Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.03.2021, Az.: 5 ME 5/21

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.03.2021
Aktenzeichen
5 ME 5/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70831
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 05.01.2021 - AZ: 13 B 6240/20

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zu den Anforderungen an ein "entgegenstehendes dienstliches Interesse" i. S. des § 36 Abs. 1, Satz 1 und Satz 1 NBG

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 13. Kammer - vom 5. Januar 2021 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Rechtszüge auf 11.455,65 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Streitgegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Eintritt des Ruhestandes des Antragstellers nicht um ein weiteres - drittes - Jahr hinauszuschieben.

Der 1953 geborene Antragsteller steht im Statusamt eines Stadtamtsinspektors (Besoldungsgruppe A 9 mit Amtszulage) und ist im Fachbereich Wirtschaft der Antragsgegnerin eingesetzt. Er wäre wegen des Erreichens der für ihn maßgeblichen Regelaltersgrenze an sich mit Ablauf des 31. Januar 2019 in den Ruhestand getreten; der Eintritt seines Ruhestandes ist jedoch auf entsprechende Anträge des Antragstellers hin bereits zweimal um jeweils ein Jahr - nämlich bis zum 31. Januar 2020 sowie bis zum 31. Januar 2021 - hinausgeschoben worden.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2020 beantragte der Antragsteller, den Eintritt seines Ruhestandes um ein weiteres (drittes) Jahr - also bis zum Ablauf des 31. Januar 2022 - hinauszuschieben.

Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 6. November 2020 ab. Zur Begründung führte sie aus, um eine Gleichbehandlung von vergleichbaren Fällen zu erreichen und damit auch ermessensfehlerfrei über entsprechende Anträge zu entscheiden, sei ein verbindliches Verfahren festgelegt worden, das mit dem sogenannten „Grünschreiben“ Nr. 06/14 (im Folgenden: „Grünschreiben“) verschriftlicht und veröffentlicht worden sei. Hierbei handle es sich um eine generelle, vom Einzelfall unabhängige Personalplanung, welche gesamtstädtisch zur Anwendung komme und nicht nur die derzeitige Stelle des Antragstellers betreffe. Dieses gesamtstädtische Konzept sehe vor, dass grundsätzlich alle Mitarbeiter mit Erreichen ihrer individuellen Altersgrenze aus dem aktiven Dienst ausschieden. Rechtzeitig vor dem jeweiligen Ausscheiden werde geprüft, wie die Stelle zukünftig zu besetzen sei. Diese auf den jeweiligen Dienstposten bezogene Personalplanung könne unter bestimmten Voraussetzungen durchaus eine weitere Besetzung mit dem bisherigen Stelleninhaber beinhalten; Voraussetzung hierfür sei die Unmöglichkeit der Stellenbesetzung, die Unmöglichkeit/Unwirtschaftlichkeit der Einarbeitung einer Vertretungskraft aufgrund einer Erkrankung oder ein besonderes Personalentwicklungsinteresse an der Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Keine dieser Voraussetzungen treffe jedoch im Falle des Antragstellers zu.

Zum jetzigen Zeitpunkt sei davon auszugehen, dass die Stelle des Antragstellers neu besetzt werde. Das Interesse an der Umsetzung der Inhalte des „Grünschreibens“ stehe dem Begehren des Antragstellers entgegen. Nach dem „Grünschreiben“ könne dem Antrag auf Hinausschieben des Ruhestandes nur entsprochen werden, wenn ein persönlicher Sachverhalt vorliege, der dies rechtfertige. Hierfür geeignete Sachverhalte seien ausweislich des „Grünschreibens“,

- dass die Verlängerung der Lebensarbeitszeit notwendig sei, um eine persönliche wirtschaftliche Notlage durch eine Unterversorgung im Alter zu mindern; eine solche Unterversorgung sei anzunehmen, wenn ggf. ein Anspruch auf Grundsicherung bestehe,

- dass die Verlängerung der Lebensarbeitszeit notwendig sei, um eine persönliche soziale Notlage, wie z. B. den Tod des Partners, zu mindern, oder

- dass die Verlängerung der Lebensarbeitszeit notwendig sei, um die Wartezeit zum Erwerb von Versorgungsrentenansprüchen aus der Zusatzversorgung zu erfüllen.

Diese Sachverhalte lägen im Streitfall nicht vor.

Zudem sehe das „Grünschreiben“ vor, dass eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit um maximal zwei Jahre möglich sei. Die Lebensarbeitszeit des Antragstellers sei indes bereits um diesen Maximalzeitraum von zwei Jahren verlängert worden. Seine Lebensarbeitszeit abweichend von der Festlegung im „Grünschreiben“ um ein weiteres Jahr zu verlängern, widerspräche nicht nur dem hierin zum Ausdruck gebrachten gesamtstädtischen Konzept, sondern stelle auch eine Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Mitarbeitern der Antragsgegnerin dar.

Gegen diese ablehnende Entscheidung hat der Antragsteller am 2. Dezember 2020 bei dem Verwaltungsgericht Hannover unter dem Aktenzeichen 13 A 6239/20 Klage erhoben und dort unter demselben Datum um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht.

Das Verwaltungsgericht Hannover hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 5. Januar 2021 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Eintritt des Antragstellers in den Ruhestand bis zu einem Monat nach Zustellung einer neuen, die Rechtsauffassung der Kammer beachtenden Entscheidung über seinen Antrag vom 29. Juli 2020 hinauszuschieben, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren und bis zum 31. Januar 2022.

Der Antragsteller habe einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, und auch ein Anordnungsanspruch liege vor. Denn es spreche ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragsteller im Klageverfahren zum Aktenzeichen 13 A 6239/20 obsiegen werde. Anspruchsgrundlage für sein Begehren sei § 36 Abs. 1 Satz 2 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (NBG), wonach der Eintritt in den Ruhestand um längstens weitere zwei Jahre hinausgeschoben werden könne, wenn dem Hinausschieben nicht dienstliche Interessen entgegenstünden. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin lasse sich ein entgegenstehendes dienstliches Interesse im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 2 NBG nicht unter Hinweis auf die Regelungen des „Grünschreibens“ begründen. Soweit Ziffer 4 lit. d) des „Grünschreibens“ bestimme, dass eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit um maximal zwei Jahre möglich sei, unterlaufe dies die gesetzlich verbrieften Ansprüche auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über Anträge auf Hinausschieben des Ruhestandes um insgesamt bis zu drei Jahre nach § 36 Abs. 1 Satz 2 NBG. Auf den Grundsatz der Gleichbehandlung von Beamten und Tarifangestellten könne sich die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg berufen, weil der Gesetzgeber in § 36 Abs. 1 NBG eine Regelung für Beamte getroffen habe, die Geltung beanspruche, auch wenn für Tarifangestellte insoweit andere Bestimmungen zur Anwendung kämen.

Weil die Antragsgegnerin bislang noch keine Ermessensentscheidung getroffen habe, werde die Wirkung der einstweiligen Anordnung bis zu einem Monat nach Zustellung einer neuen, die Rechtsauffassung der Kammer beachtenden Entscheidung über den Antrag auf Hinausschieben des Ruhestandes, längstens aber bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren bzw. bis zum 31. Januar 2021 begrenzt. In die von der Antragsgegnerin zu treffende Ermessensentscheidung gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 NBG könnten gegebenenfalls auch die unter Ziffer 4 lit. a) bis c) des „Grünschreibens“ aufgeführten, in der Person des Beamten liegenden Umstände eingestellt werden; nicht zulässig - weil dies dem gesetzgeberischen Willen zuwiderliefe - wäre allerdings eine Ermessensentscheidung des Inhalts, dass die Regelungen des „Grünschreibens“ ein Hinausschieben des Ruhestandes um mehr als zwei Jahre schlechthin ausschlössen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, der der Antragsteller entgegentritt.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Die von ihr dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - beschränkt ist, rechtfertigen eine Änderung des angegriffenen Beschlusses nicht.

1. Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 NBG ist auf Antrag eines Beamten der Eintritt in den Ruhestand um bis zu ein Jahr hinauszuschieben, wenn dienstliche Interessen nicht entgegenstehen. Unter den gleichen Voraussetzungen kann der Eintritt in den Ruhestand gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 NBG um längstens weitere zwei Jahre hinausgeschoben werden. Die Anträge sind jeweils spätestens sechs Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu stellen (§ 36 Abs. 1 Satz 3 NBG).

Im Streitfall ist der Eintritt des Ruhestandes des Antragstellers bereits zweimal um jeweils ein Jahr - nämlich bis zum 31. Januar 2020 und bis zum 31. Januar 2021 - hinausgeschoben worden. Somit ist § 36 Abs. 1 Satz 2 NBG einschlägig. Diese Norm ist zwar als Ermessensvorschrift ausgestaltet, verlangt aber wie der in § 26 Abs. 1 Satz 1 NBG statuierte gebundene Anspruch tatbestandlich, dass einem Hinausschieben des Ruhestandes „dienstliche Interessen nicht entgegenstehen“ (Nds. OVG, Beschluss vom 31.7.2019 - 5 ME 127/19 -, juris Rn. 3).

Bei dem Begriff des (entgegenstehenden) dienstlichen Interesses, der das Interesse des Dienstherrn an einer sachgerechten und reibungslosen Aufgabenerfüllung bezeichnet, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.3.2011 - 5 ME 43/11 -, juris Rn. 11; Beschluss vom 31.7.2019, a. a. O., Rn. 3; Beschluss vom 10.6.2020 - 5 ME 46/20 -; Beschluss vom 23.2.2021 - 5 ME 20/21 -, juris Rn. 12), der als solcher grundsätzlich der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt, ohne dass dem Dienstherrn insoweit ein Beurteilungsspielraum zukommt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 28.12.2018 - 5 ME 178/18 -; Beschluss vom 31.7.2019, a. a. O., Rn. 3; Beschluss vom 10.6.2020 - 5 ME 46/20 -; Beschluss vom 23.2.2021, a. a. O., Rn. 12; vgl. auch VGH Ba.-Wü., Beschluss vom 20.12.2017 - 4 S 2759/17 -, juris Rn. 7 [zu einer vergleichbaren landesrechtlichen Vorschrift.]). Allerdings hängt das Interesse des Dienstherrn an einer sachgerechten und reibungslosen Aufgabenerfüllung in erheblichem Maße von vorausgegangenen organisatorischen und personellen Entscheidungen des Dienstherrn ab und richtet sich nach dem gesetzlichen Auftrag der Dienststelle und den dort vorhandenen personalwirtschaftlichen und organisatorischen Möglichkeiten. Da es in erster Linie Aufgabe des Dienstherrn ist, in Ausübung des ihm zugewiesenen Personal- und Organisationsrechts zur Umsetzung gesetzlicher und politischer Ziele die Aufgaben der Verwaltung festzulegen, ihre Prioritäten zu bestimmen, sie auf die einzelnen Organisationseinheiten zu verteilen und ihre Erfüllung durch den bestmöglichen Einsatz von Personal und Sachmitteln sicherzustellen, gewährt die Voraussetzung des § 36 Abs. 1 Satz 1 NBG, dass dienstliche Interessen dem Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestandes nicht entgegenstehen dürfen, dem Dienstherrn eine Entscheidungsprärogative dahingehend, dass er seine dienstlichen Interessen und Aufgaben nach den Gesetzen definieren und sie durch einen ihm als geeignet erscheinenden Einsatz von Personal- und Sachmitteln umsetzen kann. Die gerichtliche Kontrolle dieser - vorprägenden verwaltungspolitischen (VGH Ba.-Wü., Beschluss vom 28.3.2013 - 4 S 648/13 -, juris Rn. 5) - Entscheidungen ist auf die Prüfung beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Organisationsermessens überschritten sind und ob von diesem in unsachlicher Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.3.2011, a. a. O., Rn 11; Beschluss vom 10.6.2020 - 5 ME 46/20 -; Beschluss vom 23.2.2021 a. a. O., Rn. 12; vgl. auch OVG M.-V., Beschluss vom 19.8.2008 - 2 M 91/08 -, juris Rn 7; VGH Ba.-Wü., Beschluss vom 28.3.2013, a. a. O., Rn 5; OVG NRW, Beschluss vom 29.5.2013 - 6 B 443/13 -, juris Rn 11).

Das (negative) Tatbestandsmerkmal der entgegenstehenden dienstlichen Interessen hindert das Entstehen des Anspruchs in der Art einer Einwendung (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 29.10.2013 - 5 ME 220/13 -, juris Rn. 8; Beschluss vom 10.6.2020 - 5 ME 46/20 -; Beschluss vom 23.2.2021, a. a. O., Rn. 13). Die „dienstlichen Interessen“ im Sinne des § 36 Abs. 1 NBG müssen von erheblichem Gewicht sein, denn nur dann können sie dem grundsätzlich eingeräumten Rechtsanspruch auf Hinausschieben des Ruhestandes „entgegenstehen“. Der Gesetzgeber hat mit § 36 Abs. 1 Satz 1 NBG in der seit dem 1. Dezember 2011 geltenden Fassung im Interesse einer wirksamen Flexibilisierung des Ruhestandseintritts einen gebundenen Anspruch geschaffen, mit dem die Rechtsposition von Beamten, die ihre Dienstzeit insbesondere aus persönlichen Gründen verlängern möchten, gestärkt werden sollte (LT-Drs. 16/3207, S. 138; vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 29.10.2013, a. a. O., Rn. 11; Beschluss vom 27.10.2017 - 5 ME 170/17 -; Beschluss vom 28.12.2018 - 5 ME 178/18 -). Hieraus ergibt sich, dass dienstliche Interessen im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 1 NBG erheblich gewichtig sein müssen, damit ein „Entgegenstehen“ bejaht werden kann (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 27.10.2017 - 5 ME 170/17 -; Beschluss vom 28.12.2018 - 5 ME 178/18 -; Beschluss vom 23.2.2021, a. a. O., Rn. 13). Der Wortlaut des § 36 Abs. 1 Satz 2 NBG - „unter den gleichen Voraussetzungen“ - verdeutlicht, dass auch die in Satz 2 geforderten „dienstlichen Interessen“ ein erhebliches Gewicht wie nach Satz 1 haben müssen, um den grundsätzlich eingeräumten Rechtsanspruch hindern zu können (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 20.1.2015 - 5 ME 199/14 -; Beschluss vom 27.10.2017 - 5 ME 170/17 -; Beschluss vom 28.12.2018 - 5 ME 178/18 -; Beschluss vom 31.7.2019, a. a. O., Rn. 3).

Da die Frage, ob entgegenstehende dienstliche Interessen gegeben sind, wesentlich von den Festlegungen des Dienstherrn abhängt (s. o.), trifft diesen die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen solcher Umstände (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 29.10.2013, a. a. O, Rn. 8; VGH Ba.-Wü., Beschluss vom 28.3.2013, a. a. O., Rn. 6); erforderlich ist - nicht zuletzt im Hinblick auf das Erfordernis der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes - GG -) - eine entsprechende Konkretisierung, Festlegung und Dokumentation (Nds. OVG, Beschluss vom 29.10.2013, a. a. O., Rn. 8; Beschluss vom 10.6.2020 - 5 ME 46/20 -; Beschluss vom 23.2.2021, a. a. O., Rn.13; VGH Ba.-Wü., Beschluss vom 28.3.2013, a. a. O., Rn. 6). Dabei ist zu beachten, dass nicht jede vage und frei veränderbare Personalplanung oder Absichtserklärung zur Annahme eines entgegenstehenden dienstlichen Interesses genügt; erforderlich ist vielmehr eine verfestigte organisatorische und personelle Entscheidung des Dienstherrn (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 26.9.2013 - 5 ME 198/13 -; Beschluss vom 28.12.2018 - 5 ME 178/18 -; Beschluss vom 31.7.2019, a. a. O., Rn. 4). Das gesetzgeberische Ziel der Flexibilisierung des Eintritts in den Ruhestand auch nach der Vorstellung des Beamten würde unterlaufen, wenn Folgen, welche typischerweise mit dem Hinausschieben des Ruhestandes verbunden sind, ein dienstliches Interesse zu begründen vermöchten (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 29.10.2013, a. a. O., Rn. 11; Beschluss vom 23.2.2021, a. a. O., Rn. 13). Um eine strukturelle Veränderungsabsicht zu dokumentieren, ist eine generelle - d. h. unabhängig vom Einzelfall bestehende - Planung erforderlich, die etwa in einem Strukturplan, einer konzeptionellen Stellenplanung, einem personalwirtschaftlichen Konzept oder einer ähnlichen allgemeinen Erklärung ihren Niederschlag finden kann (Nds. OVG, Beschluss vom 24.3.2017 - 5 ME 48/17 - m. w. Nw.; Beschluss vom 28.12.2018 - 5 ME 178/18 -). Demgegenüber sind Gegebenheiten, die mit dem Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand regelmäßig verbunden sind - also der bloße Umstand, dass die betreffende Stelle dann nicht vakant ist und daher zunächst nicht neu besetzt werden kann -, nicht ausreichend, um ein entgegenstehendes dienstliches Interesse im Sinne des § 36 Abs. 1 NBG zu begründen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 10.6.2020 - 5 ME 46/20 -; Beschluss vom 23.2.2021, a. a. O., Rn. 13).

Entgegenstehende dienstliche Interessen können insbesondere darin liegen, dass die Aufgaben, die der Betreffende wahrnimmt, oder die entsprechende Planstelle wegfallen sollen (vgl. zu einer solchen Fallkonstellation etwa Nds. OVG, Beschluss vom 27.10.2017 - 5 ME 170/17 - [Herabstufung des von einem Beamten innegehabten Dienstpostens]; Beschluss vom 28.12.2018 - 5 ME 178/18 - [Auflösung und Zusammenlegung von Revierförstereien]; Beschluss vom 23.2.2021, a. a. O., Rn. 16 bis 18 [Umstrukturierung und Personalplanung in Bezug auf eine bestimmte Ermittlungsgruppe bei einer Polizeiinspektion sowie Umstrukturierung in Bezug auf den Bereich der Kriminalinspektionen der regionalen Polizeidirektionen]) oder die Aufgabenwahrnehmung auch ohne den Betreffenden gesichert ist (vgl. hierzu Nds. OVG, Beschluss vom 31.7.2019, a. a. O., Rn 6 ff. [zur Sicherung der Unterrichtsversorgung an der entsprechenden Schule]). Berücksichtigungsfähige dienstliche Interessen können sich aber auch aus der Person des Beamten oder aus in dem Verhalten des Beamten liegenden Gründen ergeben (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 20.1.2015 - 5 ME199/14 -; Beschluss vom 28.2.2018 - 5 ME 31/18 -; Beschluss vom 28.12.2018 - 5 ME 178/18 -; VGH Ba.-Wü., Beschluss vom 20.12.2017, a. a. O., Rn. 7), wenn insbesondere zu erwarten ist, dass der Beamte den Anforderungen des Dienstes nicht mehr ausreichend gewachsen ist (vgl. VGH Ba.-Wü., Beschluss vom 20.12.2017, a. a. O., Rn. 7). Insoweit hat der beschließende Senat bereits entschieden, dass der Umstand, dass aufgrund der gesundheitlichen Disposition des Beamten erhöhte krankheitsbedingte Fehlzeiten zu erwarten sind, ein entgegenstehendes dienstliches Interesse an der Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand begründen kann (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 28.2.2018 - 5 ME 31/18 -). Auch die nur eingeschränkte Leistungsbereitschaft eines Beamten kann der Hinausschiebung seines Eintritts in den Ruhestand entgegenstehen. Denn maßgeblich ist, ob der Beamte den Anforderungen seines Dienstes noch gerecht wird, ohne dass es darauf ankommt, ob gesundheitliche Einschränkungen oder mangelnde Motivation ihn daran hindern (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 10.6.2020 - 5 ME 46/20 -, unter Verweis auf VGH Ba.-Wü., Beschluss vom 20.12.2017, a. a. O., Rn. 7; Nds. OVG, Beschluss vom 23.2.2021, a. a. O., Rn. 14).

2. Mit Blick auf diese Grundsätze hat die Antragsgegnerin mit ihrem Beschwerdevorbringen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Antragsgegnerin sei aller Voraussicht nach rechtsfehlerhaft vom Vorliegen entgegenstehender dienstlicher Gründe ausgegangen, nicht in Frage gestellt.

Zutreffend ist zwar, dass es sich bei dem - u. a. mit dem Gesamtpersonalrat abgestimmten - „Grünschreiben“ um eine verfestigte organisatorische Entscheidung der Antragsgegnerin handelt, die generell - also unabhängig vom konkreten Einzelfall - (auch) im Fall des Antrags eines Beamten auf Hinausschieben des Eintritts seines Ruhestandes zur Anwendung gelangen soll (hierauf hinweisend Beschwerdebegründung vom 10.2.2021 - BB -, S. 4f., 6 [Bl. 67f., 68/Gerichtsakte - GA -]). Wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat (Beschlussabdruck - BA -. S. 8), ist das „Grünschreiben“ jedoch deshalb nicht geeignet, ein „entgegenstehendes dienstliches Interesse“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 2 NBG zu begründen, weil in dessen Ziffer 4 lit. d) ein Inhalt niedergelegt ist, der den in § 36 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 NBG normierten Ermessensanspruch teilweise verkürzt. Denn während der Eintritt in den Ruhestand nach § 36 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 NBG im Ermessenswege um längstens weitere zwei Jahre hinausgeschoben werden kann, wenn dienstliche Interessen nicht entgegenstehen, der betreffende Beamte in diesem Fall also nach Erreichen der Regelaltersgrenze noch maximal drei volle Jahre lang Dienst verrichten kann, schließt Ziffer 4 lit. d) des „Grünschreibens“ ein Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand im - hier streitgegenständlichen - dritten „Verlängerungsjahr“ stets aus. Damit hat das „Grünschreiben“ als Verwaltungsvorschrift die landesgesetzlich normierte Verlängerungshöchstgrenze von insgesamt drei Jahren auf eine Verlängerungshöchstgrenze von maximal zwei Jahren herabgesetzt und dem Antragsteller insoweit - also soweit das dritte Verlängerungsjahr betroffen ist - den Ermessensanspruch des § 36 Abs. 1 Satz 2 NBG vollständig aberkannt. Dies ist mit Blick auf die Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) unzulässig.

Soweit die Antragsgegnerin ausführt (BB, S. 4/unten, S. 5/oben [Bl. 67f./GA]),

Ziel des „Grünschreibens“ sei es, das Personal nicht zu lange auf den Dienstposten und Arbeitsplätzen zu halten, damit der Altersschnitt nicht zu hoch werde, die Organisationseinheiten nicht überalterten und bei altersbedingter Fluktuation rechtzeitig Wissen weitergegeben werden könne, indem jüngere Beschäftigte in notwendigerweise alternde Organisationseinheiten nachwüchsen,

bleibt es ihr unbenommen, vorhandenes Personal so einzusetzen, dass eine möglichst ausgewogene Altersstruktur gewährleistet ist. Dass der Antragsteller bei Erfolg seines Antrags im Dienst verbleibt, die betreffende Stelle also vorerst nicht mit einem jüngeren Bewerber besetzt werden kann, ist ein mit dem Hinausschieben des Ruhestandes regelmäßig verbundener Umstand und reicht als solcher - wie ausgeführt - nicht aus, um ein „entgegenstehendes dienstliches Interesse“ zu begründen. Der beschließende Senat hat zudem bereits in seinem Beschluss vom 29. Oktober 2013 (a. a. O., Rn. 15 m. w. Nw.) ausgeführt, dass das (weitere) Ansteigen des Durchschnittsalters bzw. des Anteils älterer Beamter eine Folge darstellt, welche mit dem Hinausschieben des Ruhestandes typischerweise verbunden ist, weshalb dieser Gesichtspunkt - jedenfalls im Grundsatz - als „entgegenstehendes dienstliches Interesse“ nicht in Betracht kommt; das Interesse an einer ausgeglichenen Altersstruktur kann allenfalls dann das Gewicht eines „entgegenstehenden dienstlichen Interesses“ erreichen, wenn einer besonders ungünstigen Altersstruktur entgegengewirkt werden soll. Insoweit ist der Beschwerde aber kein Vortrag zu entnehmen. Dass der konkrete Dienstposten des Antragstellers wegfiele und kein anderer amtsangemessener - also nach der Besoldungsgruppe A 9 + Amtszulage bewerteter - Dienstposten frei wäre (zu einem entsprechenden, aber letztlich nicht durchgreifenden Vorbringen vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 23.2.2021, a. a. O., Rn. 24 bis 26), hat die Antragsgegnerin selbst nicht geltend gemacht.

Der beschließende Senat weist zudem darauf hin, dass Ziffer 4 des „Grünschreibens“, die u. a. immer dann zur Anwendung gelangen soll, wenn ein Beamter das Hinausschieben des Eintritts seines Ruhestandes beantragt, auch im Übrigen rechtlichen Bedenken begegnen dürfte. Denn unabhängig davon, dass in Ziffer 4. nicht danach differenziert wird, ob der betreffende Beamte erstmals das Hinausschieben des Ruhestandes um maximal ein Jahr (= gebundener Anspruch, § 36 Abs. 1 Satz 1 NBG) beantragt oder ob er weitere Verlängerungen (Ermessensanspruch, § 36 Abs. 1 Satz 2 NBG) begehrt, spricht der in Ziffer 4 lit. a) bis c) niedergelegte Inhalt dafür, dass die Antragsgegnerin der Auffassung ist, der Antragsteller müsse begründen, warum er einen Hinausschiebungsantrag stellt und könne die begehrte „Verlängerung der Lebensarbeitszeit“ nur bei einer wirtschaftlichen, sozialen oder versorgungsrechtlichen Notwendigkeit beanspruchen; hierfür spricht auch, dass die Antragsgegnerin ausführt, der Antragsteller habe in seinem Antrag vom 29. Juli 2020 „keine weiteren [über die Kriterien in Ziffer 4. lit a) bis c) des „Grünschreibens“ hinausgehenden] erheblichen Gründe genannt, nur, dass er seine Arbeit beherrscht und seine Arbeit erforderlich ist, was bei Bediensteten im öffentlichen Dienst regelmäßig der Fall ist“ (BB, S. 3, 7 [Bl. 66, 70/GA]). Sowohl der gebundene Anspruch aus § 36 Abs. 1 Satz 1 NBG als auch der Ermessensanspruch aus § 36 Abs. 1 Satz 2 NBG enthalten indes auf Tatbestandsseite - außer dem negativen Tatbestandsmerkmal der „entgegenstehenden dienstlichen Interessen“, für das der Dienstherr darlegungs- und beweisbelastet ist (s. o.) - keine weiteren Voraussetzungen.

Der beschließende Senat weist ferner auf seine Rechtsprechung hin, wonach in Anbetracht der schon tatbestandlich im Rahmen des § 36 Abs. 1 Satz 2 NBG zu prüfenden gewichtigen Versagungsgründe trotz des Wortlautes „kann“ kaum Raum für Ermessenserwägungen verbleibt (Nds. OVG, Beschluss vom 23.2.2021, a. a. O., Rn. 27). Dementsprechend ist im Hinblick auf den Gesetzeszweck einem Antrag nach § 36 Abs. 1 Satz 2 NBG bei nicht entgegenstehenden dienstlichen Interessen grundsätzlich zu entsprechen und eine Ausnahme nur dann anzunehmen, wenn im jeweiligen Einzelfall trotz Erfüllung der tatbestandlichen Bewilligungsvoraussetzungen besondere Umstände in der Person des Beamten gegeben sind, die ein Hinausschieben des Ruhestandes ausschließen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 20.1.2015 - 5 ME 199/14 -). Dem betreffenden Beamten, der durch seinen Antrag auf Hinausschieben des Ruhestandes seinem Wunsch auf Verlängerung seiner Dienstzeit Ausdruck verliehen hat, diesen Wunsch mit der Begründung zu versagen, er „brauche“ die aktiven Bezüge nicht dringend (vgl. Ziffer 4. lit. a) des „Grünschreibens“), habe auch ohne die Verlängerung hinreichenden sozialen Halt (vgl. Ziffer 4. lit. b) des „Grünschreibens“) und benötige die entsprechenden Dienstzeiten auch nicht mehr dringend versorgungsrechtlich (vgl. Ziffer 4. lit. c) des „Grünschreibens“), dürfte dem gesetzgeberischen Ziel, die Rechtsposition von Beamten, die ihre Dienstzeit insbesondere aus persönlichen Gründen verlängern möchten, zu stärken (s. o.), zuwiderlaufen. Diese Gesichtspunkte mögen im Rahmen der nach § 36 Abs. 1 Satz 2 NBG zu treffenden Ermessensentscheidung allenfalls eine Rolle spielen können, wenn der Dienstherr (im Wege einer verfestigten organisatorischen Entscheidung) Umstrukturierungen beschlossen hat und die Zahl der Antragsteller, welche das Hinausschieben des Eintritts ihres Ruhestandes begehren, die Zahl der noch freien amtsangemessenen Stellen übersteigt, insoweit also eine Auswahl zu treffen ist. Dass diese Gesichtspunkte dem Antragsteller des Streitverfahrens - wie das Verwaltungsgericht meint (BA, S. 9) - im Wege der von der Antragsgegnerin zu treffenden Ermessensentscheidung grundsätzlich entgegengehalten werden könnten, erscheint dem beschließenden Senat hingegen fraglich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 40, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 in Verbindung mit Satz 1 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG - in der zum Zeitpunkt der Einleitung des zweiten Rechtszuges (18. Januar 2021) geltenden Fassung vom 9. August 2019 (BGBl. I S. 1202) in Verbindung mit Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57). In einem Hauptsacheverfahren, welches das Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand zum Gegenstand hat, bemisst sich der Streitwert nach der Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen. Auszugehen ist insoweit von dem im Zeitpunkt der Einleitung des zweiten Rechtszugs (18. Januar 2021) maßgeblichen Endgrundgehalt (hierzu: Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2014 - 5 ME 157/14 - m. w. Nw. -) der Besoldungsgruppe A 9 in Höhe von 3.507,52 EUR (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, § 7 Abs. 1 und 2 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes - NBesG - in Verbindung mit der dortigen Anlage 5). Hinzu tritt die Amtszulage gemäß § 37 NBesG in Verbindung mit den Anlagen 1 (Besoldungsgruppe A 9, Fußnote 1) und 8 in Höhe von -311,03 EUR. Hieraus errechnet sich ein Hauptsachestreitwert in Höhe von 22.911,30 EUR (3.507,52 EUR + 311,03 EUR = 3.818,55 EUR; 3.818,55 EUR x 6 = 22.911,30 EUR), welcher nach der Rechtsprechung des Senats im Hinblick auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren ist (= 11.455,65 EUR), auch wenn der Antragsteller mit seinem Antrag z. T. eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 26.9.2013 - 5 ME 198/13 -; Beschluss vom 27.10.2017 - 5 ME 170/17 -; Beschluss vom 28.12.2018 - 5 ME 178/18 -).

Die Streitwertfestsetzung für den ersten Rechtszug (Einleitung: 2. Dezember 2020) bemisst sich ebenfalls nach den oben dargestellten Grundsätzen und Einzelwerten; sie war gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen zu ändern.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).