Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.03.2021, Az.: 12 LB 148/20
Beweisantrag, bedingter; Beweisantrag, unbedingter; Koordinierungsgebot; Zurückverweisung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.03.2021
- Aktenzeichen
- 12 LB 148/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 70825
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 26.03.2019 - AZ: 2 A 1544/17
Rechtsgrundlagen
- § 10 Abs 5 S 2 BImSchG
- § 4 Abs 1b S 3 UmwRG
- § 130 Abs 2 Nr 2 VwGO
- § 130a VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Setzt das Verwaltungsgericht auf die Drittanfechtung einer Genehmigung - statt über deren Aufhebung sowie ggf. deren Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit zu entscheiden - ohne Prüfung weiterer Anfechtungsgründe den Vollzug der Genehmigung durch Urteil bis zur Heilung eines vereinzelt festgestellten Verfahrensfehlers aus, so kommt im Berufungsverfahren eine Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung in Betracht.
Tenor:
Auf die Berufungen der Kläger und des Beklagten wird das auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2019 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Stade – 2. Kammer – einschließlich des ab Beginn der mündlichen Verhandlung geführten Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht Stade zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren des zweiten Rechtszuges auf 15.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Kläger wenden sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung eines Schweinemaststalles mit 2016 Einstellplätzen, eines Güllerundbehälters mit Zeltdach und zwei Futtersilos.
Der Beigeladene beantragte am 8. Mai 2014 die Genehmigung für die oben genannten Maßnahmen. Die Anlagen sollen auf dem Flurstück 6/5, Flur 37, Gemarkung A-Stadt, errichtet werden. Das Grundstück liegt südlich der Ortschaft A-Stadt im Außenbereich. Durch das Vorhaben wird die auf dem Grundstück bereits vorhandene Mastschweinehaltung erweitert. Dem Vorhaben nordwestlich entlang der Straße „Zur Wettern“ benachbart befindet sich die Biogasanlage der H. A-Stadt GmbH & Co KG, die ebenfalls von dem Beigeladenen betrieben wird. Südöstlich, ebenfalls entlang der Straße „Zur Wettern“, liegt die Hofstelle der Kläger mit Rinderhaltung und einer Kompostieranlage (vgl. Lageplan = Abb. 2 der Kurzbeschreibung, in Beiakte – BA – 3, hinter Trennblatt – TrBl. – 1).
Der Betrieb der Erweiterungsanlagen des Beigeladenen ist mit der Ableitung von Niederschlagswasser über ein Regenrückhaltebecken in den vorhandenen Graben nördlich der Betriebsflächen verbunden. Die erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis zur Einleitung des Niederschlagswassers wurde dem Beigeladenen von dem Beklagten (Abteilung „Wasserwirtschaft“ des Umweltamtes) als untere Wasserbehörde unter dem 16. September 2014 (in BA 1) erteilt. Die Kläger haben mit Schreiben vom 17. Oktober 2018 (vgl. Bl. 659 der Gerichtsakte – GA –) Widerspruch gegen sie erhoben.
Die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung wurde dem Beigeladenen von dem Beklagten (Abteilung „Immissionsschutz“ des Umweltamtes) als Immissionsschutzbehörde unter dem 4. April 2016 erteilt (Bl. 3 ff. GA). Sie enthält eine Vielzahl an Nebenbestimmungen und Hinweisen, um die Einhaltung von Vorschriften aus verschiedenen Rechtsgebieten sicherzustellen.
Die Genehmigung wurde öffentlich bekannt gemacht. Sie lag vom 15. April 2016 bis zum 28. April 2016 öffentlich aus (vgl. Amtsblatt des Beklagten Nr. 14 vom 14. April 2016, S. 92 f., in BA 5, vor dem ersten TrBl.). Mit anwaltlichem Schreiben vom 11. Mai 2016 legten die Kläger Widerspruch ein (in BA 5, vor dem ersten TrBl.). Später erklärten sie, ihren Widerspruch nicht zu begründen.
Durch Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 30. März 2017 (in BA 5, vor dem ersten TrBl.) hob der Beklagte auf einen Widerspruch des Beigeladenen die Nebenbestimmungen unter III. 5.2 und III. 6. des Ausgangsbescheides vom 4. April 2016 auf, wies aber den Widerspruch des Beigeladenen gegen die Nebenbestimmung unter III. 5.1 als unbegründet zurück.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2017 (Bl. 103 GA) wurde auch der Widerspruch der Kläger unter Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Genehmigung als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kläger haben am 3. Mai 2017 Klage erhoben und unter anderem Folgendes vorgetragen:
Als Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Nachbargrundstücks seien sie klagebefugt.
Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung sei formell nicht rechtmäßig.
Es lägen Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 UmwRG vor.
Für die mit dem Vorhaben vorgesehene Einleitung von Niederschlagswasser sei eine wasserrechtliche Erlaubnis und damit ein gesondertes wasserrechtliches Verfahren erforderlich. Es habe aber keine diesem wasserrechtlichen Verfahren zuzuordnende Umweltverträglichkeitsprüfung stattgefunden.
Zudem sei die Öffentlichkeitsbeteiligung fehlerhaft gewesen. Der Beklagte habe gegen die sich aus § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG und dem Niedersächsischen Wassergesetz ergebenden Gebote verstoßen, das immissionsschutzrechtliche und das wasserrechtliche Verfahren miteinander zu koordinieren. Aus diesen Koordinierungsgeboten folge zudem die Pflicht, die Unterlagen für die wasserrechtliche Erlaubnis auszulegen. Die Unterlagen des wasserrechtlichen Erlaubnisverfahrens seien aber nicht veröffentlicht worden. In den Antragsunterlagen befinde sich lediglich ein Erlaubnisantrag für die Einleitung von Niederschlagswasser sowie der Hinweis, dass diese Unterlagen entnommen worden seien, um einem gesonderten Verfahren zugeführt zu werden. In der angefochtenen Genehmigung werde nur auf den wasserrechtlichen Antrag hingewiesen. Aus § 12 NWG ergebe sich, dass bei Erlaubnisverfahren im Zusammenhang mit sogenannten IVU-Anlagen, zu denen die genehmigte Anlage gehöre, gemäß § 9 Abs. 1 und 2 NWG die Vorschriften über das förmliche Verwaltungsverfahren Anwendung fänden und somit eine Pflicht zur Öffentlichkeitsbeteiligung bestehe. Die Unterlagen für die wasserrechtliche Erlaubnis hätten daher parallel oder in zeitlicher Nähe zur Beteiligung im immissionsschutzrechtlichen Verfahren ausliegen müssen. Jedenfalls hätte die wasserrechtliche Öffentlichkeitsbeteiligung abgeschlossen sein müssen, bevor die immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt worden sei. Die wasserrechtliche Erlaubnis sei aber bereits am 16. September 2014 erteilt worden. Im immissionsschutzrechtlichen Verfahren habe die Öffentlichkeitsbeteiligung dagegen erst vom 13. Februar 2015 bis 12. März 2015 stattgefunden. Die wasserrechtliche Erlaubnis sei zu diesem Zeitpunkt also bereits erteilt gewesen. Damit sei das Koordinierungsgebot verletzt. Die wasserrechtliche Erlaubnis sei daher rechtswidrig. Sie, die Kläger, hätten Widerspruch gegen die Erlaubnis eingelegt. Da ein Koordinierungsfehler im immissionsschutzrechtlichen Verfahren nicht im Wasserrecht und umgekehrt nachgeholt werden könne, sei nicht erkennbar, wie diese Fehler behoben werden sollten. Es folge zudem eine materielle Rechtswidrigkeit der wasserrechtlichen Erlaubnis aus der mit ihr erfolgten Zulassung der Einleitung stickstoffbelasteten Niederschlagswassers von den Hofflächen.
Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung sei auch materiell-rechtlich zu beanstanden.
Das Vorhaben führe zur Beeinträchtigung ihrer, der Kläger, stickstoffempfindlichen Pflanzen durch Lachgas. Die Bildung von Lachgas werde in der Zertifizierungsurkunde für die Reinigungsanlage zugestanden. Bei einstufigen biologischen Abluftreinigungseinrichtungen könne das Lachgas jedoch freigesetzt werden. Es handele sich um ein sehr schädliches Klimagas. Dieses Problem werde in der Genehmigung nicht thematisiert.
Beeinträchtigungen stickstoffempfindlicher Pflanzen und Ökosysteme seien zu Unrecht unter Hinweis auf den Schwellenwert von 3 μg/m3 (vgl. Anhang 1 der TA Luft) verneint worden. Denn anhand der Ammoniakkonzentration in der Luft könne keine Aussage über die Beeinträchtigung stickstoffempfindlicher Pflanzen und Lebensräume oder Ökosysteme getroffen werden, weil diese Beeinträchtigung erheblich von der Depositionsgeschwindigkeit abhängig sei. Auch sei zu Unrecht davon ausgegangen worden, dass es innerhalb des betrachteten Bereichs keine stickstoffempfindlichen Biotope gebe. An den Gehölzen zwischen ihren Grundstücken und dem Vorhabengrundstück lägen erkennbare Schädigungen vor, die vermutlich von den Stickstoffeinträgen des streitgegenständlichen Betriebes herrührten. Fehlerhaft sei die Annahme der Umweltverträglichkeitsstudie, dass unterhalb einer Zusatzbelastung von 5 kg N/ha/a nicht mehr mit Beeinträchtigungen durch Stickstoff-Depositionen zu rechnen sei. Im Übrigen werde übersehen, dass die Vorbelastung in dem interessierenden Raum besonders hoch sei. Die Critical Loads würden bereits durch die Hintergrundbelastung und die von dem bestehenden Betrieb ausgehende Vorbelastung überschritten.
Von dem Vorhaben gingen auch sonstige unzumutbare Einwirkungen aus. Die Berechnungen in den Antragsunterlagen seien fehlerhaft. Nicht nachvollziehbar seien die Einhaltung der Flächenbelastung und die Größe des Volumenstroms. Selbst bei geringer Überschreitung der Flächenbelastung werde die Geruchsreduzierung nicht mehr erreicht (Bl. 188 f. GA - Gutachten I.). Die Berechnung der Geruchsemissionen sei fehlerhaft. Die Belastungen aus dem neuen Stall auf null zu setzen, sei unzulässig. Von einer dauerhaft gesicherten Funktion der biologischen Abluftreinigungsanlagen könne nämlich nicht ausgegangen werden.
Zudem fehle es an einer Abluftreinigung für die vorhandenen Ställe. Denn da die Genehmigung eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG sei, umfasse sie auch die bisherigen Anlagenbestandteile. Für Schweinehaltung sei aber in Niedersachsen auch in Fällen der Änderungsgenehmigung der Einbau einer Abluftreinigung vorgesehen. Die Filterpflicht bestehe nunmehr für den gesamten Betrieb und sämtliche Stallungen.
Eine Abluftreinigung sei auch zur Bewältigung der Bioaerosolproblematik erforderlich.
Es seien keine genügenden Beweise für das Vorhandensein ausreichender Flächen zur Ausbringung des Gärsubstrats aus der Biogasanlage und der anfallenden Schweinegülle vorgelegt worden.
Das Vorhaben sei im Außenbereich nicht privilegiert, sodass seine Umwelteinwirkungen am Maßstab des § 35 Abs. 2 BauGB zu messen seien. In diesem Rahmen würden durch das Vorhaben drittschützende Vorschriften verletzt. Für die Privilegierung käme allein § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB in Betracht. Der Beigeladene betreibe aber nicht Landwirtschaft im Sinne des BauGB. In der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer vom 16. Juni 2014 gebe es keine nachvollziehbare Berechnung der Futtergrundlage. Die Flächen reichten nicht aus. Es komme hinzu, dass sie für die Erzeugung des Inputs der vorhandenen Biogasanlage verwendet werden müssten, was die zur Futtererzeugung zur Verfügung stehende Fläche weiter verringere.
Das Vorhaben sei unzureichend erschlossen. Nach der Genehmigung in der Fassung des Widerspruchsbescheides solle der zu erwartende Zu- und Abgangsverkehr von A-Stadt zum Vorhabenstandort über eine Straßenverbindung abgewickelt werden, die zur Hälfte in ihrem, der Kläger, Eigentum stehe. Diese Straßenverbindung sei aber aufgrund ihres Ausbauzustandes nicht geeignet, den zu erwartenden Verkehr ohne Schäden aufzunehmen. Der Weg sei für die zu erwartenden Transporte nicht ausreichend tragfähig, sodass ihr Grundstück, das dem Vorhabengrundstück benachbart sei, möglicherweise nicht mehr zu erreichen sein werde. Die Genehmigung schreibe die Errichtung einer erforderlichen zweiten Zuwegung als notwendige Voraussetzung für die gesicherte Erschließung nicht vor.
Die Kläger haben beantragt,
den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 4. April 2016 zur wesentlichen Änderung einer Anlage zum Halten von Mastschweinen und Ferkeln in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2017 aufzuheben,
hilfsweise,
die Genehmigung des Beklagten vom 4. April 2016 für die wesentliche Änderung einer Anlage zum Halten von Mastschweinen und Ferkeln sowie eines Güllerundbehälters, den Teilabhilfe-/Widerspruchsbescheid vom 30. März 2017 und den Widerspruchsbescheid vom 4. April 2017 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Fehler des Genehmigungsverfahrens lägen nicht vor.
Die Koordinierungspflicht sei nicht verletzt worden. Der Antrag vom 19. Juni 2013 auf Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis sei Bestandteil der Antragsunterlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz gewesen, die in der Zeit vom 13. Februar bis zum 12. März 2015 ausgelegen hätten.
Gegen materielles Recht sei nicht verstoßen worden.
Die Geruchs-, Ammoniak-, Staub- und Keimimmissionsprognose des Gutachters J. vom 24. Oktober 2014 sei Bestandteil der Antragsunterlagen. Das Gutachten sei schlüssig und plausibel. Die Anlage solle mit einer anerkannten Abgasreinigungsanlage betrieben werden. Die Berechnungen des Gutachters entsprächen dem gegenwärtigen Stand von Wissenschaft und Technik. Wissenschaftliche Belege dafür, dass die Begutachtung unzureichend sei, lägen nicht vor.
Das vorliegende Gutachten sei durch die zuständige Naturschutzbehörde nicht beanstandet worden. Die erneute Überprüfung der Frage des Vorhandenseins von stickstoffempfindlichen Biotopen (Pflanzen oder Ökosystemen) habe nicht zu einem anderen Ergebnis geführt. In dem Gem. RdErl. d. MU u. d. ML v. 1.8.2012 – 404/406-64120-27 – (Nds. MBl. 2012, S. 662) sei geregelt, dass zu gefährdeten Ökosystemen ein Abstand von mindestens 150 m einzuhalten sei. Im Einwirkungsbereich der Tiermastanlage des Beigeladenen befänden sich jedoch weder Heide- noch Moor- oder Wald-Ökosysteme. Die Hofgehölze seien aufgrund ihrer Größe, Breite und Struktur eindeutig kein Wald im Sinne des Gesetzes und damit auch kein relevantes stickstoffempfindliches Ökosystem.
Da die Kläger als tierhaltende Nachbarn an der sogenannten Schicksalsgemeinschaft teilnähmen, gingen die in dem Betrieb der Kläger verursachten Gerüche nicht mit in die Beurteilung ein. Gleiches gelte auch für diejenigen Nachbarn, die keine Tiere mehr hielten, aber nach wie vor im Außenbereich wohnten. Hier seien Häufigkeiten bis zu 50 % der Jahresstunden zulässig. Im Wohnhaus der Kläger seien daher nur Gerüche des Beigeladenen zu berücksichtigen. Durch den erweiterten Betrieb des Beigeladenen ergäben sich bei der „Solobetrachtung“ Wahrnehmungshäufigkeiten von 9,8 % der Jahresstunden. Damit werde der für den Außenbereich nach der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) in Niedersachsen zulässige Wert von 20 % der Jahresstunden deutlich unterschritten.
Aus einer Fachdienstbesprechung zur Anwendung des sogenannten Filtererlasses seien Anwendungshinweise erwachsen. Daraus ergebe sich, dass die vorhandenen Stallungen mit einer Abluftreinigungsanlage nachgerüstet werden müssten, wenn die Immissionswerte überschritten würden. Eine Nachrüstung ausschließlich aus Vorsorgegründen gemäß Ziffer 5 der TA Luft entfalle.
Für Bioaerosole sei vom Irrelevanzkriterium des Staubes auszugehen, da sich die Ausbreitung proportional zum Staub verhalte. Die im Planzustand zu erwartenden Staubimmissionen im Bereich der Wohnbebauung seien vernachlässigbar gering. Der Grenzwert von 40 μg/m³ Feinstaub gemäß Ziffer 4.2.1 Tab. 1 der TA Luft werde im Jahresmittel sicher eingehalten. Eine Zusatzbelastung von weniger als 3 % sei irrelevant. Dies entspreche 1,2 μg/m³. Im Bereich des nächstliegenden Wohnhauses der Kläger ergebe sich ein Wert von 0,6 μg/m³.
Hinsichtlich der Privilegierung werde auf die Stellungnahme der Landwirtschaftskammer vom 1. November 2017 verwiesen (Bl. 273 f. GA).
Soweit sich die Kläger gegen eine unzureichende Erschließung des Grundstücks über die nunmehrige zweite Zuwegung wendeten, könnten sie damit nicht gehört werden, weil die Vorschriften über die Erschließung nicht drittschützend seien. Im Übrigen sei nur eine ausreichende Erschließung gefordert. Der Beigeladene habe aber den erforderlichen Nachweis erbracht, dass der Privatweg dem öffentlichen Baurecht entspreche (vergleiche Baugenehmigung vom 9. März 2016) und seine Nutzung öffentlich-rechtlich durch Baulast gesichert sei. Die ursprüngliche Bedingung einer vorhandenen Erschließung sei nicht mehr erforderlich gewesen. Die Baugenehmigung vom 9. März 2016 habe nicht im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erteilt werden können. Sie sei nämlich keine andere die Anlage betreffende Entscheidung im Sinne von § 13 BImSchG. Da das Baurecht lediglich die Erwartung der gesicherten Erschließung verlange und weiter, dass die Erschließungsanlagen bei Beginn der Benutzung benutzbar seien, könne die Zulassung einer betriebswichtigen Zuwegung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auch nachfolgen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und die Rechtmäßigkeit des Genehmigungsbescheides des Beklagten verteidigt.
Ein rügefähiger Verfahrensfehler liege nicht vor.
Fehler der Öffentlichkeitsbeteiligung könnten die Kläger nicht mehr rügen. Die Frist sei bei Einreichung des Schriftsatzes vom 29. September 2017 bereits am 10. August 2017 abgelaufen gewesen. Dies ergebe sich aus § 6 UmwRG, der eine Frist von zehn Wochen setze. Diese Frist könne nur verlängert werden, wenn die Kläger keine Möglichkeit gehabt hätten, sich an dem Verfahren zu beteiligen. Letzteres sei nicht der Fall. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 6 UmwRG ändere hieran nichts. Das folge aus der Übergangsvorschrift des § 8 Abs. 2 UmwRG.
Das Koordinierungsgebot sei beachtet worden. Die Antragsunterlagen für die wasserrechtliche Erlaubnis hätten mit ausgelegen; die wasserrechtliche Erlaubnis sei am 16. September 2014 mit den erforderlichen Nebenbestimmungen erteilt worden. Die Genehmigungen könnten auch nacheinander erteilt werden; Gleichzeitigkeit sei nicht erforderlich. Ein schwerer Fehler sei deswegen nicht anzunehmen. Zumindest sei denkbar, den etwaigen Fehler durch ein ergänzendes Verfahren zu beheben.
Gegen materielles Recht sei nicht verstoßen worden.
Schädliche Umwelteinwirkungen gingen von dem Vorhaben nicht aus. Die Zertifizierung der Abluftreinigungsanlage sei gesetzeskonform. Die Anlage entspreche der Zertifizierung. Der Runderlass des MU, MS und ML vom 5. Februar 2013 (VORIS 28500) stelle sich als antizipiertes Sachverständigengutachten dar, und es sei nicht erkennbar, dass der Beklagte andere Erkenntnisse hätte berücksichtigen müssen. Die Wirkungsweise der Abluftreinigung im Zusammenhang mit der Mindestentfernung sei ausschlaggebend dafür, dass die Restimmissionen aus der Abluftreinigung keine Berücksichtigung mehr gefunden hätten. Aufgrund der Entfernung zum Wohnhaus seien erhöhte Immissionsbelastungen nicht zu erwarten. Die angeblich durch Ammoniak belasteten Gehölze stünden auf der südwestlichen Seite des Grundstücks der Kläger, also von dem Vorhaben abgewandt. Es sei nicht auszuschließen, dass sie durch den eigenen Betrieb der Kläger geschädigt würden. Hinzuweisen sei auf die im Gutachten dargestellte Variante ohne Belastungen aus dem Betrieb der Kläger. Dann würden die Grenzwerte für Geruchsbelästigungen im Außenbereich um mehr als die Hälfte unterschritten.
Der Einwand, es handele sich nicht um ein im Außenbereich privilegiertes Vorhaben, sei unzutreffend. Im Übrigen sei diese Frage nicht nachbarschützend. Die Kläger könnten sich allenfalls auf eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes berufen.
Die neu zu schaffende Zuwegung sei rechtmäßig genehmigt worden. Drittschützende Vorschriften seien nicht verletzt worden.
Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen, auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2019 ergangenen Urteil entschieden, dass die dem Beigeladenen erteilte Genehmigung vom 4. April 2016 in der Fassung des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 30. März 2017 und des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2017 bis zur Behebung des festgestellten Verfahrensfehlers im Hinblick auf das Koordinierungsgebots außer Vollzug gesetzt werde. Es hat diese Entscheidung im Wesentlichen begründet wie folgt:
Die Kläger seien mit ihrem Klagevorbringen nicht gemäß § 6 UmwRG ausgeschlossen. Sie hätten als natürliche Personen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 1b und Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG Anspruch auf Aussetzung der Wirksamkeit der Genehmigung, bis die für das Vorhaben erforderliche Koordinierung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens mit dem wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren nachgeholt und der Verfahrensfehler geheilt worden sei. Der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 UmwRG sei eröffnet. Hier liege ein anderer Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG vor, der nicht geheilt worden sei, der nach seiner Art und Schwere mit den in den § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG genannten Fällen vergleichbar sei und der der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen habe. Die Genehmigung verletze das in § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG niedergelegte Koordinierungsgebot. Eine zu koordinierende Genehmigung liegt hier in Form der nach dem Wasserhaushaltsgesetz erforderliche Einleitungsgenehmigung für das auf dem Vorhabengrundstück anfallende Niederschlagswasser vor. Die herrschende Auffassung in der Literatur leite aus dem Koordinierungsgebot die Notwendigkeit einer zeitlichen Parallelität der Verfahren ab. Es genüge eine hinreichende zeitliche Überschneidung. Das Koordinierungsgebot schließe zudem nacheinander erfolgende Verfahrensentscheidungen nicht grundsätzlich aus. Maßgebend sei allein, dass die nachfolgende Entscheidung die vorhergehende Entscheidung berücksichtige bzw. die vorhergehende Entscheidung nicht durch ihren Gehalt die nachfolgende unzulässig determiniere.
Diese Koordinierungspflicht sei hier nicht beachtet worden. Das wasserrechtliche Genehmigungsverfahren sei durch Erteilung einer entsprechenden Einleitungserlaubnis nach § 8 WHG vom 16. September 2014 bereits beendet gewesen, bevor die Prüfung im immissionsschutzrechtlichen Verfahren überhaupt begonnen worden sei. In den vom 13. Februar 2015 bis 12. März 2015 ausgelegten Genehmigungsunterlagen für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung hätten sich dann zwar auch Unterlagen befunden, die Entscheidungsgrundlage für die wasserrechtliche Genehmigung gewesen seien; die Tatsachen, dass eine wasserrechtliche Genehmigung längst erteilt und inzwischen möglicherweise in Bestandskraft erwachsen gewesen sei, würden nicht einmal erwähnt. Die Umweltverträglichkeitsstudie vom 29. Oktober 2014 sei ebenfalls nach der Erteilung der wasserrechtlichen Genehmigung erstellt worden. Unter Ziffer 4.4.2.3. der Studie erfolge lediglich eine Bezugnahme auf die wasserrechtliche Genehmigung ohne jede Auseinandersetzung mit den konkreten Auswirkungen. Ferner werde in der Darstellung [und Bewertung] der Umweltauswirkungen durch den TÜV Nord vom 7. Januar 2016 (in BA 5), die mehr als ein Jahr nach der Erteilung der wasserrechtlichen Genehmigung verfasst worden sei, lediglich festgestellt, dass die Entwässerungsgräben in der Nähe des Vorhabens durch landwirtschaftliche Nutzung vorbelastet seien (S. 16) und dass keine zusätzlichen Belastungen von dem Vorhaben ausgingen (S. 26).
Die unter Verstoß gegen § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG fehlende Koordinierung des wasserrechtlichen und des immissionsschutzrechtlichen Verfahrens stelle sich als Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG dar. Denn durch die „Abschichtung“ des wasserrechtlichen Verfahrens sei der Öffentlichkeit die Möglichkeit der Beteiligung an dem gesamten Entscheidungsprozess genommen worden. Die Kammer gehe davon aus, dass der Verfahrensfehler durch Nachholung der erforderlichen Verfahrensschritte grundsätzlich geheilt werden könne.
Auf entsprechende Anträge hat der Senat mit Beschluss vom 1. Oktober 2020 - 12 LA 178/19 -, auf den wegen der Einzelheiten seines Inhalts verwiesen wird, wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils die Berufungen der Kläger und des Beklagten zugelassen.
Nach Verlängerungen der jeweiligen Berufungsbegründungsfristen bis zum Ablauf des 7. Dezember 2020 (Bl. 641 bzw. 651 GA) haben die Kläger und der Beklagte mit an den Tagen ihrer jeweiligen Datierung eingegangenen Schriftsätzen vom 7. Dezember 2020 (Bl. 673 ff. GA) bzw. vom 4. Dezember 2020 (Bl. 653 ff. GA) ihre Berufungen begründet.
Die Kläger machen zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen Folgendes geltend:
Die erstinstanzlich ausgeurteilte Außervollzugsetzung des Genehmigungsbescheides habe nicht ihrem Klageantrag und -begehren entsprochen. Eine für den Ausspruch erforderliche Aussetzung des Verfahrens sei nicht beantragt worden. Die Rechtsfolgen einer Behebung des im Tenor des angefochtenen Urteils genannten Verfahrensfehlers seien unklar.
Es sei zudem unklar, ob ihr – gegenüber der ausgeurteilten Außervollzugsetzung weiterreichender – Antrag auf Aufhebung der Genehmigung beschieden worden sei.
Das Verwaltungsgericht habe außer dem Verstoß gegen das Koordinierungsgebot zu Unrecht keinen der anderen geltend gemachten Gründe geprüft, die zur Rechtswidrigkeit der Genehmigung führten.
Es werde eine Zurückverweisung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten begehrt. Die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO für eine Zurückverweisung lägen vor. Das Verfahren leide ausweislich des Zulassungsbeschlusses an einem erheblichen Mangel. Ggf. seien auch Beweisaufnahmen erforderlich, und zwar zu den Auswirkungen des Vorhabens auf das Klima, hinsichtlich der Lachgasemissionen der Abluftreinigung sowie betreffend die Futterflächenausstattung des Betriebes des Beigeladenen. Die Annahme, dass auch der Rückverweisungsgrund des § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vorliege, sei vertretbar. Dies könne jedoch letztlich dahinstehen.
Zu Recht bejahe das angefochtene Urteil allerdings die Verletzung des Koordinierungsgebotes des § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG. Dieses Gebot diene unter anderem der Umsetzung des Art. 5 der IE-RL 2010/75 für solche Fälle, in denen – wie hier – durch eine Behörde mehrere Genehmigungen erteilt würden. Es beschränke sich nicht auf die Forderung, eine nachfolgende immissionsschutzrechtliche Genehmigung dem Ergebnis eines ihr vorangegangenen wasserrechtlichen Erlaubnisverfahrens anzupassen. Aus § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG ergebe sich vielmehr die Notwendigkeit, im immissionsschutzrechtlichen Verfahren überschlägig zu prüfen, ob eine für den Betrieb der zur Genehmigung gestellten immissionsschutzrechtlichen Anlage erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis erteilt werden könne, oder, falls Letzteres – wie hier – bereits geschehen sei, die Pflicht zu prüfen, ob diese Erteilung rechtmäßig sei und daher der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zugrunde gelegt werden könne. Mangels Koordinierung des immissionsschutzrechtlichen mit dem wasserrechtlichen Verfahren sei eine solche Prüfung im vorliegenden Falle unterblieben.
Bei Einhaltung des Koordinierungsgebotes hätte diese Prüfung allerdings zu der Erkenntnis geführt, dass die wasserrechtliche Erlaubnis sowohl ohne die nach § 11 WHG erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung als auch ohne die nach derselben Vorschrift gebotene Umweltverträglichkeitsprüfung erteilt worden sei. Die wasserrechtliche Erlaubnis leide daher unter absoluten Verfahrensfehlern im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Nr. 1 UmwRG, die von ihnen, den Klägern, geltend gemacht werden könnten.
Die Nichtbeachtung des Koordinierungsgebotes habe zu einer fehlerhaften Öffentlichkeitsbeteiligung geführt. Unter anderem der Gesetzesbegründung zu § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG sei zu entnehmen, dass das Koordinationsgebot eine formelle Anforderung enthalte, die zusätzlich zur materiellen Integration erfüllt werden müsse und in einer wechselseitigen Bezogenheit beider zu koordinierenden Verfahren während eines jeweils noch ergebnisoffenen Verfahrensstadiums bestehe. Dieser Anforderung hätte hier nur genügt werden können, wenn die Öffentlichkeitsbeteiligung des immissionsschutzrechtlichen mit derjenigen des wasserrechtlichen Verfahrens dergestalt koordiniert worden wäre, dass die Auswirkungen der Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis noch effektiv in das immissionsschutzrechtliche Verfahren hätten eingebracht werden können – was nach Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis nicht möglich sei. Die Nichtbeachtung des Koordinierungsgebotes habe zu einer fehlerhaften Öffentlichkeitsbeteiligung geführt.
Die Nichtbeachtung des Koordinierungsgebotes habe zudem zu einer im wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren fehlenden Umweltverträglichkeitsprüfung geführt. Eine Verfahrenskoordinierung sei mit Blick auf die Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen, deren es für das wasserrechtliche Verfahren nach § 11 WHG bedurft hätte. Art. 5 Abs. 1 IE-RL 2010/75 enthalte die Verpflichtung, im Verfahren zur Erteilung der Genehmigung alle Angaben und Ergebnisse aus der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung zu berücksichtigen. Es hätten daher auch Unterlagen zu den Auswirkungen der Ableitung des Niederschlagswassers nach entsprechender Bekanntmachung ausgelegt und zum Gegenstand einer Öffentlichkeitsbeteiligung gemacht werden müssen. Daran mangele es hier. Die koordinierte Umweltverträglichkeitsprüfung hätte dann in eine zusammenfassende Darstellung sowie schließlich in eine Gesamtbewertung der Umweltauswirkungen des Vorhabens nach den Vorgaben des § 14 UVPG a. F. münden müssen. Eine derartige Gesamtbewertung der Umweltauswirkungen unter Einschluss der Auswirkungen der Ableitung des Niederschlagswassers habe jedoch ebenfalls nicht stattgefunden. Vielmehr enthalte die angefochtene Genehmigung lediglich die Angabe, dass das Oberflächenwasser abgeleitet werden solle und ein Antrag auf eine Erlaubnis zur Ableitung des Niederschlagswassers gestellt worden sei.
Das Koordinierungsgebot umfasse ferner eine Pflicht zu wechselseitiger Abstimmung der Genehmigungsinhalte aufeinander, der mit einer nachträglichen Berücksichtigung der vorangegangenen Entscheidung in der späteren nicht genügt sei. Diese Abstimmung habe hier schon deshalb nicht stattgefunden, weil nicht geklärt worden sei, ob eine Begrenzung der Schadstofffracht des einzuleitenden Niederschlagswassers nicht besser durch Festlegung einer Höchstkonzentration der Schadstofffracht dieses Wassers als durch Vorgaben hinsichtlich der sich (später im Wasser niederschlagenden) Schadstofffracht aus der Luft erreicht werde.
Sähe man den Verstoß gegen das Koordinierungsgebot lediglich als relativen Verfahrensfehler (§ 4 Abs. 1a UmwRG) des wasserrechtlichen Verfahrens an, werde die Ergebnisrelevanz des Verfahrensfehlers gemäß § 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG vermutet, wenn sich die Beeinflussung der Entscheidung nicht aufklären lasse. Zumindest von dem Eingreifen dieser Vermutung sei für den vorliegenden Fall auszugehen, weil auch die materielle Rechtmäßigkeit der wasserrechtlichen Erlaubnis zweifelhaft sei und eine Verletzung ihrer, der Kläger, subjektiven Rechte durch diese Erlaubnis in Betracht komme. Denn der das Wasser abführende Graben verlaufe über ihr Grundstück, das Wasser sei regelmäßig übelriechend und kippe auch um. Kritisch sei bereits die in der wasserrechtlichen Erlaubnis fehlende Mengenbegrenzung für die Einleitung des belasteten Wassers. Auch die Auswirkungen der fehlenden Einbeziehung der Flächen der Biogasanlage ließen an der Rechtmäßigkeit der Erlaubnis zweifeln. Schließlich deute die unzureichende Sachverhaltsermittlung auf Ermessensfehler bei der Erteilung der Erlaubnis hin.
Käme es darauf an, ob das Koordinierungsgebot Drittschutz entfalte, so wäre auch dieser Drittschutz zu bejahen. Denn das Koordinierungsgebot umfasse auch das Erfordernis der Öffentlichkeitsbeteiligung, das seinerseits Drittschutz entfalte, weil es auch der Wahrung der Rechte Dritter diene.
Wegen der Verstöße gegen materielles Recht werde auf den Vortrag im Zulassungsverfahren sowie im erstinstanzlichen Verfahren Bezug genommen.
Die Kläger beantragen (Bl. 691 f. GA),
1. die Sache unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Stade vom 26. März 2019 und des erstinstanzlichen Verfahrens an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen,
Hilfsweise zu 1. wie folgt zu erkennen:
2. Die Genehmigung (Genehmigungsbescheid Nr. 66-61-01305/14) des Beklagten vom 4. April 2016 … in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2017 wird – unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Stade vom 26. März 2019 – aufgehoben,
Hilfsweise zu 2. wie folgt zu erkennen:
3. Die Genehmigung (Genehmigungsbescheid Nr. 66-61-01305/14) des Beklagten vom 4. April 2016 … in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2017 wird unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Stade vom 26. März 2019 – für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt.
Der Beklagte beantragt (Bl. 653 GA),
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade – 2. Kammer – vom 26. März 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Zur Begründung macht er Folgendes geltend: Das Verwaltungsgericht habe den Tenor des angefochtenen Urteils in unzulässiger Weise nicht auf die gesamten Anfechtungsgegenstände erstreckt und seiner Pflicht zur umfassenden Rechtmäßigkeitsprüfung nicht Rechnung getragen.
Die Genehmigung in ihrer Ursprungsfassung vom 4. April 2016 könne – auch in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2017 – kein zulässiger Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens mehr sein, nachdem sie der Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 30. März 2017 modifiziert habe.
Wäre – wie das Verwaltungsgericht allerdings zu Unrecht meine – ein Verfahrensfehler festzustellen gewesen, der sich in einem ergänzenden Verfahren beheben lasse, so hätte darüber hinaus die Rechtmäßigkeit der Genehmigung im Übrigen geprüft werden müssen. Dann hätte festgestellt werden müssen, dass die Genehmigung in ihrer aktuellen Fassung rechtswidrig und nicht vollziehbar sei, und die Klage im Übrigen, nämlich wegen des Aufhebungsantrags (in der Fassung des Hilfsantrags), abgewiesen werden müssen. Es könne nicht hingenommen werden, dass die Beteiligten während der Dauer eines ergänzenden Verfahrens und eines sich eventuell anschließenden Rechtsmittelverfahrens mit der Ungewissheit belastet seien, ob die Genehmigung „auch noch“ an sonstigen Mängeln leide.
Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht die Koordinierungspflicht des § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG für verletzt gehalten. Es sei zweifelhaft, ob die Pflicht überhaupt bestehe, wenn – wie im vorliegenden Falle – keine unterschiedlichen Behörden zuständig seien. Jedenfalls überspanne das Verwaltungsgericht die Anforderungen an das Koordinierungsgebot. Dieses schließe nacheinander ergehende Verfahrensentscheidungen nicht grundsätzlich aus. Maßgebend sei allein, dass die nachfolgende Entscheidung die vorhergehende Entscheidung berücksichtige bzw. die vorhergehende Entscheidung nicht durch ihren Gehalt die nachfolgende unzulässig determiniere. Diesen Anforderungen sei im vorliegenden Falle genügt worden. Durch die in der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung enthaltenen „Zugehörigkeitsvermerke“, die sich auf die Antragsunterlagen des wasserrechtlichen Erlaubnisverfahrens bezogen hätten, sei eine wechselseitige Rücksichtnahme der immissionsschutzrechtlichen und der wasserrechtlichen Verfahren aufeinander ausreichend sichergestellt worden. Die Gefahr der Entstehung getrennter Konzepte habe nicht bestanden. Wasserrechtliche Zweifelsfragen hätten sich für die Immissionsschutzbehörde nicht ergeben. Vielmehr sei die Einhaltung wasserrechtlicher Vorschriften hier mit der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 16. September 2014 abschließend geklärt. Es könne dahinstehen, ob die Kläger bezogen auf diese Erlaubnis widerspruchsbefugt seien und ob sie ein etwaiges Widerspruchsrecht verwirkt hätten. Denn sie könnten jedenfalls keine umfassende Überprüfung der wasserrechtlichen Erlaubnis verlangen. Es sei der Öffentlichkeit auch nicht die Möglichkeit der Beteiligung an dem gesamten Entscheidungsprozess genommen worden. Denn der Antrag auf Erteilung der Erlaubnis sei ein Teil der im immissionsschutzrechtlichen Verfahren ausgelegten Unterlagen gewesen.
In materiell-rechtlicher Hinsicht wiederholt der Beklagte seine Ausführungen aus dem Zulassungsverfahren. Insoweit wird auf seine Berufungsbegründungsschrift vom 4. Dezember 2020 (Bl. 653 ff. [662 ff.] GA) verwiesen.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er erklärt jedoch sein Einverständnis mit der beantragten und beabsichtigten Zurückverweisung (Bl. 721 GA).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die Beiakten 1 bis 5 verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Beratung im Senat gewesen sind.
II.
Der Senat trifft seine Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130a Satz 1 VwGO), weil er eine Zurückverweisung einstimmig für angezeigt und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Auch eine Zurückverweisung darf im Wege eines Beschlusses nach § 130a VwGO vorgenommen werden (Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 130a Rn. 12; Kuhlmann, in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 130 Rn. 10; Seibert, in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 130a Rn. 44, vgl. auch Hess. VGH, Beschl. v. 7.5.2020 – 1 A 661/20 -, DVBl. 2020, 1148 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 27).
Die Berufungen der Kläger und des Beklagten sind zulässig und mit der Maßgabe begründet, dass das auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2019 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Stade – 2. Kammer – einschließlich des ab Beginn der mündlichen Verhandlung geführten Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht Stade zurückverwiesen wird.
Eine solche Entscheidung ist nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO grundsätzlich zulässig, weil der Kläger eine Zurückverweisung beantragt, das Verwaltungsgericht noch nicht zur Sache selbst entschieden hat und deren weitere Verhandlung erforderlich ist. Davon, dass noch nicht in der Sache entschieden wurde, ist auch dann auszugehen, wenn das Gericht infolge einer Fehldeutung des Klageziels das Klagebegehren nicht oder allenfalls teilweise beschieden hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.1.2012 - BVerwG 3 C 8.11 -, NVwZ-RR 2012, 431 [432, Rn. 17]; Dietz, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 130 Rn. 12; Kuhlmann, in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 130 Rn. 7).
Ein solcher Fall liegt hier aus drei Gründen vor.
Von seinem ursprünglichen Aussetzungsantrag mit Schriftsatz vom 12. Juli 2018 (Bl. 292 ff. [296] GA) war der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung erster Instanz abgerückt (vgl. Bl. 546, vorletzter Absatz, GA). Vor diesem Hintergrund überzeugt erstens die Kritik der Kläger, das Verwaltungsgericht habe ausweislich der Entscheidungsformel ihr Klagebegehren verfehlt, weil es mit der Außervollzugsetzung des Genehmigungsbescheides vom 4. April 2016 (in der Fassung des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 30. März 2017 und des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2017) bis zur Behebung eines Verfahrensfehlers im Gewande einer Endentscheidung eine ähnliche Wirkung erzeuge, wie durch eine rechtswidrig aufgezwungene Anordnung der Aussetzung des Verfahrens im Sinne des § 4 Abs. 1b Satz 3 UmwRG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsgericht – ohne nähere Begründung – mit seiner Urteilsformel von jeder einschlägigen Rechtsprechung und Lehre abgewichen ist. Die von ihm beabsichtigten Rechtswirkungen des Urteils lassen sich daher nicht anhand eines Rückgriffs auf die hergebrachte Dogmatik der zur Rechtfertigung herangezogenen prozessualen Normen bestimmen, sondern nur anhand des Wortsinns des Ausspruchs. Danach wurde eine Entscheidung getroffen, durch welche der „Vollzug“ – d. h. die Vollziehung – des Genehmigungsbescheides „ausgesetzt“ wird, und zwar so wie dies – zumindest dem Wortlaut nach – gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 Variante 3 i. V. m. Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 1 VwGO allenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes möglich wäre. Das zeitliche Ende dieser Aussetzung ergibt sich jedoch nicht wie im Eilverfahren aus § 80b VwGO, sondern aus einer dem § 4 Abs. 1b Satz 3 UmwRG entlehnten Befristung bis zur Heilung des angenommenen Verfahrensfehlers. Damit ist etwas ausgeurteilt worden, das nicht von dem recht verstandenen Klagebegehren nach Aufhebung, hilfsweise Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der Genehmigung in ihrer soeben bezeichneten Fassung umfasst war, sondern dem eine unzulässige Umdeutung dieses Begehrens in etwas Unstatthaftes (quasi ein Aussetzungsverlangen) zugrunde liegt.
Zweitens beanstanden die Rechtsmittelführer zu Recht, dass mit dem angefochtenen Urteil weder in klarer Weise abweisend noch gar stattgebend über das Aufhebungsbegehren der Kläger entschieden worden ist.
Sie rügen deshalb drittens auch richtig, dass es von dem Verwaltungsgericht zu Unrecht unterlassen wurde, die übrigen Anfechtungsgründe einer Prüfung zu unterziehen, die neben dem von ihm für gegeben, aber heilbar gehaltenen Verfahrensfehler vorgebracht worden waren. Denn diese Gründe hätten zunächst daraufhin geprüft werden müssen, ob sie die Aufhebung der Genehmigung rechtfertigten und – falls das nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht der Fall gewesen wäre – daraufhin, ob (auch) ihretwegen die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der Genehmigung festzustellen sei.
Es ist eine weitere Verhandlung der Sache erforderlich. Das ergibt sich aus denselben Gründen, aus denen der Senat neben dem angefochtenen Urteil das ab Beginn der mündlichen Verhandlung geführte Verfahren aufhebt.
Die Aufhebung des Verfahrens ist auf denjenigen abgrenzbaren Verfahrensteil zu beschränken, der einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel enthält oder in dem dieser Mangel fortwirkt (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 130 Rn. 17; Althammer, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 6, 23. Aufl. 2018, § 538 Rn. 52; Oberheim, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 12. Aufl. 2020, § 538 Rn. 43; OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.11.1998 - 1 U 55-98 - 11 -, NJW-RR, 1999, 719 [OLG Saarbrücken 11.11.1998 - 1 U 55/98 - 11], [720]).
Soweit hier im erstinstanzlichen Verfahren – ohne Beachtung des § 56 Abs. 1 VwGO (vgl. Bl. 104 f. GA) und in Abweichung von dem möglicherweise (vgl. jedoch BVerwG, Beschl. v. 16.4.2020 - BVerwG 9 B 66.19 -, juris, Rnrn. 4 f., und Urt. v. 6.9.2018 - BVerwG 3 A 15.15 -, NVwZ 2019, 313 ff., hier zitiert nach juris Rn. 15) gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 UmwRG anzuwendenden (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 27.8.2019 - 7 KS 24/17 -, RdL 2020, 354 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 154) § 6 Satz 1 UmwRG – eine Klagebegründungsfrist bestimmt worden ist, unterliegt eine (mögliche) Verfahrensfehlerhaftigkeit dieser Fristbestimmung im Hinblick auf deren Unanfechtbarkeit (§ 146 Abs. 2 VwGO) gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 512 ZPO nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 11.5.2020 - 12 LA 150/19 -, BauR 2020, 1292 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 21).
Dagegen sind die mündliche Verhandlung erster Instanz und das weitere erstinstanzliche Verfahren davon beeinflusst gewesen, dass das Verwaltungsgericht das Klagebegehren (§ 88 VwGO) verfahrensfehlerhaft missdeutet (vgl. Althammer, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 6, 23. Aufl. 2018, § 538 Rn. 19) und dem Rechtsbehelf im Wege der „Interpretation“ ein objektiv unstatthaftes „Klagezwischenziel“ unterlegt hat. Es hat zudem die Beweisanträge der Kläger, deren Klarstellung als „unbedingt gestellt“ in der Sitzungsniederschrift dokumentiert worden ist (vgl. Bl. 547 GA), ohne einen aus der Sitzungsniederschrift oder dem Urteil ersichtlichen vorherigen rechtlichen Hinweis (vgl. § 86 Abs. 3 VwGO) – und damit verfahrensfehlerhaft überraschend – gerade nicht als unbedingte Beweisanträge, sondern nur als Hilfsbeweisanträge eingeordnet, sowie sie sodann aus Gründen der „Prozessökonomie, der Verfahrensbeschleunigung und aus Kostengründen … zunächst … dem … Verwaltungsverfahren überlassen“ und sie damit inhaltlich abgelehnt. Die genannten Ablehnungsgründe wären im Übrigen nicht als solche anerkannt (vgl. Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rnrn. 67 ff.) und damit jedenfalls nicht geeignet, unbedingte Beweisanträge abzulehnen. Eine tragfähige prozessrechtliche Stütze fänden sie auch nicht mittelbar in Sinn und Zweck des erstinstanzlichen Urteilsausspruchs, da eine Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Genehmigung aus Gründen des Prozessrechts nicht hätte ausgeurteilt werden dürfen.
Teilweise offenbleiben kann hier, wie das Verwaltungsgericht mit den Beweisanträgen der Kläger, die unter gleichzeitigem Verzicht auf ihre Bescheidung in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich „unbedingt gestellt“ worden sind, in richtiger Weise hätte umgehen müssen. Grundsätzlich ist es verfahrensfehlerhaft, über einen unbedingten Beweisantrag nicht vorab durch Beschluss, sondern erst im Urteil zu entscheiden (Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 62; Wimmer, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 86 Rn. 61). Aus dem Verfahren 12 LB 118/16 ist dem Senat allerdings gerichtsbekannt, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit seiner vorbezeichneten Art der „Beweisantragstellung unter Abgabe einer Verzichtserklärung“ Beweisanträge beabsichtigte, die erst im Urteil beschieden werden, aber dennoch als „unbedingt“ (und damit gerade nicht lediglich als Hilfsbeweisanträge) zu werten sein sollen. Denn die Ablehnung eines Hilfsbeweisantrags kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich allein mit der Aufklärungsrüge angegriffen werden, die ihrerseits nur dann begründet wäre, wenn sich dem Gericht auf der Grundlage seiner eigenen [materiell-rechtlichen] Rechtsauffassung eine weitere Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.3.2015 - BVerwG 1 B 9.15 -, juris, Rn. 3, m. w. N.; Kukk, in: Peters/Kukk/Ritgen, Der Beweis im Verwaltungsrecht, München 2019, S. 78 f., Rn. 103, S. 95, Rn. 160, m. w. N. auch zur Gegenansicht). Der Senat hat erhebliche Zweifel daran, dass es einen „unbedingten“, aber zugleich mit einem Verzicht auf die Bescheidung in der mündlichen Verhandlung verbundenen Beweisantrag geben kann, solche Anträge also keinen Widerspruch in sich enthalten. Viel spricht nämlich dafür, dass „unbedingte“ Beweisanträge begrifflich nur solche sind, die in der mündlichen Verhandlung gerade in der Absicht gestellt werden, dass das Gericht über sie vorab entscheidet (so: Schübel-Pfister, a. a. O., § 86 Rn. 54; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 26.6.1968 - BVerwG V C 111.67 -, BVerwGE 30, 57 [58 f.]). Deshalb ist es zwar mit guten Gründen vertretbar, dass das Verwaltungsgericht die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge des Klägers – auch entgegen ihrer Einordnung durch den Kläger selbst – nicht als „unbedingt gestellt“ behandeln, sondern (im Hinblick auf den Verzicht auf die Bescheidung in der mündlichen Verhandlung) nur als Hilfsbeweisanträge werten (oder sie in solche umdeuten) wollte. Dies hätte dann aber nicht ohne ausdrücklichen vorherigen rechtlichen Hinweis geschehen dürfen, nachdem zuvor gegen Ende der mündlichen Verhandlung eigens als Klarstellung protokolliert worden war, diese Anträge seien „unbedingt gestellt“. Denn es läuft dem Grundsatz der Fairness im Verwaltungsprozess zuwider, eine Prozesserklärung, die zunächst als klarstellend protokolliert worden ist, aber als weiter widersprüchlich erscheint, (teilweise) zu Ungunsten des Erklärenden in einer dem Wortsinn der vermeintlichen Klarstellung widerstreitenden Weise zu deuten, ohne zuvor einen entsprechenden rechtlichen Hinweis auf die fortbestehende Unklarheit zu erteilen.
Zumal die Kläger die Zurückverweisung beantragen und der Beigeladene sein Einverständnis mit ihr erklärt hat, macht der Senat von seinem Ermessen dahin Gebrauch, die Sache zurückzuverweisen. Allein die Interessen des Beklagten als Verwaltungsträger der Immissionsschutzbehörde rechtfertigen es nämlich nicht, den Klägern eine Instanz zu nehmen. Es kommt auch nicht in Betracht, die Klage schon deshalb abzuweisen, weil sie sich – wie der Beklagte meint – nur gegen die Genehmigung des Beklagten vom 4. April 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2017 richte. Denn ungeachtet des Umstandes, dass die Kläger den Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 30. März 2017 in ihren Berufungsanträgen nicht erwähnen, geht doch aus ihrem Schriftsatz vom 27. Dezember 2019 (Bl. 627 ff. [628] GA) hinreichend hervor, dass sich ihr aktuelles Klagebegehren (§ 88 VwGO) nicht gegen die Ursprungsfassung der Genehmigung richtet. Es ist daher eine quasi erstmalige Aufarbeitung insbesondere der immissionsschutzrechtlichen Problematik des Falles erforderlich, ohne dass hierzu bereits die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen wären.
Die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache sind unabhängig davon gerechtfertigt, wie die unter den Beteiligten umstrittene Frage eines etwaigen Verstoßes gegen die Koordinierungspflicht des § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG zu beurteilen ist. Deshalb tragen die nachfolgenden diesbezüglichen Ausführungen des Senats zur Rechtslage nicht die Zurückverweisung und werden von der Bindungswirkung des § 130 Abs. 3 VwGO nicht erfasst (vgl. Blanke, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 130 Rn. 14). Als sogenannte „Segelanweisungen“ (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 27.2.2009 - 5 LB 175/06 -, DVBl. 2009, 531 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 40) sollen sie dem Verwaltungsgericht lediglich als Hinweise für seine eigene Rechtsfindung dienen.
Entgegen der Auffassung der Kläger werden weder durch § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG noch durch das Koordinierungsgebot des § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG, das allerdings auch dann eingreift, wenn die gleiche Behörde für die parallelen Verwaltungsverfahren zuständig ist (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 1.12.2011 - 8 D 58/08.AK -, BauR 2012, 773 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 430, und Beschl. v. 16.6.2016 - 8 D 99/13.AK -, DVBl. 2016, 1191 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 792), das immissionsschutzrechtliche Genehmigungs- und das parallele wasserrechtliche Erlaubnisverfahren in der Weise miteinander verklammert, dass die Rechtmäßigkeit einer erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis – und insbesondere die Verfahrensfehlerfreiheit des wasserrechtlichen Erlaubnisverfahrens – eine inzident zu prüfende Vorfrage der Rechtmäßigkeit der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wäre.
Zwar hat die Immissionsschutzbehörde vor der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für ein Vorhaben, das auch einer wasserrechtlichen Erlaubnis bedarf oder mit einem anderen wasserrechtlich erlaubnispflichtigen Vorhaben im Sinne des § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG in Zusammenhang steht, zu prüfen, ob der Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis unüberwindbare Hindernisse entgegenstehen (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 1.12.2011 - 8 D 58/08.AK -, BauR 2012, 773 ff., hier zitiert nach juris, Rnrn. 432 f., m. w. N.). Nach der Erteilung einer entsprechenden wasserrechtlichen Erlaubnis hat sie aber im Verhältnis zu dem Erlaubnisnehmer – hier dem Beigeladenen – aufgrund der diesem gegenüber eingetretenen Bestandskraft der Erlaubnis und im Verhältnis zu Dritten – hier den Klägern – aufgrund der Tatbestandswirkung der Erlaubnis grundsätzlich ohne weiteres von der Erlaubnisfähigkeit der Gewässerbenutzung auszugehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.6.2007 - BVerwG 4 BN 17.07 -, BauR 2007, 1712 f. hier zitiert nach juris, Rn. 8; Nds. OVG, Beschl. v. 4.7.2017 - 7 KS 7/15 -, DVBl. 2017, 1440 ff., hier zitiert nach juris, Rnrn. 124 ff.). Eine inzidente Überprüfung der wasserrechtlichen Erlaubnis findet deshalb auch im Prozess über die Anfechtung der parallelen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung grundsätzlich nur noch darauf statt, ob die Erlaubnis etwa als nichtiger Verwaltungsakt unwirksam ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 4.7.2017 - 7 KS 7/15 -, a. a. O., Rn. 130). Dahinstehen kann hier, was im Falle einer Drittanfechtung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu gelten hat, wenn die parallele wasserrechtliche Erlaubnis bereits vor dem für die gerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens des immissionsschutzrechtlichen Widerspruchsbescheides (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 15.9.2020 - 12 ME 29/20 -, RdL 2021, 27 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 88) von dem die immissionsschutzrechtliche Genehmigung anfechtenden Drittbetroffenen – hier den Klägern – mit einem nicht offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelf angefochten worden ist, oder wenn die Wasserbehörde – hier der Beklagte – selbst bereits vor diesem Zeitpunkt beabsichtigte, über die wasserrechtliche Erlaubnis erneut zu entscheiden (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 1.12.2011 – 8 D 58/08.AK -, a. a. O., juris, Rn. 440). Zum einen hat keiner dieser Fälle hier vorgelegen, und zum anderen käme auch in diesen Fällen allenfalls in Betracht zu prüfen, ob der Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis unüberwindbare Hindernisse entgegenstehen. Denn selbst bei Bestehen eines Koordinierungsgebotes ist es nicht die Aufgabe der Immissionsschutzbehörde eine umfassende Prüfung vorzunehmen, ob eine wasserrechtliche Erlaubnis erteilt werden kann (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 1.12.2011 - 8 D 58/08.AK -, a. a. O., juris, Rn. 441). Daran ändert sich durch eine – etwa – verfahrensfehlerhaft verfrühte Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis nichts.
Unüberwindbare verfahrensrechtliche Hindernisse für eine (erneute) Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis könnten sich hier im Übrigen nicht unter dem Blickwinkel eines wasser- oder immissionsschutzrechtlichen Koordinierungsgebotes ergeben. Denn mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass – nötigenfalls – verfahrensrechtlich zumindest die Möglichkeit bestünde, parallele ergänzende wasser- und immissionsschutzrechtliche Verwaltungsverfahren durchzuführen, um die ergangenen immissionsschutzrechtlichen und wasserrechtlichen Bescheide koordiniert anzupassen.
Unrichtig sehen die Kläger ferner für den vorliegenden Fall einen Ursachenzusammenhang (vgl. insoweit auch § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c UmwRG) zwischen einer Verletzung des Koordinierungsgebots des § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG und einer unterlassenen Öffentlichkeitsbeteiligung unter Auslegung von Unterlagen zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung. Denn aus der Rechtsfolgenanordnung des § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG kann sich weder ergeben, dass in dem wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorzunehmen war, noch, dass die dort erlaubte Benutzung eines Gewässers im Dienste des immissionsschutzrechtlichen Vorhabens eine Umweltverträglichkeitsprüfung voraussetzte und sich deshalb die im immissionsschutzrechtlichen Verfahren durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung auch auf die Umweltauswirkungen der Einleitung des Niederschlagswassers zu erstrecken gehabt hätte. Die etwaige Erforderlichkeit einer Öffentlichkeitsbeteiligung im wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren dürfte vielmehr anhand des § 12 Abs. 1 und Abs. 2 i. V. m. § 9 Abs. 2 NWG oder gemäß § 11 Abs. 1 WHG i. V. m. § 9 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 2 NWG zu beurteilen sein, und die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. deren Reichweite ist hier namentlich im immissionsschutzrechtlichen Verfahren anhand des § 1 UVPG a. F. sowie nach Maßgabe der §§ 1 Abs. 3 und Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV a. F. zu bestimmen. Die Koordinierungsgebote des § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG bzw. des § 12 Abs. 3 NWG steuern mit ihren Rechtsfolgenanordnungen lediglich die Ausübung des Verfahrensermessens, das der Immissionsschutzbehörde bzw. der Wasserbehörde innerhalb jenes Rahmens verbleibt, der durch die zuvor genannten Normen gezogen wird, indem diese Normen – dem Regelungsgegenstand der Koordinierungsgebote vorgelagert – unter anderem vorgeben, ob und inwieweit die zu koordinierenden Verwaltungsverfahren eine Öffentlichkeitsbeteiligung und eine Umweltverträglichkeitsprüfung einschließen. Sollte daher der Beklagte als Wasserbehörde eine – etwa – bestehende Notwendigkeit verkannt haben, das wasserrechtliche Erlaubnisverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, und deshalb zu Unrecht darauf verzichtet haben, dieses Verfahren deshalb neben dem immissionsschutzrechtlichen Verfahren fortzuführen, um die Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfung für beide Verfahren zu koordinieren, läge sein Verfahrensfehler in der unrichtigen Anwendung der Vorschriften, die den vorgenannten Rahmen des wasserrechtlichen Erlaubnisverfahrens ziehen, und nicht in der Anwendung des Koordinierungsgebotes nach § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG. Überwiegendes spricht deshalb dafür, dass sich das Koordinierungsgebot des § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG aufgrund der Tatbestandswirkung der wasserrechtlichen Erlaubnis hier zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt in einem Anpassungsgebot erschöpfte. Ob in Anwendung des Rechtsgedankens des § 162 BGB etwas anders zu gelten hätte, wenn der Beklagte eine als rechtswidrig verfrüht erkannte Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis gezielt vorgenommen hätte, um sich dadurch einer ansonsten gemäß § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG gebotenen weiterreichenden Abstimmung des immissionsschutzrechtlichen auf das wasserrechtliche Verfahren zu entziehen, mag offenbleiben.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (vgl. Happ, in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 130 Rn. 19)
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Die erforderliche Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an den Vorschlägen unter Nr. 19.2 i. V. m. Nr. 2.2.2 in dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).