Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.01.2013, Az.: 10 LA 138/12
Angabe "Beruf" i.S.d. § 21 Abs. 6 S. 1 Nr. 1 NKWG als der erlernte anstelle des ausgeübten Berufs im Wahlvorschlag (hier: Jurist als Berufsbezeichnung)
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 07.01.2013
- Aktenzeichen
- 10 LA 138/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 10432
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2013:0107.10LA138.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 08.10.2012 - AZ: 1 A 5433/11
- nachfolgend
- OVG Niedersachsen - 26.02.2013 - AZ: 10 LA 12/13
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- DVBl 2013, 255-258
- DÖV 2013, 281
- FStNds 2013, 289-291
- KommJur 2013, 133-137
- NVwZ-RR 2013, 280
- NdsVBl 2013, 205-207
- NordÖR 2013, 276
Amtlicher Leitsatz
Als "Beruf" im Sinne des § 21 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 NKWG kann im Wahlvorschlag der erlernte anstelle des ausgeübten Berufs angegeben werden. Die Angabe "Juristin" als Berufsbezeichnung im Sinne des § 21 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 NKWG im Wahlvorschlag ist auch dann keine unzulässige Wahlwerbung, wenn es sich dabei um den erlernten und nicht den ausgeübten Beruf der Bewerberin handelt. Dem Wahlprüfungsgericht fällt die Wahlprüfung nur in dem Umfang zu, in dem sie durch die Substantiierung der Prüfungsgegenstände im Wahleinspruch wirksam eingeleitet worden ist.
Gründe
Der zulässige Antrag des Klägers, ihm unter Beiordnung eines vertretungsbereiten Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung zu bewilligen, ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO liegen nicht vor, weil die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die Berufung ist nach § 124 Abs. 2 VwGO nur aus den dort aufgeführten Gründen zuzulassen. Solche liegen nach der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht vor.
1.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, die Berufsangabe "Juristin" der Bewerberin D. im Wahlvorschlag, der für die Wahl zum Samtgemeinderat der Samtgemeinde C. vom 11. September 2011 vom Wahlausschuss zugelassen wurde, erfülle die Anforderungen des § 21 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Niedersächsisches Kommunalwahlgesetz (NKWG), bestehen nicht.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2009 - 1 BvR 812/09 -, NJW 2010, 1062) und sich das angegriffene Urteil im Ergebnis nicht aus anderen Gründen als offensichtlich richtig erweist (BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33 = NVwZ-RR 2004, 542 = DVBl 2004, 838).
Der Kläger macht geltend, die Berufsbezeichnung "Juristin" der Bewerberin D. laufe Ziffer 5.6 der Bekanntmachung des Landeswahlleiters vom 9. Juni 2006 zuwider, wonach sich die Berufsbezeichnung der Bewerberin in der Regel nach der gegenwärtig ausgeübten Tätigkeit oder der Stellung im Arbeits- und Erwerbsleben zu richten habe. Die Bewerberin D. sei als Arbeitsvermittlerin offenbar nicht in der Rechtspflege tätig, wie es die Berufsangabe "Juristin" suggeriere.
Mit diesem Vorbringen stellt der Kläger die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Berufsangabe "Juristin" der Bewerberin D. genüge den Anforderungen des § 21 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 NKWG, nicht schlüssig in Frage.
Nach der genannten Vorschrift muss der Wahlvorschlag den Familiennamen, den Vornamen, den Beruf, das Geburtsdatum, den Geburtsort und die Wohnanschrift jeder Bewerberin und jedes Bewerbers enthalten. Das Verwaltungsgericht hat aller Voraussicht nach zu Recht angenommen, dass der Bewerber den erlernten oder den derzeit ausgeübten Beruf angeben kann und es ihm überlassen bleibt, wie konkret er seine Tätigkeit bezeichnet, solange eine unzulässige Wahlwerbung vermieden wird.
Denn der vom Gesetzgeber gewählte Begriff "Beruf" ist weit gefasst. Er schreibt nicht zwingend die Angabe des derzeit ausgeübten Berufs vor und steht daher der Angabe des erlernten Berufs nicht ohne Weiteres entgegen. Davon geht auch die vom Kläger in Bezug genommene Bekanntmachung des Landeswahlleiters aus, wonach sich die Berufsbezeichnung in der Regel nach der gegenwärtig ausgeübten Tätigkeit "oder der Stellung im Arbeits- und Erwerbsleben" zu richten haben soll.
Die Gesetzesmaterialien bestätigen, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung "Beruf" dem Bewerber die Entscheidung darüber belassen wollte, ob er seinen erlernten oder seinen derzeit ausgeübten Beruf angibt und wie konkret er diesen bezeichnet. Denn vor Erlass des NKWG war das Wahlrecht für die Gemeinden und Landkreise in Niedersachsen u.a. im Niedersächsischen Gemeindewahlgesetz (NGWG) in der Fassung vom 26. Juli 1952 (Nds. GVBl. S. 77) und im Niedersächsischen Kreiswahlgesetz (NKrWG) in der Fassung vom 26. Juli 1952 (Nds. GVBl. S. 83) geregelt. § 15 Abs. 5 Satz 1 NGWG sah bereits vor, dass im Wahlvorschlag Bewerber mit Name, Vorname, Geburtstag, Beruf und Anschrift angegeben werden müssen. Eine entsprechende Regelung enthielt § 17 Abs. 5 Satz 1 NKrWG für Wahlbezirksvorschläge. Durch das am 18. Juli 1965 erlassene NKWG (Nds. GVBl. S. 81) sollte im Rahmen eines einheitlichen Kommunalwahlgesetzes eine Angleichung an das Landtagswahlrecht erfolgen (vgl. LT-Drs. 3/214, S. 774). Nach § 14 Abs. 6 Satz 2 Niedersächsisches Landeswahlgesetz (NLWG) in der Fassung vom 13. Dezember 1954 (Nds. GVBl. S. 157) mussten im Kreiswahlvorschlag Name, Vorname, Geburtstag, Geburtsort, Anschrift und Beruf des Bewerbers angegeben sein. Eine entsprechende Regelung wurde in § 19 Abs. 5 Nr. 1 NKWG vom 18. Juli 1956 (Nds. GVBl. S. 81) aufgenommen, wobei es in der Gesetzesbegründung heißt, dass die Angabe des Geburtsortes eines jeden Bewerbers auch im Landtagswahlrecht vorgesehen sei und die Vorschrift im Übrigen der gegenwärtigen Regelung entspreche (LT-Drs. 8/214, S. 776). Hieraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber der betreffenden Vorschrift im NKWG denselben Regelungsinhalt beimessen wollte wie der Parallelvorschrift im NLWG. Der Regelungsinhalt der letztgenannten Vorschrift (damals noch § 14 Abs. 4 NLWG) war Gegenstand der Beratungen des Entwurfs des Siebenten Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes (LT-Drs. 8/2419). Hierzu führte der Berichterstatter des Rechtsausschusses des Niedersächsischen Landtags im Stenografischen Bericht über die 72. Plenarsitzung vom 10. Juni 1977 (Sp. 7054) aus:
"... hat die ... Bestimmung des § 14 Abs. 4 NLWG im Rechtsausschuss zu einer lebhaften Diskussion geführt, über die ich Ihnen kurz berichten möchte. Nach der Vorschrift muss in einem Kreiswahlvorschlag unter anderem auch der Beruf des Bewerbers angegeben sein. Sie alle kennen aus eigener Erfahrung die sehr unterschiedlichen Gepflogenheiten, die sich in der Praxis im Hinblick auf dieses Erfordernis ergeben haben. So tritt ein Offizier der Bundeswehr in dem einen Wahlvorschlag als "Hauptmann" auf, während sich sein ranggleicher Kollege in einem anderen Wahlvorschlag schlicht als "Soldat" bezeichnet. Ein anderer Kandidat überrascht die Öffentlichkeit mit der Berufsangabe "Landwirt", obwohl er diesen in früher Jugend einmal erlernten Beruf seit Jahrzehnten nicht mehr ausübt. Wieder ein anderer löst mit der Berufsbezeichnung "Geschäftsführer" oder "Abteilungsleiter" die Frage aus, ob die Angabe "kaufmännischer Angestellter" nicht zutreffender gewesen wäre. Wir haben dieses Problem im Rechtsausschuss eingehend erörtert und uns überlegt, ob man hier nicht mit einer Korrektur des § 14 Abs. 4 NLWG zu einem größeren Maß von Gleichmäßigkeit gelangen könne. Dabei stellten wir zunächst fest, dass die Praxis zwar eine beträchtliche Flexibilität erkennen lässt, aber infolge der mit Regelmäßigkeit vor jeder Wahl erscheinenden Wahlerlasse nicht ohne feste Prinzipien ist. Berufsbezeichnungen, die den Wähler irreführen und damit den Bewerber unzulässig begünstigen, dürften so gut wie ausgeschlossen sein. Und da das Bekenntnis zu einem Beruf unbestreitbar auch subjektiv-persönliche Komponenten enthält, wäre eine allzu starre Regelung wahrscheinlich auch gar nicht sinnvoll. So muss es wohl dem Bewerber überlassen bleiben, ob er seinen zur Zeit gerade ausgeübten oder einen anderen, früher erlernten Beruf angeben will. Und ebenso kann man ihm auch die Entscheidung darüber zugestehen, wie konkret er seine Tätigkeit bezeichnet. Alles in allem schien es dem Rechtsausschuss doch das beste, es bei der knappen Formulierung des Gesetzes "und Beruf des Bewerbers" zu belassen. Sie deckt die hier herangezogenen Fälle ab; sie gestattet also insbesondere dem Bewerber die Entscheidung über die Angabe des erlernten oder des ausgeübten Berufs."
Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Denn die Vorschrift dient - worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - insgesamt der eindeutigen Identifizierung der Bewerber (vgl. Thiele/Schiefel, Niedersächsisches Kommunalwahlrecht, 3. Aufl. 2006, § 21 Anm. 6). Die Angabe des erlernten Berufs ist dabei ebenso förderlich wie die des - möglicherweise erst seit kurzem - ausgeübten Berufs.
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, durch die Bezeichnung "Juristin" werde eine unzulässige Wahlwerbung vermieden, unterliegt ebenfalls keinen Richtigkeitszweifeln. Es entspricht dem Wettkampfcharakter von Wahlen, dass Kandidaten versuchen, sich durch Wahlwerbung Vorteile gegenüber Mitbewerbern zu verschaffen. Die Grenze zulässiger Wahlbeeinflussungen wird überschritten, wenn die bei Kommunalwahlen durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich gebotenen Grundsätze der Freiheit und Öffentlichkeit der Wahl verletzt werden. Dies dürfte hier nicht der Fall sein:
Eine gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl verstoßende Wahlbeeinflussung liegt vor, wenn staatliche Stellen im Vorfeld der Wahl in mehr als nur unerheblichem Maße parteiergreifend auf die Bildung des Wählerwillens einwirken, wenn private Drit-te - einschließlich der Parteien und einzelner Kandidaten - mit Mitteln des Zwangs oder Drucks die Wahlentscheidung beeinflussen oder wenn in ähnlich schwer wiegender Art und Weise auf die Wählerwillensbildung eingewirkt wird, ohne dass eine hinreichende Möglichkeit der Abwehr oder des Ausgleichs besteht (BVerfG, Senatsurteil vom 8. Februar 2001 - 2 BvF 1/00 -, BVerfGE 103, 111; Senatsbeschlüsse vom 15. Januar 2009 - 2 BvC 4/04 -, BVerfGE 122, 304 und vom 21. April 2009, vom 21. April 2009 - 2 BvC 2/06 -, BVerfGE 124, 1). Als Zwang oder Druck ist eine Maßnahme anzusehen, die unter Anwendung von politischer, wirtschaftlicher oder sozialer Macht auf Einschüchterung oder Zufügung von Nachteilen gerichtet ist (vgl. StGH Bad.-Württ., Urteil vom 6. Februar 1961 - Nr. 5/1960 -, DÖV 1961, 744). Die Angabe des erlernten Berufs im Wahlvorschlag fällt hierunter ersichtlich nicht. Sie wirkt auch nicht in ähnlich schwer wiegender Art und Weise auf die Wählerwillensbildung ein. Zudem muss der Beschluss über die Zulassung der Wahlvorschläge spätestens am 39. Tag vor der Wahl getroffen werden (§ 28 Abs. 5 NKWG); die Wahlleitung gibt die zugelassenen Wahlvorschläge unverzüglich öffentlich bekannt (§ 28 Abs. 6 NKWG). Die Bekanntmachung enthält für jeden Wahlvorschlag die Vor- und Familiennamen, Geburtsjahr, Beruf und Wohnanschrift aller aufgestellten Bewerber (§§ 38 Abs. 1 Satz 2, 39 Abs. 1 Satz 4 Niedersächsische Kommunalwahlordnung - NKWO). Dadurch erhält jeder Wähler die Möglichkeit, sich mit den Kandidaten rechtzeitig vertraut zu machen. Ist ein Wähler mit einem aufgestellten Bewerber nicht einverstanden, muss er diesen nicht wählen. Die Freiheit seiner Entschließung bleibt ihm.
Die verfassungsrechtlich gebotene Öffentlichkeit im Wahlverfahren umfasst ebenfalls bereits das Wahlvorschlagsverfahren (BVerfG, Senatsurteil vom 3. Juli 2008 - 2 BvC 1/07, 2 BvC 7/07 -, BVerfGE 121, 266). Der Akt der Stimmabgabe bei Wahlen erfordert, dass die Wähler Zugang zu den Informationen haben, die für ihre Entscheidung von Bedeutung sein können. Der Wähler muss wissen, wen er wählt (BVerfG, Urteil vom 4. Juli 2007 - 2 BvE 1/06, 2 BvE 2/06, 2 BvE 3/06, 2 BvE 4/06 -, BVerfGE 118, 277). Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl dient auch dem Schutz vor Manipulationen (BVerfG, Senatsbeschluss vom 21. April 2009, a.a.O.). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass bei einer Abwägung des Informationsbedürfnisses der Wähler und des Selbstverständnisses des Bewerbers durch die Berufsbezeichnung "Juristin" im Wahlvorschlag keine unzulässige Wahlwerbung betrieben wird. Als "Juristen" bezeichnet man Akademiker, die mit Erfolg ein Studium der Rechtswissenschaft abgeschlossen haben. Das im Anschluss abgelegte erste Staatsexamen ist Voraussetzung für die weitere Ausbildung zum sog. "Volljuristen" durch eine praktische Ausbildung in verschiedenen juristischen Tätigkeitsfeldern. Das danach abgelegte zweite Staatsexamen eröffnet den Zugang zu den klassischen juristischen Berufen (Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt, Beamter im höheren Dienst). Aus der Berufsbezeichnung "Jurist" kann der mündige Wahlbürger somit schließen, dass die betreffende Person ein Studium der Rechtswissenschaften abgeschlossen hat. Dass dies bei der Bewerberin D. der Fall ist, hat der Kläger nicht in Frage gestellt. Dem aufgeschlossenen Durchschnittswähler ist auch bekannt, dass Juristen außerhalb der klassischen Juristenberufe ein breites berufliches Tätigkeitsfeld haben.
2.
Auch liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
a)
Der Kläger macht zunächst geltend, dem Öffentlichkeitsgrundsatz sei nicht genügt worden, weil in der Eingangshalle des Gerichtsgebäudes am 8. Oktober 2012 nicht schriftlich auf das Stattfinden der Verhandlung hingewiesen worden sei. Ein Verfahrensmangel ergibt sich daraus nicht. Denn eine Verhandlung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schon dann in dem von § 55 VwGO in Verbindung mit § 169 Satz 1 GVG geforderten Sinne "öffentlich", wenn sie in Räumen stattfindet, die während der Dauer der Verhandlung grundsätzlich jedermann zugänglich sind; die genannten Vorschriften gebieten nicht, dass die mündliche Verhandlung in jedem Fall durch Aushang bekannt gemacht werden muss, denn das Merkmal der Öffentlichkeit setzt eine an jedermann gerichtete Bekanntgabe, wann und wo eine Gerichtsverhandlung stattfindet, nicht voraus (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. März 2012 - BVerwG 4 B 11.12 -, BauR 2012, 1097; vom 25. Juni 1998 - BVerwG 7 B 120.98 -, Buchholz 300 § 169 GVG Nr. 9 = DVBl 1999, 95; vom 15. September 1994 - BVerwG 1 B 170.93 -, Buchholz 300 § 169 GVG Nr. 8; vom 17. November 1989 - BVerwG 4 C 39.89 -, [...]; vom 3. Januar 1977 - BVerwG 4 CB 70.76 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 5 VwGO Nr. 1; vom 25. Juli 1972 - BVerwG IV CB 60.70 -, JR 1972, 521).
b)
Auch die Rüge des Klägers, das angefochtene Urteil sei unter Verstoß gegen die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verkündet worden, greift nicht durch. Zwar ist nach § 55 VwGO in Verbindung mit § 169 Satz 1 GVG "die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ... öffentlich". Selbst wenn bei dem Verkündungstermin die Öffentlichkeitsvorschriften verletzt worden sein sollten, läge darin jedoch kein Verfahrensmangel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Denn ein Verstoß gegen die Öffentlichkeitsvorschriften bei der Verkündung des Urteils kann die Entscheidungsfindung nicht beeinflusst haben (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1980 - BVerwG 6 CB 29.80 -, DÖV 1981, 969 m.w.N.; vom 23. November 1989 - BVerwG 6 C 29.88 -, Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 91 = NJW 1990, 1249 [BVerwG 23.11.1989 - 6 C 29/88]). Daher bedurfte es entgegen der Auffassung des Klägers auch keiner Einholung einer dienstlichen Äußerung des Verwaltungsgerichts zu dem Umstand, wie gegebenenfalls über das Stattfinden des Verkündungstermins informiert wurde bzw. Auskunft gegenüber Dritten hätte erteilt werden können.
c)
Der Kläger beanstandet des Weiteren, das von ihm gerügte Fehlen einer Prozessvollmacht des in der mündlichen Verhandlung am 8. Oktober 2012 für den Beklagten aufgetretenen allgemeiner Vertreter des Samtgemeindebürgermeisters sei im Urteil nicht berücksichtigt worden; jedenfalls habe er von einer Nachreichung der Vollmacht keine Kenntnis erhalten. Auch insoweit liegt kein Verfahrensmangel vor. Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann sich ein Beteiligter vor dem Verwaltungsgericht in jeder Lage des Verfahrens durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen und sich in der mündlichen Verhandlung eines Beistands bedienen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auch durch Beschäftigte vertreten lassen (§ 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Halbsatz 2 VwGO). Die gemäß § 67 Abs. 6 Satz 1 VwGO schriftlich zu erteilende Vollmacht kann nach § 67 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO nachgereicht werden. Dies ist hier geschehen. Eine schriftliche Bevollmächtigung des allgemeinen Vertreters des Samtgemeindebürgermeisters durch den Vorsitzenden des Beklagten wurde am 11. Oktober 2012 zur Gerichtsakte nachgereicht (Bl. 88 und 89 GA) und liegt diesem Beschluss zur Kenntnisnahme für den Kläger an. Die zulässige Nachreichung der Vollmacht hat zur Folge, dass der Mangel eines ursprünglichen Fehlens der Vollmacht mit Wirkung für die Vergangenheit geheilt wird (§ 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 89 Abs. 2 ZPO). Dass der Kläger über die Nachreichung nicht informiert worden ist, ist kein Verfahrensmangel, auf dem das angegriffene Urteil beruhen kann.
d)
Der Kläger macht ferner geltend, sein Antrag auf Beiladung des Landeswahlleiters sei vom Verwaltungsgericht offenbar nicht richtig behandelt worden. Es fehle eine schriftlich fixierte Begründung des diesbezüglich ergangenen Beschlusses. Zudem sei diese Entscheidung dem Beizuladenden offenbar nicht zugestellt worden.
Auch hieraus ergibt sich kein Verfahrensfehler i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2012 (Bl. 58 GA) die einfache Beiladung des Niedersächsischen Innenministers, vertreten durch den Landeswahlleiter, gemäß § 65 Abs. 1 VwGO beantragt. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 8. Oktober 2012 (Bl. 72 ff. GA) in der mündlichen Verhandlung abgelehnt, wobei der Einzelrichter den Beschluss begründet hat. Da nach § 65 Abs. 1 VwGO die einfache Beiladung im Ermessen des Gerichts steht, kann ihr Unterlassen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kein Verfahrensmangel sein (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1971 - BVerwG VII C 42.70 -, BVerwGE 37, 116 = Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 117 = MDR 1971, 516 = DÖV 1971, 458 = NJW 1971, 1419 = JR 1971, 387 [BVerwG 22.01.1971 - BVerwG VII C 42.70]; Beschluss vom 7. Februar 1995 - BVerwG 1 B 14.95 -, Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 117 = GewArch 1997, 76). Folglich kann eine fehlende schriftliche Begründung des Beschlusses über die Ablehnung einer einfachen Beiladung und eine fehlende Zustellung des Ablehnungsbeschlusses an den nicht Beigeladenen ebenfalls kein Verfahrensmangel sein, auf dem das angegriffene Urteil beruhen kann.
e)
Der Kläger sieht schließlich einen "gravierenden Aufklärungsmangel" und einen "Mangel an Gehör" darin, dass das Verwaltungsgericht auf seinen Schriftsatz vom 4. Oktober 2012 hin nicht die Vorlage weiterer Unterlagen (so das endgültige Wahlergebnis mit Bekanntmachungsvermerk) angemahnt habe. Das Verwaltungsgericht habe im Urteil ausgeführt, dass die Bekanntmachung des (angefochtenen) Wahlergebnisses "wohl" am 20. Oktober 2011 erfolgt sei. Gewissheit darüber habe es nicht. Ihm, der den Einspruch gegen das Wahlergebnis aufgrund vorläufiger Bekanntmachungen erhoben habe, könne die "verspätete" Geltendmachung der Rüge hinsichtlich des Bekanntmachungsmangels nicht angelastet werden.
Aus diesem Vorbringen ergibt sich ebenfalls kein Verfahrensmangel, auf dem das angegriffene Urteil beruhen kann. Denn der Kläger ist - wovon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist - mit der betreffenden Rüge, die Samtgemeinde C. verfüge nicht über ein ordnungsgemäßes Bekanntmachungsrecht, im Gerichtsverfahren ausgeschlossen gewesen. Daran hätte die Vorlage des endgültigen Wahlergebnisses mit Bekanntmachungsvermerk nichts geändert. Einer Anmahnung zur Vorlage dieser Unterlagen durch das Verwaltungsgericht hat es daher nicht bedurft.
Die vorstehend ausgeführte Präklusion ergibt sich daraus, dass der Kläger die betreffende Rüge nicht schon im Einspruchs-, sondern erst im Klageverfahren erhoben hat. Dem Verwaltungsgericht fällt die Wahlprüfung jedoch nur in dem Umfang zu, in dem sie durch die Substantiierung der Prüfungsgegenstände im Wahleinspruch wirksam eingeleitet worden ist. Der Prüfungsumfang vor dem Verwaltungsgericht geht nicht über das Vorbringen im Wahleinspruchsverfahren hinaus; Rügen, die nicht schon Gegenstand des Wahlprüfungsverfahrens vor der Vertretung bzw. Einwohnervertretung waren, sind auch im gerichtlichen Verfahren materiell präkludiert. Denn nach der in §§ 46 ff. NKWG angelegten Zweistufigkeit des Wahlprüfungsverfahrens soll auf einen innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntmachung des Wahlergebnisses mit Begründung schriftlich einzureichenden oder zur Niederschrift zu erklärenden Wahleinspruch hin zunächst die zuständige Vertretung oder Einwohnervertretung über ihre eigene Legitimation und diejenige ihrer Mitglieder entscheiden (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 NKWG). Gegen diese Wahlprüfungsentscheidung ist die Klage zum Verwaltungsgericht zulässig (§ 49 Abs. 2 NKWG). Diese Regelung hat ihren Grund darin, dass die Entscheidung im Wahlprüfungsverfahren möglichst schnell erfolgen soll, um Gewissheit über die rechtsgültige Zusammensetzung der gewählten Vertretung zu erhalten. Es soll verhindert werden, dass durch neue, erst später vorgebrachte Einwendungen die Entscheidung der Wahlprüfungsgerichte immer weiter hinausgezögert werden kann. Dies führt dazu, dass Einwendungen, die erst im Klageverfahren erhoben werden, nicht der Prüfung des Verwaltungsgerichts unterliegen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 28. Februar 1984 - 2 A 109/83 -, NdsRpfl 1984, 224 = DÖV 1985, 153 = NVwZ 1985, 847 [OVG Niedersachsen 28.02.1984 - 2 A 109/83]).
Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, diese Rechtsprechung beruhe nicht auf einer gesetzlichen Grundlage, es habe in der Weimarer Republik auch eine andere Rechtsprechungslinie gegeben; so habe das Preußische Oberverwaltungsgericht die Ansicht vertreten, dass gewisse Wahlfehler eine Wahl absolut ungültig machten, und er sehe dies im Hinblick auf die offenbar inkorrekte Bekanntmachung des endgültigen Ergebnisses der hier in Rede stehenden Wahl genauso. Denn die vorgenommene Auslegung der §§ 46 ff. NKWG durch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht wurde vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich gebilligt (BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 1989 - BVerwG 7 B 202.88 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 32 = NVwZ-RR 1989, 496 = DVBl 1989, 928, nachfolgend BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juli 1989 - 2 BvR 317/89 -, [...]; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 12. März 2010 - BVerwG 8 B 90.09 -, [...]). Sie entspricht der Rechtsprechung der Obergerichte zu den betreffenden Regelungen im Kommunalwahlrecht anderer Bundesländer (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. Mai 2007 - 1 S 567/07 -, ESVGH 57, 248 = VBlBW 2007, 377 und Beschluss vom 24. November 2009 - 1 S 1149/09 -, [...] zu § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 KomWG BW; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. November 1996 - 2 L 375/95 -, [...] zu § 50 LWG LSA; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. März 1966 - III A 1039/65 -, OVGE 22, 141 m.w.N.) und der einschlägigen Kommentarliteratur (vgl. Thiele/Schiefel, Niedersächsisches Kommunalwahlrecht, 3. Aufl. 2006, § 49 Anm. 5). Die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, auf die sich der Kläger bezieht, ist in Anbetracht dieser ganz herrschenden Auffassung überholt. Unabhängig davon galt zu Zeiten des Preußischen Oberverwaltungsgerichts bei Prüfung der Kommunalwahlen noch nicht das heutige Anfechtungs-, sondern das Amtsprinzip (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. März 1966, a.a.O.), so dass die damalige und die heutige Rechtslage nicht vergleichbar sind.
3.
Auch der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor.
Eine Rechtssache ist grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht beantwortete Rechts- oder Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf.
Der Kläger macht insoweit geltend, dass in Anbetracht seiner unter 2. d) wiedergegebenen Einwände aus seiner Sicht grundsätzliche Bedenken gegen das erstinstanzliche Urteil bestünden; der Berufung könne daher eine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO im Hinblick auf die Ablösung der seit den 1950er Jahren herrschenden Rechtspraxis zukommen.
Mit diesem Vorbringen hat der Kläger schon keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage bezeichnet. Die hier vorgenommene Auslegung der §§ 46 ff. NKWG ist zudem - wie ausgeführt - höchstrichterlich gebilligt worden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 1989, a.a.O., nachfolgend BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juli 1989, a.a.O.), so dass es im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts insoweit keiner fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf.