Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.03.2021, Az.: 8 LB 97/20
allgemeines Persönlichkeitsrecht; Aufbausteuer; Diaspora; Diaspora-Status; Diaspora-Steuer; Eritrea; eritreische Staatsangehörige; Letter of regret; Nationalpass; Passbeantragung; Persönlichkeitsrecht; Persönlichkeitsrecht, allgemeines; Reiseausweis; Reiseausweis für Ausländer; Repentance letter; Reueerklärung; Schutz, subsidiärer; Staatsangehörige, eritreische; subsidiär Schutzberechtigte; subsidiärer Schutzstatus; unzumutbar; Unzumutbarkeit; zumutbar
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.03.2021
- Aktenzeichen
- 8 LB 97/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 70864
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 20.05.2020 - AZ: 12 A 2452/19
Rechtsgrundlagen
- § 5 AufenthV
- § 5 Abs 1 AufenthV
- § 5 Abs 2 AufenthV
- § 6 AufenthV
- Art 1 Abs 1 GG
- Art 2 Abs 1 GG
- Art 25 EURL 95/2011
- Art 25 Abs 2 EURL 95/2011
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Subsidiär Schutzberechtigten ist es grundsätzlich nicht i. S. v. § 5 Abs. 1 AufenthV unzumutbar, sich bei den Auslandsvertretungen ihres Herkunftslandes um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen.
2. Eritreischen Staatsangehörigen ist es ohne Hinzutreten weiterer Umstände grundsätzlich zumutbar, sich um einen Nationalpass zu bemühen und die von der eritreischen Auslandsvertretung in diesem Zusammenhang geforderte Aufbausteuer in Höhe von 2 % zu zahlen sowie die sog. Reueerklärung, die von allen illegal ausgereisten eritreischen Staatsangehörigen im dienstfähigen Alter für die Inanspruchnahme konsularischer Dienstleistungen gefordert wird, zu unterzeichnen.
3. Allein die Erlangung des sog. Diaspora-Status führt nicht zum Widerruf des subsidiären Schutzstatus und steht damit der Zumutbarkeit der Beantragung eines eritreischen Nationalpasses nicht entgegen.
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 12. Kammer (Einzelrichter) - vom 20. Mai 2020 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren beider Instanzen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des festzusetzenden Vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer.
Der 1985 geborene Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 7. September 2015 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend Bundesamt) ihm den subsidiären Schutzstatus zu. Zur Begründung legte es in einem Vermerk nieder, dass dem Kläger in Eritrea ein ernsthafter Schaden drohe, denn eritreische Staatsangehörige, die sich wegen illegaler Ausreise strafbar gemacht hätten, müssten bei ihrer Rückkehr damit rechnen, von den Sicherheitsbehörden auf unbestimmte Zeit und ohne rechtsstaatliches Verfahren in Haft genommen zu werden. Die Haftbedingungen dort seien schlecht und oftmals mit Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verbunden. Zugunsten des Klägers werde dessen illegale Ausreise aus Eritrea unterstellt. Im Übrigen lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, da er nicht glaubhaft gemacht habe, desertiert zu sein.
Auf den Antrag vom 8. Oktober 2015 stellte der Beklagte dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) aus, die er zuletzt bis zum 8. November 2022 verlängerte.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2018 beantragte der Kläger die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer, da es ihm nicht möglich sei, auf zumutbare Weise einen Reisepass zu erhalten. Er befürchte ernsthafte Repressalien gegenüber seinen Angehörigen in Eritrea, wenn er sich bei einer Vorsprache unter Hinweis auf seinen subsidiären Schutzstatus in der eritreischen Botschaft als Regimekritiker zu erkennen geben müsse.
Mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 gab der Beklagte dem Kläger Gelegenheit, zu einer beabsichtigten Ablehnung des Antrags Stellung zu nehmen. Daraufhin machte der Kläger geltend, dass sein Onkel väterlicherseits ihn zum Militärdienst habe zwingen wollen. Er habe veranlasst, dass er wegen seiner Weigerung für ein Jahr ins Gefängnis gekommen und dort misshandelt worden sei, wobei sein linkes Handgelenk zerschmettert worden sei. Zudem sei seine Nichte in den Sudan und nach ihrer Rückkehr, einem Gefängnisaufenthalt sowie einem Monat Militärdienst nach Äthiopien geflüchtet. Daher stünde seine Familie bereits jetzt im Fokus der Regierung. Durch eine Kontaktaufnahme mit der Botschaft würden sein Aufenthalt und seine Gegnerschaft zur eritreischen Regierung aktualisiert und seine Familie zusätzlichen Problemen ausgesetzt.
Mit Schreiben vom 21. März 2019 beantragte der Kläger die Ausstellung eines Notreiseausweises, um am 25. Juli 2019 nach Äthiopien fliegen und dort seine Verlobte heiraten zu können.
Mit Bescheid vom 9. April 2019, dem Kläger am 16. April 2019 zugestellt, lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Ausstellung eines Reiseausweises ab, da es ihm zuzumuten sei, bei der eritreischen Botschaft einen Passantrag zu stellen. Die Nichtableistung des eritreischen Nationaldienstes stelle kein Hindernis für eine Passerteilung dar. Eine Gefährdung von Familienangehörigen sei nicht hinreichend dargetan. Die illegale Ausreise und Asylantragstellung führe nach aktuellen Erkenntnissen weder gegenüber ihm noch gegenüber seinen im Herkunftsland verbliebenen Angehörigen zu Repressalien. Auch die subsidiäre Schutzberechtigung des Klägers führe nicht zu einer Gefährdung. Zwar müsse er gegebenenfalls eine Aufbausteuer entrichten. Diese werde aber nur noch im Falle der Geltendmachung weiterer Rechte verlangt. Die Zahlung von Gebühren bedinge keine Unzumutbarkeit der Passbeschaffung.
Am 14. Mai 2019 hat der Kläger den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Klagebegründend hat er vorgetragen, die Kontaktaufnahme mit der eritreischen Botschaft stelle eine für ihn unzumutbare Härte dar. Seine verfolgungsrechtliche Situation sei bei wertender Betrachtung mit der eines Flüchtlings vergleichbar. Mit der Beantragung eines Nationalpasses würde er sich unter den Schutz der eritreischen Behörden stellen und müsse mit dem Widerruf seines Schutzstatus rechnen. Die sogenannte Diaspora-Steuer werde für sämtliche Leistungen der eritreischen Botschaft verlangt. Zudem müssten Schutzbedürftige ein sogenanntes Reueformular unterschreiben, was ihm unzumutbar sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 9. April 2019 zu verpflichten, ihm einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Begründung des angefochtenen Bescheides wiederholt und vertieft. Insbesondere lägen keine Erkenntnisse vor, dass die Unterzeichnung einer Reueerklärung die rechtliche Position des Unterzeichnenden verschlechtern würde oder Angehörige in Eritrea Repressalien ausgesetzt würden. Mit der Beantragung eines Nationalpasses würde der Kläger keinen vollen diplomatischen Schutz begehren, weshalb dies nicht zum Widerruf des subsidiären Schutzes führen würde.
Mit Urteil vom 20. Mai 2020 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 9. April 2019 verpflichtet, dem Kläger einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen. Zwar sei es subsidiär Schutzberechtigten nicht allgemein unzumutbar, sich um einen Nationalpass zu bemühen. Auch sei eine Prüfung, ob bei wertender Betrachtung im Kern und vom Ergebnis her die verfolgungsrechtliche Situation mit der eines Flüchtlings vergleichbar sei, wenig aussagekräftig. Ferner könne dahingestellt bleiben, ob die Unzumutbarkeit der Passerlangung daraus folge, dass den in Eritrea lebenden Familienangehörigen des Klägers aufgrund dessen Vorsprache Repressalien drohen könnten, und ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Zahlung der Aufbausteuer unzumutbar sei. Jedenfalls sei es dem Kläger unzumutbar, die vom eritreischen Staat an die Passausstellung geknüpfte Bedingung der Abgabe einer Reueerklärung zu erfüllen. Es sei davon auszugehen, dass konsularische Leistungen gegenüber allen illegal ausgereisten Staatsangehörigen nur gegen Unterzeichnung einer solchen Reueerklärung unabhängig von einer Wehrdienstentziehung erbracht würden. Die Unterzeichnung sei dem Kläger aufgrund seiner entgegenstehenden inneren Überzeugung unzumutbar. Es würde einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellen, von ihm die Unterzeichnung dieser Reueerklärung zu verlangen. Dieser Einschätzung stehe die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur sogenannten Freiwilligkeitserklärung nicht entgegen. Der Kläger habe glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass er sich nicht imstande sehe, die Reueerklärung zu unterzeichnen, weil er dieses Konstrukt zur „Bereinigung“ seines Verhältnisses zum eritreischen Staat und zur Wiedererlangung seiner staatsbürgerlichen Rechte ablehne. Begründete Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben würden trotz seiner gesteigerten Behauptungen zur Wehrdienstentziehung nicht bestehen. Der diesbezügliche Glaubhaftigkeitsmangel schlage nicht auf seine weiteren Angaben durch. Das Ermessen der Beklagten sei im Hinblick auf Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie) bei richtlinienkonformer Auslegung auf Null reduziert. Zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung, die der Erteilung eines Reiseausweises entgegenstünden, seien nicht ersichtlich.
Mit der durch Senatsbeschluss vom 23. September 2020 zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend, dass die Abgabe einer Reueerklärung von der eritreischen Botschaft nur für den Fall der Nichtableistung der Wehrpflicht verlangt werde. Der Kläger habe nicht hinreichend dargetan, dass er die Wehrpflicht nicht erfüllt habe. Unabhängig davon sei dem Kläger die Abgabe der Reueerklärung zumutbar. Das in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verankerte Selbstbestimmungsrecht schütze nicht davor, Erklärungen abzugeben, die der inneren Überzeugung widersprechen, wenn dies nach dem Recht des jeweiligen Staates Voraussetzung für die Erlangung bestimmter Vorteile sei und - wie vorliegend - mit der Unterzeichnung der Erklärung keine faktischen oder rechtlichen Nachteile verbunden seien. Der faktische Zwang zur Abgabe der Reueerklärung berühre nicht den innersten Bereich individueller Selbstbestimmung. Die erklärende Person werde hierdurch nicht in ihrem sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigt. Zudem habe der Kläger der Unterzeichnung keine besondere Bedeutung beigemessen. Kaum ein Eritreer dürfte ehrliche Reue darüber empfinden, sich durch Ausreise seiner Pflichten zur Ableistung des Nationaldienstes entzogen zu haben, weshalb es dem Regelfall entsprechen dürfte, dass die Abgabe der Reueerklärung im Widerspruch zum inneren Willen stehe und in Kauf genommen werde, um konsularische Dienste in Anspruch zu nehmen beziehungsweise den sogenannten Diaspora-Status zu erlangen. Die Frage der Unzumutbarkeit hinge also davon ab, wie überzeugend es einem Betroffenen im Einzelfall gelänge, seine entgegenstehende innere Überzeugung zum Ausdruck zu bringen, was zu ungerechten Ergebnissen führen würde. Überdies dürfte für Eritreer der wesentliche Grund für ein erhebliches Interesse an der Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer in der Praxis darin bestehen, dass sie besuchsweise über einen Drittstaat, in dem sie sich bei den dortigen eritreischen Botschaften Nationalpässe ausstellen ließen, nach Eritrea einreisten, ohne den Verlust ihres anerkannten Schutzstatus befürchten zu müssen. Eine Unzumutbarkeit ergebe sich nicht daraus, dass der Kläger verpflichtet sein könnte, die sogenannte Diaspora-Steuer für die Inanspruchnahme der konsularischen Leistungen zu bezahlen. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass durch die Erhebung dieser Steuer gegen völkerrechtliche Regeln oder deutsches Recht verstoßen werde.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 12. Kammer - vom 20. Mai 2020 (12 A 2452/19) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen.
Der Senat hat zu der Frage, ob von den eritreischen Behörden die sogenannte Reueerklärung unabhängig von einer Wehrdienstentziehung verlangt werde, wenn der Passantragsteller nach eritreischem Verständnis illegal ausgereist sei, eine Auskunft des Auswärtigen Amtes eingeholt, auf die Bezug genommen wird (Bl. 168 der Gerichtsakte).
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten hat Erfolg. Die zulässige Klage des Klägers ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 9. April 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, denn er hat keinen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer.
1. Gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) kann einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden. Nach § 6 AufenthV darf im Inland ein Reiseausweis für Ausländer nach Maßgabe des § 5 AufenthV insbesondere ausgestellt werden, wenn der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt (Nr. 1 Alt. 1) oder ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, sobald er als Inhaber des Reiseausweises für Ausländer die Passpflicht erfüllt (Nr. 2 Alt. 1). Diese Voraussetzungen sind im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 17.2.2005 - 11 PA 345/04 -, juris Rn. 8; Urt. v. 25.3.2014 - 2 LB 337/12 -, Asylmagazin 2014, 273, juris Rn. 48) nicht erfüllt.
2. Zwar ist der eritreische Kläger im Besitz einer bis zum 8. November 2022 gültigen Aufenthaltserlaubnis. Er besitzt unstreitig weder einen Pass noch einen Passersatz. Die Erteilung eines Reiseausweises ist auch nicht nach § 5 Abs. 4 AufenthV ausgeschlossen, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger bereits einen Reiseausweis für Ausländer missbräuchlich verwendet hat oder eine missbräuchliche Verwendung beabsichtigt. Insbesondere bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass das Interesse des Klägers, einen Reiseausweis für Ausländer zu erhalten, entsprechend der allgemeinen Behauptung des Beklagten darin bestünde, sich besuchsweise in einen Drittstaat zum Zwecke der Ausstellung eines eritreischen Nationalpasses zu begeben, um hiermit sodann nach Eritrea einzureisen, ohne den Verlust seines subsidiären Schutzstatus befürchten zu müssen. So hat der Kläger lediglich angegeben, aus familiären Gründen nach Äthiopien reisen und dort seine Verlobte heiraten zu wollen.
3. Jedoch kann der Kläger einen eritreischen Pass auf zumutbare Weise erlangen.
a) Welche konkreten Anforderungen an das - gerichtlich vollständig überprüfbare (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.6.2011 - 1 B 1/11 -, Buchholz 402.242 § 3 AufenthG Nr. 1, juris Rn. 6; Senatsbeschl. v. 7.6.2012 - 8 PA 65/12 -, juris Rn. 7; Bayerischer VGH, Beschl. v. 17.10.2018 - 19 ZB 15.428 -, NVwZ-RR 2019, 484, juris Rn. 9) - Vorliegen einer Unzumutbarkeit zu stellen sind, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist es im Hinblick auf den mit der Ausstellung eines Passes regelmäßig verbundenen Eingriff in die Personalhoheit eines anderen Staates grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Ausländerbehörde den Ausländer zunächst auf die Möglichkeit der Ausstellung eines Passes durch seinen Heimatstaat verweist und die Erteilung eines Reiseausweises erst dann in Betracht zieht, wenn diese Bemühungen nachweislich ohne Erfolg geblieben sind (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 29.2.1996 - 11 S 2744/95 -, InfAuslR 1996, 304, juris Rn. 24; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 17.2.2005 - 11 PA 345/04 -, juris Rn. 14; Senatsbeschl. v. 7.6.2012 - 8 PA 65/12 -, juris Rn. 7; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 17.5.2016 - 18 A 951/15 -, NVwZ-RR 2016, 678, juris Rn. 3).
Nach § 5 Abs. 2 AufenthV gilt es insbesondere als zumutbar, derart rechtzeitig vor Ablauf der Gültigkeit eines Passes oder Passersatzes bei den zuständigen Behörden im In- und Ausland die erforderlichen Anträge für die Neuerteilung oder Verlängerung zu stellen, dass mit der Neuerteilung oder Verlängerung innerhalb der Gültigkeitsdauer des bisherigen Passes oder Passersatzes gerechnet werden kann (Nr. 1), in der den Bestimmungen des deutschen Passrechts, insbesondere den §§ 6 und 15 des Passgesetzes in der jeweils geltenden Fassung, entsprechenden Weise an der Ausstellung oder Verlängerung mitzuwirken und die Behandlung eines Antrages durch die Behörden des Herkunftsstaates nach dem Recht des Herkunftsstaates zu dulden, sofern dies nicht zu einer unzumutbaren Härte führt (Nr. 2), die Wehrpflicht, sofern deren Erfüllung nicht aus zwingenden Gründen unzumutbar ist, und andere zumutbare staatsbürgerliche Pflichten zu erfüllen (Nr. 3) oder für die behördlichen Maßnahmen die vom Herkunftsstaat allgemein festgelegten Gebühren zu zahlen (Nr. 4).
Eine Unzumutbarkeit, sich zunächst um die Ausstellung eines Nationalpasses des Heimatstaates zu bemühen, kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Die einen Ausnahmefall begründenden Umstände sind vom Ausländer darzulegen und nachzuweisen. Dabei ist bei den Anforderungen an den Nachweis zu differenzieren. Je gewichtiger die vom Ausländer plausibel vorgebrachten Umstände sind, desto geringer sind die Anforderungen an das Vorliegen einer daraus resultierenden Unzumutbarkeit (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 29.2.1996 - 11 S 2744/95 -, InfAuslR 1996, 304, juris Rn. 24; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 17.2.2005 - 11 PA 345/04 -, juris Rn. 14; Senatsbeschl. v. 7.6.2012 - 8 PA 65/12 -, juris Rn. 7; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 17.5.2016 - 18 A 951/15 -, NVwZ-RR 2016, 678, juris Rn. 3).
b) In Anwendung dieser Grundsätze ist es dem Kläger zuzumuten, die Erteilung eines Nationalpasses bei der eritreischen Botschaft zu beantragen.
aa) Der Zumutbarkeit der Passbeantragung steht nicht entgegen, dass das Bundesamt dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat.
Subsidiär Schutzberechtigten ist es grundsätzlich zumutbar, sich bei den Auslandsvertretungen des Herkunftsstaates um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 17.5.2016, NVwZ-RR 2016, 678 [OVG Nordrhein-Westfalen 17.05.2016 - 18 A 951/15], juris Rn. 5; Bayerischer VGH, Beschl. v. 17.10.2018 - 19 ZB 15.428 -, NVwZ-RR 2019, 484, juris Rn. 6 ff.; VG Gießen, Urt. v. 28.7.2016 - 6 K 3108/15.GI -, juris Rn. 17). Ihre Rechtsstellung in Bezug auf die Erlangung von Reisedokumenten ist anders geregelt als die der Flüchtlinge. Anerkannte Flüchtlinge können nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge i. V. m. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie und § 4 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV einen Reiseausweis für Flüchtlinge beanspruchen. Ein entsprechender Anspruch für subsidiär Schutzberechtigte besteht indes nicht. Vielmehr stellen die Mitgliedstaaten nach Art. 25 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist Dokumente für Reisen außerhalb ihres Hoheitsgebiets nur dann aus, wenn diese keinen nationalen Pass erhalten können. In Bezug auf Reisedokumente verfolgt das Unionsrecht mithin nicht das im 39. Erwägungsgrund der Qualifikationsrichtlinie formulierte Ziel, Personen, denen subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, dieselben Rechte und Leistungen zu denselben Bedingungen zu gewähren wie Flüchtlingen. Vielmehr liegt eine der dort erwähnten Ausnahmeregelungen vor. Hintergrund dieser Differenzierung ist der unterschiedliche Ansatz beider Schutzregime. Subsidiärer Schutz soll einen (in Art. 15 Qualifikationsrichtline näher umschriebenen) ernsthaften Schaden abwenden. Im Falle des Flüchtlingsschutzes nach der Genfer Flüchtlingskonvention übernimmt der Aufenthaltsstaat ersatzweise den Schutz, der an sich durch den Staat der Staatsangehörigkeit zu leisten wäre. Dem liegt der Zusammenbruch des durch die Staatsangehörigkeit begründeten Rechtsverhältnisses zwischen Staat und Flüchtling zugrunde (vgl. Hathaway/Foster, The Law of Refugee Status, 2. Auf. 2014, S. 288 f.). Nicht anders als beim Asylgrundrecht ist Schutzgrund des Flüchtlingsstatus der Ausschluss aus der staatlichen Friedensordnung aufgrund eines bestimmten Merkmals. Dem ist die Gefahr eines ernsthaften Schadens selbst dann nicht vergleichbar, wenn sie von dem Staat ausgeht, weil dieser seine Staatsangehörigen generell und undifferenziert schlecht behandelt.
Eine Unzumutbarkeit der Passbeantragung bei der eritreischen Auslandsvertretung folgt nicht unter Berücksichtigung der in § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG enthaltenen Wertung. Danach erlöschen die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft - beziehungsweise sie werden seit Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes - Asylverfahrensrichtlinie - zum 20.7.2015 vom Bundesamt widerrufen (Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 72 AsylG Rn. 1) -, wenn der Ausländer sich freiwillig durch Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses oder durch sonstige Handlungen erneut dem Schutz des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, unterstellt. Jedoch ist § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG vorliegend weder direkt noch analog anwendbar. Dem steht bereits der eindeutige Wortlaut entgegen, wonach die Regelung ausschließlich für anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge gilt. Es besteht auch keine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie. Die gesetzliche Regelung entspricht gerade den Maßgaben der Qualifikationsrichtlinie und damit auch dem gesetzgeberischen Willen. Für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Norm auf subsidiär Schutzberechtigte besteht angesichts dieser eindeutigen Regelung kein Raum (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 17.5.2016, NVwZ-RR 2016, 678 [OVG Nordrhein-Westfalen 17.05.2016 - 18 A 951/15], juris Rn. 6; Bayerischer VGH, Beschl. v. 17.10.2018 - 19 ZB 15.428 -, NVwZ-RR 2019, 484, juris Rn. 10; VG Gießen, Urt. v. 28.7.2016 - 6 K 3108/15.GI -, juris Rn. 18). Sie wäre zweckwidrig, weil, wie soeben erläutert, nur bei Flüchtlingen die Schutzunterstellung als solche den Zweck des Flüchtlingsschutzes entfallen lässt. Dem entspricht, dass Flüchtlinge ohne Weiteres Anspruch auf einen Reiseausweis für Flüchtlinge haben. Deshalb kann bei ihnen davon ausgegangen werden, dass die Annahme des Nationalpasses die Schutzunterstellung indiziert. Selbst wenn man bei subsidiär Schutzberechtigten Folgerungen aus der Passannahme ziehen wollte, könnte diese das Entfallen der Gefahr eines ernsthaften Schadens nicht indizieren, wenn der Ausländer konsularische Dienste des Staates der Staatsangehörigkeit beansprucht hat, gerade weil er gegen den Aufenthaltsstaat keinen Anspruch auf ein Reisedokument hat, das er aber benötigt.
Angesichts der grundsätzlich unterschiedlichen Schutzrichtung von Flüchtlingsschutz und subsidiärem Schutz ist es ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht angängig, das „Verfolgungsschicksal“ eines subsidiär Schutzberechtigten bei wertender Betrachtung als im materiellen Kern und vom Ergebnis her mit demjenigen eines Flüchtlings vergleichbar und die Passbeantragung bei dem Konsulat des die Gefahr des ernsthaften Schadens verursachenden Staats als unzumutbar anzusehen (so Bayerischer VGH, Urt. v. 18.1.2011 - 19 B 10.2157 -, AuAS 2011, 40, juris Rn. 31; Beschl. v. 17.10.2018 - 19 ZB 15.428 -, NVwZ-RR 2019, 484, juris Rn. 12; VG Köln, Urt. v. 4.12.2019 - 5 K 7317/18 -, Asylmagazin 2020, 49, juris Rn. 31 ff.; VG Aachen, Urt. v. 10.6.2020 - 4 K 2580/18 -, juris Rn. 32 ff.). Es fehlt für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerade an einem diesen Schutzstatus prägenden Verfolgungsgrund nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3b AsylG. Es besteht generell die Gefahr, dass der eritreische Staat seinen aus seiner Sicht illegal ausgereisten Staatsangehörigen ernsthaften Schaden zufügt. Das beruht allein auf dem weiten Anwendungsbereich der Dienstpflicht und den generell angewendeten menschenrechtswidrigen Bestrafungsmethoden. Eine Anknüpfung an ein besonderes Merkmal erfolgt gerade nicht. Es handelt sich nicht um den gezielten, verfolgenden Zugriff auf einzelne Personen oder besondere Personengruppen. Das bedeutet umgekehrt, dass der Kläger in keiner anderen Situation ist als so gut wie alle anderen im Ausland lebenden eritreischen Staatsangehörigen, wenn er Kontakt zu dem eritreischen Konsulat aufnehmen muss. Zudem stellt sich aus den oben dargelegten Gründen die Frage einer Schutzunterstellung durch diese Handlung nicht.
Wollte man die Unzumutbarkeit allein auf einen Vergleich von Flüchtlingseigenschaft und subsidiärem Schutzstatus stützen und hierbei in Bezug auf einzelne Tatbestandsmerkmale (hier den Verfolgungsgrund) eine Angleichung der Rechtsfolgen vornehmen, würde dies der eindeutigen gesetzlichen Regelung und dem darin zum Ausdruck gebrachten Willen zuwiderlaufen, Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte gerade im Hinblick auf die Ausstellung von Reiseausweisen für Ausländer nicht gleich zu behandeln. Die Unterschiede zwischen Art. 25 Abs. 1 Qualifikationsrichtlinie und § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG einerseits und Art. 25 Abs. 2 Qualifikationsrichtlinie und § 73b AsylG andererseits würden so verwischt. Das Gericht ist daher der Ansicht, dass auch in dem Falle, dass der drohende ernsthafte Schaden im Sinne des § 4 AsylG auf eine Bedrohung durch staatliche Behörden zurückgeht, eine Unzumutbarkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 AufenthV nur besteht, wenn weitere Umstände, wie etwa die begründete Furcht der Gefährdung der im Heimatland lebenden Verwandten (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 17.10.2018 - 19 ZB 15.428 -, NVwZ-RR 2019, 484, juris Rn. 12), hinzutreten. Daran fehlt es hier.
bb) Die vom Kläger im Verwaltungsverfahren geltend gemachte Befürchtung, ein Vorsprechen bei der eritreischen Botschaft könne zu Repressalien gegenüber seinen in Eritrea lebenden Familienangehörigen führen, ist nach der aktuellen Erkenntnislage unbegründet. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Kontaktaufnahme des Klägers zu erheblichen Konsequenzen für seine Angehörigen führen würde. Der Kläger hat diesbezüglich weder hinreichend substantiierte Angaben gemacht, die die Gefahr von Repressalien im Einzelfall begründen würden, noch ergibt sich eine generelle Reflexverfolgung für alle Angehörigen ausgereister Eritreer. Zwar ist in der Vergangenheit in den vorliegenden Erkenntnismitteln darüber berichtet worden, dass Familienmitglieder von Deserteuren und Dienstverweigerern eine Geldbuße in Höhe von 50.000,00 Nakfa (rund 3.000,00 €) hätten zahlen müssen und inhaftiert worden seien, um Druck auf die gesuchte Person auszuüben. Auch seien Repressionen in Form von Enteignung, Entzug von Geschäftslizenzen oder Nahrungsmittel-Coupons sowie die Einberufung zum Wehr- und Nationaldienst möglich gewesen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Reflexverfolgung, Rückkehr und "Diaspora-Steuer", 30.9.2018, S. 6 f.; EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, September 2019, S. 44 f.; Amnesty International, Gutachten v. Januar 2021 im Verwaltungsgerichtsverfahren einer eritreischen Staatsangehörigen, S. 7 f. unter ausschließlicher Bezugnahme auf frühere Berichte aus den Jahren 2009 bis 2016; vgl. auch Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 9.12.2020 i. d. F. vom 25.1.2021, S. 14). Allerdings sei diese Art von Bestrafung inkonsistent und abhängig von der jeweiligen Region angewandt worden. Der Druck auf Familienmitglieder sei dann am größten gewesen, wenn - anders als im zur Entscheidung stehenden Fall - die Behörden vermuteten, dass sich die gesuchte Person noch im Land befinde (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Reflexverfolgung, Rückkehr und "Diaspora-Steuer", 30.9.2018, S. 7 f.; EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, September 2019, S. 45 f.). Konkrete Erkenntnisse, dass sich derartige Sanktionen im Fall einer bereits vor längerer Zeit erfolgten Ausreise im Zusammenhang mit der Vorsprache des Geflüchteten bei einer Auslandsvertretung aktualisiert hätten, bestehen nicht (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 28.12.2020 - 10 ZB 20.2157 -, juris Rn. 8). Vor allem aber hätten Berichte über derartige Reflexverfolgungen in den letzten Jahren abgenommen (so ausdrücklich Schweizerische Flüchtlingshilfe, Reflexverfolgung, Rückkehr und "Diaspora-Steuer", 30.9.2018, S. 7 f.; EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, September 2019, S. 45 f.). Nach aktuellen Erkenntnissen des Danish Immigration Service ist die Haltung der eritreischen Behörden nunmehr entspannter. Die frühere Praxis sei mehr oder weniger abgeschafft worden, wenngleich aufgrund der fehlenden Rechtsstaatlichkeit Repressalien nicht gänzlich ausgeschlossen werden könnten (Danish Immigration Service, National service, exit and entry, Januar 2020, S. 27 f.). Ebenso ist dem Auswärtigen Amt aus neuerer Zeit kein Fall bekannt, in dem es zu Sanktionen gegen in Eritrea verbliebene Familienangehörige nur wegen einer unerlaubten Ausreise gekommen wäre. Vielmehr seien die eritreischen Behörden angesichts der großen Zahl der Ausgereisten nicht in der Lage, eine solche Verfolgung zu organisieren, da inzwischen praktisch jede eritreische Familie Verwandte im Ausland habe. Der eritreische Staat habe im Übrigen ein großes Interesse daran, Auslandseritreer an sich zu binden (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 9.12.2020 i. d. F. vom 25.1.2021, S. 14, 22).
cc) Eine Unzumutbarkeit für den Kläger, sich um die Ausstellung eines eritreischen Nationalpasses zu bemühen, folgt ferner nicht aus dem Erfordernis der Zahlung einer Aufbausteuer von 2 %. Die Bezahlung dieser Steuer ist zwar notwendige Voraussetzung für die Inanspruchnahme konsularischer Leistungen der zuständigen eritreischen Auslandsvertretungen durch Auslandseritreer (DSP-groep Amsterdam, Tilburg University, The 2 % Tax, Juni 2017, insbesondere S. 83 ff.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Reflexverfolgung, Rückkehr und "Diaspora-Steuer", 30.9.2018, S. 7 f.; EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, September 2019, S. 60; ACCORD, Anfragebeantwortung: Möglichkeit der Ausstellung von amtlichen Dokumenten durch Botschaften, 28.5.2020; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 9.12.2020 i. d. F. v. 25.1.2021, S. 27 f.). Sie ist dem Kläger aber zumutbar.
Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 und Nr. 4 AufenthV gelten insbesondere die Erfüllung zumutbarer staatbürgerlichen Pflichten und die Zahlung der vom Herkunftsstaat allgemein festgelegten Gebühren für die behördlichen Maßnahmen als zumutbar. Als staatsbürgerliche Pflicht in diesem Sinne ist nach dem ausdrücklichen Willen des Verordnungsgebers beispielsweise die Zahlung von Steuern und Abgaben anzusehen (BR-Drs. 731/04, S. 152). Lediglich auf willkürlicher Grundlage erhobene Gebühren oder die Zahlung von Bestechungsgeldern sollen nicht zumutbar sein (BR-Drs. 731/04, S. 153). Dies entspricht auch der in § 7 Abs. 1 Nr. 4 Passgesetz enthaltenen Wertung des deutschen Gesetzgebers, wonach ein Pass zu versagen ist, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passbewerber sich seiner steuerlichen Verpflichtungen entziehen will.
Bei der Diaspora-Steuer handelt es sich um eine solche Steuer, deren Zahlung zu den staatsbürgerlichen Pflichten zählt. Zwar treibt der eritreische Staat die Aufbausteuer nicht aktiv ein. Auch führt ihre Nichtbezahlung in der Praxis nicht etwa zu unmittelbarer Bestrafung, sondern ausschließlich zur Verweigerung konsularischer Leistungen und ähnlicher Vorteile (vgl. DSP-groep Amsterdam, Tilburg University, The 2 % Tax, Juni 2017, insbesondere S. 85 ff., 93, 122), weshalb sie von der eritreischen Regierung gelegentlich als „freiwillig“ bezeichnet wird (DSP-groep Amsterdam, Tilburg University, The 2 % Tax, Juni 2017, S. 35 f., 42, 84). Dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich bei der Aufbausteuer tatsächlich um eine Steuer und nicht etwa um eine vollkommen willkürlich erhobene Abgabe handelt, denn sie wird grundsätzlich von allen im Ausland lebenden, volljährigen eritreischen Staatsangehörigen - unabhängig davon, ob sie Eritrea legal oder illegal verlassen haben - auf der Grundlage der Proklamationen 17/1991, 62/1994 und 67/1995 - Eritrea - (vgl. englische Übersetzung bei DSP-groep Amsterdam, Tilburg University, The 2 % Tax, Juni 2017, Appendices) erhoben.
Die Höhe der zu entrichtenden Steuer lässt sich im Einzelfall zwar nicht ohne Weiteres bestimmen, da beispielsweise einige Gesprächspartner der Tilburg University darüber berichtet haben, dass die Aufbausteuer anhand des Bruttoeinkommens berechnet werde (DSP-groep Amsterdam, Tilburg University, The 2 % Tax, Juni 2017, S. 82), wohingegen Nr. 2 der Proklamation Nr. 67/1995 - Eritrea - von 2 % des Nettoeinkommens spricht. Zweifelsfälle gibt es auch hinsichtlich der Frage, wer welche Einkünfte tatsächlich zu versteuern hat. In Nr. 2 der Proklamation Nr. 67/1995 - Eritrea - heißt es hierzu schlicht, dass Auslandseritreer, die Einkommen aus Beschäftigung, Vermietung von beweglichem oder unbeweglichem Eigentum oder jeder anderen kommerziellen, professionellen oder dienstleistenden Betätigung oder Beschäftigung erzielen, 2 % ihres Nettoeinkommens zahlen sollen. Dem Auswärtigen Amt liegt hierzu eine Auskunft der eritreischen Botschaft vor, wonach Rentner, Studierende ohne Einkommen und stark erkrankte Personen von der Diaspora-Steuer ausgenommen seien. Andererseits seien dem Auswärtigen Amt auch Fälle bekannt, in denen ein „Minimalbetrag“ von Studenten und Empfängern von Sozialleistungen verlangt worden sei (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 9.12.2020 i.d.F. vom 25.1.2021, S. 27). Ebenso hat die Tilburg University eine widersprüchliche Informationslage beklagt, nach der die Steuerpflicht unter anderem von Studierenden, Sozialleistungsempfängern und Flüchtlingen unklar sei (vgl. DSP-groep Amsterdam, Tilburg University, The 2 % Tax, Juni 2017, S. 79 f.).
Die unterschiedlichen Angaben zur Höhe der im Einzelfall zu entrichtenden Steuer führen jedoch nicht dazu, dass die Diaspora-Steuer als generell willkürlich und deshalb als unzumutbar anzusehen wäre. Denn sie wird vielmehr allgemein und gerade auf einer rechtlichen Grundlage erhoben (s. o.), die in der Praxis der Auslandsvertretungen unterschiedlich angewandt werden kann. Hierdurch werden insbesondere Steuererleichterungen für besonders sozialschwache Auslandseritreer möglich.
Es ist im Übrigen nicht ersichtlich, dass die Aufbausteuer gegen völkerrechtliche Regeln oder gegen deutsches Recht verstoßen würde. Es ist insbesondere weder eine Erhebung der Diaspora-Steuer durch unerlaubte Mittel ersichtlich noch eine völkerrechtswidrige Verwendung der eingenommenen Steuern feststellbar (hierzu ausführlich VG Gießen, Urt. v. 28.7.2015 - 6 K 3108/15.GI -, juris Rn. 23 f.; vgl. auch VG Wiesbaden, Urt. v. 8.6.2020 - 4 K 2002/19.WI -, Asylmagazin 2020, 269, juris Rn. 22).
Eine Unzumutbarkeit der Zahlung der Aufbausteuer ergibt sich im Einzelfall des Klägers nicht etwa aus der Höhe der zu zahlenden Steuer. Das gilt zunächst, wenn der Kläger im Einklang mit den überwiegenden Angaben in den Erkenntnismitteln sowie gemäß den Vorgaben in der Proklamation Nr. 67/1995 - Eritrea - die 2-%-Steuer auf das Nettoeinkommen zu leisten hat und der Zeitraum seit der Ausreise des Klägers im Jahr 2012 wegen des unterstellten Bezugs von Sozialleistungen bei der Berechnung unberücksichtigt bleibt. Die Steuerrückstände lassen sich unter Zugrundelegung seiner Angabe in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, seit 2017 dauerhaft im Bundesgebiet beschäftigt zu sein und hierbei einen Nettoverdienst von 1.650,00 EUR zu erzielen, auf 1.580,00 € (1.650,00 € x 2 % x 48 Monate) schätzen. Hierbei handelt es sich unter Berücksichtigung der Dauer des Aufenthalts und der Erwerbstätigkeit um einen nicht übermäßig belastenden Betrag. Selbst wenn man annimmt, im Falle des Klägers würde, wie in den Erkenntnismitteln vereinzelt beschrieben, das Bruttoeinkommen zugrunde gelegt, wird die Schwelle zur Unzumutbarkeit aufgrund des geringen Steuersatzes nicht überschritten. Wäre man der Auffassung, die Steuerhöhe sei aufgrund der Angaben in den Erkenntnismitteln nicht mit hinreichender Genauigkeit zu ermitteln, wäre die Passbeschaffung derzeit nicht unzumutbar. In diesem Fall gälte die allgemeine Regel, dass die Erkundigung über die Voraussetzungen der Passausstellung bei der Auslandsvertretung des Heimatstaats grundsätzlich zumutbar ist. In diesem Rahmen hätte der Kläger die genaue Höhe der von ihm zu zahlenden Aufbausteuer in Erfahrung zu bringen.
dd) Dass der Kläger gegenüber dem Konsulat eine Reueerklärung („letter of regret“ oder „repentance letter“) abzugeben hätte, führt nicht zur Unzumutbarkeit der Erlangung eines Nationalpasses. Hierbei handelt es sich um einen aus zwei Sätzen bestehenden, von dem Unterzeichner zu unterschreibenden Passus am Ende des Formulars „4/4.2“ mit dem Titel „Immigration and Citizenship Services Request Form“, in dem der Erklärende bedauert, seiner nationalen Pflicht nicht nachgekommen zu sein und erklärt, eine eventuell dafür verhängte Strafe zu akzeptieren (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 9.12.2020 i. d. F. vom 25.1.2021, S. 26; vgl. auch EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, September 2019, S. 60 f.; andere Erkenntnismittel übersetzen „nationale Pflichten“ (DSP-groep Amsterdam, Tilburg University, The 2 % Tax, Juni 2017, Appendix E - „national obligations“ -) beziehungsweise „Dienstpflicht“ (UN Security Council, S/2012/545, S. 63 - „national service“ -)).
(1) Aufgrund der im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel steht fest, dass alle illegal ausgereisten eritreischen Staatsangehörigen im dienstfähigen Alter und entgegen der Auffassung des Beklagten unabhängig davon, ob sie sich dem Wehrdienst entzogen haben oder gar desertiert sind, konsularische Dienstleistungen wie die Ausstellung eines Reisepasses nur gegen Abgabe einer sogenannten Reueerklärung in Anspruch nehmen können. Zu dieser Einschätzung gelangt das Auswärtige Amt in der vom Senat eingeholten Auskunft vom 14. Dezember 2020 (Bl. 168 der Gerichtsakte). Darin heißt es, vor dem Hintergrund, dass die Nationale Dienstpflicht aufgrund der fortdauernden Mobilmachung für Männer bis zum 50. Lebensjahr andauere, dürfte in solchen Fällen nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes stets die Unterzeichnung der Reueerklärung erforderlich sein (Hervorhebung hinzugefügt).
Diese Annahme steht im Einklang mit dem wesentlichen Inhalt der Erkenntnismittel. So hat bereits im Juni 2017 die Tilburg University (DSP-groep Amsterdam, The 2% Tax for Eritreans in the diaspora, S. 83) ausgeführt, dass einige Auslandseritreer, die zur Zahlung der sogenannten Aufbau- oder Diasporasteuer in Höhe von 2 % verpflichtet seien, diese erst zahlen würden, wenn sie konsularische Leistungen in Anspruch nehmen müssten, wobei diejenigen, die Eritrea illegal verlassen und/oder den Nationaldienst nicht (vollständig) erfüllt hätten („who left Eritrea illegally and/or who did not (completely) fulfil the national service“), die Reueerklärung abgeben müssten, bevor sie überhaupt die Aufbausteuer zahlen dürften. Ähnlich hat die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Eritrea: Reflexverfolgung, Rückkehr und „Diaspora-Steuer“, 30.9.2018, S. 8) festgestellt, dass „Deserteur_innen und Personen, die das Land in rechtswidriger Weise verlassen haben“, die Reueerklärung ausfüllen müssen. Ebenso bekundet Lifos (Rapport: Eritrea, Familjemedlemmars kontakt med eritreanska beskickningar i utlandet, 26.4.2018, version 1.3, S. 8, 21) unter Bezugnahme auf eine E-Mail der schwedischen Botschaft in Khartum vom 13. Februar 2017 unmissverständlich das Erfordernis einer Reueerklärung zur Passbeantragung für Eritreer, die ihr Herkunftsland illegal verlassen haben unabhängig davon, ob sie desertiert sind bzw. sich dem Nationaldienst entzogen haben oder nicht („som lämnat Eritrea på illegal väg [….], oavsett om de deserterat/undanhållit sig från nationaltjänsten eller inte“). Auch die deutsche Botschaft in Asmara hat gegenüber dem Beklagten mit E-Mail vom 13. Mai 2020 erklärt, dass die eritreischen Auslandsvertretungen in der Regel die Unterzeichnung der sogenannten Reueerklärung als Voraussetzung für konsularische Dienstleistungen verlangen würden, wenn der Antragsteller illegal ausgereist sei (Bl. 98 der Gerichtsakte). Zwar lässt sich nach dem Wortlaut dieser Stellungnahme („in der Regel“) nicht ausschließen, dass zum Ausdruck gebracht werden sollte, in Ausnahmefällen könne von dem Erfordernis der Unterzeichnung der Reueerklärung abgesehen werden (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 28.12.2020 - 10 ZB 20.2157 -, juris Rn. 9). Nunmehr klärt aber die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14. Dezember 2020 den Sachverhalt.
Diese Einschätzung deckt sich im Ergebnis mit der Angabe verschiedener Quellen, die Reueerklärung sei auch von denjenigen abzugeben, die den Nationaldienst nicht geleistet oder nicht abgeschlossen haben (so EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, September 2019, S. 60; ähnlich UK Home Office, Country Policy and Information Note - Eritrea: National service and illegal exit, Juli 2018, Version 5.0, S. 55 „who have left Eritrea without having completed national service“), da nach gegenwärtiger Erkenntnislage faktisch jeder illegal ausgereiste Eritreer im dienstfähigen Alter seinen Nationaldienst noch nicht beendet hat.
Der eritreische Nationaldienst hat neben der Verteidigung auch den Wiederaufbau des Landes zum Ziel und umfasst daher sowohl einen aktiven Nationaldienst (Militärdienst) als auch einen zivilen Nationaldienst (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Eritrea: Nationaldienst, 30.6.2017, S. 4 f.; EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, September 2019, S. 24 f.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 9.12.2020 i. d. F. vom 25.1.2021, S. 15; vgl. Art. 2 Nr. 2 und Art. 5 Proclamation on National Service No. 82/1995 of 1995 - Eritrea -, englische Übersetzung abrufbar unter https://www.refworld.org/docid/3dd8d3af4.html). Die allgemeine Dienstpflicht gilt nach Art. 6 Proclamation No. 82/1995 - Eritrea - für alle Eritreer ab einem Alter von 18 Jahren bis zum 50. Lebensjahr. Die Pflicht zum aktiven Militärdienst gilt bis zum Alter von 40 Jahren, Art. 8 Proclamation No. 82/1995 - Eritrea - (vgl. Schweizerische Eidgenossenschaft, Focus Eritrea, Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016, aktualisiert am 10.8.2016, S. 45; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 9.12.2020 i. d. F. vom 25.1.2021, S. 16; Amnesty International: Gutachten v. Januar 2021 im Verwaltungsgerichtsverfahren einer eritreischen Staatsangehörigen, S. 6). Die aktive Nationaldienstpflicht beträgt zwar gemäß Art. 8 Proclamation No. 82/1995 - Eritrea - regulär lediglich 18 Monate, davon sechs Monate militärische Ausbildung und zwölf Monate Militärdienst (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Eritrea: Nationaldienst, 30.6.2017, S. 4; EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, September 2019, S. 35; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 9.12.2020 i. d. F. vom 25.1.2021, S. 16). Allerdings dauert sie darüber hinaus gemäß Art. 21 Abs. 1 Proclamation No. 82/1995 - Eritrea - auch während einer allgemeinen Mobilmachung oder Kriegszeit an, weshalb die Dauer des Nationaldienstes in der Praxis seit der bisher nicht aufgehobenen allgemeinen Mobilmachung nach Ausbruch des Grenzkriegs mit Äthiopien im Jahr 1998 deutlich ausgeweitet ist. Es kann zwar im Einzelfall vorkommen, dass Wehrpflichtige nach Ableistung des 18-monatigen Dienstes sowohl aus dem Militär als auch aus dem „National Service“ entlassen werden. Grundsätzlich besteht jedoch seit der Mobilmachung keine zeitliche Begrenzung des Nationaldiensts mehr (vgl. Schweizerische Eidgenossenschaft, Focus Eritrea, Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016, aktualisiert am 10.8.2016, S. 45; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Eritrea: Nationaldienst, 30.6.2017, S. 4; EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, September 2019, S. 35 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 9.12.2020 i. d. F. vom 25.1.2021, S. 16; Amnesty International: Gutachten v. Januar 2021 im Verwaltungsgerichtsverfahren einer eritreischen Staatsangehörigen, S. 6).
Vor dem Hintergrund dieser zeitlich unbegrenzten nationalen Dienstpflicht ist davon auszugehen, dass sich jeder Eritreer im dienstpflichtigen Alter allein durch seine illegale Ausreise seinen nationalen Pflichten entzogen hat und daher vor Inanspruchnahme konsularischer Dienstleistungen wie der Passbeantragung eine Reueerklärung abgeben muss.
Soweit einzelne Quellen nur darüber berichten, dass Deserteure und Wehrdienstverweigerer eine Reueerklärung abzugeben haben (Bertelsmann Stiftung: BTI 2020 Country Report Eritrea, 29.4.2020, S. 30; ACCORD, Anfragebeantwortung zu Eritrea: Möglichkeit der Ausstellung von amtlichen Dokumenten durch Botschaften, insbesondere in Ägypten, Kenia und Europa, 28.5.2020, unter Zitierung von Berichten des EASO aus 2015 und des niederländischen Außenministeriums aus 2017), stehen diese Angaben entweder im Zusammenhang mit der Kernaussage, dass selbst diese Personengruppen einen Reisepass erhalten können, oder erweisen sich unter Berücksichtigung der vorstehend ausgewerteten Erkenntnismittel schlicht als ungenau.
(2) Dem Kläger ist es entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts zumutbar, die von der eritreischen Auslandsvertretung geforderte Reueerklärung zu unterzeichnen.
Das bloße Erfordernis der Unterzeichnung der Reueerklärung allein ist von vornherein nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit der Passbeschaffung zu begründen. Die dem Beklagten mitgeteilte Auffassung der Bundesregierung (vgl. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, E-Mail v. 13.7.2018, M2-20105/56#43, Bl. 64 der Gerichtsakte) ist im Ergebnis zutreffend.
Das gilt offensichtlich in den Fällen, in denen die Abgabe tatsächlich erfolgt. Es gibt eine relativ große Gruppe von eritreischen Staatsangehörigen, die ihren Status gegenüber ihrem Herkunftsland freiwillig durch Abgabe der Reueerklärung und Zahlung der Aufbausteuer von 2 % legalisiert und hierdurch den sogenannten Diaspora-Status erlangt haben. Nach in der Regel drei Jahren Auslandsaufenthalt können Auslandseritreer den Diaspora-Status grundsätzlich unabhängig davon beantragen, ob sie legal oder illegal ausgereist sind und ob sie ihren Nationaldienst beendet haben oder nicht. Personen mit Diaspora-Status sind von der Nationalpflicht ausgenommen und können Eritrea nach einem Aufenthalt, der in der Regel nicht länger als sechs Monate im Jahr andauern sollte, ohne Ausreisevisum wieder verlassen. Sie haben andererseits keinen Zugang zu staatlichen Dienstleistungen für Einwohner Eritreas. Personen mit Diaspora-Status können sich normalerweise während ihrer vorübergehenden Besuche problemlos in Eritrea aufhalten, wenngleich eine Verfolgung im Einzelfall nicht ausgeschlossen ist, da es weder ein rechtsstaatliches Verfahren noch entsprechende Garantien gibt, von einer Strafverfolgung verschont zu bleiben (vgl. z. B. EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, September 2019, S. 63 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 9.12.2020 i. d. F. v. 25.1.2021, S. 22). Nach Abwägung der Vor- und Nachteile erklären sich eritreische Staatsangehörige nicht selten freiwillig dazu bereit, die Reueerklärung zu unterschreiben, um so von den Privilegien des Diaspora-Status zu profitieren. So reisen nach offiziellen Angaben jährlich durchschnittlich 95.000 im Ausland wohnhafte Eritreer, die üblicherweise die genannten Bedingungen der Behörden erfüllen, nach Eritrea ein (EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, September 2019, S. 63).
Es gilt aber auch, wenn der Betroffene subjektiv nicht bereit ist, die Reueerklärung zu unterschreiben. Der entgegenstehende Wille ist angesichts des bei verständiger Würdigung nicht ernsthaft belastenden Inhalts der Erklärung und des Fehlens objektiv nachteiliger Folgen ihrer Unterzeichnung unbeachtlich. Auch eine grundrechtsfreundliche Auslegung gebietet es nicht, eine Unzumutbarkeit der Passbeantragung aufgrund eines solch entgegenstehenden Willens anzunehmen.
Einschlägig ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und nicht etwa das Grundrecht der Gewissensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG. Die Gewissensfreiheit schützt allein die Gewissensentscheidung. Eine solche Gewissensentscheidung ist nicht bereits jede relative Entscheidung über die Zweckmäßigkeit menschlichen Verhaltens aufgrund ernsthafter und nachdrücklicher Auffassung von guter politischer Ordnung und Vernunft, sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Nützlichkeit, sondern ausschließlich die ernste sittliche, das heißt an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, sodass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte. Die Gewissensentscheidung muss also den Charakter eines unabweisbaren, den Ernst eines die ganze Persönlichkeit ergreifenden sittlichen Gebots, einer inneren Warnung vor dem Bösen und eines unmittelbaren Anrufs zum Guten tragen (st. Rspr. BVerfG, Beschl. v. 20.12.1960 - 1 BvL 21/60 -, BVerfGE 12, 45, juris Rn. 30 f.; Urt. v. 13.4.1978 - 2 BvF 1/77 u.a. - BVerfGE 48, 127, juris Rn. 83; v. 26.2.2020 - 2 BvR 2347/15 -, BVerfGE 153, 182, juris Rn. 309; Bethge, in: Isensee/Kirchhof, HStR III, 3. Aufl. 2009, § 158 Rn. 20).
Zwar hat der Kläger den Begriff des Gewissens im Zusammenhang mit der Ablehnung der Diaspora-Steuer in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht verwandt und damit möglicherweise zugleich zum Ausdruck bringen wollen, dass auch die Abgabe einer Reueerklärung gegen seine innere Überzeugung verstoßen würde. Hieraus ergibt sich jedoch nicht das Vorliegen einer Gewissensentscheidung im grundrechtlichen Sinne. Es ist nicht erkennbar und nicht vorgetragen, dass es dem Kläger um eine sittliche Pflicht oder um eine Ausrichtung seines Handelns anhand moralischer Werte ginge. Nach seinem Vortrag liefe die Abgabe der Reueerklärung allenfalls seiner Auffassung von guter politischer Ordnung und sozialer Gerechtigkeit zuwider. So hat er ausschließlich seine ablehnende Haltung gegenüber dem eritreischen Staat und der Möglichkeit der Bereinigung der Verhältnisse durch die Beantragung des Diaspora-Status dargestellt. Er hat deutlich gemacht, dass er schlicht nicht gewillt ist, dem eritreischen Staat eine Gegenleistung für die Inanspruchnahme staatlicher Leistungen, die ihm allein aufgrund seiner Staatsangehörigkeit gebührten, zu erbringen. Würde ihn die Reueerklärung hingegen in echte Gewissensnöte bringen, so wäre zudem zu erwarten gewesen, dass er dies vorrangig und bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgetragen hätte.
Demgegenüber ist im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung nach § 5 Abs. 1 AufenthV das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Dieses ergänzt als „unbenanntes“ Freiheitsrecht die speziellen Freiheitsrechte, die, wie etwa die Gewissensfreiheit oder die Meinungsfreiheit, ebenfalls konstituierende Elemente der Persönlichkeit schützen. Es dient der Gewährleistung der engeren persönlichen Lebenssphäre und der Erhaltung ihrer Grundbedingungen, die sich durch die konkreten Freiheitsgrundrechte nicht abschließend erfassen lassen; diese Notwendigkeit besteht auch und im Hinblick auf moderne Entwicklungen und die mit ihnen verbundenen neuen Gefährdungen für den Schutz der menschlichen Persönlichkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat den Inhalt des geschützten Rechts nicht abschließend umschrieben, sondern seine Ausprägungen jeweils anhand des zu entscheidenden Falles herausgearbeitet (BVerfG, Beschl. v. 3.6.1980 - 1 BvR 185/77 -, BVerfGE 54, 148, juris Rn. 13 f.). Es schützt beispielsweise die persönliche Ehre (BVerfG, Beschl. v. 15.8.1989 - 1 BvR 881/89 -, juris Rn. 6), vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung (BVerfG, Beschl. v. 13.1.1981 - 1 BvR 116/77 -, BVerfGE 56, 37, juris; v. 26.2.1997 - 1 BvR 2172/96 -, BVerfGE 95, 220, juris Rn. 82; v. 6.9.2016 - 2 BvR 890/16 -, JZ 2016, 1113, juris Rn. 34) und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (BVerfG, Urt. v. 5.6.1973 - 1 BvR 536/72 -, BVerfGE 35, 202, juris Rn. 44). So soll etwa der Einzelne darüber befinden dürfen, wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit darstellen will, was seinen sozialen Geltungsanspruch ausmachen soll und ob oder inwieweit Dritte über seine Persönlichkeit verfügen können (BVerfG, Beschl. v. 8.2.1983 - 1 BvL 20/81 -, juris Rn. 30).
Nach diesen Maßstäben ist der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zwar betroffen. Nach ihrem reinen Wortlaut enthält die Reueerklärung einerseits ein selbstbelastendes Schuldeingeständnis und andererseits die Erklärung von Reue als solcher. Aus den weiteren Umständen ergibt sich aber, dass Abgabe und Entgegennahme der Erklärung mit einer geringen Ernsthaftigkeitserwartung einhergehen und dass die tatsächlichen Folgen dem Erklärungsinhalt widersprechen. Deswegen ist nicht nur die Belastung durch die Abgabe der Reueerklärung und deren Folgen gering, der Erklärungsinhalt wird auch nicht als kennzeichnend für die Persönlichkeit des Erklärenden verstanden.
Soweit der eritreische Staat die Erklärung der Reue als solche verlangt, handelt es sich zwar dem Wortlaut nach um eine die eigene Ehre betreffende Erklärung, die ersichtlich im Widerspruch zur inneren Einstellung des Klägers steht. Sie betrifft dessen vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Ehre und seine Selbstdarstellung gegenüber Dritten indes nur in einem äußert untergeordneten Maße. Die Erklärung, es zu bereuen, den nationalen Pflichten nicht nachgekommen zu sein, ist unter Berücksichtigung der Gesamtumstände bei wertender Betrachtung nicht etwa so zu verstehen, dass hiermit eine echte Reue des Unterzeichnenden bekundet wird. Hierfür spricht bereits, dass eine Vielzahl von Auslandseritreern diese Erklärung freiwillig unterzeichnen, um die mit dem Diaspora-Status verbundenen Vorteile zu erlangen (s. o.). Es ist angesichts der gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die hunderttausende Menschen dazu bewegen, ihr Land zu verlassen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 9.12.2020 i. d. F. v. 25.1.2021, S. 5 unter Bezugnahme auf die UN-Sonderberichterstatterin für Eritrea), aber nicht anzunehmen, dass diese Personen ihre Flucht und die damit verbundene Entziehung von der schwer belastenden Dienstpflicht ernsthaft bereuen. Dagegen spricht auch, dass die Situation, in der die Erklärung abgegeben wird, gar keinen Anlass bietet, in eine ernsthafte Reflexion über eigene Schuld oder Verantwortlichkeit für ein vermeintliches Fehlverhalten einzutreten. Die Erklärung dient der Erlangung des Diaspora-Status und ist Vorbedingung für konsularische Dienstleistungen. Sie wird auf einem Formular abgegeben, das ansonsten der Erfassung der persönlichen Daten dient. Weder der eritreische Staat noch ein Dritter, der von der Erklärung Kenntnis erhält, hat Grund zu der Annahme, der Erklärende bekunde ernsthaft Abscheu gegenüber einem vorangegangenen Fehlverhalten. Die mangelnde Ernsthaftigkeit des gesamten Passus wird weiter daran deutlich, dass, wie unten ausgeführt wird, auch die Erklärung, jede Strafe auf sich zu nehmen, eine dem Wortlaut gegenteilige Wirkung hat und das Bestrafungsrisiko senkt. Die Bedeutung der Reueerklärung liegt nach alldem nicht in der im Wortlaut enthaltenen Reue, sondern in dem Akt der Unterschrift, der eine Anerkennung der staatlichen Souveränität und Vorherrschaft Eritreas durch den Unterzeichnenden symbolisiert. Im Passantragsverfahren stellt sie damit eine bloße Formalie dar, mit der der Unterzeichnende zu erkennen geben soll, dass er den eritreischen Staat akzeptiert.
Ohne dass es darauf entscheidungserheblich ankäme, misst der Kläger nach dem Eindruck des Senats in der mündlichen Verhandlung der Unterzeichnung der Reueerklärung selbst keine besondere Bedeutung bei. Für ihn standen ersichtlich die Aufbausteuer und die Frage, ob hinreichend wahrscheinlich ist, dass der eritreische Staat bei Erfüllung der Bedingungen auch tatsächlich einen Pass ausstellen wird, im Vordergrund.
Das darüber hinaus in der Reueerklärung enthaltene Eingeständnis, den nationalen Pflichten nicht nachgekommen zu sein, und eine eventuell hierfür verhängte angemessene Strafe zu akzeptieren, führt zu keiner anderen Einschätzung. Auch insoweit ist dem Kläger die Abgabe der Erklärung im Passantragsverfahren vor der eritreischen Auslandsvertretung zumutbar.
Mit dem in der Reueerklärung enthaltenen Geständnis gibt der Kläger weder eine unwahre Erklärung ab, noch schafft er die Grundlage für eine Bestrafung. Aus der Sicht des eritreischen Staates hat sich der Kläger durch die illegale Ausreise seinen nationalen Verpflichtungen entzogen (s. o.). Sowohl die illegale Ausreise als auch die Entziehung vom Nationaldienst stellen nach eritreischem Recht Straftaten dar, wobei zumindest letztere von den eritreischen Behörden auch tatsächlich geahndet wird (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 9.12.2020 i. d. F. vom 25.1.2021, S. 14, 21 f.). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um verborgene Straftaten, die dem eritreischen Staat durch die Unterzeichnung der Reueerklärung erstmals zur Kenntnis gebracht würden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dem eritreischen Staat durchaus bekannt ist, dass der Kläger das Land auf illegalem Weg verlassen hat und damit für den Nationaldienst nicht zur Verfügung steht. So hat er selbst behauptet, dass seine Familienangehörigen aufgrund seiner Flucht ins Visier der eritreischen Behörden geraten seien. Zudem hat er vorgetragen, dass er in der Vergangenheit bereits seinen Vater gebeten hatte, bei den örtlichen Behörden in Erfahrung zu bringen, ob und unter welchen Voraussetzungen er aus dem Ausland heraus einen Ersatz für seinen verlorengegangenen Führerschein erhalten könne. Spätestens in diesem Zusammenhang haben die eritreischen Behörden Kenntnis vom Auslandsaufenthalt des Klägers erlangt, für den sie zuvor aber kein Ausreisevisum erteilt hatten. Schließlich gibt bereits der Aufenthalt im Ausland als solcher in Verbindung mit dem Alter des Klägers dem eritreischen Staat Anlass zu der Schlussfolgerung, dass eine illegale Ausreise vorliegt. Der eritreische Staat erfährt durch die Reueerklärung nichts, was er aufgrund der schlichten Vorsprache bei dem Konsulat nicht schon wüsste. Der Kläger muss daher bereits unabhängig von der Abgabe der Reueerklärung eine Inhaftierung auf unbestimmte Zeit ohne rechtsstaatliches Verfahren und unter widrigen Bedingungen gerade wegen der Nichterfüllung der nationalen Pflichten befürchten, weshalb ihm das Bundesamt den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat (vgl. zudem Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 9.12.2020 i. d. F. vom 25.1.2021, S. 20). Von einem Einverständnis des Betroffenen macht der eritreische Staat die Bestrafung offensichtlich nicht abhängig. Vor diesem Hintergrund erhöht die Abgabe der Reueerklärung das Risiko einer Strafverfolgung gegenüber dem in Eritrea allgemein bestehenden Risiko der willkürlichen Inhaftierung nicht.
Vielmehr reduziert die Abgabe der Reueerklärung entgegen dem durch ihren Wortlaut begründeten Anschein die Wahrscheinlichkeit einer Bestrafung. Der Kläger kann hierdurch unter Umständen den Diaspora-Status erlangen und damit grundsätzlich seine Rechtsposition verbessern. Obwohl die Strafverfolgung in Eritrea von Willkür geprägt ist und der Diaspora-Status keine sichere Gewähr dafür bietet, von einer Strafverfolgung verschont zu bleiben, kann dessen Erlangung nach aktueller Erkenntnislage auch insoweit als vorteilhaft angesehen werden und die Gefahr einer Inhaftierung unter unwürdigen Bedingungen (vgl. oben) reduzieren. Nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts wird Dienstflucht in diesem Kontext nach drei Jahren nicht mehr geahndet, Ausnahmen sind jedoch möglich (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 9.12.2020 i. d. F. vom 25.1.2021, S. 26). So verlaufen kurzzeitige Eritrea-Besuche von Diasporaangehörigen normalerweise problemlos. Soweit einige Quellen gegenüber EASO von vereinzelten Vorfällen berichtet haben, bei denen Besucher verhaftet und in den Nationaldienst berufen worden seien, seien diese allerdings entweder wegen oppositioneller Aktivitäten im Ausland als regierungskritisch angesehen worden oder hätten die Reueerklärung gerade nicht unterzeichnet. Wo es zu Verhaftungen nach dauerhafter Rückkehr kam, hatte die Reueerklärung zur Folge, dass die Betroffenen etwas besser behandelt wurden (EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, September 2019, S. 64 f.; vgl. auch oben).
Aus dem Vorstehenden ergibt sich auch, dass es sich bei dieser Erklärung nicht um eine Selbstbezichtigung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt, wonach ein Zwang, durch eigene Aussagen die Voraussetzungen für eine strafgerichtliche Verurteilung oder die Verhängung entsprechender Sanktionen liefern zu müssen, unzumutbar und mit der Würde des Menschen unvereinbar ist (BVerfG, Beschl. v. 13.1.1981 - 1 BvR 116/77 -, BVerfGE 56, 37, juris Rn. 26; Beschl. v. 9.5.2004 - 2 BvR 480/04 -, wistra 2004, 383, juris Rn. 2; v. 6.9.2016 - 2 BvR 890/16 -, JZ 2016, 1113, juris Rn. 35 f.). Anders als in den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen zu Selbstbezichtigungen entscheidet der Kläger selbst, ob er die Reueerklärung gegenüber der eritreischen Auslandsvertretung abgibt, um so einen Nationalpass zu erlangen, oder ob er hierauf verzichtet. Eine imperative Verpflichtung zur Unterzeichnung der Reueerklärung existiert gerade nicht. Eine solche wohnt der Ablehnung der Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer durch den Beklagten mitnichten inne. Der Kläger wird daher auch nicht vor das Dilemma gestellt, entweder wegen der zu offenbarenden Handlung oder wegen einer falschen Auskunft oder Aussage belangt zu werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.1.1981 - 1 BvR 116/77 -, BVerfGE 56, 37, juris Rn. 14, 17 f., 23 f., 27 f.; v. 9.5.2004 - 2 BvR 480/04 -, wistra 2004, 383, juris Rn. 5; v. 6.9.2016 - 2 BvR 890/16 -, JZ 2016, 1113, juris Rn. 20 f.). Zudem ist die Erklärung, wie dargelegt, nicht Grundlage einer Bestrafung, sondern reduziert deren Wahrscheinlichkeit.
dd) Schließlich würden die Abgabe der Reueerklärung und eine anschließende Erlangung eines eritreischen Passes nicht zum Widerruf des dem Kläger zuerkannten subsidiären Schutzstatus führen. Wie bereits oben ausgeführt, stellt § 72 Abs. 2 AsylG i. V. m. § 73 AsylG weder in direkter noch in analoger Anwendung eine taugliche Rechtsgrundlage für den Widerruf dieses Schutzstatus dar. Dieser kann allein nach § 73b Abs. 1 Satz 1 AsylG widerrufen werden. Danach ist die Gewährung des subsidiären Schutzes zu widerrufen, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maß verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Bei Anwendung des Absatz 1 ist gemäß § 73b Abs. 2 AsylG zu berücksichtigen, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass der Ausländer, dem subsidiärer Schutz gewährt wurde, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG zu erleiden. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Möglichkeit, den Diaspora-Status zu erlangen, gab es schon im Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes; diesbezüglich liegen keine veränderten Umstände vor. Machte der Kläger von dieser Möglichkeit Gebrauch, wäre auch damit keine wesentliche und dauerhafte Änderung der Tatsachengrundlage verbunden. Der Diaspora-Status würde dem Kläger gerade keinen dauerhaften Aufenthalt in Eritrea gewähren. Zudem besteht aufgrund der willkürlichen Strafverfolgungspraxis eine beachtliche (Rest-)Wahrscheinlichkeit für eine Haft unter schlechten, mit Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verbundenen Haftbedingungen (s. o.). Allein die Befürchtung, das Bundesamt könnte eine von derjenigen des Gerichts abweichende Rechtsauffassung vertreten, ist für die Prüfung der Zumutbarkeit unerheblich.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Berücksichtigung der zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus führenden Umstände im Rahmen der Bewertung der Zumutbarkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 und 2 AufenthV hat.