Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.07.2012, Az.: 12 LA 114/11

Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Neubau eines Schweinemaststalls

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.07.2012
Aktenzeichen
12 LA 114/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 19762
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0718.12LA114.11.0A

Fundstellen

  • AUR 2013, 64-68
  • BauR 2012, 1769-1771
  • DÖV 2012, 778
  • NVwZ-RR 2012, 5-6
  • NVwZ-RR 2012, 801
  • NordÖR 2012, 471-473
  • ZUR 2012, 580
  • ZfBR 2013, 185

Redaktioneller Leitsatz

Im Hinblick auf eine für die Genehmigung eines Mastbetriebes erforderliche vollständige Vorbelastungserfassung bezüglich Geruchsimmissionen soll nach dem Wortlaut der Nr. 4.4.2 der GIRL zum einen sichergestellt werden, dass das Beurteilungsgebiet keinesfalls kleiner ausfallen soll, als es einem Radius von 600 m um den Emissionsschwerpunkt der Anlage entspricht. Die Regelung beschreibt aber zum anderen nicht die äußeren Grenzen des Beurteilungsgebiets, wenn nach den konkreten Fallumständen ein weitergehender Prüfungsbedarf erkennbar ist. Insbesondere kommt eine Auslegung dahingehend, dass es sich bei dem 600 m-Radius um eine Mindestanforderung für den Fall handele, dass die Höhe des zu betrachtenden Schornsteins nicht über 20 m hinausgehe, es aber nicht gerechtfertigt sei, den Radius bei niedrigen Quellhöhen zu vergrößern, nicht in Betracht. Auch entfernter gelegene Emittenten müssen in die Ermittlung der vorhandenen Belastung einbezogen werden, wenn sie sich gleichwohl in schutzwürdigen Bereichen erheblich auswirken können. Denn im Rahmen der Ermittlung der Gesamtbelastung ist die tatsächlich vorhandene Vorbelastung möglichst vollständig und realitätsnah unter Einbeziehung aller Geruchsquellen, die in dem Umfeld der zur Genehmigung gestellten Anlage geruchsrelevant sind, zu erfassen.

Gründe

1

Die Klägerin stellte unter dem 2. November 2006 den Antrag, ihr eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Neubau eines Schweinemaststalls zum Halten von 1.984 Mastschweinen auf dem Flurstück 77/6 der Flur 6, Gemarkung D., zu erteilen. Einen gleichlautenden Antrag stellte die Schwiegermutter der Klägerin bezogen auf das Flurstück 323/4. Dieser Antrag ist Gegenstand des Verfahrens 12 LA 115/11 vor dem Senat. Beide Vorhaben sollen auf den Außenbereichsflächen des landwirtschaftlichen Betriebs E. (Ehemann der Klägerin in diesem und Sohn der Klägerin im Verfahren 12 LA 115/11) verwirklicht werden. Dieser betreibt zahlreiche Schweinemast-, Sauen- und Ferkelaufzuchtställe sowie eine Biogasanlage. Der eine Schweinemaststall (Gegenstand dieses Verfahrens 12 LA 114/11) soll ca. 20 m nördlich einer Ferkelstallanlage des Betriebs E. entstehen. Der andere Schweinemaststall, der Gegenstand des Verfahrens 12 LA 115/11 ist, soll in weniger als 10 m südlich dieser Ferkelstallanlage errichtet werden.

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In den Genehmigungsverfahren wurde das Geruchsgutachten des TÜV Nord vom 9. Oktober 2006 vorgelegt, in welchem die Kenngröße für die Zusatzbelastung aller Betriebsteile der Hofstelle in einem Beurteilungsgebiet von 2 x 2 km dargestellt und die Zusatzbelastung an den beiden nächstgelegenen Wohnhäusern mit 10 bzw. 8% der Jahresgeruchsstunden angegeben wurde. Nachdem das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt F. - Zentrale Unterstützungsstelle Luftreinhaltung und Gefahrstoffe - die Aussagen des Gutachtens als nicht ausreichend bezeichnet hatte, stellte der Beklagte im weiteren Verlauf der Genehmigungsverfahren mehrfach die Forderung, ergänzende Gutachten beizubringen, welcher durch die Vorlage weiterer Gutachten des TÜV Nord vom 20. März 2007, 14. August 2007, 21. Dezember 2007, 20. und 28. Januar 2008 entsprochen wurde. Der Beklagte wandte sich daraufhin im März 2008 erneut an die Klägerinnen und teilte mit, dass auch die zuletzt vorgelegten Gutachten des TÜV Nord bei der Betrachtung der Gesamtbelastung nicht sicherstellten, dass die zulässigen Grenzwerte nach der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) eingehalten würden. Der Gutachter sei davon unterrichtet worden, dass der Untersuchungsraum zu vergrößern sei. Die Klägerinnen traten dieser Forderung entgegen.

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Daraufhin lehnte der Beklagte die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsanträge jeweils mit Bescheid vom 17. Dezember 2008 ab und führte zur Begründung aus: Hinsichtlich der als Vorbelastung heranzuziehenden Betriebe sei er bei Eingang der erstellten Gutachten noch der Auffassung gewesen, es sei ausreichend, nur die im Mindestbeurteilungsgebiet in einem 600 m-Radius liegenden Betriebe einzubeziehen. Seit Februar 2008 vorliegende Musterausbreitungsberechnungen nach GIRL hätten jedoch ergeben, dass diese Betrachtung für größere Stallbauten offensichtlich nicht sachgerecht sei. Die Berechnungen bezögen sich auf Stallgrößen von 80.000 Masthähnchen bzw. 2.000 Mastschweinen. Die 2%-Geruchsausbreitungswolke erreiche in diesen Fällen eine Ausdehnung von bis zu 860 m bzw. 1.050 m. Das bedeute bezogen auf die Vorhaben der Klägerinnen, dass die Vorbelastung nicht ausreichend erfasst sei. Die vorgelegten Gutachten berücksichtigten bisher alle Stallgebäude und die Biogasanlage des Herrn G. sowie einen weiteren Sauenstall des benachbarten Betriebes der H., d.h. alle Betriebe im etwa 600 m-Radius um die geplanten Vorhaben. Es fehlten aber alle anderen in dem selbst gewählten Beurteilungsgebiet mit einer Seitenlänge von 2 x 2 km gelegenen sonstigen Betriebe mit nicht unerheblichen Geruchsimmissionen. Außerdem sei nicht ausgeschlossen, dass gegebenenfalls weitere außerhalb des bisherigen Beurteilungsgebiets gelegene Betriebe als Vorbelastung für das Beurteilungsgebiet zu berücksichtigen seien, da sie sich mit ihren Geruchsfahnen ebenfalls noch an den Wohnhäusern oder Plangebieten auswirken könnten. Außerdem liege inzwischen eine von der Gemeinde D. in Auftrag gegebene vorläufige Geruchsausbreitungsberechnung des TÜV Nord vor, wonach der maßgebliche Geruchsgrenzwert für Gewerbe- bzw. Industriegebiete von 15% der Jahresstunden selbst ohne die geplanten neuen Schweinemastställe und die vorhandenen Ferkelställe in allen ausgewiesenen Gebieten überschritten sei. Zwar sei ein südlicher Teilbereich der Bebauungspläne Nr. 13 a-c als Regenrückhaltebecken und Grünstreifen ausgewiesen, jedoch sei bereits dem letzten Gutachten mit unzureichender Erfassung der Vorbelastung zu entnehmen, dass der Grenzwert auch über diesen Bereich hinaus überschritten werde, zumal insoweit auch noch die fehlende Ferkelhaltung des Betriebs E. und die neuen Mastställe der Klägerinnen zu berücksichtigen seien. Die gegen diese Bescheide eingelegten Widersprüche der Klägerinnen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 29. Juni 2009 als unbegründet zurück.

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Die von den Klägerinnen erhobenen und verbundenen Verpflichtungsklagen hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 13. April 2011 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerinnen hätten keinen Anspruch auf die Erteilung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen für die von ihnen geplanten Schweinemastställe. Den Genehmigungen stehe entgegen, dass der Beklagte zu Recht die Vorlage eines ergänzenden Geruchsgutachtens nach den Grundsätzen der GIRL unter Berücksichtigung eines weiter gefassten Beurteilungsgebietes fordere, die Klägerinnen sich weigerten, dieses ergänzende Gutachten vorzulegen, und dass deshalb nicht abschließend festgestellt werden könne, ob die Genehmigungsvoraussetzungen jedenfalls im Hinblick auf die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG erfüllt würden. Für eine Aussage darüber, ob der nach der GIRL maßgebliche Immissionswert nach Nr. 3.1 - Tabelle 1 - (hier angesichts der benachbarten im Außenbereich gelegenen Wohnhäuser und der durch gemeindliche Bauleitplanung ausgewiesenen Gebiete in Höhe von 15% der Jahresstunden) eingehalten werden könne, komme es auf die Kenngröße der Gesamtbelastung an. Die von den Klägerinnen eingereichten Gutachten berücksichtigten jedoch nur einen Teil der vorhandenen Belastung, nämlich diejenige, die von den auf der Hofstelle E. vorhandenen Anlagen und von dem Stall der H. ausgehe. Die in der weiteren Umgebung der geplanten Mastschweineställe vorhandenen geruchsemittierenden Anlagen würden in den vorhandenen Gutachten bei der Ermittlung der Vorbelastungssituation jedoch nicht berücksichtigt, und zwar augenscheinlich deshalb, weil der Gutachter lediglich die sich geruchsbelastend auswirkenden Anlagen, die sich innerhalb eines Kreises mit einem Radius von 600 m um die geplanten Ställe befänden, einbezogen habe. Die weitergehende Forderung des Beklagten sei angesichts der Notwendigkeit, die örtlich spezifischen Aspekte in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, angesichts der in dem in Rede stehenden Gebiet extremen Besatzdichte, der aufgrund der Musterausbreitungsrechnungen gewonnenen Erkenntnisse und mit Blick auf die schon nach der vorläufigen Geruchsausbreitungsrechnung des TÜV Nord für den südlichen Bereich der Bebauungspläne der Gemeinde D. Nr. 13 a-c anzunehmenden Überschreitung des Wertes von 15% der Jahresgeruchsstunden rechtlich nicht zu beanstanden. Regelungen der GIRL stünden der Forderung des Beklagten nach der Betrachtung eines größer zu bemessenen Beurteilungsgebietes nicht entgegen; vielmehr sei der dort genannte kleinste Radius von 600 m als Mindestanforderung zu verstehen.

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II.

Der gegen dieses Urteil gerichtete Zulassungsantrag der Klägerin hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO sind nicht hinreichend dargetan und/oder liegen nicht vor.

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1.

Zur Begründung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) macht die Klägerin geltend: Sie habe vollständige Antragsunterlagen eingereicht, die den Anforderungen genügten, darunter eine Prognose der zu erwartenden Immissionen in Gestalt des mehrfach ergänzten Gutachtens des TÜV Nord, welches auf den Vorgaben der GIRL 2004 beruhe. Die Gesamtbelastung liege danach nur im Bereich einer Beurteilungsfläche jenseits des Wertes von 15% und dies im Bereich eines Regenrückhaltebeckens, was in dem stark landwirtschaftlich und im Übrigen durch Gewerbe und Industrie geprägten Raum ohne Weiteres hinnehmbar sei. Wenn der Beklagte zu dem Ergebnis gekommen sei, das Vorhaben sei abzulehnen, weil "der maßgebliche Grenzwert von 15% in dem angrenzenden B-Plan Nr. 13 c mit zum Teil über 22% überschritten" werde, so belege dies das fehlerhafte Verständnis der GIRL und der in ihr festgelegten Immissionswerte. Die in dem Gutachten des TÜV Nord vom Januar 2008 dargestellte Gesamtbelastung sei auch zutreffend ermittelt worden. Die Forderung des Beklagten nach Betrachtung eines größeren Beurteilungsraumes über den 600 m-Radius hinaus sei unberechtigt. Dem Verwaltungsgericht sei auch nicht darin zu folgen, dass auch die Beurteilung der Vorbelastungssituation im Einzelfall unter Abwägung aller Randbedingungen zu erfolgen habe. Die Vorbelastung sei einer wertenden, abwägenden Beurteilung nicht zugänglich. Die Durchführung einer fiktiven Ausbreitungsberechnung für einen Musterstall sei nicht in der Lage, den über Jahre hinweg gesammelten Sachver-stand, der in die GIRL Eingang gefunden habe, und die darauf fußenden Vorgaben obsolet zu machen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, welche Annahmen der Berechnung zugrunde lägen. Entsprechendes gelte für die vorläufige Geruchsausbreitungsberechnung des TÜV Nord u.a. für den Bereich südlich der L 838 und der B-Plangebiete Nr. 13 a-c. Selbst wenn man sich aber auf den Standpunkt stellen würde, dass das Beurteilungsgebiet größer zu fassen sei und weitere Emittenten innerhalb dieses größeren Beurteilungsgebiets hätten in den Blick genommen werden müssen, folge daraus nicht die Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Genehmigungsantrages. Da sie - die Klägerin - die erforderlichen und vollständigen Unterlagen vorgelegt habe, hätte es dem Beklagten oblegen, gegebenenfalls für erforderlich gehaltene weitere Gutachten selbst zu beauftragen. Die letzte Nachforderung habe ihren Grund allein in einem Sinnes- und Praxiswandel des Beklagten gespeist durch angeblich neue Erkenntnisse und die sich abzeichnende GIRL 2008. Die Gründe für die Nachforderung hätten mithin allein in dem Bereich des Beklagten gelegen, dem auch genaue Zahlen zur Zusatzbelastung im und aus dem Beurteilungsgebiet und nach seinen Angaben auch zu Vorbelastungen aus weiteren Emissionsquellen außerhalb des Beurteilungsgebiets vorlägen. Diese Informationen hätte er gegebenenfalls unter Einschaltung eines Sachverständigen aufbereiten und zur Grundlage einer Sachentscheidung machen können. Insoweit habe er es auch versäumt, den im konkreten Einzelfall maßgeblichen Immissionswert zu bestimmen. Mit diesem Vorbringen vermag die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht aufzuzeigen.

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Genehmigungsverfahren nach § 10, § 19 BImSchG setzen einen schriftlichen Antrag voraus, dem die zur Prüfung nach § 6 BImSchG erforderlichen Unterlagen beizufügen sind (§ 14 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 4 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV). Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlagen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen (§ 10 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, § 7 Abs. 1 Satz 3 der 9. BImSchV). Soweit durch die Anlage und den Anlagenbetrieb schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können, müssen die Unterlagen auch eine Prognose der zu erwartenden Immissionen, soweit Immissionswerte in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften festgelegt sind und nach dem Inhalt dieser Vorschriften eine Prognose zum Vergleich mit diesen Werten erforderlich ist, enthalten (§ 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 9. BImSchV). Der Genehmigungsantrag soll gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV abgelehnt werden, wenn der Antragsteller einer Aufforderung zur Ergänzung der Unterlagen innerhalb einer ihm gesetzten Frist nicht nachgekommen ist.

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Wenn in § 4 und § 4a der 9. BImSchV auf die erforderlichen Unterlagen und Angaben abgestellt wird, so beziehen sich diese Anforderungen auf den Umfang der von dem Antragsteller beizubringenden Unterlagen und die Detailliertheit der darin enthaltenen Angaben. Zwar ist der Begriff "erforderlich" an sich ein unbestimmter Rechtsbegriff, der grundsätzlich der vollen verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegt. Die genannten Vorschriften zielen aber darauf, der zuständigen Behörde die Unterlagen und Angaben zu vermitteln, die sie für die Entscheidung über den gestellten Antrag benötigt. Maßgeblich ist deshalb, was die Genehmigungsbehörde vertretbarerweise für erforderlich halten darf, so dass ihr insoweit ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist (vgl. Czajka, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Band 2, B 2.9 § 4 Rdnr. 10 f und § 4a Rdnr. 13 f). Hier haben der Beklagte und ihm folgend das Verwaltungsgericht mit nachvollziehbaren Überlegungen angenommen, dass die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen nicht ausreichend sind und - da die Klägerin die geforderte ergänzende Immissionsprognose durch ein weiteres Gutachten verweigert hatte - der Antrag auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung abgelehnt werden durfte.

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Ohne Erfolg wendet die Klägerin insoweit ein, sie habe mit den eingereichten und dem Beklagten vorliegenden Gutachten alles Erforderliche getan, denn die Forderung des Beklagten, auch außerhalb eines 600 m-Radius gelegene Anlagen mit geruchsbelastenden Auswirkungen in die Betrachtung nach der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) einzubeziehen, sei nicht gerechtfertigt. Nach Nr. 4.4.2 der GIRL vom 29. Februar 2008 mit Ergänzung vom 10. September 2008 (GIRL 2008), in Niedersachsen eingeführt durch Gemeinsamen Runderlass vom 23. Juli 2009 (Nds. MBl, S. 794), ist das Beurteilungsgebiet die Summe der Beurteilungsflächen (Nr. 4.4.3), die sich vollständig innerhalb eines Kreises um den Emissionsschwerpunkt mit einem Radius befinden, der dem 30-fachen der nach Nr. 2 dieser Richtlinie ermittelten Schornsteinhöhe entspricht. Als kleinster Radius sind 600 m zu wählen. Dabei ist nicht streitig, dass in dem vorgelegten Gutachten des TÜV Nord Umweltschutz vom Januar 2008 insofern ein Beurteilungsgebiet der Größe von 2 x 2 km berücksichtigt worden ist, als für alle Wohnhäuser und Plangebiete in diesem Raum die zukünftig zu erwartende Gesamtbelastung ermittelt wurde. Demgegenüber geht das Gutachten bei der Betrachtung, welche Betriebe sich geruchsvorbelastend auswirken, lediglich von einem Raum aus, der durch den 600 m-Umkreis um das Vorhaben bestimmt wird. Das Gutachten berücksichtigt also alle Stallgebäude und die Biogasanlage des Betriebs E. sowie einen weiteren Sauenstall des benachbarten Betriebs der H.. Wenn der Beklagte dieses Vorgehen nicht für ausreichend angesehen hat, so ist dies gerichtlich nicht zu beanstanden.

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Für die gewünschte, erweiterte Betrachtung sprach bereits der Umstand, dass das nähere und weitere Umfeld des geplanten Vorhabens durch eine Reihe von vorhandenen Tierhaltungsanlagen vorgeprägt wird und begründete Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass weitere im Beurteilungsgebiet von 2 x 2 km gelegene Betriebe Geruchsemissionen abgeben, die geeignet sind, die Immissionsbelastung an den betrachteten Wohnhäusern und Plangebieten relevant zu erhöhen. Insoweit konnte sich der Beklagte zum einen auf Ausbreitungsrechnungen des TÜV Nord stützen, mit denen für zwei verschiedene Stalltypen die Isolinie (Linie gleicher Überschreitungshäufigkeit der Geruchsschwelle) an 2% der Jahresstunden für einen Stalltyp mit 2.000 Mastschweinen und daneben für einen solchen mit 80.000 Masthähnchen ausgewiesen wird. Welche Eingangsparameter für die Ausbreitungsrechnung gewählt worden sind, ergibt sich aus der gutachterlichen Stellungnahme des TÜV Nord vom 20. Februar 2008. Dass die minimalen und maximalen Abstände der 2%-Isolinien zur jeweiligen Quelle abhängig sind von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls, ändert nichts daran, dass die Ergebnisse dieser Musterausbreitungsrechnungen einen Prüfungsbedarf aufzeigen, der zumal bei einer Häufung von emissionsträchtigen Tierhaltungsbetrieben die Forderung begründen konnte, auch Emittenten in die Ermittlung der Vorbelastung einzubeziehen, die sich außerhalb eines 600 m-Kreises um die zur Genehmigung gestellte Anlage befinden. Anhaltspunkte für eine Überschreitung der Immissionswerte nach der GIRL konnte der Beklagte darüber hinaus dem ihm bekanntgewordenen Geruchsgutachten des TÜV Nord vom 18. April 2008 entnehmen, das im Auftrag der Gemeinde D. erstellt worden war und welches in Bereichen des Gewerbegebietes 13 und 13 a-c bereits ohne die zur Genehmigung gestellten Schweinemastställe der Klägerin in diesem und im Parallelverfahren zu deutlichen Überschreitungen gelangt war.

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Die Forderung des Beklagten, in eine vollständige Vorbelastungserfassung auch weitere geruchsemittierende Quellen einzubeziehen, steht im Einklang mit der Geruchsimmissions-Richtlinie. Die Vorstellung der Klägerin, dass es sich bei dem 600 m-Radius um eine Mindestanforderung für den Fall handele, dass die Höhe des zu betrachtenden Schornsteins nicht über 20 m hinausgehe, es aber nicht gerechtfertigt sei, den Radius bei niedrigen Quellhöhen zu vergrößern, findet in dem Wortlaut der Nr. 4.4.2 der GIRL keine Stütze. Danach soll zum einen sichergestellt werden, dass das Beurteilungsgebiet keinesfalls kleiner ausfallen soll, als es einem Radius von 600 m um den Emissionsschwerpunkt der Anlage entspricht. Die Regelung beschreibt aber zum anderen nicht die äußeren Grenzen des Beurteilungsgebiets, wenn nach den konkreten Fallumständen ein weitergehender Prüfungsbedarf erkennbar ist. Das zeigt auch die Regelung in Nr. 4.1 Abs. 2 Satz 2 der GIRL, welche vorschreibt, dass alle Emittenten von Geruchsstoffen, die das Beurteilungsgebiet beaufschlagen, zu erfassen sind, wenn die Ermittlung der vorhandenen Belastung rechnerisch vorgenommen wird. Ferner heißt es in der Begründung und den Auslegungshinweisen zur GIRL (dort zu Nr. 4.4.2), das Beurteilungsgebiet sei stets so zu legen bzw. von der Größe her so zu wählen, dass eine sachgerechte Beurteilung des jeweiligen Problems ermöglicht wird. In der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 4.6 wird ebenfalls hervorgehoben, dass bei der Ermittlung der Gesamtbelastung durch Ausbreitungsrechnung die Geruchsemissionen der vorhandenen Quellen (Vorbelastung) und die der neuen Quellen (Zusatzbelastung) in einer gemeinsamen Rechnung Eingang finden und in diesem Fall alle das Beurteilungsgebiet beaufschlagenden Geruchsquellen in der Ausbreitungsrechnung erfasst werden müssen. Entsprechende Bestimmungen enthielt bereits die Geruchsimmissions-Richtlinie in der Fassung des LAI vom 21. September 2004 (Anlage 1 zum Gem. RdErl. v. 30.5.2006, Nds. MBl. S. 657, s. dort Nr. 4.1 Abs. 2 Satz 2, Begründung und Auslegungshinweise zu Nr. 4.4.2 - Beurteilungsgebiet).

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Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Ermittlung der vorhandenen Belastung durch Rasterbegehung oder durch Geruchsausbreitungsrechnung zu erfolgen hat. Wird die vorhandene Belastung durch Rasterbegehung bestimmt, so sind die Maßgaben unter Nrn. 4.4.1 bis 4.4.7 zu beachten. Insoweit ist auch die Vorschrift über das Beurteilungsgebiet nach Nr. 4.4.2 unmittelbar anwendbar. Wird die Ermittlung der vorhandenen Belastung rechnerisch vorgenommen, so sind alle Emittenten von Geruchsstoffen, die das Beurteilungsgebiet beaufschlagen, zu erfassen (Nr. 4.1 Abs. 2 Satz 2 GIRL). Insofern verweist auch für diesen Fall die GIRL auf Nr. 4.4.2 über das Beurteilungsgebiet. Die Ermittlung der vorhandenen Belastung durch Rasterbegehung findet in der Weise statt, dass die Messpunkte in der Umgebung der Anlage begangen werden, an denen die Geruchsimmission für die Entscheidung relevant ist, an Orten also, die insbesondere nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Damit ist gewährleistet, dass nach Maßgabe der näheren Bestimmungen der GIRL alle relevanten Geruchseindrücke in der Umgebung der Anlage registriert werden. Dem muss die Ermittlung der vorhandenen Belastung durch Geruchsausbreitungsrechnung gleichermaßen Rechnung tragen und sicherstellen, dass auch entfernter gelegene Emittenten, die sich aber gleichwohl in schutzwürdigen Bereichen erheblich auswirken können, einbezogen werden.

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Mithin besteht die Aufgabe darin, im Rahmen der Ermittlung der Gesamtbelastung die tatsächlich vorhandene Vorbelastung möglichst vollständig und realitätsnah unter Einbeziehung aller Geruchsquellen zu erfassen, die in dem Umfeld der zur Genehmigung gestellten Anlage geruchsrelevant sind. Eben dies wollte offenbar auch das Verwaltungsgericht mit der Formulierung zum Ausdruck bringen, dass die Überprüfung der Immissionssituation nicht schematisch erfolgen dürfe, sondern die örtlichen Besonderheiten bei der Ermittlung der Vorbelastung einzubeziehen seien.

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Die Rüge der Klägerin, der Beklagte und auch das Verwaltungsgericht hätten sich nicht der Mühe unterzogen, den maßgeblichen Immissionswert im Einzelfall konkret unter Berücksichtigung aller relevanter Umstände zu bestimmen, ist nicht berechtigt. Der Beklagte hat - auch in dem ablehnenden Bescheid vom 17. Dezember 2008 - erkennen lassen, welche Immissionswerte er entsprechend der GIRL abhängig vom Gebietscharakter für maßgebend hält. Für die Beurteilung, ob schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen hervorgerufen werden, ist ein Vergleich der nach der GIRL zu ermittelnden Kenngrößen mit den in Tabelle 1 festgelegten Immissionswerten nicht immer ausreichend (vgl. dazu Nr. 5 der GIRL). Eine gegebenenfalls modifizierende Einzelfallbeurteilung setzt jedoch zunächst voraus, dass überhaupt klar ist, welche Geruchsimmissionen insgesamt auftreten können und welchen Anteil daran der Betrieb von Anlagen verursacht, die nach Nr. 3.1 der GIRL zu betrachten sind. Das setzt eine vollständige und realistische Erfassung der Vorbelastungssituation voraus.

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2.

Die Berufung ist nicht wegen besonderer Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Der Zulassungsantrag legt nicht dar, dass die Rechtssache überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende und im vorliegenden Fall entscheidungserhebliche Schwierigkeiten aufweist. Solche Schwierigkeiten bestehen nicht - wie die Klägerin meint - deshalb, weil die Belastbarkeit der Ausbreitungsrechnung bei einem Musterstall der näheren, gegebenenfalls sachverständigen Betrachtung bedürfe. Die Musterausbreitungsrechnungen des TÜV Nord vom Februar 2008 stellen - wie oben ausgeführt worden ist - Abschätzungen dar, die unter den hier gegebenen Umständen des Einzelfalles jedenfalls Anlass für einen gesteigerten Prüfaufwand geben konnten. Die Frage des "richtigen Immissionswertes" stellte sich aus den unter 1. genannten Gründen hier (noch) nicht. Die Frage, "wie das Beurteilungsgebiet richtig zu bemessen ist" (Nr. 4.4.2 GIRL) ist - wie unter 1. geschehen - zu beantworten und erfordert die Durchführung eines Berufungsverfahrens nicht. Entsprechendes gilt für die Frage, ob der Beklagte der Klägerin die Vorlage eines weiteren Ergänzungsgutachtens aufgeben durfte und wie das Spannungsverhältnis zwischen Amtsermittlung und Mitwirkungspflicht zu handhaben ist. Die Einholung von Sachverständigengutachten nach § 13 der 9. BImSchV kann zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen notwendig sein, bedingt indes, dass die Antragsunterlagen nach vertretbarer Beurteilung der Genehmigungsbehörde vollständig sind und die erforderlichen Angaben, insbesondere eine aussagekräftige Immissionsprognose, enthalten. Hingegen ist es nicht Aufgabe der Genehmigungsbehörde, einen Genehmigungsantrag, der nur mit unzureichenden Unterlagen zur Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen versehen ist, anstelle des Antragstellers schlüssig zu machen. Schließlich kommt es auf die Frage, "ob es überhaupt rechtlich zulässig war, der Klägerin eine Gutachtensergänzung im Hinblick auf die erst im September 2009 in Kraft gesetzte GIRL 2008 schon Anfang 2008 abzuverlangen", nicht entscheidungserheblich an, weil - wie ebenfalls ausgeführt worden ist - auch nach der Geruchs-immissions-Richtlinie in der zuvor eingeführten Fassung die Notwendigkeit bestand, bei der rechnerischen Ermittlung der vorhandenen Belastung sämtliche Geruchsbelastungen, die von den vorhandenen Anlagen ausgehen und in der Umgebung der zur Genehmigung gestellten Anlage relevante Wirkungen erzielen können, einzubeziehen.

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3.

Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Der Zulassungsantrag muss eine konkrete Frage aufwerfen, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lassen und (zumindest) einen Hinweis auf den Grund enthalten, der das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll. Daran fehlt es hier.

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Die Klägerin meint, die Sache weise mit Blick auf die GIRL 2004/2008 Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Dabei vernachlässigt sie indes, dass die GIRL als Regelwerk keine Rechtsquelle darstellt, sondern technische Normen enthält, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben. Die Auslegung der GIRL ist somit keine Rechtsanwendung, sondern Tatsachenfeststellung (BVerwG, Beschl. v. 7.5.2007 - 4 B 5.07 -, BRS 71 Nr. 168; Beschl. v. 28.7.2010 - 4 B 29.10 -, ZfBR 2010, 792). Davon abgesehen sind die von der Klägerin insoweit aufgeworfenen Fragen auch in tatsächlicher Hinsicht über die oben beschriebenen Grundsätze hinaus einer fallübergreifenden generellen Beantwortung nicht zugänglich. Das gilt etwa für die Frage, wie das Beurteilungsgebiet gegebenenfalls unter Ausdehnung des Radius zu bestimmen ist und in welcher Weise die Vorbelastungssituation sachgerecht zu erfassen ist. Dass der Beklagte mit der Forderung nach einer Erweiterung des Beurteilungsgebiets mit Blick auf weiter vorhandene geruchsemittierende Anlagen nicht von der Geruchsimmissions-Richtlinie abgewichen ist, ist bereits oben unter 1. ausgeführt worden. Dass eine vollständige und aussagekräftige Immissionsprognose zu den Antragsunterlagen gehört, ist den einschlägigen Vorschriften der Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV) zu entnehmen und bedarf weiterer Klärung nicht. Ob im Einzelfall eine Gutachtensergänzung abverlangt werden darf, ist eine Frage, die anhand der vorgestellten rechtlichen Maßstäbe und abhängig von den konkreten Einzelfallumständen zu beantworten ist. Aus der Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV) ergibt sich auch, dass ein Genehmigungsantrag von der Genehmigungsbehörde abgelehnt werden darf, wenn der Antragsteller einer Aufforderung zur Ergänzung der Unterlagen nicht nachkommt (§ 20 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV). Ist der Genehmigungsantrag aber ohne Rechtsfehler abgelehnt worden, so stellt sich die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob das Gericht die Sache durch Einholung von Gutachten seinerseits spruchreif zu machen hat oder zur weiteren Bearbeitung in das Verwaltungsverfahren "zurückgeben" muss, nicht.