Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.03.2021, Az.: 2 ME 436/20

Ersatzschule von besonderer pädagogischer Bedeutung; Freie Waldorfschule; Schülerbeförderung; Schülerbeförderungskosten; Schülerbeförderungssatzung; Schulform; Taxibeförderung; Waldorfschule

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.03.2021
Aktenzeichen
2 ME 436/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70853
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 14.10.2020 - AZ: 6 B 4432/20

Fundstellen

  • NVwZ-RR 2021, 719-722
  • NordÖR 2021, 392
  • SchuR 2024, 60

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Freien Waldorfschulen gehören zu den Ersatzschulen von besonderer pädagogischer Bedeutung im Sinne des § 141 Abs. 3 NSchG (Fortführung der Senatsrechtsprechung, Senatsurt. v. 24.5. 2007 - 2 LC 9/07 -, NdsVBl 2007, 336; juris Rn. 45), für die der Gesetzgeber mit § 141 Abs. 3 Satz 2 NSchG eine eigenständige Rückausnahme geschaffen hat.

Besteht am Wohnort der Schülerin bzw. des Schülers keine andere entfernungsmäßig näher gelegene Freie Waldorfschule, kann der Träger der Schülerbeförderung die Beförderungs- oder Erstattungspflicht für den Besuch einer Freien Waldorfschule außerhalb seines Gebiets nicht nach § 141 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 114 Abs. 3 Satz 5 Halbsatz 1 NSchG auf die Erstattung der Kosten der teuersten Zeitkarte des öffentlichen Personennahverkehrs beschränken, die er für die Schülerbeförderung in seinem Gebiet zu erstatten hätte.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichter der 6. Kammer - vom 14. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und für das erstinstanzliche Verfahren - insoweit unter Änderung der Streitwertentscheidung des Verwaltungsgerichts - auf jeweils 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Anordnung für das Schuljahr 2020/2021 die Übernahme der Kosten der Taxibeförderung für den Hin- und Rückweg ihrer Pflegetochter von ihrem Wohnort zu der im benachbarten Landkreis gelegenen Freien Waldorfschule in Höhe von täglich 40 Euro.

Die Antragsteller sind die Pflegeeltern der 2010 geborenen F., die seit Anfang März 2020 in Vollzeitpflege in ihrem Haushalt lebt. Bis zum Ende des vierten Schuljahrgangs (2019/2020) besuchte die Pflegetochter die Grundschule in A-Stadt. Seit Beginn des fünften Schuljahrgangs besucht sie die Freie Waldorfschule G. -Stadt, bei der es sich um eine genehmigte Ersatzschule handelt. Das für den Schulbesuch zu entrichtende Schulgeld übernimmt das Jugendamt des Antragsgegners, das den Besuch der Waldorfschule aus pädagogischen Gründen befürwortet, aus Mitteln der Jugendhilfe.

Im Juli 2020 beantragte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner als Träger der Schülerbeförderung die Übernahme der Kosten einer Taxibeförderung ihrer Pflegetochter ab dem Schuljahr 2020/2021. Das im Verwaltungsverfahren unterbreitete Angebot des Antragsgegners, die Kosten monatlich bis zur Höhe der teuersten Schülermonatsfahrkarte im öffentlichen Personennahverkehr (86 Euro) zu übernehmen oder aber 0,30 Euro/km zu erstatten, wenn die Antragsteller ihre Pflegetochter selbst zu Schule fahren sollten, nahmen die Antragsteller nicht an. Die Übernahme der Taxibeförderung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 29. Juli 2020 ab.

Über die dagegen gerichtete Klage - 6 A 4562/20 - hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden. Den zudem gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt und in den Gründen ausgeführt, die Antragsteller hätten den für den Erlass der einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch auf die Übernahme der Kosten einer Taxibeförderung nicht glaubhaft gemacht. Die mit dem Bescheid des Antragsgegners bewilligte Kostenübernahme bis zur Höhe der teuersten Schülermonatskarte des öffentlichen Personennahverkehrs von 86 Euro sei nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner habe von der Ermächtigung des § 114 Abs. 3 Satz 5 NSchG Gebrauch gemacht und die Erstattung der Aufwendungen für den Schulweg in § 5 Abs. 2 seiner Schülerbeförderungssatzung (SBS) für die Fälle, in denen die gewählte Schule außerhalb des Kreisgebiets liege, auf die Höhe der Kosten der teuersten Zeitkarte des öffentlichen Personennahverkehrs für die Schülerbeförderung in seinem Kreisgebiet begrenzt. Ein darüberhinausgehender Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beförderung mit einem Taxi komme nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Beförderung mittels öffentlicher Verkehrsmittel für die Schülerin bzw. den Schüler mit unzumutbaren Bedingungen verknüpft sei. Anhaltspunkte für eine solche Ausnahme lägen nicht vor. Die Dauer des Schulweges von insgesamt rund 45 Minuten liege innerhalb der Grenzen der Regelungen der Schülerbeförderungssatzung und sei auch nach ständiger Rechtsprechung nicht unzumutbar. Dass der Pflegetochter eine Bewältigung des Schulwegs unter Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel nicht zuzumuten sei, und aus diesem Grund ein Anspruch auf eine Einzelbeförderung bestehen könnte, ergebe sich auch nicht aus dem vorgelegten Attest des Kinder- und Jugendarztes vom 1. Oktober 2020.

Dagegen wenden sich die Antragsteller mit der Beschwerde.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Beschwerdeverfahren gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im Ergebnis nicht in Frage.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO verlangt der Erlass der einstweiligen Anordnung ein streitiges Rechtsverhältnis, aus dem sich ein Rechtsanspruch ergeben muss (Anordnungsanspruch), dessen Verwirklichung notwendig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden (Anordnungsgrund). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt damit voraus, dass es dem Antragsteller nicht zumutbar ist, zunächst den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Nur unter diesen Umständen besteht überhaupt die Notwendigkeit für eine vorläufige gerichtliche Regelung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind von dem Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO).

Danach hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass die Antragsteller einen Anspruch auf die begehrte Übernahme der Kosten der Schülerbeförderung mit einem Taxi nicht glaubhaft gemacht haben (dazu unter 1). Dessen ungeachtet haben sie auch einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht (dazu unter 2).

1. Als Anspruchsgrundlage kommt hier allein die Regelung des § 114 NSchG in Verbindung mit der Satzung des Antragsgegners über die Schülerbeförderung im Landkreis B-Stadt vom 14. März 2014, zuletzt geändert durch Änderungsatzung vom 16. Juni 2017 (Schülerbeförderungssatzung - SBS -) in Betracht.

Vorauszuschicken ist, dass im Grundsatz die Erziehungsberechtigten im Rahmen ihrer Pflicht zur elterlichen Sorge (§§ 1626 Abs. 1, 1631 Abs. 1 BGB) für minderjährige Schülerinnen und Schüler (§ 55 NSchG) die Verantwortung für einen sicheren Schulweg tragen und grundsätzlich verpflichtet sind, die damit verbundenen Kosten zu übernehmen. Die staatliche Übernahme der Verantwortung für die Schülerbeförderung bzw. der Schülerbeförderungskosten setzte in der Vergangenheit erst ein, nachdem im Laufe der Zeit mit der Zentralisierung des Schulwesens die Wegstrecken zu den Schulen länger geworden sind. Auch wenn es sich bei der in § 114 NSchG geregelten Schülerbeförderung zwischenzeitlich um eine Pflichtaufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte im eigenen Wirkungskreis handelt (§ 114 Abs. 1 Satz 3 NSchG), dient die Sicherstellung der Schülerbeförderung weiterhin allein der Wahrung der Chancengleichheit und der Sicherstellung des Bildungsanspruchs und der Schulpflicht des Kindes (Senatsbeschl. v. 27.3.2019 - 2 ME 729/18 -, juris Rn. 11; Senatsurt. v. 2.12.2014 - 2 LB 353/12 -, juris Rn 66 f.). Die Träger der Schülerbeförderung sind regelmäßig nur verpflichtet, diejenigen Beförderungs- oder Erstattungsansprüche zu erfüllen, die sich unmittelbar aus dem Gesetz oder gegebenenfalls darüber hinaus aus ihrer jeweiligen Schülerbeförderungssatzung ergeben (vgl. Senatsbeschl. v. 27.3.2019 - 2 ME 729/18 -, juris Rn. 11; v. 4.1.2018 - 2 ME 808/17 -; v. 30.11.2016 - 2 LA 216/16 -, NdsVBl. 2017, 125). Eine allgemeine Pflicht zur Ausübung von Ermessen auch für ungeregelte Sachverhalte besteht nicht.

Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NSchG, hat der Träger der Schülerbeförderung die in seinem Gebiet wohnenden Schülerinnen und Schüler der 1. bis 10. Schuljahrgänge der allgemeinbildenden Schulen unter zumutbaren Bedingungen zur Schule zu befördern oder ihnen oder ihren Erziehungsberechtigten die notwendigen Aufwendungen für den Schulweg zu erstatten.

Nach § 141 Abs. 3 NSchG findet die Regelung des § 114 NSchG auf genehmigte Ersatzschulen (§§ 142, 143 NSchG) und mithin auf die von der Pflegetochter der Antragsteller besuchte Freie Waldorfschule entsprechende Anwendung. Auch für die Ersatzschulen ist damit das Prinzip der nächstgelegenen Schule festgelegt (Senatsurt. v. 24.5.2007 - 2 LC 9/07 -, juris Rn. 42).

Nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsurt. v. 24.5.2007 - 2 LC 9/07 -, juris Rn. 45) sprechen die Gesetzesmaterialien zu § 141 Abs. 3 NSchG zudem dafür, Freie Waldorfschulen im Rahmen der durch § 141 Abs. 3 NSchG vorgegebenen „entsprechenden Anwendung“ des § 114 NSchG als eigenständige Schulform anzusehen. In dem Schriftlichen Bericht zum Entwurf des Fünften Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes (LT-Drs. 13/1938, S. 4) wird zu § 141 Abs. 3 NSchG ausgeführt:

„Nach § 141 Abs. 3 NSchG sind (u.a.) die Bestimmungen des § 114 NSchG für Schulen in freier Trägerschaft entsprechend anzuwenden. Zu diesen Schulen gehören auch die Waldorfschulen, die zwar nicht einer der in § 5 Abs. 2 NSchG genannten Schulformen unterfallen, aber auf Grund ihres pädagogischen Konzepts wie die Schulform „Gesamtschule“ behandelt werden können. Bei der entsprechenden Anwendung des § 114 NSchG sind die Waldorfschulen daher wie eine eigenständige Schulform anzusehen. Auf ihre Schülerinnen und Schüler finden folglich die Regelungen über die Schülerbeförderung auch künftig Anwendung. Dieser vom MK im Verlauf der Ausschussberatungen vorgetragenen Sicht schloss sich der Kultusausschuss an.“

Sind die Waldorfschulen damit aus der Sicht des Gesetzgebers beförderungsrechtlich - und damit für die entsprechende Anwendung des § 114 NSchG maßgeblich - „wie eine eigenständige Schulform“ anzusehen, kommt es für die Frage der Beförderungs- und Erstattungspflicht und deren Begrenzung im Sinne des § 114 Abs. 3 NSchG darauf an, ob dem Wohnort der Antragsteller eine andere Freie Waldorfschule näher gelegen ist als die tatsächlich besuchte (Senatsurt. v. 24.5. 2007 - 2 LC 9/07 -, juris Rn. 45; Littmann, in Brockmann/Littmann/Schippmann, NSchG 64. Lieferung, Oktober 2020,
§ 114 Anm. 4.3) und die Pflegetochter der Antragsteller diese auch besuchen könnte.

Denn grundsätzlich ist die Beförderungs- oder Erstattungspflicht nach § 114 Abs. 3 Satz 1 NSchG auf den Weg zur entfernungsmäßig nächsten Schule der von der Schülerin oder dem Schüler gewählten Schulform begrenzt (vgl. Senatsbeschl. v. 30.1.2020 - 2 ME 622/19 -, juris Rn. 7). § 114 Abs. 3 NSchG korrespondiert insofern mit dem schulformbezogenen Wahlrecht der Erziehungsberechtigten gemäß § 59 Abs. 1 NSchG; aus fahrtkostenrechtlichen Gründen soll sich keine Schülerin und kein Schüler gehindert sehen, eine Schule der Schulform bzw. Ersatzschule der eigenen Wahl zu besuchen.

Entfernungsmäßig nächste Schule kann auch eine Schule außerhalb des Gebiets des Trägers der Schülerbeförderung sein. Weder der Wortlaut des § 114 Abs. 3 Satz 1 NSchG, der mit dem Begriff „nächste“ ausdrücklich auf die konkrete Entfernung abstellt, noch die Systematik des Gesetzes sprechen für eine Begrenzung auf Schulen innerhalb des Gebiets des Trägers der Schülerbeförderung. Zudem trifft § 114 Abs. 3 Satz 5 NSchG eine Regelung für eben diesen Fall (vgl. LT-Drs. 13/1650, S. 23), der es nicht bedurft hätte, wenn die nächste Schule ohnehin nur innerhalb des Gebiets des Trägers der Schülerbeförderung liegen könnte (vgl. Senatsbeschl. v. 30.1.2020 - 2 ME 622/19 -, juris Rn. 9). Davon ausgehend ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Pflegetochter der Antragsteller im Grunde ein Anspruch auf Schülerbeförderung zum Besuch der im angrenzenden Landkreis liegenden Freien Waldorfschule zusteht, denn der Schulweg überschreitet die in § 2 Abs. 1 b) SBS bestimmte Mindestentfernung für den Schulweg von Schülerinnen und Schülern der Sekundarbereiche von 4 Kilometern.

Die Beteiligten streiten hier zunächst darüber, ob dem Anspruch die Regelung des § 114 Abs. 3 Satz 5 Halbsatz 1 NSchG entgegensteht, wonach der Träger der Schülerbeförderung die Beförderungs- oder Erstattungspflicht auf die Erstattung der Kosten der teuersten Zeitkarte des öffentlichen Personennahverkehrs beschränken kann, die er für die Schülerbeförderung in seinem Gebiet zu erstatten hätte, wenn die nächste Schule der gewählten Schulform - hier also der Freien Waldorfschule - außerhalb des Gebiets des Trägers der Schülerbeförderung liegt. Die Vorschrift des § 114 Abs. 3 Satz 5 Halbsatz 1 NSchG dient der Kostenersparnis (vgl. LT-Drs 17/2882, S. 19) und trägt der Tatsache Rechnung, dass Schulen in benachbarten Landkreisen bzw. kreisfreien Städten mit öffentlichen Verkehrsmitteln häufig schlechter erreichbar sind und der von den Trägern der Schülerbeförderung zu organisierende Schülerverkehr Schulen außerhalb des eigenen Gebiets regelmäßig nicht anfährt (vgl. LT-Drs. 13/1650, S. 23 f.). Die Regelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich, weil es sich bei der Schülerbeförderung - wie dargelegt - um eine nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht geschuldete freiwillige Leistung handelt (vgl. Senatsurt. v. 2.12.2014 - 2 LB 353/12 -, NdsVBl. 2015, 158, juris Rn. 66; Senatsbeschl. v. 27.3.2019 - 2 ME 729/18 -, juris Rn.11, v. 30.1.2020 - 2 ME 622/19 -, juris Rn. 11) und der angegebene Sachgrund die zum Ausdruck gebrachte Differenzierung rechtfertigt (Art. 3 Abs. 1 GG).

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts greift die einschränkende Regelung des § 114 Abs. 3 Satz 5 Halbsatz 1 NSchG, die hier nach § 141 Abs. 3 NSchG grundsätzlich entsprechende Anwendung findet, aufgrund der weiteren Rückausnahme in § 141 Abs. 3 Satz 2 NSchG indes nicht. Die Freien Waldorfschulen gehören grundsätzlich zu den Ersatzschulen von besonderer pädagogischer Bedeutung im Sinne des § 141 Abs. 3 NSchG (vgl. Senatsurt. v. 24.5. 2007 - 2 LC 9/07 -, juris Rn. 45; Brockmann in Brockmann/Littmann/Schippmann NSchG, Stand Oktober 2020, Anm. 5 zu § 141, Anm. 4.2 zu § 149 und Anm. 4.3 zu § 114), für die der Gesetzgeber eine eigenständige Rückausnahme geschaffen hat. Wird eine Ersatzschule von besonderer pädagogischer Bedeutung besucht, so besteht die Beförderungs- oder Erstattungspflicht (§ 114 Abs. 3 NSchG) nach § 141 Abs. 3 Satz 2 NSchG für den Weg zur nächsten entsprechenden Ersatzschule von besonderer pädagogischer Bedeutung mit dem gewünschten Bildungsgang.

Da im Kreisgebiet des Antragsgegners eine entsprechende Ersatzschule von besonderer pädagogischer Bedeutung, die von der Pflegetochter der Antragsteller besucht werden könnte, nach summarischer Prüfung offensichtlich nicht existiert, obliegt dem Antragsgegner die Beförderungs- oder Erstattungspflicht zu der außerhalb des Kreisgebiet gelegenen Freien Waldorfschule. Dass eine andere entfernungsmäßig näher gelegene entsprechende Ersatzschule von besonderer pädagogischer Bedeutung existiert und diese von der Pflegetochter der Antragsteller besucht werden könnte, ist bei der gebotenen summarischen Prüfung ebenfalls nicht ersichtlich.

Aufgrund der Rückausnahme des § 141 Abs. 3 Satz 2 NSchG und des Umstandes, dass im Kreisgebiet des Antragsgegners eine nähergelegene entsprechende Ersatzschule, die von der Pflegetochter besucht werden könnte, nicht besteht, kann der Träger der Schülerbeförderung seine Beförderung oder Erstattungspflicht in diesem Fall nicht auf eine Erstattungspflicht entsprechend § 114 Abs. 3 Satz 5 Halbsatz 1 NSchG beschränken.

Gleichwohl haben die Antragsteller keinen Anspruch auf die Übernahme der Kosten einer Taxibeförderung.

Die Träger der Schülerbeförderung sind - wie dargelegt - regelmäßig nur verpflichtet, diejenigen Beförderungs- oder Erstattungsansprüche zu erfüllen, die sich unmittelbar aus dem Gesetz und gegebenenfalls aus ihrer jeweiligen Schülerbeförderungssatzung ergeben. Hinsichtlich der Zumutbarkeit des Beförderungsangebots im öffentlichen Personennahverkehr steht dem Landesgesetzgeber grundsätzlich ein sehr weiter Ausgestaltungsspielraum zu (BVerwG, Beschl. v. 15.1.2009 - 6 B 78.08 -, juris Rn. 6). Die Träger der Schülerbeförderung können aufgrund der durch § 114 Abs. 2 NSchG eröffneten Ermächtigung in ihrer Schülerbeförderungssatzung selbst entscheiden, ob sie die Schülerinnen und Schüler zur Schule befördern oder den Erziehungsberechtigten bzw. den Schülerinnen und Schülern selbst - wenn sie volljährig sind - die notwendigen Kosten ersetzen.

Der Antragsgegner hat von der durch § 114 Abs. 2 NSchG eröffneten Ermächtigung durch den Erlass seiner Schülerbeförderungssatzung (SBS) Gebrauch gemacht. Diese bestimmt in § 4 Abs. 1 SBS, dass ein Anspruch auf ein besonderes Beförderungsmittel - wozu die Taxibeförderung gehört - nicht besteht. Über die Art der Beförderung entscheidet vielmehr der Antragsgegner (§ 4 Abs. 1 Satz 1 SBS). Die Beförderung führt er danach - in der Regel - im Rahmen des bestehenden öffentlichen Personennahverkehrs durch, sofern er nicht eigene Beförderungsleistungen zur Verfügung stellt. Unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 SBS kann ein privates Kraftfahrzeug im Rahmen der Schülerbeförderung auf Antrag und mit vorheriger Genehmigung des Antragsgegners eingesetzt werden; bei der Benutzung eines als Beförderungsmittel bestimmten privaten Kraftfahrzeuges werden gemäß § 5 Abs. 1 Buchstabe b SBS notwendige Aufwendungen für den Schulweg in Höhe von 0,30 Euro je Entfernungskilometer erstattet.

Dass der Antragsgegner einen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Taxibeförderung ausgeschlossen hat, begegnet hier auch deshalb keinen rechtlichen Bedenken, weil er den Antragstellern entsprechend den Regelungen der Schülerbeförderungssatzung bereits im Verwaltungsverfahren angeboten hat, die Aufwendungen für den Schulweg in Höhe von 0,30 Euro je Entfernungskilometer zu übernehmen, wenn sie ihre Pflegetochter mit dem eigenen Pkw zur Schule fahren. Dass es den Antragstellern nicht zumutbar ist, dieses Angebot anzunehmen, haben sie auch im Beschwerdeverfahren weder schlüssig dargelegt noch glaubhaft gemacht.

Zwar hat die Antragstellerin vorgetragen, sie sei berufstätig und könne ihre Pflegetochter deshalb nicht zur Schule bringen. Nach der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bescheinigung ihres Arbeitgebers vom 25. Februar 2021 ist sie aber tatsächlich nur an zwei Tagen in der Woche und dann nur halbtags in der Zeit von 7:30 Uhr bis 11:30 Uhr berufstätig. Zudem hat sie im Verwaltungsverfahren angegeben, der Schulunterricht an der Waldorfschule ende regelmäßig erst um 13:00 Uhr, so dass es ihr auch an diesen beiden Tagen möglich ist, ihre Tochter abzuholen. Dass es ihr aufgrund ihrer Berufstätigkeit nicht möglich ist, ihre Pflegetochter an den übrigen Tagen zur Schule zu bringen und wieder abzuholen, und sie ihre Pflegetochter auch an den beiden Tagen ihrer Halbtagsbeschäftigung nicht mittags abholen kann, hat sie nicht glaubhaft gemacht. Hinsichtlich der Schultage, an denen die Antragstellerin vormittags bis 11:30 Uhr berufstätig ist, ist zudem nicht glaubhaft gemacht, dass es dem Antragzusteller nicht zuzumuten ist, seine Pflegetochter zur Schule zu fahren. Die dazu vorgelegte Bescheinigung seines Arbeitgebers vom 23. Februar 2021, nach der der Antragsteller seit 1. April 2020 als Seelsorger für die Kliniken im Landkreis H. -Stadt (I. -Stadt, J. -Stadt und H. -Stadt) tätig ist, und die Aufstellung der wöchentlichen Sprechzeiten der evangelischen Krankenhausseelsorge genügen der Glaubhaftmachung nicht. Dass es dem Antragsteller angesichts der Sprechzeiten der Evangelischen Krankenhausseelsorge, die regelmäßig erst um 9:00 Uhr bzw. 9:30 Uhr beginnen, nicht möglich ist, seine Pflegetochter morgens zu der ebenfalls im Landkreis H. gelegenen Waldorfschule in G. -Stadt zu fahren, ist danach nicht glaubhaft gemacht. Die schlichte Behauptung, er müsse sich in Patiententermine vorab einarbeiten und sei deshalb regelmäßig spätestens um 8:00 Uhr in der jeweiligen Klinik, genügt bereits nicht den Anforderungen, die an die Glaubhaftmachung im Verfahren der einstweiligen Anordnung zu stellen sind (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). In diesem Zusammenhang ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb sich der Antragsteller nicht am Vortag auf anstehende Termine des folgenden Tages vorbereiten kann. Dabei kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Antragsteller nach der vorgelegten Bescheinigung nicht allein, sondern gemeinsam mit drei weiteren Kolleginnen als Klinikseelsorger tätig ist und er von diesen Kolleginnen in Abwesenheitszeiten vertreten wird. Dass es ihm insoweit nicht möglich ist, mit seinen Kolleginnen eine Absprache zu treffen, die es ihm ermöglicht, seine Pflegetochter jedenfalls an den beiden verbleibenden Tagen der Berufstätigkeit der Antragstellerin morgens zur Schule zu fahren, hat er ebenfalls weder schlüssig dargelegt noch glaubhaft gemacht.

Zu dem weiteren Beschwerdevorbringen weist der Senat nur ergänzend darauf hin, dass die vorgelegten ärztlichen Atteste - ungeachtet der Frage ihrer Ergiebigkeit - keine andere rechtliche Beurteilung zulassen. Im Kern machen die Antragsteller damit geltend, ihrer Pflegetochter sei die Bewältigung des Schulweges unter Inanspruchnahme des öffentlichen Personennahverkehrs aufgrund einer Entwicklungsverzögerung und ihrer besonderen psychischen Konstitution nicht zumutbar. Solche allein in der Person der Schülerin bzw. des Schülers liegenden Umstände sind aber regelmäßig nicht geeignet, gegenüber dem Träger der Schülerbeförderung einen auch nur vorläufigen Anspruch auf Einzelbeförderung zu begründen. Der Träger der Schülerbeförderung schuldet nach der hier allein maßgeblichen Anspruchsgrundlage des § 114 NSchG allein die Beförderung zur Schule unter zumutbaren Bedingungen, nicht aber eine darüberhinausgehende individuelle Betreuung und/oder Begleitung der Schüler auf dem Schulweg (Senatsbeschl. v. 27.3.2019 - 2 ME 729/18 -, juris Rn. 18). Damit sind auch Anhaltspunkte für eine etwaige Ungleichbehandlung der Pflegetochter der Antragstellerin mit dem geschilderten Fall eines anderen Schülers nicht ersichtlich.

Dessen ungeachtet ist schließlich auch nicht ersichtlich, dass es den Antragstellern nicht möglich ist, mit ihrer Pflegetochter den Schulweg unter Inanspruchnahme öffentlicher Beförderungsmittel einzuüben und dadurch ihre beschriebenen Ängste bei der Bewältigung des Schulwegs zu überwinden. Dass es der Pflegetochter nicht unmöglich ist, ihre Ängste mithilfe der Antragsteller so weit abzubauen, dass sie den Schulweg eigenständig bewältigen kann, sprechen bei summarischer Prüfung die Schilderungen der Antragstellerin in Rahmen des Antrags auf Übernahme der Kosten des Schulbesuchs der Freien Waldorfschule vom 18. April 2020; dort hat sie die positive Entwicklung ihrer Pflegetochter seit der Übernahme ihrer Pflege betont und anschaulich geschildert.

Die im Beschwerdeverfahren erstmalig mit Schriftsatz vom 26. März 2021 erhobene Rüge, der Beschluss des Verwaltungsgerichts sei auch deshalb fehlerhaft, weil den Antragstellern gegenüber dem Antragsgegner auch nach § 39 SGB VIII ein Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten zustehe, ist unbeachtlich, denn er wahrt nicht die Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO.

2. Unabhängig davon fehlt hier auch der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendige Anordnungsgrund. Die Antragsteller haben auch nach nochmaligem Hinweis im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht, dass sie ihre Pflegetochter vorläufig, d.h. bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht selbst zur Schule bringen können. Insoweit wird auf die vorangegangenen Ausführungen unter 1. Bezug genommen. Dass es den Antragstellern darüber hinaus aufgrund beschränkter finanzieller Mittel unzumutbar sein könnte, ihre Pflegetochter vorübergehend selbst zur Schule zu fahren, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Auch insoweit haben sie keine entsprechenden Umstände dargelegt und glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Danach ist der Wert des Streitgegenstandes im Beschwerdeverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren - insoweit macht der Senat von der durch § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG eröffneten Möglichkeit zur Änderung des erstinstanzlichen Streitwertbeschlusses von Amts wegen Gebrauch - jeweils mit dem Auffangwert von 5.000 Euro zu bemessen, weil andere Anhaltspunkte fehlen. Zwar begehren die Antragsteller die Übernahme der Kosten für eine Schülerbeförderung, die nach § 8 Abs. 1 SBS jeweils auf Antrag für ein Jahr erstattet werden. Ihr Antrag ist mithin auf eine Geldleistung gerichtet, und in diesen Fällen orientiert sich der Streitwert nach § 53 Abs. 3 GKG grundsätzlich an dem (Jahres-)Betrag der bezifferbaren Kosten (vgl. Senatsurt. v. 24.5.2007 - 2 LC 9/07 -; Senatsbeschl. v. 30.1.2020 - 2 ME 622/19 -, juris, Rn. 15 u. v. 18.1.2021 - 2 LA 639/19 -, n.v.). Angesichts der Covid-19 Pandemie und den dadurch bedingten Ausfällen im Präsenzunterricht sowie den im laufenden Schuljahr nicht absehbaren weiteren Ausfällen ist die Höhe der Beförderungskosten hier aber nicht bezifferbar, und eine Orientierung an den fiktiven Kosten von 7.600 Euro (190 Schultage x 40 Euro) erscheint nicht sach- und interessengerecht. Eine weitere Halbierung des Auffangwerts kommt aus Sicht des Senats angesichts der mit dem Antrag verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache nicht in Betracht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).