Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.03.2021, Az.: 1 PS 160/20
Prozessvergleich
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.03.2021
- Aktenzeichen
- 1 PS 160/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 70813
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 29.10.2020 - AZ: 2 D 1/20
Rechtsgrundlagen
- § 106 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein wirksamer Prozessvergleich nach § 106 Satz 2 VwGO setzt voraus, dass sich die Annahmeerklärungen der Beteiligten mit dem Text des gerichtlichen Vergleichsvorschlags vollinhaltlich decken. Auch textliche Änderungswünsche, die nur klarstellend gemeint sind, bedürfen eines erneuten richterlichen Vorschlags.
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Vollstreckungsgläubiger.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Vollstreckungsgläubiger, ihn zu ermächtigen, auf Kosten der Vollstreckungsschuldnerin drei sachverständige Überprüfungen der Einhaltung der Emissionsrichtwerte durchzuführen und die Schuldnerin zu einer Vorauszahlung der Kosten dieser Untersuchung in Höhe von 6.000,- EUR zu verurteilen, im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Der vom Verwaltungsgericht zutreffend als Antrag nach § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. § 887 ZPO auf Vollstreckung eines Prozessvergleichs ausgelegte Antrag ist bereits nicht statthaft, da ein vollstreckungsfähiger Prozessvergleich nicht wirksam zustande gekommen ist.
Der von den Beteiligten als Prozessvergleich zur Beendigung des Verfahrens 2 A 23/14 angesehene Vertrag kam folgendermaßen zustande: Auf Anregung der Beteiligten unterbreitete die Einzelrichterin diesen mit Beschluss vom 21.12.2015 einen Vergleichsvorschlag gemäß § 106 Satz 2 VwGO. Die Beklagte nahm diesen mit Schriftsatz vom 23.12.2015 vorbehaltslos an. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte mit Schriftsatz vom 29.12.2015 hingegen mit, die Beteiligten hätten sich telefonisch einvernehmlich auf Änderungen der Ziffer 2 des Vergleichs (Einfügung eines Zusatzes „auf eigene Kosten“) geeinigt; Änderungen der Ziffern 1 und 3 habe die Beklagte abgelehnt. Er stimme dem Vergleich mit den Änderungen der Ziffer 2 zu. Ein erneuter Vergleichsvorschlag des Verwaltungsgerichts und unbedingte Annahmeerklärungen der Beteiligten sind nicht dokumentiert. Auf Nachfrage des Klägervertreters teilte die Einzelrichterin mit Schreiben vom 22.1.2016 mit, „dass der Vergleich in der durch die Parteien außergerichtlich modifizierten Form geschlossen wurde“.
Das genügt nicht den Anforderungen an das wirksame Zustandekommen eines Prozessvergleichs nach § 106 Satz 2 VwGO. Diese Norm setzt voraus, dass die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters schriftlich gegenüber dem Gericht annehmen. Die Annahmeerklärungen müssen sich dabei inhaltlich voll mit dem Vergleichsvorschlag decken. Textliche Änderungen bedürfen eines erneuten Beschlusses und erneuter Zustimmungserklärungen, da der Beschluss in Verbindung mit den Annahmeerklärungen die sonst erforderliche Protokollierung ersetzt (vgl. Stelkens, NVwZ 1991, 209 [216]; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 106 Rn. 23a; Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 106 Rn. 49; Fehling, in: Fehling/Kastner, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 106 VwGO Rn. 28). Dass die Änderung vom Klägervertreter als bloß klarstellend verstanden wurde, ändert daran nichts. Auch das Schreiben der Einzelrichterin vom 22.1.2016 kann den Formmangel des Prozessvergleichs nicht heilen.
Die Sinnhaftigkeit des Erfordernisses unbedingter Annahmeerklärungen zeigt sich im Übrigen gerade an der Unsicherheit der Beteiligten darüber, mit welchem Inhalt der Vergleich nun zustande gekommen ist (vgl. Schriftsatz des damaligen Klägervertreters vom 21.1.2016 und Schreiben des Klägers vom 24.6.2020). Der Kläger selbst scheint ausweislich S. 2 seiner „Hinweise zum sog. Gutachten“ vom 14.11.2019 davon auszugehen, dass auch Ziffer 1 des Vergleichsvorschlags geändert wurde, und leitet daraus Rechtsfolgen ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es mit Blick auf Nr. 5502 KV GKG nicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).