Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.07.2012, Az.: 4 LA 316/10

Neufestsetzung des Wohngeldanspruchs bei Änderung der Einkommensverhältnisse

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.07.2012
Aktenzeichen
4 LA 316/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 22516
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0702.4LA316.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 25.10.2010 - AZ: 4 A 2473/10

Redaktioneller Leitsatz

1.

Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WoGG über die Leistung des Wohngeldes ist von Amts wegen mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an neu zu entscheiden, wenn sich im laufenden Bewilligungszeitraum nicht nur vorübergehend das Gesamteinkommen um mehr als 15 Prozent erhöht und dadurch das Wohngeld wegfällt oder sich verringert. Diese Vorschrift ist nach § 27 Abs. 2 Satz 4 WoGG auch dann anzuwenden, wenn sich das Gesamteinkommen um mehr als 15 Prozent erhöht, weil sich die Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder erhöht.

2.

Treten nach dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Bekanntgabe des Wohngeldbescheides Änderungen der Verhältnisse im Bewilligungszeitraum ein, sind diese zwar grundsätzlich nicht zu berücksichtigen; eine Änderung im Sinne des § 27 Abs. 2 WoGG soll jedoch berücksichtigt werden.

Gründe

1

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem der Bescheid der Beklagten vom 20. April 2010 über die Neufestsetzung des Wohngeldanspruchs der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Mai 2009 bis zum 31. August 2009 aufgehoben worden ist, hat keinen Erfolg.

2

Der von der Beklagten geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Denn auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten zur Begründung ihres Zulassungsantrags ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.

3

Die Beklagte hat in ihrem Zulassungsantrag zwar zutreffend ausgeführt, dass nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WoGG über die Leistung des Wohngeldes von Amts wegen mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an neu zu entscheiden ist, wenn sich im laufenden Bewilligungszeitraum nicht nur vorübergehend das Gesamteinkommen um mehr als 15 Prozent erhöht und dadurch das Wohngeld wegfällt oder sich verringert, und dass diese Vorschrift nach § 27 Abs. 2 Satz 4 WoGG auch dann anzuwenden ist, wenn sich das Gesamteinkommen um mehr als 15 Prozent erhöht, weil sich die Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder erhöht. Darüber hinaus hat sich auch - wie von der Beklagten ebenfalls zutreffend ausgeführt - im Zeitraum vom 1. März 2009 bis zum 31. August 2009, für den die Beklagte mit Bescheid vom 20. Mai 2009 Wohngeld bewilligt hat, die Anzahl der nach § 6 Abs. 1 WoGG bei der Berechnung des Wohngelds zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder erhöht, da die Klägerin durch den Wegfall der mit Bescheid des JobCenters C. vom 6. März 2009 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 1. Mai 2009 aufgrund des Bescheides vom 2. April 2009 nicht mehr gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WoGG vom Wohngeldbezug ausgeschlossen und demnach auch bei der Berechnung des Wohngelds als Haushaltsmitglied zu berücksichtigen war (§ 4 Nr. 1, § 6 Abs. 1 WoGG). Dieser Umstand hat auch - worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat - zu einer Erhöhung des Gesamteinkommens von mehr als 15 Prozent geführt, da die Bundesagentur für Arbeit der Klägerin mit Bescheid vom 2. April 2009 Arbeitslosengeld gemäß § 117 SGB III für den Zeitraum ab dem 1. März 2009 bewilligt hatte. Die Beklagte hat jedoch übersehen, dass diese Änderung bereits vor Erlass des Wohngeldbewilligungsbescheids vom 20. Mai 2009 eingetreten ist und daher schon bei der Entscheidung über die Bewilligung des Wohngeldes hätte berücksichtigt werden müssen. Treten nach dem Zeitpunkt der Antragstellung - hier am 30. Januar 2009 - bis zur Bekanntgabe des Wohngeldbescheides Änderungen der Verhältnisse im Bewilligungszeitraum ein, sind diese zwar grundsätzlich nicht zu berücksichtigen; eine Änderung im Sinne des § 27 Abs. 2 WoGG soll jedoch berücksichtigt werden (vgl. 24 Abs. 2 Satz 2 WoGG). Im vorliegenden Fall haben Anhaltspunkte für ein Abweichen von der Sollbestimmung des § 24 Abs. 2 Satz 2 2. Hs. WoGG nicht bestanden. Folglich hätte die Beklagte diese für die Wohngeldberechnung relevante Änderung bereits bei der Entscheidung über die Bewilligung von Wohngeldleistungen am 20. Mai 2009 berücksichtigen müssen. Der Bewilligungsbescheid vom 20. Mai 2009 ist daher bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses bezogen auf den Zeitraum ab dem 1. Mai 2009 (teilweise) rechtswidrig gewesen. Dieses hat zur Folge, dass sich die Rücknahme des bei Erlass (teilweise) rechtswidrigen Bescheids nach § 45 SGB X und nicht nach § 27 Abs. 2 WoGG richtet (vgl. dazu Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, Kommentar Wohngeldgesetz, Stand: Januar 2012, § 28 Rn 5 und 45). Denn die Vorschrift des§ 27 WoGG verdrängt lediglich die allgemeine Änderungsvorschrift des § 48 SGB X, die wiederum Anwendung findet, wenn sich Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen ergeben, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben (zu § 29 WoGG a.F. vgl. BVerwG, Urt. v. 21.3.2002 - 5 C 4.01 -, BVerwGE 116, 161), nicht aber § 45 SGB X. Diese Bestimmung gelangt daher zur Anwendung, wenn eine vor Erlass des Wohngeldbewilligungsbescheids eingetretene relevante Änderung, die zu einem Wegfall oder zu einer Verringerung des Wohngeldanspruchs führt, nicht berücksichtigt worden ist. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten im Zulassungsantrag kann die Rücknahme des Bewilligungsbescheids daher hier nicht auf § 27 Abs. 2 WoGG gestützt werden. Folglich ergeben sich auf der Grundlage ihres Vorbringens keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.