Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.03.2021, Az.: 1 MN 20/21

Aufgabe der Nutzung; Baugenehmigung; bauliche Anlage; Dorfgebiet; Erledigung auf andere Weise; Erlöschen; Erlöschen der Baugenehmigung; Geltungsdauer; Hofstelle; Landwirt; Landwirtschaft; landwirtschaftliche Nutzung; Nutzung; Nutzungsaufgabe; Nutzungsunterbrechung; Schweinestall; Umstandsmoment; Unterbrechung der Nutzung; Verzicht; Wirksamkeit; Zeitmodell; Zeitmoment

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.03.2021
Aktenzeichen
1 MN 20/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70838
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Geltungsdauer einer ausgenutzten Baugenehmigung richtet sich mangels spezialgesetzlicher Vorschriften in der Niedersächsischen Bauordnung und aufgrund der fehlenden Übertragbarkeit des zu § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB entwickelten Zeitmodells nach § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i.V. mit § 43 Abs. 2 VwVfG (Bestätigung der Senatsrechtsprechung, vgl. grundlegend Senatsbeschl. v. 3.1.2011 - 1 ME 209/10 -, BauR 2011, 1154 = BRS 78 Nr. 159 = juris Rn. 28 ff.).

2. Eine Baugenehmigung erledigt sich auf andere Weise, wenn die genehmigte Nutzung endgültig aufgegeben und nicht nur vorübergehend unterbrochen wird.

3. Besteht die bauliche Anlage in weiterhin nutzbarer Weise fort und tritt keine neue, andersartige Nutzung an die Stelle der genehmigten Nutzung, erlischt die Baugenehmigung nur dann, wenn sich der (tatsächliche) Verzicht auf die weitere Nutzung der baulichen Anlage zugleich als (rechtlicher) Verzicht auf die Baugenehmigung darstellt. Ob das der Fall ist, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht eines objektiven Dritten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. In dem Verhalten des Eigentümers muss sein dauerhafter und endgültiger Verzichtswille hinreichend eindeutig zum Ausdruck kommen.

4. In die Gesamtbetrachtung einzubeziehen ist neben dem Umstandsmoment auch das Zeitmoment. Je länger keine Nutzung stattfindet, umso eher ist bei einem Hinzutreten weiterer Umstände die Annahme begründet, die Nutzung solle auch in Zukunft nicht wieder aufgenommen werden.

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 15 „Am Friedhofsweg“ der Antragsgegnerin; sie befürchtet Immissionskonflikte im Fall der Wiederaufnahme der Schweinehaltung auf ihrer Hofstelle.

Die im Jahr 1959 geborene Antragstellerin ist Eigentümerin des im Aktivrubrum bezeichneten und mit einer Hofstelle bebauten Grundstücks. Es liegt im Ortskern der Antragsgegnerin und grenzt im Osten unmittelbar an das Plangebiet an. Auf der Hofstelle wurden vormals in einem weiterhin bestehenden und unter dem 26. März 1957 baugenehmigten Stall im Nebenerwerb 50 Mastschweine gehalten. In den Jahren 1998/1999 wurde die Landwirtschaft auf der Hofstelle eingestellt, nachdem der Ehemann der Antragstellerin eine Schichtarbeit angenommen hatte und ihre Eltern aus Altersgründen zu Hofarbeiten nicht mehr in der Lage waren.

Das Plangebiet liegt östlich des Ortskerns und umfasst die Freiflächen zwischen der Bebauung entlang der C-Straße/A-Straße im Westen und dem Friedhof im Osten. Die im Norden vom Friedhofsweg begrenzten Flächen werden gegenwärtig als Grünland bzw. zu kleinen Teilen als Hausgarten, Acker und Weihnachtsbaumkultur genutzt. In die Planung einbezogen werden zudem die bereits bebauten und zu Wohnzwecken genutzten Grundstücke A-Straße 17 und 19 sowie C-Straße 1.

Der Bebauungsplan setzt im Wesentlichen allgemeine Wohngebiete sowie die zur Erschließung erforderlichen öffentlichen Verkehrsflächen fest. Südlich des Friedhofswegs ist eine Verkehrsfläche mit der Zweckbestimmung Parkplatz vorgesehen. Ein Pflanzstreifen trennt den Friedhof vom Baugebiet. Parallel zur Ostgrenze des Grundstücks der Antragstellerin ist ein 2 m breiter Fußweg festgesetzt; unmittelbar angrenzend liegen Wohnbauflächen. Der Abstand zwischen dem Schweinestall der Antragstellerin und den nächstgelegenen Wohnbauflächen beträgt rund 60 m.

Das Planaufstellungsverfahren für den im Verfahren nach §§ 13a, 13b BauGB aufgestellten Plan vollzog sich wie folgt: Den Aufstellungsbeschluss fasste der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin am 27. November 2018. Im Verfahren holte die Antragsgegnerin ein Gutachten der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vom 31. Januar 2019 (Datum der Endfassung) zu der zu erwartenden Geruchsimmissionsbelastung im Plangebiet ein. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass am südwestlichen Rand des Plangebiets aufgrund der bei einer Wiederaufnahme der Schweinehaltung vom Betrieb der Antragstellerin ausgehenden Emissionen Geruchsbelastungen von 10 bis 12 Prozent der Jahresstunden zu erwarten seien. Im Übrigen liege die Belastung unterhalb von 10 Prozent. Der Gutachter empfahl daher eine Schutzpflanzung mit einer Breite von 20 m zur Grenze des Grundstücks der Antragstellerin; dem folgte die Antragsgegnerin indes nicht.

Die öffentliche Auslegung und die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange folgten zwischen August und Oktober 2019. Die Antragstellerin erhob Einwendungen und machte geltend, ihr inaktiver landwirtschaftlicher Betrieb verfüge über Bestandsschutz und könne jederzeit wiederaufgenommen werden. Der Plan müsse sicherstellen, dass diese Möglichkeit nicht beeinträchtigt werde. Am 12. November 2019 fasste der Rat der Antragsgegnerin den Satzungsbeschluss. Den Einwand der Antragstellerin nahm er zur Kenntnis und führte dazu aus, die Tierhaltung werde seit Jahren nicht mehr betrieben, sodass gegebenenfalls zu prüfen wäre, ob eine Wiederaufnahme möglich sei. Durch den Neubau von Wohnhäusern in unmittelbarer Nachbarschaft habe sich die Sachlage allerdings verändert, sodass eine neue Beurteilung erfolgen müsse. Nach Ausfertigung wurde der Plan am 29. November 2019 ortsüblich bekannt gemacht.

Die Antragstellerin hat am 5. Februar 2020 Normenkontrollantrag und nach Fortschreiten der Baulandumlegung am 26. Januar 2021 diesen Normenkontrolleilantrag gestellt. Sie sei als Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Betriebs antragsbefugt, weil die heranrückende Wohnbebauung zu Auflagen führen könne. Dieses Risiko begründe einen abwägungserheblichen Belang gemäß § 1 Abs. 7 BauGB. Die landwirtschaftliche Nutzung wolle sie im Jahr 2023 wiederaufnehmen, weil dann die Schichtarbeit ihres Ehemannes ende. In der Sache sei der Plan fehlerhaft. Die Antragsgegnerin habe zu Unrecht das beschleunigte Verfahren gewählt; daraus folgten verschiedene weitere Fehler. Der Plan verstoße gegen Naturschutzrecht und leide an Abwägungsfehlern insbesondere im Hinblick auf die Belange der Landwirtschaft. Er wandele in erheblichem Umfang landwirtschaftliche Nutzflächen um und versäume es insbesondere, den durch die neuen Wohnbauflächen ausgelösten Immissionskonflikt sachgerecht zu lösen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. 15 „Am Friedhofsweg“ durch Erlass einer einstweiligen Anordnung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Normenkontrollantrag der Antragstellerin außer Vollzug zu setzen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie sieht keine besondere Eilbedürftigkeit und bezweifelt die Antragsbefugnis. In der Sache sei der Bebauungsplan nicht zu beanstanden.

Die beigeladenen Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet haben sich nicht am Verfahren beteiligt.

II.

Der Normenkontrolleilantrag hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig, weil der Antragstellerin die Antragsbefugnis fehlt.

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren und ebenso im Normenkontrolleilverfahren eine Person nur antragsbefugt, wenn sie geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ist ein Antragsteller Eigentümer oder Nutzer von Grundstücken außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans, kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Das dort normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot gewährt ein subjektives Recht. Der Betroffene kann verlangen, dass seine eigenen Belange in der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht „abgearbeitet“ werden. Ein Antragsteller kann sich daher im Normenkontrollverfahren darauf berufen, dass seine abwägungserheblichen privaten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. In diesem Fall obliegt es ihm, einen eigenen Belang als verletzt zu bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschl. v. 28.10.2020 - 4 BN 44.20 -, juris Rn. 7 m.w.N.). Einen eigenen abwägungserheblichen Belang, den die Antragsgegnerin verletzt haben könnte, hat die Antragstellerin nach diesen Maßstäben nicht geltend gemacht.

Ein abwägungserheblicher Belang folgt insbesondere nicht daraus, dass sich auf dem Grundstück der Antragstellerin ein Schweinestall zur Haltung von 50 Mastschweinen befindet, dessen erneute Nutzung zu Immissionskonflikten mit der geplanten Wohnbebauung führen könnte. Die für den Schweinestall erteilte Baugenehmigung war im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses erloschen, sodass die Antragsgegnerin ein daraus folgendes Recht zur jederzeitigen Wiedereinstallung von Schweinen nicht in ihre Abwägung einstellen musste (dazu unter 1.). Eine etwaige Absicht, die Schweinehaltung auf der Grundlage einer neuen Baugenehmigung alsbald wiederaufzunehmen, hat die Antragstellerin im Planaufstellungsverfahren nicht konkret geltend gemacht (dazu unter 2.).

1. Die Baugenehmigung vom 26. März 1957 war zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses erloschen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats richtet sich die Geltungsdauer einer ausgenutzten Baugenehmigung mangels spezialgesetzlicher Vorschriften in der Niedersächsischen Bauordnung und aufgrund der fehlenden Übertragbarkeit des zu § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB entwickelten Zeitmodells nach § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i.V. mit § 43 Abs. 2 VwVfG (vgl. grundlegend Senatsbeschl. v. 3.1.2011 - 1 ME 209/10 -, BauR 2011, 1154 = BRS 78 Nr. 159 = juris Rn. 28 ff.). Insbesondere § 71 NBauO betrifft allein die Geltungsdauer der erteilten, aber (noch) nicht ausgenutzten Baugenehmigung. Auf Fallgestaltungen, in denen die genehmigte bauliche Anlage tatsächlich realisiert worden ist, findet die Vorschrift weder direkte noch analoge Anwendung.

Ist demzufolge auf die allgemeine Bestimmung des § 43 Abs. 2 VwVfG zurückzugreifen, bleibt die Baugenehmigung wie jeder andere Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder - diese Variante ist hier maßgeblich - auf andere Weise erledigt ist. Die Annahme einer Erledigung auf sonstige Weise ist allerdings nur in eng begrenzten Ausnahmefällen gerechtfertigt, da das Gesetz den Wirksamkeitsverlust des Verwaltungsakts bei den übrigen in § 43 Abs. 2 VwVfG genannten Varianten entweder - wie in den Fällen der Rücknahme, des Widerrufs oder der anderweitigen Aufhebung - an ein formalisiertes Handeln der Behörde oder - wie im Fall des Zeitablaufs - an einen eindeutig bestimmbaren Sachverhalt knüpft. Vor diesem Hintergrund ist bei der Annahme einer Erledigung auf sonstige Weise Zurückhaltung geboten. Anerkannte Fallgruppen sind insbesondere der Wegfall des Regelungsobjekts und der Verzicht des Berechtigten auf die sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Rechtsposition (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.5.2012 - 6 C 3.11 -, BVerwGE 143, 87 = juris Rn. 19).

Eine Baugenehmigung erledigt sich nach diesen Maßgaben auf andere Weise, wenn die genehmigte Nutzung endgültig aufgegeben und nicht nur vorübergehend unterbrochen wird. Ein Fall des Wegfalls des Regelungsobjekts liegt vor, wenn die Nutzungsaufgabe mit dem Verfall und damit der Nutzungsuntauglichkeit der baulichen Anlage einhergeht, die Anlage in identitätsverändernder Weise umgebaut oder die genehmigte Nutzung dauerhaft durch eine andere, die Variationsbreite der Genehmigung überschreitende Nutzung ersetzt wird. In diesen Fällen verliert die Baugenehmigung ihren Regelungsgegenstand, nämlich die bauliche Anlage in ihrer konkret genehmigten Gestalt und Nutzung.

Besteht die bauliche Anlage hingegen in weiterhin nutzbarer Weise fort und tritt keine neue, andersartige Nutzung an die Stelle der genehmigten Nutzung, erlischt die Baugenehmigung nur dann, wenn sich der (tatsächliche) Verzicht auf die weitere Nutzung der baulichen Anlage zugleich als (rechtlicher) Verzicht auf die Baugenehmigung darstellt. Ob das der Fall ist, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht eines objektiven Dritten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. In dem Verhalten des Eigentümers muss sein dauerhafter und endgültiger Verzichtswille hinreichend eindeutig zum Ausdruck kommen (vgl. bereits Senatsbeschl. v. 3.1.2011 - 1 ME 209/10 -, BauR 2011, 1154 = BRS 78 Nr. 159 = juris Rn. 36 ff.; vergleichbar die Rspr. der übrigen Obergerichte, vgl. exemplarisch OVG NRW, Beschl. v. 18.4.2017 - 2 A 916/15 -, juris Rn. 12 ff.; VGH BW, Beschl. v. 22.7.2016 - 8 S 969/16 -, juris Rn. 13 ff.; OVG Berl-Bbg, Urt. v. 8.11.2018 - OVG 2 B 4.17 -, NVwZ-RR 2019, 355 [OVG Schleswig-Holstein 28.09.2018 - 1 KN 19/16] = juris Rn. 25 ff.; SächsOVG, Beschl. v. 28.10.2019 - 1 B 7/19 -, NVwZ-RR 2020, 469 [OLG Karlsruhe 19.09.2019 - 9 W 32/19] = juris Rn. 34 ff., alle m.w.N.).

In die Gesamtbetrachtung einzustellen sind zunächst alle nach außen getretenen Umstände, die Rückschlüsse auf den Willen des Eigentümers zulassen. Zu berücksichtigen sind beispielsweise der Zustand der baulichen Anlage und das gegebenenfalls erforderliche Maß notwendiger Investitionen vor einer Wiederaufnahme der Nutzung, die tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen, und - über das öffentliche Baurecht hinaus - rechtlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen einer erneuten Nutzung, die nach außen getretenen Gründe für die Beendigung der Nutzung, sonstige Veränderungen des Baugrundstücks und der darauf bestehenden baulichen Anlagen, etwaige vertragliche Bindungen, gegebenenfalls auch das Vorliegen eines langfristigen Nutzungskonzepts. Maßgeblich ist, wie ein objektiver Dritter die Umstände des Einzelfalls unter Beachtung der Verkehrsauffassung verstehen muss.

In die Betrachtung einzubeziehen ist neben diesen Umstandsmomenten zudem das Zeitmoment. Dieses hat aus sich heraus zwar keinen eindeutigen Erklärungswert (OVG NRW, Beschl. v. 18.4.2017 - 2 A 916/15 -, juris Rn. 16); dem öffentlichen Baurecht ist eine Verpflichtung zur Nutzung einer baulichen Anlage grundsätzlich fremd. Schon aufgrund des wirtschaftlichen Wertes ist ihre Nutzung indes die Regel, ein nutzungsloser Zustand die Ausnahme. Je länger eine bauliche Anlage ungenutzt bleibt, umso drängender stellt sich daher aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten unter Beachtung der Verkehrsauffassung die Frage, ob noch von einer bloßen Nutzungsunterbrechung und nicht schon von einer endgültigen Nutzungsaufgabe auszugehen ist. Anders gewendet: Je länger keine Nutzung stattfindet, umso eher ist bei einem Hinzutreten weiterer Umstände die Annahme begründet, die Nutzung solle auch in Zukunft nicht wiederaufgenommen werden. Auch wenn das Zeitmoment allein nicht dazu führen kann, dass eine Baugenehmigung erlischt, ist die nutzungslos verstrichene Zeitspanne unter diesen Prämissen aussagekräftig.

Nach diesen rechtlichen Maßgaben ist von einer endgültigen Nutzungsaufgabe des Schweinestalls der Antragstellerin auszugehen mit der Folge, dass die Baugenehmigung vom 26. März 1957 erloschen ist. Dafür sind folgende Gesichtspunkte maßgeblich:

In zeitlicher Hinsicht lag die Beendigung der Nutzung zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bereits (mehr als) 20 Jahre zurück. Das ist ein außerordentlich langer Zeitraum, der ein sehr starkes Indiz für die Annahme begründet, die Nutzung sei endgültig aufgegeben. Bei einer derart langen Zeitspanne rechnet die Verkehrsauffassung jedenfalls bei gewerblich/landwirtschaftlich genutzten Bauten grundsätzlich nicht mehr mit einer Wiederaufnahme der Nutzung. Hinzu kommen die Umstände der Nutzungsaufgabe, die für den Strukturwandel in der Landwirtschaft weg von kleinbäuerlichen Betrieben und hin zu Großunternehmen typisch sind: Die Eltern der Antragstellerin waren zur Mitarbeit in der ohnehin nur noch im Nebenerwerb betriebenen Landwirtschaft nicht mehr im Stande; ihr Ehemann ging einer anderweitigen, ihn voll in Anspruch nehmenden Tätigkeit nach. Die Beschäftigung von Arbeitskräften war nach dem Umfang des Betriebs wirtschaftlich nicht tragfähig, sodass die Nutzung aufgegeben werden musste. Angesichts dieser Umstände geht ein objektiver Dritter davon aus, dass die mit geringem wirtschaftlichem Ertrag und (unverhältnismäßig) hohem Arbeitseinsatz verbundene landwirtschaftliche Nutzung, die einmal eingestellt ist, auf Dauer nicht wiederaufgenommen wird. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, nach Ablauf welcher Zeitspanne in diesem Fall eine endgültige Nutzungsaufgabe vorliegt. Nach mehr als 20 Jahren ist unter den vorgenannten Umständen eine mögliche Karenzzeit jedenfalls weit überschritten.

Die von der Antragstellerin benannten gegenläufigen Gesichtspunkte führen nicht dazu, dass die Gesamtbetrachtung zu ihren Gunsten ausfällt. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der Schweinestall unverändert erhalten ist, nicht umgenutzt wurde und sich in einem guten baulichen Zustand befindet, der es grundsätzlich gestatten würde, die Schweinehaltung ohne größere Investitionen wiederaufzunehmen. Dies spricht mit einigem Gewicht gegen eine endgültige Nutzungsaufgabe, wobei der Senat allerdings zugunsten der Antragstellerin ausblendet, dass möglicherweise verschärfte Tierwohlanforderungen sowie Veränderungen des Standes der Technik gemäß § 22 Abs. 1 BImSchG zu kostspieligen Umbauten zwingen könnten. Der bloße Erhalt des Stalles vermag dennoch in diesem Fall den eindeutigen Erklärungswert der verstrichenen Zeit in Verbindung mit den strukturellen Veränderungen der Landwirtschaft nicht zu kompensieren.

Ebenfalls nicht maßgeblich ist, dass die Antragstellerin und ihr Ehemann den Bezug zur Land- und Forstwirtschaft ausweislich der übermittelten Beitragsbescheide nicht vollständig verloren haben. Aus den Bescheiden ergibt sich, dass in offenbar geringem Umfang weiterhin Forstwirtschaft betrieben wird. Das lässt Rückschlüsse auf einen Willen, die Schweinehaltung wiederaufzunehmen, nicht zu.

2. Die erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragene konkrete Absicht der Antragstellerin, die Schweinehaltung nach dem Ende der Schichttätigkeit ihres Ehemannes im Jahr 2023 wiederaufzunehmen, stellt sich danach nicht als von vornherein absehbare Beendigung einer Nutzungsunterbrechung, sondern als dem objektiven Betrachter unerwartete Aufnahme einer von der vor Jahrzehnten ausgelaufenen Nutzung zu trennenden neuen Nutzung dar. Diese hätte, um Abwägungserheblichkeit beanspruchen zu können, der Antragsgegnerin mit hinreichender Konkretisierung angezeigt werden müssen. Das ist hier nicht geschehen. In ihrer Stellungnahme im Planaufstellungsverfahren hat die Antragstellerin lediglich bekundet, ihre landwirtschaftlichen Gebäude genössen Bestandsschutz, „die landwirtschaftliche Nutzung mit Tierhaltung könnte daher jederzeit wiederaufgenommen werden“. Eine konkrete Nutzungsabsicht ergibt sich daraus nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i.V. mit § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).