, wird aber als Grund zum Erlöschen der Fahrerlaubnis u. a. in §§ 4 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3, 29 Abs. 5 Satz 1 StVG vorausgesetzt. Er muss gegenüber der zuständigen Stelle ausdrücklich erklärt werden (vgl. Dauer, a.a.O., § 2 StVG, Rn. 25), und zwar nach § 23 VwVfG i. V. m. § 1 NVwVfG grundsätzlich auch beim indirekten Vollzug von Unionsrecht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl., § 23, Rn. 4b) in deutscher Sprache. Der Antragsteller hat jedoch gegenüber dem Antragsgegner als zuständige Fahrerlaubnisbehörde nicht auf seine deutsche Fahrerlaubnis verzichtet, sondern einen solchen Verzicht ausdrücklich abgelehnt. Ob und welche Erklärung er in Griechenland gegenüber den dortigen Behörden abgegeben hat, ist unbekannt und daher hier insoweit unerheblich.

Die Voraussetzungen der damit notwendigen Entziehung der deutschen Fahrerlaubnis durch den im Juli 2020 zugestellten Bescheid des Antragsgegners als zuständige Behörde (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 7.7. 2017 - 11 CS 17.1009 -, a. a. O., Rn. 11) waren voraussichtlich gegeben, da der Antragsteller zuvor ermahnt und verwarnt worden war (c), ohne dass ihm dabei (d) oder durch die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar (e) ein Punkteabzug zugute kam, so dass sich für ihn im maßgebenden Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides im Juli 2020 i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG acht Punkte ergaben (f). Für die Entziehung der deutschen Fahrerlaubnis sind die Wirkungen auf den griechischen Führerschein unerheblich (g).

c) Der Antragsteller wurde durch Schreiben vom 21. September 2017 ermahnt. Im Zeitpunkt der Ermahnung hatte der Antragsteller nach Maßgabe der Berechnungsweise des § 4 Abs. 5 StVG vier Punkte aus den unter den unter den o. a. Nrn. 1, 2 und 4 erfassten Verkehrsverstößen. Diese Ermahnung enthielt schließlich – ebenso wie die durch Schreiben vom 20. Juni 2019 erfolgte Verwarnung – den notwendigen Hinweis auf die Möglichkeit der Teilnahme an einem Fahreignungsseminar.

Im Zeitpunkt der Erteilung der Verwarnung hatte der Antragsteller (aufgrund von rechtskräftig geahndeten, dem Antragsgegner förmlich mitgeteilten Verkehrsverstößen [vgl. zur Berechnungsweise insoweit: BVerwG, Urt. v. 26.1.2017 - 3 C 21/15 -, juris, Rn. 25] aus den o. a. Nrn. 1 bis 6) zwar bereits acht Punkte, die nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG grundsätzlich zur Entziehung führen. Gemäß § 4 Abs. 6 Satz 2 StVG war der Antragsteller jedoch deshalb zunächst zu verwarnen. Diese Verwarnung enthielt die nach § 4 Abs. 5 Satz 2 und 3 StVG vorgesehenen weiteren Hinweise.

d) Nach § 4 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 Nr. 2 StVG verringert sich dann zwar grundsätzlich der (nach den Vorgaben des Absatzes 5 berechnete) Punktestand „mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der … Verwarnung“ auf sieben Punkte; dies gilt nach Halbsatz 2 Alt. 1 dieser Norm jedoch nicht, wenn der Punktestand „zu diesem Zeitpunkt“; d. h. hier bezogen auf den 20. Juni 2019, „bereits durch Tilgungen niedriger“ (gewesen) ist (vgl. dazu Dauer, a. a. O., § 4 StVG, Rn. 88; Stieber in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 4 StVG, Stand: 2.5.2017, Rn. 81). Dies war vorliegend der Fall, weil der unter der o. a. Nr. 2 erfasste Verstoß bereits seit dem März 2019 zu tilgen war.

e) Dem Antragsteller war ferner nicht nach § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG für die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar ein Punkt abzuziehen. Nach Satz 1 und 3 dieser Norm erfolgt dies nur, wenn der Betroffene im Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung maximal fünf Punkte hatte. In Ansehung dieser Regelung werden dabei nicht nur die rechtskräftig geahndeten, sondern alle zuvor begangenen und noch nicht getilgten Verstöße berücksichtigt, auch wenn sie der Straßenverkehrsbehörde erst nachträglich bekannt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.9.2008 - 3 C 3/07 -, juris, Rn. 13 zu § 3 Abs. 4 StVG a. F.; Dauer, a. a. O., § 4 StVG, Rn. 96). Der Antragsteller hatte jedoch im Mai 2018 bereits die unter den o. a. Nrn. 1 bis 6 geführten, jeweils noch verwertbaren Verkehrsverstöße begangen und damit einen Punktestand von acht erreicht, der auch insoweit eine Reduzierung seines Punktestandes ausschloss.

f) Damit ergaben sich im Juli 2020 an sich neun Punkte aus den o. a. Verstößen. Der unter der o. a. Nr. 2 erfasste, mit einem Punkt bewertete Verstoß war in diesem Zeitpunkt jedoch nicht nur zu tilgen – was nach § 4 Abs. 5 Satz 7 StVG (auch bezogen auf den unter der Nr. 4 erfassten, sich in der Überliegefrist nach § 29 Abs. 6 Satz 2 StVG befindlichen Verstoß) unerheblich ist –, sondern nach dem vorrangigen (vgl. Senatsbeschl. v. 22.2.2017 - 12 ME 240/16 -; BVerwG, Urt. v. 18.6.2020 - 3 C 14/19 -, jeweils juris) § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG auch zu löschen; der Antragsteller hatte danach „nur“ noch acht Punkte. Dass er den zur Entziehung im Juli 2020 führenden Verkehrsverstoß (Nr. 7) bereits im Oktober 2018 und damit vor seiner Verwarnung begangen hatte, ist dagegen nach § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 und Abs. 6 Satz 4 StVG unerheblich (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.1.2017 - 3 C 21/15 -, juris, Rn.24.)

g) Für die Rechtmäßigkeit der demnach erforderlichen Entziehung der (deutschen) Fahrerlaubnis hat es ebenfalls keine unmittelbaren Wirkungen, dass offenbar auch dem Antragsgegner der Fortbestand dieser Fahrerlaubnis nicht vor Augen stand. Denn er hat jedenfalls bewusst diese nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG zwingende Anordnung erlassen und sich ggf. lediglich über den Umfang der sich daraus nach § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG ergebenden Rechtsfolge geirrt. Das aber ist ebenso unschädlich wie die nach § 4 Abs. 7 StVG überflüssige Anordnung der sofortigen Vollziehung auch in Ansehung dieser Regelung des Bescheides.

2.) Gegen die Rechtmäßigkeit, den griechischen Führerschein vorzulegen, bestehen im Rahmen der hier nur angezeigten summarischen Prüfung ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken.

Nach deutschem Recht ist er gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV vorzulegen, damit darin vermerkt wird, dass von einer „Fahrerlaubnis“ im Bundesgebiet kein Gebrauch gemacht werden darf, wobei „Fahrerlaubnis“ i. d. S. zugleich Führerschein meint (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 7.7. 2017 - 11 CS 17.1009 -, a. a. O., Rn. 18). Dass der Antragsteller nicht mehr zum Führen eines Kraftfahrzeugs im Bundesgebiet berechtigt ist, folgt aus § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG in entsprechender Anwendung.

Auch aus Sicht des Unionsrechts ergeben sich insoweit keine durchgreifenden Bedenken. Nach bisherigem deutschen Verständnis folgt dies schon daraus, dass sich die grundsätzlich aus Art. 2 der Richtlinie 2006/126/EG ergebende Pflicht zur Anerkennung ausländischer Führerscheine bei einem Umtausch mangels nochmaliger Prüfung der Eignungsvoraussetzungen jedenfalls nicht auf den Mitgliedsstaat bezieht, der den fortgeltenden Führerschein ursprünglich ausgestellt hat (vgl. Kenntner, NJW 2020, 1556, 1559 f. unter Bezug u. a. auf BVerwG, Urt. v. 5.7.2018 - 3 C 9/17 -, NJW 2018, 3661 ff., Rn. 40 f.: keine Besserstellung des Umtausch - gegenüber dem Originalführerschein[s]), hier also nicht für die Bundesrepublik Deutschland gilt.

Zwar erscheint fraglich, ob an diesem Verständnis nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 28. Oktober 2020 (- C-112/19 -, u. a. NVwZ 2021, 387 ff.) noch festgehalten werden kann. Jedenfalls steht dann aber einer Anerkennung des griechischen Führerscheins auch mit Wirkung für das Bundesgebiet die – wie o. a. – auf § 4 Abs. 5 StVG beruhende und von der Ausnahmebestimmung des Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG gedeckte Entziehung der Fahrerlaubnis entgegen. Dabei kann offenbleiben, ob die Entziehung hier i. S. d. europäischen Ausnahmebestimmung bereits vor Erhalt des griechischen Führerscheins erfolgt ist, weil der Antragsteller die zwingend zu diesem Entzug führenden Taten davor nicht nur begangen hatte, sondern sie auch bereits vor der Ausstellung des neuen Führerscheins rechtskräftig geahndet waren worden. Denn diese Norm lässt eine Versagung der Anerkennung auch aufgrund einer nachträglichen Entziehung zu (vgl. EuGH, Urt. v. 23.4.2015 - C-260/13 -, NJW 2015, 2945 ff., Rn. 58 f.), die hier zu bejahen ist, wenn man nicht auf die Begehung der Verkehrsverstöße, sondern auf die nach deutschem Recht konstitutive Entziehung durch Erlass des Bescheides erst im Juli 2020 abstellt. Nach dem vom Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 28. Oktober 2020 herausgestellten Sinn und Zweck, Umgehungstatbestände nicht zu prämieren, sondern zu verhindern, kann Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG schließlich auch nicht so verstanden werden, dass sie auf mehraktige Tatbestände – wie die Entziehung nach § 4 Abs. 5 StVG –, die teilweise vor und teilweise nach der Erteilung/dem Umtausch des Führerscheins verwirklicht werden (können), gänzlich unanwendbar ist.

Ob einer Anerkennung des griechischen Führerscheins zusätzlich die vom Verwaltungsgericht angenommene fehlende Wohnsitzbegründung durch den Antragsteller in Griechenland im November 2019 entgegensteht, muss daher nicht geklärt werden.

3.) Gegen die Rechtmäßigkeit der Androhung des Zwangsgeldes hat der Antragsteller keine Einwände vorgetragen; solche sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Pflicht zur Vorlage des Führerscheins, auf die sich die Androhung des Zwangsgeldes bezieht, für sofort vollziehbar erklärt worden (vgl. Siegmund in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 47 FeV, Stand: 16.1.2019, § 47, Rn. 24), so dass der Erhebung der Anfechtungsklage auch insoweit keine aufschiebende Wirkung zukommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 39 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an den Vorschlägen unter den Nrn. 1.1.1, 1.5, 1.7.2 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).