Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.07.2012, Az.: 1 LC 130/09
Folgen der Offenlegung der Übertragung des Eigentums am Grundstück des widerspruchsführenden Nachbarn auf dessen Ehefrau erst zur mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts in einem Nachbarstreit um Schweinehaltung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.07.2012
- Aktenzeichen
- 1 LC 130/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 24187
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0726.1LC130.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 28.04.2009 - AZ 4 A 4981/04
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- AUR 2012, 475-482
- RÜ 2012, 804-808
Amtlicher Leitsatz
Zu den Folgen des Umstands, dass in einem Nachbarstreit um Schweinehaltung die Übertragung des Eigentums am Grundstück des widerspruchsführenden Nachbarn auf dessen Ehefrau erst zur mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts offen gelegt wurde.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen einen dem Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid der Beklagten für Schweinestallgebäude und ein Güllesilo; das Verwaltungsgericht hat wegen der von ihnen nicht offen gelegten, während des Widerspruchsverfahrens erfolgten Eigentumsübertragung ihres benachbarten Wohngrundstücks vom Kläger zu 1) auf die Klägerin zu 2) beide Klagen als unzulässig angesehen.
Der Schweinehaltungsbetrieb des Beigeladenen liegt nördlich der Kirchstraße in F.. Jenseits der etwa in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Straße Immengarten befindet sich östlich davon mit der Hausnummer 4 das von den Klägern bewohnte Grundstück, dessen Eigentümer zunächst der Kläger zu 1) war. Mit notariellem Vertrag vom 12. Juni 2001 übertrug er es auf die Klägerin zu 2), seine Ehefrau. Diese räumte dem Kläger zu 1) zugleich ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht an allen Räumen des Wohnhauses sowie freien Umgang in Hof und Garten ein. Außerdem verpflichtete sie sich, den Grundbesitz ohne Zustimmung des Klägers zu 1) weder ganz noch teilweise zu verkaufen, zu verschenken oder sonstwie an einen Dritten zu übertragen bzw. zu beleihen. Für den Fall des Verstoßes gegen diese Vereinbarung verpflichtete sie sich, den Grundbesitz unentgeltlich an den Kläger zu 1) zurückzuübertragen. Am 21. Juni 2001 wurde die Klägerin zu 2) als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Zugleich eingetragen wurden das Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB für den Kläger zu 1) sowie die im Überlassungsvertrag vereinbarte Vormerkung zur Sicherung des bedingten Anspruchs auf Rückübertragung des Eigentums für den Kläger zu 1).
Bereits am 31. Mai 1999 hatte der Beklagte dem Beigeladenen den hier angegriffenen Bauvorbescheid für den Anbau eines Sauenwartestalles (Nr. 9 b - 60 Tierplätze) sowie für den Neubau eines Babyferkelaufzuchtstalles (Nr. 10 - 1000 Tierplätze), eines Schweineendmaststalles (Nr. 10 - 230 Tierplätze) und eines Lagers für Flüssigkot (Güllesilo 500 m3) erteilt. Die genehmigten Standorte liegen nordwestlich des Wohnhauses der Kläger.
Gegen diesen Bauvorbescheid erhob der Kläger zu 1) am 19. Juni 1999, d.h. noch als Grundstückseigentümer Widerspruch, den die Bezirksregierung Weser-Ems mit Bescheid vom 22. November 2004 zurückwies. Hierzu führte sie aus: Aufgrund der gewachsenen Siedlungsstruktur habe der Ort F. eine hohe Vorbelastung aufzuweisen; diese Gemengelage sei nicht aufzulösen. Für das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme gelte somit im Nachbarschaftsverhältnis ein höheres Maß an Geruchstoleranz. Der Richtlinienabstand nach der VDI-Richtlinie 3471 werde hier nicht eingehalten. Eine Begutachtung erfolge daher mit Hilfe von Ausbreitungsberechnungen. Für den Bereich der Ortschaft F. existiere ein Emissionsgutachten vom 15. Juli 1995, der den Ort in drei Bereiche einteile. Der Hof des Beigeladenen liege im Bereich 1 (Bereich mit intensiver landwirtschaftlicher Tierhaltung). In eine fiktive Ausbreitungsberechnung sei für den Hof des Beigeladenen auch eine Erweiterung um zwei Neubauten einbezogen worden. Das Gutachten habe in diesem Rahmen eine Genehmigungsfähigkeit attestiert, weil wegen der erhöhten Vorbelastung ein herabgesetzter Schutzanspruch für die vorhandene und die ggf. hinzukommende Wohnbebauung bestehe. Daher sei die Überschreitung des an sich geltenden Grenzwertes von 3 GE/m3 bei 5 % der Jahresstunden hinzunehmen. Das Wohnhaus des Klägers zu 1) liege im Bereich 2 mit einer errechneten Immissionsbelastung von ca. 3,8% der Jahresstunden bei 3 GE/m3 (im genehmigten Zustand 1995). Die gültigen Grenzwerte würden unterschritten. Im Widerspruchsverfahren habe der Gutachter die Eingabedaten aktualisiert und differenzierte Rasterberechnungen vorgelegt. Aus diesen ergebe sich für das Wohnhaus des Klägers zu 1) eine Belastung von 4,7 % der Jahresstunden bei 3 GE/m3. Rechte des Klägers zu 1) seien deshalb nicht verletzt; der Beigeladene habe einen Rechtsanspruch auf die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides gehabt. Allerdings unterliege seine Anlage inzwischen der Genehmigungspflicht nach Nr. 7.1 Spalte 2 b der 4. BImSchV, wenn weniger als 104,3 ha Flächen zur Verfügung stünden, was derzeit der Fall sei.
Am 23. Dezember 2004 hat der Kläger zu 1) Klage erhoben. Er hat zunächst angegeben, Eigentümer des Wohngrundstücks zu sein (Schriftsatz vom 18. November 2005).
Mit einem am 19. Februar 2009 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat auch die Klägerin zu 2) Klage erhoben. Gleichzeitig haben die Kläger die oben beschriebene dingliche Lage und Nutzungssituation des Grundstücks dargestellt.
Zur Begründung der Klagen haben sie vorgetragen: Mehr als die maximal zulässige Immissionsbelastung von 5 % der Jahresstunden bei 3 GE/m3 sei für sie nicht zumutbar. Die Rastereinteilungen in der Anlage 8 des Gutachtens vom 15. Juli 1995 und in der Berechnung vom 4. Dezember 2003 seien willkürlich und nicht aussagekräftig. Unter Berücksichtigung der Lage des Wohnhauses sei es schon nicht nachvollziehbar, dass der Durchschnittswert des maßgeblichen Rasterfeldes 4,9 % betragen solle, für das Wohnhaus aber ein Punktwert von 4,75 %. Rasterfelder, die sich direkt an das Wohnhaus anschlössen, überschritten in ihren Werten jeweils 5 % erheblich. Für den Bereich des Rasterfeldes, der in Richtung der Emissionsquelle liege, solle ein deutlich niedriger Wert als der errechnete Durchschnitt vorliegen. Entgegen den Annahmen in der Ergänzung des Gutachtens vom 18. Dezember 1998 könnten die Ställe nicht mit 100 Punkten bewertet werden. Im Gutachten vom 15. Juli 1995 habe der Gutachter im Übrigen ausgeführt, dass die Werte in F. bei einem 100-Punkte-Betrieb zwischen 5,1 % und 5,6 % lägen. Das Gutachten sei in sich unstimmig und widersprüchlich. Entweder entsprächen die errechneten Werte nicht der tatsächlich vorliegenden Belastung oder bei dem Betrieb des Beigeladenen handele es sich nicht, wie offenbar zugrunde gelegt, um einen 100-Punkte-Betrieb. Nach einem 1984 erstellten Gutachten sei es technisch unmöglich, die Stallungen des Beigeladenen auf einen 100-Punkte-Stand zu bringen. Das jetzige Gutachten sei auch ansonsten unbrauchbar. Der untersuchte Bereich liege mehr als 500 m von der Emissionsquelle entfernt. Der Bauvorbescheid widerspreche ferner der VDI-Richtlinie 3471. Nach dieser sei bei einem Tierbestand unter Berücksichtigung der geplanten Stallungen von 208,7 GV bei einer 100-Punkte-Anlage ein Mindestabstand von mehr als 275 m zur Wohnbebauung erforderlich, bei Betrieben mit niedrigen Punktwerten ein noch größerer Abstand. Bei einem Abstand von hier weniger als 80 m werde aber auch bei einer Verringerung auf die Hälfte der Mindestabstand von rund 137 m bei einer 100-Punkte-Anlage nicht erreicht. Selbst die Bezirksregierung Weser-Ems habe den Bauvorbescheid 1999 für rechtswidrig gehalten. Weshalb die Bezirksregierung später eine gegenteilige Meinung vertreten habe, sei weder erkennbar noch nachvollziehbar. Schon derzeit seien sie durch die Geruchsbelästigung durch den Betrieb des Beigeladenen erheblich belastet. Für die Neuaufstellung des Flächennutzungsplans der Gemeinde G. 2005 habe die Landwirtschaftskammer Weser-Ems einen landwirtschaftlichen Fachbeitrag über die aktuelle Immissionssituation auf der Grundlage der GIRL erstellt. Danach könnten unter anderem unter der Voraussetzung überwiegend landwirtschaftlicher Nutzung und daraus resultierender Immissionen aus Tierhaltungsanlagen Immissionswerte von bis zu 20 % Geruchsstundenhäufigkeit zugelassen werden. Nach dem für F. ermittelten Raster werde der Bereich bereits mit 55 bis 60 % Geruchsstundenhäufigkeit belastet. Das Niedersächsische Landesamt für Ökologie habe in einer Stellungnahme vom 28. Januar 2002 im Zusammenhang mit einem anderen Stallbauvorhaben des Beigeladenen festgestellt, dass ein seinerzeit eingeholtes, ebenfalls fehlerhaftes Gutachten vom 3. September 2001 sowie das jetzige Gutachten vom 15. Juli 1995 keine ausreichende Einschätzung einer Immissionssituation ergäben. Der Beklagte habe in einem Leitfaden vom 14. Juni 2002 zur Feststellung der Eignung von Abluftreinigungsanlagen in der Tierhaltung Abstandsregelungen getroffen. Danach habe zwischen einer Abluftreinigungsanlage und einem Immissionsort in einem Dorf - bzw. Gewerbegebiet ein Abstand von 100 m bis 200 m eingehalten werden müssen. Hier betrage der Abstand weniger als 100 m. Nach dem Fachbeitrag der Landwirtschaftskammer Weser-Ems zum Flächennutzungsplan seien im Wohngrundstück Werte von ca. 58 % bis 60 % Geruchsstundenhäufigkeit bei 1 GE/m3 vorhanden. Diese Feststellungen basierten auf den Erhebungen, Grundlagen und Basisdaten aus dem Gutachten aus 1995. 1 GE/m3 an 15 % der Jahresstunden entsprächen 3 GE/m3 an 5 % der Jahresstunden. Bei 58 % der Jahresstunden bedeute dies eine Überschreitung um ca. 400 %. Die Fehlerquelle im Gutachten lasse sich lokalisieren: Die verwandten Berechnungsdaten aus der Anlage 5 des Gutachtens erfassten nicht das geplante Vorhaben. Die Anlage 5 habe nur auf die seinerzeit genehmigten Vorhaben abgestellt. Der im Bauvorbescheid mitgenehmigte Güllehochbehälter mit 500 m3 Inhalt sei ebenfalls nicht erfasst worden.
Der Kläger zu 1) falle unter den baurechtlichen Nachbarbegriff. Das Wohnungsrecht im Sinne von § 1093 BGB, hier ergänzt durch eine Vormerkung zur Sicherung eines bedingten Rückübertragungsanspruchs, stelle einen gesetzlich normierten Sonderfall eines Nießbrauchrechtes dar. Er sei damit Inhaber einer eigentumsrechtlichen Rechtsposition im Sinne des baurechtlichen Nachbarbegriffs. Im Übrigen falle er auch unter den sog. umweltschutzrechtlichen Nachbarbegriff, der weiter zu fassen sei. Unstreitig unterlägen die geplanten Erweiterungsbauten des Beigeladenen der Genehmigungspflicht nach dem BImSchG. Durch §§ 5 ff. BImSchG seien nicht nur Eigentümer oder eigentumsähnlich Berechtigte geschützt, sondern auch obligatorisch Berechtigte wie Mieter oder Pächter sowie diejenigen, deren Arbeitsplatz sich im möglichen Einwirkungsbereich einer Anlage befinde. Die Klagebefugnis sei dem Kläger zu 1) hier umso mehr zuzubilligen, als er Ehemann und somit Familienangehöriger der Eigentümerin und mit dieser zusammen dort wohnhaft sei. Familienangehörige sowie andere Personen, die dauernd immissionsbelastet seien, gehörten zu den Begünstigten nach§ 42 Abs. 2 VwGO. Dem baurechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Nachbarbegriff unterfalle der Kläger zu 1) auch deshalb, weil er obligatorisch bereits ein Anwartschaftsrecht besitze, das ihn in seiner Stellung derjenigen eines Eigentümers annähere. Dies treffe insbesondere dann zu, wenn für den Erwerber - wie hier - bereits eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen sei und der Besitz und Lasten des Grundstücks auf ihn übergegangen seien. Das Rückübertragungsrecht sei im Grundbuch vermerkt. Besitz und Nutzungen seien bei ihm verblieben, da sich das Wohnrecht auf alle Räume des Wohnhauses erstrecke und freies Umgangsrecht auf Hof und Garten begründet worden sei. Ferner sei er klagebefugt gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 265 ZPO. Er habe danach trotz des Eigentumsübergangs das Recht, den Prozess weiter zu führen. Da dieZPO, auf die § 173 VwGO verweise, ein Widerspruchsverfahren nicht kenne, sei er so zu behandeln, als habe die Rechtshängigkeit schon im Zeitpunkt des Widerspruchsverfahrens vorgelegen. Da das Urteil nach § 325 ZPO auch gegen den Rechtsnachfolger, die Klägerin zu 2), wirksam sein dürfte, sei er berechtigt, den Prozess auch im eigenen Namen fortzuführen. Zudem habe ihn die Klägerin zu 2) bevollmächtigt.
Die Klägerin zu 2) sei als Eigentümerin gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Mit der Eigentumsübertragung sei auch die Beschwer auf sie übergegangen, die in einem Verwaltungsverfahren zu rügen ihr bisher verschlossen gewesen sei. In einer solchen Situation entspreche es der Verfahrensökonomie und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass der Erwerber des die Klagebefugnis vermittelnden Gegenstandes auch in die darauf bezogene Verfahrensposition des bisherigen Eigentümers eintrete, es sei denn, die maßgebliche Verfahrensordnung enthalte Regelungen, die es dem Veräußerer erlaubten, das auf den Verkaufsgegenstand bezogene Verfahren fortzusetzen, wie es beispielsweise bei der Veräußerung einer streitbefangenen Sache nach Rechtshängigkeit im Sinne von § 265 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 173 VwGO vorgesehen sei. Die Klägerin zu 2) könne sich damit darauf berufen, dass die Beschwer bereits Gegenstand eines Widerspruchs ihres Rechtsvorgängers, des Klägers zu 1), war. Dies entspreche höchstrichterlicher Rechtsprechung. Ein Widerspruchsverfahren der Klägerin zu 2) sei damit entbehrlich. Ihr stehe ein entsprechendes subjektives Nachbarrecht bzw. eine Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO sowohl aufgrund des baurechtlichen als auch aufgrund des immissionsschutzrechtlichen Nachbarbegriffs zu.
Die Kläger haben beantragt,
den Bauvorbescheid des Beklagten vom 31. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 22. November 2004 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat auf den Widerspruchsbescheid und seine Ausführungen im Vorverfahren verwiesen. Ergänzend hat er geltend gemacht: Der Gutachter sei Leiter einer anerkannten Messstelle nach § 26 BImSchG. Er habe auf Anfrage mitgeteilt, dass die vorhandenen Tierplätze mit den tatsächlich vorhandenen technischen Ausstattungen berücksichtigt worden seien. Es sei nicht angenommen worden, dass alle vorhandenen Ställe aller landwirtschaftlichen Hofstellen dem Standard eines 100-Punkte-Stalles entsprechend ausgestattet seien. Nach dem Gutachten zur Immissionssituation vom 18. Dezember 1998 sei die Erweiterung um die Stallgebäude Nr. 9 b und 10 unter anderem unter der Bedingung möglich, dass dann die Abluft sämtlicher Stallgebäude des Beigeladenen über den First gezogen werde und die Schachtabdeckungen entfernt werden. Der Gutachter habe eine differenzierte Rasterberechnung vorgelegt, aus der sich für das Wohnhaus der Kläger eine Belastung von 4,7 % der Jahresstunden bei 3 GE/m3 ergebe. Dabei handele es sich um einen Punktwert, der zur oberen linken Rasterkreuzung gehöre. Der Durchschnittswert des maßgeblichen Rasters betrage 4,9 % der Jahresstunden bei 3 GE/m3. Der seinerzeit zulässige Grenzwert für ein Dorfgebiet und unbeteiligte Wohnhäuser im Außenbereich von 3 GE/m3 bis 5 % der Jahresstunden werde auch unter Berücksichtigung der vom Beigeladenen noch geplanten Maßnahmen bei den Klägern nicht überschritten. Für die mit dem angefochtenen Bauvorbescheid positiv beurteilten Maßnahmen bestehe nunmehr eine Genehmigungspflicht nach dem BImSchG, so dass dafür ein Antrag nach § 16 BImSchG erforderlich sei. Der baurechtlich erteilte Vorbescheid hätte dafür keine Gültigkeit. Da jedoch weiterhin die Möglichkeit bestehe, wieder zu einer Gültigkeit des Bauvorbescheides zu gelangen, zum Beispiel durch den Nachweis weiterer Flächen, betriebliche Umstrukturierungen oder Gesetzesänderungen, sei eine Entscheidung erforderlich.
Der Beigeladene hat ebenfalls beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat ausgeführt: Vor Erteilung des Bauvorbescheides habe er alle seine Ställe genehmigen lassen. Der Beklagte habe überprüft, ob die Stallungen "auf 100 Punkte gebracht" worden seien. Der Tierbestand im Ort sei über die Jahre verringert worden. Er selber habe einen der geringsten Tierbestände im Ort. Der Beschwerde des Klägers zu 1) lägen offenbar persönliche Gründe zugrunde. An dem vom Bauvorbescheid erfassten Vorhaben halte er weiterhin fest. Das Gutachten sei sachlich und fachlich richtig. Seit dem 9. März 1992 habe er versucht, eine Baugenehmigung zu erhalten. Gegen den der Mutter des Klägers zu 1) am 7. Juli 1997 erteilten Bauvorbescheid für das Nachbargrundstück habe er sich nicht gewehrt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter Zulassung der Berufung im Wesentlichen aus folgenden Gründen als unzulässig abgewiesen:
Der Kläger zu 1) könne nicht (mehr) geltend machen, durch den dem Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid in eigenen Rechten verletzt zu sein. Nachdem das Eigentum an dem Nachbargrundstück während des Widerspruchsverfahrens am 21. Juni 2001 auf die Klägerin zu 2) übergegangen sei, sei er im Zeitpunkt der Klagerhebung nicht zivilrechtlicher Eigentümer des Nachbargrundstücks gewesen und habe auch keine vergleichbare Rechtsstellung innegehabt. Ehe- und familienrechtliche Bindungen vermittelten keine eigenständige grundstücksbezogene Rechtsposition. Für eine Ausweitung der auf den Vorschriften des Bauplanungsrechts beruhenden öffentlich-rechtlichen Abwehrrechte bestehe auch deshalb kein Bedürfnis, weil obligatorisch Berechtigte Gefährdungen von Leben und Gesundheit gestützt auf ihr Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG mit einer Nachbarklage abwehren könnten. Daran sei auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Besitzrecht des Mieters (Beschluss vom 26. Mai 1993 - 1 BvR 208/93 -, NJW 1993, 2035) festzuhalten.
Auch das ihm im Zusammenhang mit dem Eigentumswechsel eingeräumte obligatorische Wohnungsrecht und dessen dingliche Absicherung im Grundbuch vermittele keine Klagebefugnis. Ein Wohnungsrecht verschaffe, selbst wenn es nach § 1093 BGB eingeräumt und dinglich gesichert sei, dem Inhaber keine dem Grundstückseigentümer vergleichbare Rechtsposition; er habe damit keinen öffentlichen-rechtlichen Abwehranspruch gegen eine Baugenehmigung oder einen Bauvorbescheid für ein Nachbargrundstück. Wohnungsrechte nach §§ 1090 ff. BGB - wie sie hier vertraglich vereinbart seien - stellten beschränkte persönliche Dienstbarkeiten dar. Sie entsprächen in ihren Auswirkungen nicht dem Nießbrauch nach § 1030 BGB. Letzteres umfasse grundsätzlich die Befugnis, sämtliche Nutzungen des belasteten Gegenstandes zu ziehen, wobei lediglich einzelne Nutzungen ausgeschlossen sein könnten. Während der Nießbraucher gemäß § 1047 BGB grundsätzlich verpflichtet sei, die auf der Sache ruhenden öffentlichen Lasten zu tragen, ergebe sich eine solche Verpflichtung für den Begünstigen einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit nicht. In dem zwischen den Klägern geschlossenen Vertrag finde sich auch keine entsprechende Regelung. Selbst für ein Wohnungsrecht unter Ausschluss des Eigentümers (§ 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB) finde § 1047 BGB keine Anwendung. Ohne Bedeutung sei deshalb, dass das Wohnrecht im Überlassungsvertrag als ein solches "gem. § 1090 BGB", im Grundbuch "unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 12.06.2001" aber als ein solches "gemäß 1093 BGB" bezeichnet wurde. Unabhängig davon habe der Kläger zu 1) als Wohnberechtigter lediglich eine beschränkte Befugnis zur Nutzung des Grundstücks, der auch keine öffentlich-rechtlichen Belastungen entgegenstünden. Gegen die Ausweitung des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes in derartigen Fällen spreche zudem die Interessenlage. Könnte der Inhaber eines Wohnrechts eine Verletzung baurechtlicher Vorschriften gegenüber Dritten selbständig auch dann geltend machen, wenn der Eigentümer, dessen umfassendere Nutzungsrechte fortbestehen, dies nicht wolle, so würde er damit in den Interessenausgleich der unmittelbar berechtigten Grundstückseigentümer einwirken. Der Umstand, dass hier insoweit kein Dissens mit der Klägerin zu 2) bestehe, führe nicht zu einer anderen Bewertung.
Eine Klagebefugnis könne der Kläger zu 1) für sich auch nicht aus den Regelungen unter V. des Übertragungsvertrages vom 12. Juni 2001 über einen bedingten Rückübertragungsanspruch und die insoweit eingeräumte Auflassungsvormerkung sowie aus der Eintragung dieser Vormerkung ins Grundbuch herleiten. Er sei dadurch nicht in eigentumsähnlicher Weise an dem Grundstück dinglich berechtigt. Etwas anderes sei zwar für den Käufer eines Grundstücks anerkannt, auf den Besitz sowie Nutzungen und Lasten übergegangen seien und zu dessen Gunsten eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen sei. Erfasst würden damit Fallgestaltungen, in denen der Eigentumsübergang schon konkret in die Wege geleitet worden und - anders als hier - nicht mehr von einer Bedingung abhängig sei, auf deren Eintritt der Erwerber keinen Einfluss habe. Eine in gleicher Weise schutzwürdige Position habe der Kläger zu 1) durch den Vertrag vom 12. Juni 2001 und seine Umsetzung nicht erlangt. Der Überlassungsvertrag sei nicht einmal darauf gerichtet, dem Kläger zu 1) das Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen bzw. ihm eine Rückübereignung zu sichern. Im Gegenteil ziele der Vertrag auf den - dauerhaften - Verlust des Eigentums des Klägers zu 1) an dem Grundstück; die Klausel über den bedingten Rückübertragungsanspruch und seiner Absicherung im Falle eines Verstoßes der Klägerin zu 2) gegen die "Wohlverhaltensklausel" stelle ersichtlich nur eine Nebenabrede dar. Ob eine schutzwürdige Position des Klägers zu 1) dann anzuerkennen wäre, wenn die Bedingung eintreten sollte und er der Klägerin zu 2) gegenüber den Rückübereignungsanspruch geltend machen könnte, könne dahingestellt bleiben.
Eine Klagebefugnis des Klägers zu 1) folge weiter nicht aus dem Bezug des Verfahrens zu immissionsschutzrechtlichen Regelungen. Auf einen weitergefassten umweltschutzrechtlichen Nachbarbegriff, der neben Eigentümern oder eigentumsähnlich Berechtigten auch obligatorisch Berechtigte wie Mieter, Pächter, Familienangehörige sowie andere Personen schütze, die dauernd immissionsbelastet seien, könne er sich nicht mit Erfolg berufen. Darauf, inwieweit immissionsschutzrechtliche Maßstäbe - etwa des § 22 BImSchG - für die Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Emissionen aus dem Betrieb des Beigeladenen (und von anderen emittierenden Betrieben) auf das Grundstück der Klägerin zu 2) maßgeblich wären, brauche nicht näher eingegangen zu werden. Diese Frage betreffe ausschließlich die materielle Prüfung der Angelegenheit, während hier - prozessual - die Klagebefugnis des Klägers zu 1) in einem baurechtlichen Rechtsstreit in Rede stehe. Der im Rahmen der Drittanfechtung bedeutsame Nachbarbegriff beurteile sich nach dem Recht des anzuwendenden Verfahrens. Da hier ein nach baurechtlichen Regelungen (§ 74 NBauO) erteilter Bauvorbescheid angegriffen werde, folge damit auch der Nachbarbegriff ausschließlich baurechtlichen Kriterien. Das insoweit einen anderen Schutzansatz verfolgende Immissionsschutzrecht könne im Rahmen baurechtlicher Verfahren den für derartige Verfahren aus baurechtlichen Überlegungen hergeleiteten Nachbarbegriff nicht verdrängen oder ersetzen. In diesem Zusammenhang ohne Bedeutung sei ferner, dass im Hinblick auf die zwischenzeitliche Änderung der 4. BImSchV eine endgültige Genehmigung nicht mehr in einem baurechtlichen Verfahren, sondern nur einem immissionsschutzrechtlichen Verfahren erfolgen könne, für das dann ein anderer Nachbarbegriff gelten würde. Die für einen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag zuständige Behörde müsse ohnehin in eine neue Prüfung nach den dafür vorgesehenen Regelungen eintreten und wäre - gerade auch hinsichtlich des Nachbarbegriffs - nicht an eine dem öffentlichen Baurecht folgende Einschätzung gebunden.
Entgegen der Annahme des Klägers zu 1) begründe für ihn auch nicht § 173 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 265 ZPO die Klagebefugnis. Letztere Vorschrift beschränke sich auf Fallgestaltungen, in denen die Rechtsnachfolge während eines anhängigen Klageverfahrens erfolge. Hier sei sie aber schon drei Jahre zuvor eingetreten. Weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck nach erfasse§ 265 ZPO für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auch Fallgestaltungen, in denen der Rechtsübergang - wie hier - bereits vor Klageerhebung während des nach §§ 68 ff. VwGO vorgeschalteten Widerspruchsverfahrens erfolgte. Wenn der bisherige Eigentümer sein Recht am Grundstück schon vor Klageerhebung verloren habe, bestehe kein Bedürfnis, es ihm in entsprechender Anwendung des § 265 ZPO für einen späteren Nachbarprozess noch zuzubilligen. Diesen könne dann von vornherein der Rechtsnachfolger führen; er könne seine ihm schon bei Klagehebung nur selbst zustehenden Eigentumsrechte alleine verfolgen.
Aus einer obligatorischen Vereinbarung mit der Klägerin zu 2) könne der Kläger zu 1) eine Klagebefugnis ebenfalls nicht für sich herleiten. Ohne Erfolg berufe er sich insoweit auf das erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgelegte, von beiden Klägern unterschriebene Schriftstück mit der Datumsangabe 10. Juni 2001. Nach dem Inhalt dieses Schriftstücks bevollmächtige die Klägerin zu 2) den Kläger zu 1), sie "in der Angelegenheit 'Bauvorbescheid H. C. ' zu vertreten". Sie bezeichne darin zudem ihren Ehemann als "berechtigt für mich und in seinem Namen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe sowie eine Klage zu erheben". Durch die gewählte Formulierung solle eine sog. gewillkürte Prozessstandschaft ermöglicht werden. Eine solche werde jedoch bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen durch § 42 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen, soweit nicht durch Gesetz Ausnahmen vorgesehen und zugelassen seien. Da das Schriftstück demnach für den geltend gemachten Anspruch unerheblich sei, sehe die Kammer davon ab, den in der mündlichen Verhandlung auch von den übrigen Beteiligten geäußerten Bedenken an der Aussagekraft der Vollmacht weiter nachzugehen. Nur ergänzend angemerkt sei deshalb, dass sich Zweifel an der Richtigkeit des angegebenen Ausstellungsdatums nicht nur wegen der "frischen" Erscheinung des Papiers und der Schriftzüge aufdrängten, sondern auch deshalb, weil der Kläger zu 1) allen Anlass gehabt hätte, sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt auf die Vereinbarung zu berufen und sie vorzulegen.
Für den Kläger zu 1) komme danach allenfalls eine Klagebefugnis unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass er unter Berufung auf sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG gegen die Beeinträchtigung immaterieller Werte wie namentlich von Leben und Gesundheit Abwehrrechte geltend machen könne. Darauf habe sich der Kläger zu 1) indes nicht berufen. Er habe auch keine Umstände dargelegt, aus denen sich gewichtige Anhaltspunkte dafür ergeben könnten, dass eine mit dem Vorhaben verbundene zusätzliche Immissionsbelastung für ihn zu einem im Sinne des genannten Grundrechts erheblichen Schaden führen dürfte. Derartige Anhaltspunkte drängen sich auch nicht aus den der Kammer erkennbaren Umständen auf.
Die Klage der Klägerin zu 2) sei ebenfalls unzulässig. Sie sei zwar als Eigentümerin des Grundstücks gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Für ihre Klage fehle jedoch das nach §§ 68 ff. VwGO für Anfechtungsklagen erforderliche vollständig durchlaufene Vorverfahren. Zwar sei eine gesonderte Widerspruchserhebung gegen den Bauvorbescheid vom 31. Mai 1999 nicht erforderlich gewesen sein. Die Klägerin zu 2) hätte vielmehr nach der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück auf sie als Rechtsnachfolgerin des Klägers zu 1) auch dessen Position im Widerspruchsverfahren übernehmen und diesen in eigenem Namen fortsetzen können. Da sie das aber nicht dargetan habe und weder sie noch der Kläger zu 1) den Eigentumsübergang angezeigt hätten, sei der Widerspruchsbescheid ausschließlich gegenüber dem Kläger zu 1) ergangen. Er habe deshalb auch nur diesem gegenüber unmittelbare Rechtswirkungen. Einer uneingeschränkten nachträglichen "Anrechenbarkeit" des Widerspruchsbescheides für eine (zusätzliche) Klage der Klägerin zu 2) stehe bereits das schützenswerte Interesse des beigeladenen Bauherrn als eines "Dritten" im baurechtlichen Dreiecksverhältnis entgegen. Wenn die Klägerin zu 2) im Klageverfahren in die Rechtsposition des Klägers zu 1) (auch) hinsichtlich des Widerspruchsbescheides eintreten wolle, müsse sie sich zurechnen lassen, dass bei Erlass dieses Bescheides die Widerspruchsbefugnis des Klägers zu 1) bereits entfallen gewesen sei und der Widerspruch schon deshalb keinen Erfolg hätte haben konnte. Die von der Klägerin zu 2) für ihre abweichende Rechtsposition angeführten Grundsätze, die das BVerwG in seinem Urteil vom 12. November 2006 (- 3 B 181/05 -, DVBl. 2006, 1246) ausgeführt habe, seien auf diesen Fall nicht übertragbar. Nach der genannten Entscheidung brauche der Erwerber eines die Klagebefugnis gegen einen Verwaltungsakt vermittelnden Gegenstandes vor der Klageerhebung kein eigenes Widerspruchsverfahren durchzuführen, soweit die auf den Erwerbsgegenstand bezogene Beschwer bereits Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens seines Rechtsvorgängers gewesen sei; insoweit rücke er in die Verfahrensposition seines Rechtsvorgängers ein. Dem Verfahren habe eine straßenverkehrsrechtliche Anordnung für eine Betriebsstätte zugrunde gelegen, die auf den Widerspruch der ursprünglichen Eigentümerin zunächst aufgehoben worden sei. Offenbar nach Erwerb der betroffenen Betriebsstätte durch die Klägerin des dortigen Verfahrens sei (offenbar gegenüber der dortigen Klägerin) ein Änderungsbescheid ergangen, mit dem der stattgebende Widerspruchsbescheid aufgehoben und der Widerspruch zurückgewiesen worden sei; daraufhin habe die dortige Klägerin Klage erhoben, ohne zuvor selbst Widerspruch gegen den Ursprungsbescheid erhoben zu haben. Mit einer derartig anders gelagerten Sondersituation sei die hier zur Entscheidung stehende Fallgestaltung nicht vergleichbar.
Die Klage der Klägerin zu 2) sei auch nicht als Untätigkeitsklage zulässig. Voraussetzung dafür wäre, dass über einen ihr zurechenbaren Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden sei. Hier habe der Beklagte aber über den von ihrem Rechtsvorgänger eingelegten Widerspruch - diesem gegenüber - sachlich entschieden. Der Beklagte habe bisher auch keinen Anlass, in eine Prüfung darüber einzutreten, ob (auch) gegenüber der Klägerin zu 2) ein Widerspruchsbescheid zu erlassen sei. Sie habe bis zu ihrer kurz vor der mündlichen Verhandlung erfolgten Klageerhebung noch nicht einmal geltend gemacht, inzwischen Grundstückseigentümerin geworden zu sein.
Unabhängig davon scheide für die Klägerin zu 2) die Geltendmachung von Abwehrrechten unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben aus, der auch im öffentlichen Recht anwendbar sei. Die Verwirkung als Hauptanwendungsfall des Verbotes widersprüchlichen Verhaltens bedeute, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden dürfe, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen sei und besondere Umstände hinzuträten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen ließen. Das sei zu bejahen, wenn ein Berechtigter unter Verhältnissen untätig bleibe, unter denen jedermann vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen hätte; dies sei insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf habe vertrauen dürfen, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut habe, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet habe, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde. Der Rechtsgedanke, welcher der Rechtsfigur der Verwirkung zugrunde liege, gelte auch für mehrgliedrige Rechtsverhältnisse. Die Rechtsfigur der Verwirkung stelle allerdings nur eine Fallvariante dar, bei der die Rechtsausübung nach dem Gebot von Treu und Glauben als unzulässig zu behandeln sei. Nicht nur subjektiv-rechtliche Belange geböten es, die Möglichkeit der Klageerhebung einer zeitlichen Begrenzung zu unterwerfen. Auch die Rechtssicherheit, die nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne eintreten müsse, sei ein Belang von Verfassungsrang, dem die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht widerspreche. Ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens könne es rechtfertigen, die Anrufung eines Gerichts nach langer Zeit als unzulässig anzusehen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 2) nach dem Erwerb des Eigentums am Grundstück durch die Eintragung im Grundbuch am 21. Juni 2001 bis zu ihrer Klageerhebung am 19. Februar 2009 mehr als siebeneinhalb Jahre untätig geblieben sei. Sie habe während dieser Zeit weder gegenüber dem Beklagten noch gegenüber dem durch den Bauvorbescheid begünstigten Beigeladenen zu erkennen gegeben, dass sie Rechtsnachfolgerin des Klägers zu 1) als Grundstückseigentümer geworden sei und aus dieser Position heraus - evtl. anknüpfend an den Widerspruch des Klägers zu 1) - ihre Abwehrrechte geltend machen wolle. Jedenfalls nach einem derart langen Zeitraum hätten sich der Beklagte und der Beigeladene, denen der Eigentumsübergang nicht bekannt war, darauf einrichten können, dass nicht noch von weiterer Seite gegen den Bauvorbescheid Einwendungen erhoben würden und dadurch - mit weiter verzögernder Wirkung für das Verfahren und zusätzlichem Risiko für den Beigeladenen - die Bestandskraft des Bauvorbescheides unter neuen Aspekten in Frage gestellt werde. Die Klägerin zu 2) habe insoweit auch keine Umstände dargetan, die es unter Berücksichtigung der sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebenden Obliegenheiten als zumindest vertretbar erscheinen ließen, mit der Bekanntgabe der eigenen Rechtsposition und der Ausübung sich hieraus möglicherweise ergebender Nachbarrechte derart lange zu warten. Auch dem öffentlichen Interesse an der Rechtssicherheit und der Erhaltung des Rechtsfriedens gebühre nach so langer Untätigkeit der Klägerin zu 2) der Vorrang mit der Folge, dass sie mit ihrer Klage nicht mit Erfolg an dem vom Kläger zu 1) am 19. Juli 1999 erhobenen Widerspruch anknüpfen könne.
Mit ihrer fristgemäß eingelegten Berufung tragen die Kläger vor:
Ein Rechtsschutzbedürfnis - dessen Bestehen das Verwaltungsgericht offen gelassen habe - bestehe fort, weil nicht auszuschließen sei, dass das Bauvorhaben bei Ende der Bindungswirkung des Bauvorscheides wieder der baurechtlichen Genehmigungspflicht unterfalle.
Der Kläger zu 1) sei aus mehreren Gründen klagebefugt, auch wenn er bei Klageerhebung nicht mehr Grundstückseigentümer gewesen sei.
Das ergebe sich aus dem ihm nach § 1093 BGB eingeräumten Wohnungsrecht. Dieses vermittele eine starke eigentumsähnliche Rechtsposition, die hier zudem durch einen mit Vormerkung abgesicherten bedingten Rückübertragungsanspruch verstärkt werde. Letztere greife ein, wenn die Klägerin zu 2) das Grundstück ganz oder teilweise verkaufen, verschenken oder sonstwie an Dritte übertragen oder es beleihen wolle. Das sei entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts durch Vorlage des notariellen Vertrags hinreichend vorgetragen worden.
Darüber hinaus ergebe sich seine Klagebefugnis aus dem "umweltschutzrechtlichen Nachbarbegriff". Das Verwaltungsgericht meine zu Unrecht, dass er sich darauf nicht berufen dürfe. Zwar sei Gegenstand des Rechtsstreits nur ein Bauvorbescheid. Er habe jedoch im Schriftsatz vom 31. März 2009 und in der Klagebegründung ausführlich auf die Belastungen für die Nachbarschaft hingewiesen. Es sei unstreitig, dass die immissionsschutzrechtlichen Vorschriften nicht nur den Eigentümer und vergleichbar Berechtigte schützten, sondern auch obligatorisch Berechtigte und Personen, die sich im Einwirkungsbereich befänden. Die baurechtlichen Vorschriften wie § 35 Abs. 3 Ziff. 3 BauGB bauten auf diesen immissionsschutzrechtlichen Vorschriften auf. Konkrete schädliche Umwelteinwirkungen lägen hier vor; gegenteilige gutachterliche Aussagen beruhten auf fehlerhaften Erwägungen. Inzwischen sei die 4. BImSchV mit der Folge geändert worden, dass derartige Erweiterungen ohnehin einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürften.
Unabhängig davon ergebe sich die Klagebefugnis aus § 173 VwGO i.V.m. § 265 ZPO. Da die Zivilprozessordnung ein Widerspruchsverfahren nicht kenne, sei die analoge Anwendung auf das Widerspruchsverfahren als "rechtshängiges Verfahren" zwingend.
Ferner sei eine gewillkürte Prozessstandschaft entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen nicht ausgeschlossen.
Die Klage der Klägerin zu 2) sei ebenfalls zulässig. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juni 2006 sei die vollständige Durchführung eines Vorverfahrens entbehrlich gewesen. Sie sei während des Widerspruchsverfahrens Eigentümerin des Grundstücks geworden. Auch wenn sie dies nicht rechtzeitig angezeigt habe, sei ihr das vom Kläger zu 1) durchgeführte Widerspruchsverfahren zuzurechnen; alles andere wäre bloßer Formalismus.
Die Klage sei auch als Untätigkeitsklage zulässig. Hätte der Beklagte in angemessener Zeit entschieden, wäre das Verfahren schon vor dem Eigentumswechsel abgeschlossen gewesen.
Zu Unrecht verneine das Verwaltungsgericht das Bestehen eines Abwehranspruchs der Klägerin zu 2) unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Sie habe dem Kläger zu 1) rechtzeitig Vollmacht erteilt, den Rechtsstreit zu führen, und habe darauf vertrauen dürfen, dass sie sämtliche zur Wahrung ihrer Rechte erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe. Anlass, selbst in den Rechtsstreit einzutreten, habe sie erst gesehen, als das Verwaltungsgericht für die mündliche Verhandlung die Erörterung der Frage angekündigt habe, ob der Beweisbeschluss aufrechterhalten bleiben solle. Selbst die anderen Beteiligten hätten sich nicht darauf berufen, dass sie nach siebeneinhalb Jahren darauf vertraut hätten, die Klägerin zu 2) werde sich gegen den Bauvorbescheid nicht wehren. Sie hätten angenommen, dass der Kläger zu 1) in dem Prozess Rechte für sich und seine Familie wahrnehme.
Die Klage sei auch begründet. Das Gutachten, wonach die Geruchsbelastung in nur 4,9 % der Jahresstunden auftrete, sei derart fehlerhaft, dass das Gericht dies bereits aus eigener Sachkunde feststellen könne. Das sei erstinstanzlich ausführlich dargelegt worden. Sollte der Senat gleichwohl ein Sachverständigengutachten für erforderlich halten, sei hierzu eine Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht angezeigt.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 28. April 2009 den Bauvorbescheid des Beklagten vom 31. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Weser-Ems vom 22. November 2004 aufzuheben,
hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Oldenburg den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Oldenburg, unter Vorgabe der Beachtung der Rechtsauffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zurückzuverweisen, wonach die Klagen beider Kläger zulässig sind,
weiterhin hilfsweise,
ein Sachverständigengutachten zu der Behauptung der Kläger einzuholen, bei Errichtung und Betrieb der beantragten Stallanlage trete eine Gesundheitsbeeinträchtigung und Gesundheitsbeschädigung der Kläger ein, zumal eine Beeinträchtigung laut Gutachten Prof. Dr. I. vom 15. Juli 1995 (Seite 2 und 3) schädliche Umwelteinwirkungen und damit Gesundheitsbeeinträchtigungen und Gesundheitsbeschädigungen auftreten lasse, wenn der Wert mehr als 5% der Jahresstunden überschreite; tatsächlich liegt ein entsprechender Jahresstundenwert von mehr als 5% Jahresstunden vor.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er tritt dem Berufungsvorbringen entgegen.
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag.
Er trägt - neben Bezugnahmen auf früheres Vorbringen - vor:
§ 265 ZPO sei nach Wortlaut, Sinn und Zweck nicht auf den Eigentumsübergang während des Widerspruchsverfahren anzuwenden; dafür bestehe kein Bedürfnis. Die Klägerin zu 2) hätte das Widerspruchsverfahren des Klägers zu 1) nach dem Eigentumsübergang übernehmen und im eigenen Namen fortsetzen können. Das habe sie nicht getan. Damit fehle es an der Durchführung des Vorverfahrens. Das hier eingeräumte Wohnrecht begründe schließlich keine dem Grundstückseigentum vergleichbare Rechtsposition.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet, weil die Klage beider Kläger unzulässig ist. Der Senat folgt insoweit der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts in allen Punkten.
Eine Erledigung durch Zeitablauf ist nicht eingetreten, weil die Drei-Jahres-Frist des Bauvorbescheides (§ 74 Abs. 2 Satz 1 NBauO) durch die Nachbaranfechtung gehemmt war (§§ 74 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 77 S. 2 NBauO). Dem Beigeladenen kann die Bindungswirkung, die der Bauvorbescheid auslöst, auch der Sache nach jedenfalls dann noch zugute kommen, wenn er ein Vorhaben zur Genehmigung stellt, das vom Gegenstand der Bauvoranfrage nicht abweicht, wobei dieses Vorhaben nach der in der mündlichen Verhandlung vom Beklagten geäußerten Einschätzung nach gegenwärtigem Stand nicht immissionsschutzrechtlich, sondern nur baurechtlich zu beurteilen wäre.
Der Kläger zu 1) verfügt nach der Übertragung des Grundstücks an die Klägerin zu 2) aber über keine Rechtsposition (mehr), die ihn zur Geltendmachung baurechtlicher Nachbarrechte befugt.
Auf baurechtliche Schutznormen können sich im Nachbarstreit grundsätzlich Grundstückseigentümer bzw. Inhaber vergleichbarer Rechte berufen. Dabei hält die Rechtsordnung für den Fall eines - offengelegten - Eigentumswechsels in einem laufenden Verfahren Instrumente bereit, die eine angemessene Berücksichtigung dieses Umstands ermöglichen. Im Widerspruchsverfahren kann der neue Grundstückseigentümer ohne Weiteres in die Verfahrensposition seines Rechtsvorgängers einrücken (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.6.2006 - 3 B 181.05 -, NVwZ 2006, 1246; VGH München, Urt. v. 14.1.2010 - 8 B 09.2529 -, NVwZ-RR 2010, 507). Im Klageverfahren hat die Veräußerung einer Streitsache nach § 173 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 2 ZPO auf den Prozess grundsätzlich keinen Einfluss. Bei Veräußerung eines Grundstücks ist allerdings nach§ 266 ZPO der Rechtsnachfolger berechtigt und auf Antrag des Gegners verpflichtet, den Rechtsstreit als Hauptpartei zu übernehmen.
Soweit sich der Kläger hier auf § 265 ZPO beruft, greift diese Vorschrift jedoch nicht zu seinen Gunsten ein, weil die Eigentumsübertragung nicht im Laufe des Verwaltungsprozesses erfolgt ist, sondern bereits zuvor. Auf das Widerspruchsverfahren findet § 265 ZPO keine entsprechende Anwendung (vgl. ausführlich VGH München, Urt. v. 14.1.2010 - 8 B 09.2529 -, a.a.O.; OVG Koblenz, Urt. v. 3.7.2002 - 8 A 10670/02 -, [...]; BVerwG, Urt. v. 20.1.1984 - 4 C 37.80 -, NJW 1984, 2427 [BVerwG 20.01.1984 - BVerwG 4 C 37.80]). Soweit der Bundesgerichtshof für ein markenrechtliches Widerspruchsverfahren eine andere Auffassung vertreten hat (vgl. Beschl. v. 2.7.1998 - I ZB 24/97 -, NJW-RR 1998, 1504, vgl. auch Beschl. v. 17.4.2007 - X ZB 41/03 -, BGHZ 172, 98), handelte es sich um ein zwar namensgleiches, aber anders strukturiertes Verfahren vor dem Bundespatentgericht.
Eigentumsrechte kann der Kläger zu 2) auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer gewillkürten Prozessstandschaft anführen. Diese ist im Verwaltungsprozess generell nicht möglich. Denn nach § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage - soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein (vgl. insoweit BVerwG, Urt. v. 26.10.1995 - 3 C 27.94 -, NVwZ-RR 1996, 537; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, Vorbem. § 40 Rdnr. 109; Sodan/Ziekow, VwGO, 2010, § 62 Rdnrn. 18 ff.; Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 42 Rdnr. 76; Posser/Wolff, VwGO, 2008, § 42 Rdnr. 114; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 37). Für eine andere gesetzliche Bestimmung ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich.
Unabhängig hiervon würde auch eine zulässige Prozessstandschaft zumindest eine rechtzeitige Offenlegung des Umstands voraussetzen, dass um fremde Rechte gestritten wird, denn das Rechtmäßigkeitsurteil kann nach § 42 Abs. 2 VwGO nur in Bezug auf die Rechte eines bestimmten Rechtssubjekts getroffen werden (vgl. auch BGH, Urt. v. 30.5.1972 - I ZR 75/71 -, NJW 1972, 1580). Eine fristwahrende Wirkung tritt erst - und ohne Rückwirkung - ein, wenn die Prozessstandschaft prozessual offengelegt wird oder offensichtlich ist (vgl. BGH Urt. v. 7.6.2001 - I ZR 49/99 -, NJW-RR 2002, 20). Der Bundesgerichtshof hat diese Offensichtlichkeit zwar bei der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen, die Ehegatten aus der gemeinsamen Errichtung eines Hauses zustehen, bejaht, aber bezogen auf einen Fall, in welchem eine gemeinschaftliche Gläubigerschaft iSd. § 432 BGB vorlag und damit bereits eine gesetzliche Prozessführungsbefugnis gemäß § 744 Abs. 2 BGB (Urt. v. 21.3.1985 - VII ZR 148/83 -, BGHZ 94, 117 = NJW 1985, 1826). Letztere Voraussetzung ist hier gerade nicht gegeben, denn die Kläger hatten zu keiner Zeit gemeinsame Eigentumsrechte an dem Grundstück.
Unter diesen Umständen kommt es nicht entscheidungserheblich auf die Frage an, wann die in der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2009 vorgelegte "Vollmacht" vom 10. Juni 2001 unterschrieben worden ist. Denn vorher ist die Prozessstandschaft jedenfalls nicht offen gelegt worden. Nachdem im Zusammenhang mit dem Gutachtenauftrag aufgefallen war, dass der Kläger zu 1) tatsächlich nicht als Grundstückseigentümer registriert war, hat sich der Kläger zu 1) mit Schriftsatz vom 18. Februar 2009 zunächst auf den Standpunkt gestellt, er bleibe klagebefugt; prozessual ändere sich nichts. Auch der Schriftsatz vom 31. März 2009, der die Klagerweiterung auf die Klägerin zu 2) enthielt, erwähnte eine Prozessstandschaft nicht. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war jedoch die Klagefrist für eine prozessual zulässige Geltendmachung der Rechte Dritter, also der Klägerin zu 2), längst verstrichen. Aus den genannten Gründen kann die bisherige Prozessführung des Nichtberechtigten durch die nachträgliche Offenlegung einer Prozessstandschaft nicht rückwirkend "genehmigt" werden.
Auch das dem Kläger zu 1) verbliebene Wohnungsrecht in Verbindung mit dem Rückübertragungsanspruch vermittelt keine für einen baurechtlichen Nachbarstreit ausreichende Rechtsposition. Allerdings wird in der Rechtsprechung hinsichtlich der Frage, welche Rechtsstellung für eine Klagebefugnis ausreicht, differenziert (vgl. Senatsbeschl. v. 22.12.2011 - 1 ME 212/11 -, [...]). In baurechtlichen Normenkontrollverfahren oder in Planfeststellungsverfahren können z.B. auch obligatorische Berechtigungen ausreichen. In Bezug auf baurechtliche Nachbaranfechtungsklagen ist jedoch nach wie vor davon auszugehen, dass sich auf baurechtliche Schutznormen nur die Grundstückseigentümer bzw. Inhaber vergleichbarer Rechte berufen können. Daran ist auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Besitzrecht des Mieters (Beschl. v. 26.5.1993 - 1 BvR 208/93 -, NJW 1993, 2035 [BVerfG 26.05.1993 - 1 BvR 208/93]) festzuhalten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.7.1989 - 4 B 33/89 -, NJW 1989, 2766; Urt. v. 16.9.1993 - 4 C 9/91 -, [...]; Beschl. v. 20.4.1989 - 4 B 22/89 -, NVwZ 1989, 956; Senatsurt. v. 22.3.1996 - 1 L 1201/95 -, Nds.Rpfl. 1996, 211; Urt. v. 30.101997 - 6 L 5178/95 -, V. n. b.; OVG Münster, Beschl. v. 8.1.2008 - 7 B 1775/07 -, [...] u. Beschl. v. 11.4.1997 - 7 A 879/97 -, BRS 59 Nr. 194; OVG Berlin, Beschl. v. 30.7.2003 - 2 S 24.03 -, BRS 66 Nr. 187 , VGH Mannheim, Beschl. v. 27.6.2006 - 8 S 997/06 -, [...]; Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 8. Auflage, § 72 Rdnr. 6). Diese Rechtsprechung ist praktisch einheitlich, auch nach teilweise widerstreitenden Literaturäußerungen (vgl. Jäde, UPR 1993, 330; Mampel, UPR 1994, 8, Schmidt-Preuß, NJW 1995, 27, Thews, NVwZ 1995, 224, Determann, UPR 1995, 215, Seibel, BauR 2003, 1674).
Das gilt auch, soweit baurechtliche Schutznormen - wie § 35 BauGB - auf "schädliche Umwelteinwirkungen" abstellen. Das inkorporiert dem Grundsatz nach nicht die Anforderungen des§ 5 BImSchG an immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Vorhaben - insbesondere keine Vorsorgeanforderungen -, denn die (nur) baurechtlich genehmigungsbedürftigen Vorhaben unterliegen regelmäßig nur den Anforderungen des§ 22 BImSchG.
Der Senat hat bereits im Beschluss vom 20. April 1999 (- 1 L 1374/99 -, [...]; vgl. auch Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 8. Aufl. 2006, § 72 Rdnr. 6) die Auffassung vertreten, der Inhaber eines dinglich gesicherten Wohnungsrechts - das entgegen erster Annahmen der Kläger keinen Unterfall des Nießbrauchs darstellt, sondern eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit - habe keinen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch gegen eine Baugenehmigung für das Nachbargrundstück. Das OVG Münster hat diese Frage offen gelassen (Beschl. v. 27.3.2002 - 7 B 332/02 -, [...]), das OVG Saarlouis sich der Auffassung des Senats angeschlossen (Beschl. v. 18.3.2003 - 1 W 7/03 -, BauR 2004, 821). Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht die Unterschiede zwischen Wohn- und Eigentumsrecht im Einzelnen erörtert. Das Berufungsvorbringen führt keine Gesichtspunkte ein, die zu einer abweichenden Bewertung nötigen. Das gilt auch für den hier hinzutretenden Umstand, dass sich der Kläger ein grundbuchrechtlich abgesichertes Rückübertragsrecht gesichert hat. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, stellt dies keine Parallele zu dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall dar, in welchem dem Käufer eines Grundstücks, auf den der Besitz sowie Nutzungen und Lasten übergegangen war und zu dessen Gunsten eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen war, eine Rechtsposition attestiert worden ist, aus der er - wie der Eigentümer - als "Nachbar" eine für das angrenzende Grundstück erteilte Baugenehmigung abwehren könne (Urt. v. 29.10.1982 - 4 C 51.79 -, BauR 1983, 154). Denn dort war das Erstarken der Anwartschaft zum Vollrecht Ziel des Rechtsvorgangs und stand unmittelbar bevor, während die Vertragskonstruktion hier - wie das Verwaltungsgericht zutreffend hervorgehoben hat - gerade auf den dauerhaften Verlust des Eigentums des Klägers zu 1) hinauslief. Der Kläger zu 1) mag triftige Gründe dafür gehabt haben, sich des Eigentums an dem Grundstück zu entäußern, etwa um es in einem Haftungsfall vor einem Zugriff von Gläubigern zu schützen. Er kann aber nicht sowohl die Rechtsvorteile der Nichteigentümerstellung als auch diejenigen der Eigentümerstellung für sich beanspruchen.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht eine Klagebefugnis auch nicht auf einen vom Kläger zu 1) reklamierten "umweltschutzrechtlichen Nachbarbegriff" (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 42 Rdnr. 104) gestützt. Wer sich als Nachbar gegen Beeinträchtigungen zur Wehr setzen kann, ergibt sich aus dem jeweils einschlägigen materiellen Recht (d. h. Baurecht, Immissionsschutzrecht, Atomrecht, Abfallrecht u.ä.), nicht aus einem abstrakten Nachbarbegriff. Die äußerste Grenze dessen, was im Nachbarschaftsverhältnis als zumutbar hinzunehmen ist, ist dabei die Schwelle der Gesundheitsgefährdung. Diese spielt auch im öffentlichen Baurecht eine Rolle, etwa dann, wenn die nach Gebietsart gestuften Zumutbarkeitsschwellen, auf die sich Eigentümer und Gleichgestellte grundsätzlich berufen können, situationsbedingt keine Anwendung finden, z.B. in Gemengelagen. Auch dort müssen jedenfalls "gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse" im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB gewahrt bleiben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.10. 2002 - 4 B 60.02 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 165 u. v. 28.7.2010 - 4 B 29.10 -, BauR 2010, 2083), wie auch durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abgesichert ist. Hierauf können sich innerhalb des baurechtlichen Nachbarbegriffs auch "Nichteigentümer" berufen, wenn sie den fraglichen Einwirkungen etwa als Bewohner ausgesetzt sind.
Hier liegen indes keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Schwelle der Gesundheitsgefährdung erreicht oder überschritten sein könnte. Wo genau die Unzumutbarkeit einer Geruchsbelästigung in eine Gesundheitsgefährdung umschlägt, ist bislang nicht einmal in Ansätzen geklärt (vgl. zu möglicherweise gleichzeitig auftretenden Aerosol- und Keimbelastungen z.B. BVerwG, B. v. 19.4.2012 - 4 CN 3.11 -, DVBl. 2012, 912; OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.3.2012 - 12 ME 270/11 -, NordÖR 2012, 298 [OVG Niedersachsen 13.03.2012 - 12 ME 270/11]). Die genannte Schwelle liegt jedenfalls sehr deutlich über den gebietsorientierten Zumutbarkeitswerten, also etwa dem nach der Geruchsimmissions-Richtlinie (- GIRL -, nunmehr Fassung 2009 gemäß RdErl. v. 23.7.2009, Nds.MBl. S. 794) maßgeblichen Immissionswert von 15 % der Jahresgeruchsstunden im Dorfgebiet (vgl. Senatsurt. v. 10.11.2009 - 1 LB 45/08 -, BauR 2010, 195). Jedenfalls bei landwirtschaftlichem Wohnen im Außenbereich ist auch bei 50 % der Jahresgeruchsstunden nicht einmal die Zumutbarkeitsschwelle erreicht (OVG Münster, Beschl. v. 18.3.2002 - 7 B 315/02 -, BauR 2002, 1684, u. v. 12.8.2008 - 10 A 1666/05 -, [...]; Senatsurt. v. 25.7.2002 - 1 LB 980/01 -, NVwZ-RR 2003, 24), erst recht also nicht die Schwelle der Gesundheitsgefährdung. Die nach der GIRL ermittelte Kenngröße besagt insoweit nichts, weil sie nach Nr. 4.1 nur auf die Erkennbarkeitsschwelle abhebt und nach Nr. 4.4.7 auf eine differenzierte Erfassung von Geruchsintensitäten bewusst verzichtet. Aussagekräftiger war demgegenüber die früher vorgenommene Stufung nach Geruchskonzentrationen von 1, 3 und 5 GE/m3, welche das Gutachten vom 15. Juli 1995 ausführlich erörtert hat (S. 2 ff.); dabei wurde in die Betrachtung einbezogen, ab welcher Einwirkungsintensität die Gerüche bei durchschnittlich Empfindlichen Ekel und Übelkeit auslösen können. Dabei hat das Gutachten auch den Gemeinsamen Runderlass NW zur Durchführung der TA-Luft 1986 angesprochen, der allerdings - zumal für Niedersachsen - keine normative Kraft entfaltete. U.a. zitiert das Gutachten daraus den Befund: "Das deutlich wahrnehmbare Auftreten belästigender Gerüche innerhalb eines Zeitraumes von mehr als 5 % der Jahresstunden ist dagegen stets als schädliche Umwelteinwirkung zu werten, wenn hierdurch Personen betroffen sind, die nicht nur vorübergehend derartigen Belästigungen ausgesetzt sind." Soweit die Kläger meinen, dies markiere über eine Zumutbarkeitsgrenze hinaus zugleich die Schwelle der Gesundheitsgefährdung, missverstehen sie damit die Intention des genannten Runderlasses. Er hatte die Aufgabe, angesichts einer unklaren Erkenntnislage jedenfalls praktikable Zumutbarkeitsgrenzwerte zu definieren. Das ist von dem umstrittenen Gutachten und der Fachwelt nicht als wissenschaftliche Aussage verstanden worden, wie sich auch aus der weiteren Erörterung der Grenzwertfrage in dem Gutachten zeigt. Tatsächlich entspricht es auch nicht der Übung solcher Regelwerke, sich mit einem Zumutbarkeitsgrenzwert an einer "äußerste Grenze", d.h. derjenigen der Gesundheitsgefährdung zu orientieren; regelmäßig werden solche Zumutbarkeitswerte "auf der sicheren Seite" angesiedelt, d.h. mit einem ausreichenden "Puffer" versehen. In diesem Sinne markierte der Grenzwert von 5 GE/m3 bis 5 % der Jahresstunden allenfalls zugleich eine Schwelle, unterhalb derer Gesundheitsgefahren sicher ausgeschlossen werden konnten.
Der von den Klägern gestellte Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Behauptung, der Grenzwert von 5 GE/m3 bis 5 % der Jahresstunden werde überschritten und ihre Gesundheit sei dadurch gefährdet, war aus zwei Gründen abzulehnen:
Zum Einen liegt ein Sachverständigengutachten bereits vor; unter diesen Umständen ist das Gericht nicht ohne Weiteres gehalten, ein weiteres Gutachten einzuholen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.5.2009 - 2 B 3.09 -, NJW 2009, 2614, u. v. 3.2.2010 - 2 B 73.09 -, [...]). Hier haben die Kläger nicht darzulegen vermocht, dass das Sachverständigengutachten vom 15. Juli 1995 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 18. Dezember 1998, 10. Mai 1999 und 4. Dezember 2003, das in der letztgenannten Ergänzung eine Belastung von 4,7 % der Jahresstunden (Punktwert der linksoberen Rasterkreuzung gegenüber Durchschnittswert von 4,9 % des Rasterfelds) bei 3 GE/m3 errechnet hat, unzutreffend sein könnte, und dass die Erreichung von Werten oberhalb 5 % der Jahresstunden, erst recht aber von gesundheitsschädlichen Werten im Bereich des Möglichen liegt. Die Kläger führen zwar eine ganze Reihe von Punkten auf, in denen sie das Gutachten für fehlerhaft halten. Der Senat stellt allerdings in ständiger Rechtsprechung nicht geringe Anforderungen an die "Erschütterung" von anderer Seite eingereichter Gutachten (vgl. Beschl. v. 18.2.2011 - 1 ME 252/10 -, [...] Rdnr. 131). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Kläger in so eindeutiger Weise nicht, dass dies bereits in der Zulässigkeitsprüfung festgestellt werden kann.
Das Gutachten ist von den seinerzeit maßgeblichen Bewertungsgrundsätzen ausgegangen (vgl. z.B. Senatsurt. v. 11.4.1997 - 1 L 7648/95 -, NdsVBl. 1997, 259). Was demgegenüber in einem Besprechungsprotokoll des Beklagten vom 5. September 1995 festgehalten worden ist, ist für die gerichtliche Prüfung nicht maßgeblich.
Inzwischen haben sich die rechtlich anzulegenden Maßstäbe allerdings verfeinert und geändert. Abgesehen von Ausdifferenzierungen in der Rechtsprechung ist als Beurteilungsgrundlage die bereits genannte GIRL hinzugetreten; die VDI-Richtlinie 3471 ist durch die VDI-Richtlinie 3894 abgelöst worden. Das kann jedoch nicht unbesehen auf frühere Zeitpunkte zurückbezogen werden, zumal der für die Beurteilung maßgebliche Zeitpunkt im Nachbarstreitverfahren nicht derjenige der letzten mündlichen Verhandlung ist, sondern derjenige der Genehmigungserteilung (vgl. z.B. OVG Lüneburg, Beschl. v. 27.2.2012 - 12 LA 75/11 -, [...]). Im Übrigen beruhen die in der Methodik vorgenommenen Änderungen nicht allein auf verbesserten wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern auch auf steuernden Wertungen. Da die fraglichen Regelwerke aber ohnehin nur Zumutbarkeitsschwellen definieren, nicht die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung, kann das im Einzelnen offen bleiben.
Die Methodik des seinerzeitigen Gutachtens mit den ergänzenden Stellungnahmen ziehen die Kläger - auch wenn sich dazu in mehreren Schriftsätzen (GA Bl. 75 ff., 117 ff., 141 ff., 177 ff.) längere Ausführungen finden - nicht erfolgreich in Zweifel:
Soweit sie darauf hinweisen, drei weitere Betriebe seien in dem Gutachten von 1995 nicht berücksichtigt worden, fehlt es an näheren Angaben zur Belegenheit und zu der Frage, ob sie zum damaligen Zeitpunkt schon bestanden haben. Soweit sich unter den angegebenen Namen im Internet Adressen finden lassen - Hauptstraße 14 und 19 sowie Prozessionsweg 1 -, drängt sich nicht auf, dass sie für die Immissionsbelastung am Grundstück der Kläger eine entscheidende Rolle spielen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Rasterung willkürlich vorgenommen sein könnte, bestehen nicht. Auch die Angabe, dass der jeweilige Rasterwert derjenige der linken oberen Ecke des Rasterfeldes ist und deshalb innerhalb der Rasterfläche noch Durchschnittswerte gebildet werden können, ist in sich schlüssig. Ob hier der Durchschnittswert mit 4,9 richtig errechnet worden ist, kann dahinstehen. Das Haus der Kläger steht praktisch in der linken oberen Ecke des Rasterfeldes und ist deshalb relativ sicher von dem Eckwert 4,7 abgedeckt. Die Aufeinanderfolge der "Eckwerte" weist auch keine unerklärlichen Brüche auf.
Die Behauptung der Kläger, die Ergebnisse des Gutachtens beruhten allein auf den damals genehmigten, nicht auch auf den geplanten Vorhaben, findet in der Stellungnahme des Gutachters vom 18. Dezember 1998 keine Bestätigung. Darin heißt es:
"Mit Datum vom 15.7.95 wurde für den gesamten Ortsteil F. ein Gutachten zur Immissionssituation erstellt. Landwirt C. hat dort die Betriebsnummer 6 die im Lageplan (als Anlage 2) mit Ziffer eingekreist ist. Dort wurden auch die Ställe Nr 10 und 11 als geplant aufgeführt. Die dort angegebenen Tierzahlen sind gemäß Anlage 4 und 10 des o.a. Gutachtens dann genehmigungsfähig, wenn die gesamte Tierhaltungsanlage auf 100 Bewertungspunkte nach VDI 3471 gebracht wird."
In der Stellungnahme des Gutachters vom 10. Mai 1999 heißt es ebenfalls:
"Im Gesamtgutachten F. (siehe Anlage 4 in o.a. Gutachten) sind die beiden geplanten Ställe, die dort mit Nr 10 und 11 bezeichnet sind, mit Güllekeller und nicht mit geschlossenem Güllebehälter gerechnet worden".
Unter diesen Umständen hätte die Behauptung, die geplanten Ställe seien nicht berücksichtigt gewesen, weiterer Substantiierung bedurft. Lediglich der Güllebehälter ist nach der Stellungnahme des Gutachters vom 10. Mai 1999 in dem ursprünglichen Gutachten nicht enthalten gewesen, ist aber nach dieser Stellungnahme nicht schlechter zu bewerten als die zunächst vorgesehenen Güllekeller.
Die Einbeziehung der erst geplanten Anlagen in die Begutachtung stellt sich nach dem Grundansatz dieses Gutachtens - das nicht unmittelbar auf das hier streitige Nachbarschaftsverhältnis bezogen war - nicht als fehlerhaft dar. Es ist aber auch nicht zu beanstanden, dass es zusätzlich als Entscheidungshilfe für das vorliegende Streitverfahren herangezogen worden ist.
Im Ergebnis zu Recht hat der Beklagte aus dem Gutachten gefolgert, dass sich die Immissionssituation für die Kläger nicht verschlechtern werde und damit die Genehmigungsvoraussetzungen vorlägen. Das lässt sich zwar nicht allein mit einer saldierenden Betrachtungsweise begründen. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht einen restriktiven Standpunkt eingenommen (Urt. v. 11.2.1977 - IV C 9.75 -, NJW 1978, 64 - Änderungsgenehmigung für Hühnerställe), den es in einem obiter dictum im Urteil vom 4. Juli 1980 (- 4 C 101.77 -, NJW 1981, 139; vgl. ferner Urt. v. 15.11.1991 - 4 C 17.88 -, NVwZ-RR 1992, 402; Beschl. v. 28.7.2010 - 4 B 29.10 -, BauR 2010, 2083) wie folgt zusammengefasst hat:
"Das Berufungsgericht scheint von der Vorstellung ausgegangen zu sein, daß die von der bisherigen Betriebsweise des Klägers verursachten und die mit dem neuen Vorhaben verbundenen Emissionen gegeneinander aufzurechnen sind und deshalb das Vorhaben unbedenklich ist, sofern sich die Immissionslage insgesamt nicht verschlechtert. Diese Auffassung trifft so allgemein nicht ohne weiteres zu: Sollte die vorgesehene Änderung der bisherigen Schweinehaltung in ihren Auswirkungen auf die Immissionslage nicht nur von quantitativer, sondern wesentlich auch von qualitativer Art sein (z.B. eine sich wesentlich anders auswirkende Stallhaltung, eine sich wesentlich anders auswirkende Form der Gülleabführung oder Belüftung), so wäre auf sämtliche von der qualitativen Änderung verursachten Immissionen abzuheben, ohne daß die bisherigen Immissionen abzuziehen sind. Das hat der erkennende Senat in seinem sich auf die Hühnerhaltung beziehenden Urteil vom11. Februar 1977 -- BVerwG IV C 9.75 -- Buchholz 406.25 § 4 BImSchG Nr. 2 S. 1 (8 f.) näher ausgeführt."
Nicht zuletzt deshalb hat der Gesetzgeber für diese Fallgestaltung im Jahr 2009 mit § 6 Abs. 3 BImSchG die sog. Verbesserungsgenehmigung eingeführt (vgl. dazu Kenyeressy/Posser/Theuer, NVwZ 2009, 1460, und Schink, NuR 2011, 250), auf die im Baurecht allerdings nicht zurückgegriffen werden kann. Vorher hatte man schon teilweise Nr. 3.5.4 der TA Luft herangezogen, was allerdings - zumal bei Kapazitätsausweitungen - nicht zweifelsfrei war.
Der bisher genehmigte Bestand kann jedoch das gesamte Vorbelastungsniveau in der Weise (mit-)geprägt haben, dass eine dieses Niveau nicht erhöhende neue Genehmigung zulässig ist (vgl. insoweit auch die Irrelevanzklauseln der GIRL). Dies hat der Senat in seinem Beschluss vom 30. Juli 1999 (- 1 M 2870/99 -, BauR 2000, 362) hervorgehoben:
"Im Rahmen des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme, das in § 34 Abs. 1 BauGB in "Einfügungen" bzw. in § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB verankert ist, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass das der Beigeladenen genehmigte Vorhaben gegenüber dem bis 1998 vorhandenen Bestand zu einer deutlichen Verbesserung der Immissionslage führt. Die Beigeladene errichtet den neuen Schweinestall nicht in einem Gebiet, das von Geruchsimmissionen völlig frei ist, sondern neben einem vorhandenen Stall (Nr. 1), der im Zuge des Neubaus von Stall Nr. 2 grundlegend verändert wird. Der Antragsteller muß sich daher die bisher vorhandenen Luftverunreinigungen durch den Stall Nr. 1 entgegen halten lassen, weil die Anforderungen des Rücksichtnahmegebotes durch tatsächlich vorhandene Belastungen gemindert werden. Im Umfang der Vorbelastung sind Immissionen zumutbar, auch wenn sie sonst in einem vergleichbaren Gebiet nicht hinnehmbar wären (vgl. BVerwG, Urt. v.27.8.1998 - 4 C 5.98 -, ZfBR 1999, 49/51 unter Nr. 2.3.3.1). Was von einem genehmigten Betrieb an Belastungen für eine benachbarte Wohnbebauung verursacht wird, mindert die Schutzwürdigkeit der Nachbarschaft, es sei denn, die vorhandenen Immissionen überschreiten bereits die Grenze dessen, was unter Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes erträglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.6.1990 aaO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der emittierende Betrieb vor der Wohnbebauung vorhanden war oder nicht, denn die Schutzwürdigkeit einer Wohnbebauung wird mit der Unanfechtbarkeit der Genehmigung des emittierenden Betriebes gemindert (BVerwG, Urt. v. 22.6.1990 aaO). Diese vom BVerwG insbesondere zu Lärmvorbelastungen entwickelten Grundsätze gelten auch für Geruchsbeeinträchtigungen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.9.1993 - 4 B 151.93 -, BRS 55 Nr. 165)."
Da hier nicht ersichtlich ist, dass die neuen Anlagen unter Berücksichtigung der beigefügten Nebenbestimmungen zu einem Anwachsen der Geruchsbelastungen über die Vorbelastung hinausführen (anders z.B. in dem vom VG Hannover mit Beschluss vom 4. Juli 2012 - 12 B 2648/12 -, [...], entschiedenen Fall), ist auch der Bewertungsansatz des Gutachtens deshalb im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Rüge, das Gutachten sei fehlerhaft von 100 Punkten für die Ställe ausgegangen, ist unschlüssig. Sie setzt sich insbesondere nicht mit dem Umstand auseinander, dass dem angegriffenen Bauvorbescheid Nebenbestimmungen beigefügt sind, die sicherstellen sollen, dass das Vorhaben nicht von den dem Gutachten zugrunde liegenden Annahmen abweicht, auch in Bezug auf eine 100-Punkte-Ausstattung. Ob der Beigeladene dies technisch umsetzen kann, liegt in seinem eigenen Risikobereich; der angegriffene Bauvorbescheid erlaubt eine abweichende Ausführung jedenfalls nicht.
Der Widerspruch, den die Kläger in dem Gutachten in Bezug auf eine Belastung von 7,6 % für 3 GE/m3 bei 100-Punkte-Ställen erblicken - gemeint ist offenbar die Passage Bl. 11 ff. in Verbindung mit Anlage 8 -, erschließt sich nicht. Das Gutachten erörtert, ob trotz hoher Geruchshäufigkeiten (zwischen 6,5 und 7,8 % für 3 GE/m3) etwa an der Kirchstraße noch eine Baulückenschließung möglich erscheint. Offenbar erwartet das Gutachten bei einer "Ertüchtigung" der Anlagen auf 100 Punkte nur noch Werte zwischen 5,1 und 5,6 % und nimmt auf dieser Grundlage zu der konkreten Situation Stellung. Widersprüche sind weder in diesen Ausführungen selbst noch in der Korrelation zur Situation am Grundstück der Kläger zu erblicken. Welche Belastung von einem 100-Punkte-Stall ausgeht, ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Eine bestimmte Obergrenze folgt aus der Eigenschaft als 100-Punkte-Stall nicht.
Das Gutachten weist keinen Fehler auf, soweit es davon ausgeht, dass Aufzuchtferkel bis zu einem Gewicht von (nur) 25 kg gehalten werden. Das entspricht der Bauvoranfrage und ist durch Nebenbestimmung Nr. 7 zum angefochtenen Bauvorbescheid sichergestellt.
Die Rüge, das Gutachten enthalte keine Berechnungen für Immissionen der Entsorgungsbehälter für Tierkadaver und für offene Güllegruben im freien Feld, bleibt eine Erläuterung dafür schuldig, weshalb und an welcher Stelle solche Einrichtungen zu erwarten sind und warum sie signifikant zu der Geruchsbelastung beitragen sollten.
Soweit die Kläger als widersprüchlich beanstanden, dass der Gutachter nach einem Gesprächsvermerk vom 28. November 2003 den Rechenlauf nach Anlage 8 nicht aufgrund einer unterstellten 100-Punkte-Ausstattung vorgenommen habe, sondern nach dem Stand der tatsächlich vorhandenen Anlagen, ist nicht schlüssig dargetan, dass sich dies zu ihren Ungunsten auswirken könnte.
Nach alledem lassen sich durchgreifende Fehler des Gutachtens mit den nachfolgenden Stellungnahmen nicht feststellen. Sollten dennoch Mängel bestehen, ist weder dargetan noch ersichtlich, dass sie zu Folgen in einer Größenordnung führen, die sein Gesamtergebnis in Frage stellen könnten.
Soweit die Kläger auf den landwirtschaftlichen Fachbeitrag zur Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes 2005 hinweisen, in dem auf der Grundlage der GIRL (d.h. 1 GE/m3 bei einer Geruchsstundendefinition von 6 Geruchsminuten pro Stunde) für den hier fraglichen Bereich F. - wenn auch schlecht lesbar - vergleichsweise hohe Werte angezeigt sind (S. 23 und 25), hat das Verwaltungsgericht dies nicht übersehen, sondern darauf bereits in seinem Anschreiben an die Landwirtschaftskammer vom 23. Januar 2008 aufmerksam gemacht. Ersichtlich ist jedenfalls, dass sich das Grundstück in einem Bereich befindet, in welchem die Werte von Osten nach Westen ansteigen. Östlich der Bebauung an der Straße Immengarten, d.h. im Friedhofsbereich liegen sie bereits bei über 50 %; westlich des Hofes des Beigeladenen - wo sich weitere Tierhaltungsanlagen anschließen - steigen sie auf über 90 % an. Der landwirtschaftliche Fachbeitrag selbst erörtert allerdings nur die Immissionssituation geplanter Bauflächen, nicht der bereits bebauten Bereiche.
Auch aus diesem Befund lässt sich weder herleiten, dass das Sachverständigengutachten vom 15. Juli 1995 mit seinen ergänzenden Stellungnahmen Fehler aufwies, noch dass die Schwelle der Gesundheitsgefährdung schon nach diesem landwirtschaftlichen Fachbeitrag überschritten war. Die Überschreitung des Wertes von 50 % hat hierfür keine Indizwirkung, wie bereits oben ausgeführt worden ist.
Zum anderen ist der Beweisantrag abzulehnen, weil er der Sache nach auf eine wissenschaftliche "Grundlagenforschung" hinausläuft, die nicht Sache des gerichtlichen Verfahrens ist (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 12.8.2008 - 10 A 1666/05 -, [...]). Weder für Luftschadstoffe (vgl. insoweit BVerwG, Beschl. v. 19.4.2012 - 4 CN 3.11 -, DVBl. 2012, 912) noch für die hier in Rede stehenden Gerüche selbst konnten bislang medizinisch begründbare Schwellen- bzw. Grenzwerte für den Eintritt von Gesundheitsgefahren hergeleitet werden. Das Gericht ist nicht gehalten, wissenschaftliches Neuland zu betreten oder einen eventuellen wissenschaftlichen Meinungsstreit zu entscheiden (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse v. 29.7.2009 - 1 BvR 1606/08 - NVwZ 2009, 1494, und v. 18.2.2010 - 2 BvR 2502/08 -, NVwZ 2010, 702; vgl. ferner im Zusammenhang mit der Frage eines "Bonus": BVerwG, Urt. v. 29.1.1991 - 4 C 51.89 -, BVerwGE 87, 332 [BVerwG 29.01.1991 - BVerwG 4 C 51.89]<374 f.> = DVBl 1991, 1143; Urt. v. 16.3.2006 - 4 A 1001/04 -, NVwZ 2006, 1055, Rdnr. 301; Senatsurt. v. 10.8.2010 - 1 KN 218/07 -, NdsVBl 2011, 16).
Die Klage der Klägerin zu 2) ist ebenfalls unzulässig.
Wie eingangs bereits ausgeführt, ist sie im Rahmen des Widerspruchsverfahrens im Zeitpunkt der Eigentumsübertragung an dem Grundstück an sich ohne Weiteres in die Verfahrensposition ihres Ehemannes eingerückt. Das ist der Widerspruchsbehörde jedoch verborgen geblieben, weil die Eigentumsübertragung nicht offengelegt worden ist. Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung geäußert haben, sie hätten den genannten Umstand mitgeteilt, findet sich dazu in den Verwaltungsvorgängen nichts. Auch in der Folgezeit haben sie nichts unternommen, um den bei den anderen Verfahrensbeteiligten ersichtlich bestehenden falschen Eindruck zu korrigieren.
Nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juni 2006 (- 3 B 181.05 -, NVwZ 2006, 1072) kann das Widerspruchsverfahren aber nur bis zu dem Stand zugerechnet werden, in dem die Eigentumsübertragung eingetreten ist. Der dem Kläger zu 1) gegenüber ergangene Widerspruchsbescheid ist diesem bereits als Nichtberechtigtem zugegangen und kann daher nicht mit zugerechnet werden.
Das Ergehen eines weiteren Widerspruchsbescheides der Klägerin zu 2) gegenüber kann nicht allein deshalb als entbehrlich angesehen werden, weil er im Zweifel nicht anders ausgefallen wäre, als der dem Kläger zu 1) gegenüber - ins Leere - ergangene Widerspruchsbescheid. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Widerspruchsverfahren nach § 68 VwGO - also auch ein Teil desselben - über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus zwar ausnahmsweise auch dann entbehrlich sein, wenn dessen Zweck bereits Rechnung getragen ist oder dieser ohnehin nicht mehr erreicht werden kann (Urt. v. 15.9.2010 - 8 C 21.09 -, BVerwGE 138, 1 = NVwZ 2011, 286). Das kommt aber nicht in Fällen in Betracht, in denen der Rechtsstreit - wie hier - ein "Dreiecksverhältnis" betrifft. Ebensowenig wie eine Widerspruchsbehörde über den gegen eine Baugenehmigung nach Ablauf der Widerspruchsfrist (VwGO § 70) eingelegten Nachbarwiderspruch noch sachlich entscheiden darf (vgl. BVerwG, Urt. v.4.8.1982 - 4 C 42.79 -, NVwZ 1983, 285), darf im Prozess zu Lasten des beigeladenen Bauherrn über das Fehlen einer prozessualen Zulässigkeitsvoraussetzung hinweggegangen werden.
Die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage hat das Verwaltungsgericht ebenfalls zu Recht als nicht gegeben angesehen. Die Bezirksregierung hat nicht "ohne zureichenden Grund" von einer Bescheidung des Widerspruchs abgesehen, sondern hat einen Widerspruchsbescheid erlassen. Dass inzwischen eine Eigentumsübertragung stattgefunden hatte, war ihr von den Klägern nicht mitgeteilt worden. Soweit die Klägerin meint, schon während des Hinauszögerns der Nichtabhilfentscheidung durch den Beklagten und vor der Eigentumsübertragung hätten die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage vorgelegen und seien ihr ungeachtet des späteren, dem Kläger zu 1) gegenüber ergangenen Widerspruchsbescheids nicht verloren gegangen, kann sie sich - wie oben ausgeführt - die Verfahrens- und Prozessführung durch einen selbst nicht berechtigten Dritten nicht zu eigen machen.
Auch für den Fall, dass der nachträgliche Abschluss des Widerspruchsverfahrens durch Erlass eines Widerspruchsbescheides der Klägerin zu 2) gegenüber noch in Betracht kommt und dies in den anhängigen Prozess einbezogen werden könnte, hat das Verwaltungsgericht Abwehrrechte der Klägerin zu 2) zu Recht als verwirkt angesehen. Soweit die Kläger meinen, die anderen Beteiligten seien ohnehin davon ausgegangen, dass der Kläger zu 1) die Klage für sich und seine Familienangehörigen erhoben habe, mag zwar die Rechtsordnung früher dem Ehemann als "Haushaltsvorstand" eine besondere Rechtsstellung eingeräumt haben. Diese Vorstellung ist jedoch auch im allgemeinen Rechtsgefühl seit langem überholt. Lediglich in atypischen Sonderfällen können baurechtliche Rechtshandlungen, die an das Eigentum anknüpfen, auch einem Ehegatten zugerechnet werden (so etwa Senatsbeschl. v. 19.5.2009 - 1 MN 12/09 -, NVwZ-RR 2009, 830); ansonsten geht die Rechtsordnung auch bei Familienangehörigen hinsichtlich der eigentumsrechtlichen Zuordnungen von keinen anderen Maßstäben aus als bei jeder anderen Personenmehrheit.