Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.03.2021, Az.: 13 PS 76/21

abgelehnt; Amt; Antrag; antragsberechtigt; außerordentlich; Befreiung; belastet; berufliche Beanspruchung; ehrenamtlich; Entbindung; erschweren; Präsident; Richter; Übernahme; unzumutbar; Verwaltungsgericht; Wahl

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.03.2021
Aktenzeichen
13 PS 76/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70800
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Anträge der

Präsidentin des Verwaltungsgerichts Oldenburg

und der

Frau A.,

A-Straße,

A-Stadt,

diese von ihrem Amt als ehrenamtliche Richterin in der 15. Kammer des Verwaltungsgerichts Oldenburg zu entbinden,

werden abgelehnt.

Gründe

Gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 24 Abs. 2 VwGO ist der beschließende Senat nach erfolgter Anhörung (§ 24 Abs. 3 Satz 2 VwGO) dazu berufen, die Entscheidung über die Anträge auf Entbindung der Frau A. von deren Amt als ehrenamtliche Richterin zu treffen.

Diese Anträge sind abzulehnen.

I. Der Antrag der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Oldenburg (Schreiben v. 23.2.2021, Bl. 2 der GA) ist unzulässig, weil diese im Hinblick auf den allein in Rede stehenden Entbindungsgrund aus § 24 Abs. 2 VwGO („besonderer Härtefall“) gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz VwGO nicht antragsberechtigt ist.

II. Der Antrag der Frau A. bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Der für eine Entbindung aus Härtefallgründen in formeller Hinsicht erforderliche Antrag, der gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz VwGO zulässigerweise von der ehrenamtlichen Richterin gestellt wurde, liegt mit dem Schreiben vom 19. Februar 2021 (Bl. 3 der GA) zwar vor.

2. Materiell-rechtlich anzuwenden ist nicht die Vorschrift über die Befreiung von der Übernahme des Amtes als ehrenamtliche Richterin in § 23 Abs. 2 VwGO, sondern diejenige über die Entbindung vom Amt der ehrenamtlichen Richterin in § 24 Abs. 2 VwGO, weil der einen Härtefall begründende Umstand nach dem Inbegriff des Vorbringens im vorliegenden Fall erst nach der Wahl zur ehrenamtlichen Richterin im Januar 2021 eingetreten sein soll (vgl. OVG Saarland, Beschl. v. 2.2.2011 - 1 F 6/11 -, NVwZ-RR 2011, 348, 349; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 23 Rn. 1, § 24 Rn. 7).

3. Jedoch fehlt es an einem Entbindungsgrund.

Ein von § 24 Abs. 2 VwGO für die gewünschte Entbindung vom Amt der ehrenamtlichen Richterin vorausgesetzter „besonderer Härtefall“, der in gleicher Weise wie der wortlautidentische Grund für eine Befreiung von der Übernahme eines derartigen Amtes aus § 23 Abs. 2 VwGO (vgl. Schübel-Pfister, a.a.O., § 24 Rn. 7) wegen der besonderen Bedeutung der Gewährleistung des gesetzlichen Richters auf enge Ausnahmefälle beschränkt werden muss (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 13.4.1983 - 5 S 83 A.624 -, NVwZ 1984, 593, 594), ist nicht gegeben.

Ein besonderer Härtefall liegt danach jedenfalls vor, wenn äußere Umstände die Ausübung des Amtes unzumutbar erscheinen lassen, insbesondere der ehrenamtliche Richter dadurch seelisch oder körperlich unzumutbar belastet wird, etwa bei Gebrechlichkeit oder einer außerordentlichen beruflichen oder familiären Beanspruchung (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 13.11.1997 - 2 P 10/97 -, NVwZ-RR 1998, 784; Bayerischer VGH, Beschl. v. 13.4.1983, a.a.O.). Zum Teil wird daneben für möglich gehalten, dass es ausreichen könnte, dass äußere Umstände die Amtsausübung in außergewöhnlicher Weise erschweren (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 13.11.1997, a.a.O.). Keine dieser Varianten liegt hier jedoch vor.

Dass die ehrenamtliche Richterin regulär in Vollzeit im Schichtdienst arbeitet und hierbei auch Überstunden anfallen (vgl. Schreiben v. 3.3.2021, Bl. 6 der GA), ist noch nicht mit einer außerordentlichen beruflichen Beanspruchung gleichzusetzen.

Des Weiteren ist zu bedenken, dass die turnusgemäße Heranziehung als ehrenamtliche Richterin zu Kammersitzungen der 15. Kammer des Verwaltungsgerichts Oldenburg Frau A. aller Voraussicht nach höchstens lediglich an einigen Tagen im Jahr betreffen wird.

Soweit die ehrenamtliche Richterin ungeachtet dessen auf Besonderheiten ihrer beruflichen Tätigkeit in einer Inobhutnahmestelle mit Intensivwohngruppe für Babys, Kleinkinder und andere Kinder im Alter von bis zu sechs Jahren verweist, ist eine strikte „Unabkömmlichkeit“ für Zwecke der Ausübung des Ehrenamts während der Zeiten (Phasen bzw. Schichten), in denen sie zum Dienst in der Inobhutnahmestelle eingeteilt ist (vgl. Schreiben v. 19.2.2021, Bl. 3 der GA), auch unter Berücksichtigung eines nachvollziehbar erhöhten Bedarfs nach einer festen Bezugsperson bei Kindern in diesem jungen Alter nicht hinreichend dargetan. Im Gegenteil erwähnt Frau A. als Weg zur Gewährleistung der ihr obliegenden dienstlichen Verrichtungen im Falle ihrer Heranziehung als ehrenamtliche Richterin in ihrem auf die Anhörung eingereichten Schreiben vom 3. März 2021 (Bl. 6 der GA) gerade die Vertretung durch eine Kollegin der Inobhutnahmestelle, deren Ableistung sie dieser lediglich „nicht zumuten“ wolle.

All dies begründet allenfalls (ggf. auch größere) Unannehmlichkeiten, stellt jedoch weder eine außerordentliche Erschwerung noch eine Unzumutbarkeit der Amtsausübung als ehrenamtliche Richterin dar, so dass ein besonderer Härtefall im Sinne des § 24 Abs. 2 VwGO zu verneinen ist.

Entbindungsgründe nach § 24 Abs. 1 VwGO sind weder geltend gemacht noch sonstwie für den Senat ersichtlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 24 Abs. 3 Satz 3 VwGO).