Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.07.2012, Az.: 2 LB 278/11

Formlose Aufforderung zur Passvorlage als hinreichende Aufforderung zur Erfüllung der Mitwirkungspflichten eines eine Aufenthaltserlaubnis begehrenden syrischen Staatsangehörigen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.07.2012
Aktenzeichen
2 LB 278/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 19674
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0724.2LB278.11.0A

Redaktioneller Leitsatz

Einem Ausländer kann ein Unterlassen nach Treu und Glauben im Sinne des Ausschlussgrundes des § 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG dann nicht vorgehalten werden, wenn zwar unstreitig ist, dass er seine Rechtspflichten gekannt hat, die Ausländerbehörde aber ihrerseits über Jahre hinweg untätig geblieben und den Zustand beanstandungslos hingenommen hat, obgleich sie ihrerseits gem. § 82 Abs. 3 AufenthG verpflichtet ist, den Ausländer auf seine Mitwirkungspflichten hinzuweisen. Das gilt insbesondere, wenn der Ausländer - wie hier - gleich nach seiner Einreise Familienbuch und seinen nationalen Personalausweise übergeben, also nicht über seine Identität getäuscht hat.

Gründe

1

I

Die Kläger, syrische Staatsangehörige, begehren die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, wobei das Verfahren der Kläger zu 3. und 4. im Laufe des Berufungsverfahrens nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. §§ 25 a Abs. 1 AufenthG übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.

2

Der Kläger zu 1. (geb. 19 ) reiste im Februar 2001 mit seiner Ehefrau, der Klägerin zu 2. (geb. 19 ) und drei Kindern (Kläger zu 3. bis 5., geb. , , ) in das Bundesgebiet ein und begehrte für sich und seine Familie Asyl. Bei der Anhörung vor dem Bundesamt (1.3.2001) übergaben die Kläger zu 1. und 2. ihr syrisches Familienbuch sowie ihre beiden syrischen Personalausweise (BA A, Niederschrift über die Anhörung). Diese Unterlagen sind an den Beklagten weitergeleitet worden. Das Asylbegehren der Kläger blieb erfolglos (Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 15.6.2001, Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 3.6.2002 - 11 A 2084/01 -). Den Klägern wurden in der Folgezeit Duldungen erteilt. Am 200 wurde der Kläger zu 6. geboren, dessen Asylbegehren ebenfalls erfolglos blieb (Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 14.2.2006).

3

Im Dezember 2003 forderte der Beklagte die Kläger zu 1. und 2. zur Vorsprache und zur Vorlage von Passbildern auf. Am 14. Januar 2004 wurde der Kläger zu 1. aufgefordert, den Antrag auf Ausstellung von Passersatzpapieren vollständig auszufüllen, was dieser aus Angst vor einer Abschiebung nach Syrien verweigerte (BA A, Mitte). Im Folgenden wurden erneut befristete Duldungen erteilt. Im Februar 2007 händigte der Beklagte den Klägern die Personalausweise aus und forderte sie unter Verweis auf die Bleiberechtsregelung der Innenminister und Innensenatoren der Länder vom 17. November 2006 auf, einen Nationalpass vorzulegen, um von der Bleiberechtsregelung Gebrauch machen zu können (BA A, Mitte). In der folgenden Zeit wurden erneut Duldungen erteilt. Nach einem Vermerk vom 2. April 2008 haben die Kläger, angesprochen auf ihre Pässe, erklärt, dass sie nicht bei der syrischen Botschaft gewesen seien (BA A, Mitte). Im Folgenden wurden weiterhin Duldungen erteilt.

4

Am 15. Oktober 2008 beantragten die Kläger unter Hinweis auf ihren langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a AufenthG (eingefügt durch Art. 1 Nr. 82 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union v. 19.8.2007, BGBl. I 2007, 1970). Sie legten dem Antrag zwei syrische Reisepässe für die Kläger zu 1. und 2. bei, die diese im September 2008 von der syrischen Botschaft erhalten hatten und teilten mit, für die Kläger zu 3. bis 6. sei die Ausstellung von syrischen Reisepässen beantragt (BA A, Mitte).

5

Mit dem (angefochtenen) Bescheid vom 11. März 2009 lehnte der Beklagte die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen nach § 104 a AufenthG mit der Begründung ab, die Kläger erfüllten zwar die Stichtagsregelung, auch sei zureichender Wohnraum vorhanden (§ 104 a Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Zweifelhaft sei jedoch, ob hinreichende mündliche Deutschkenntnisse vorlägen (§ 104 a Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Zudem hätten die Kläger Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich behindert (§ 104 a Abs. 1 Nr. 4 AufenthG), da sie sich jahrelang geweigert hätten, Anträge auf Ausstellung eines Passersatzpapieres auszufüllen. Erst im Hinblick auf die Ende 2006 getroffenen Bleiberechtsregelungen der Innenminister/Innensenatoren der Länder hätten die Kläger begonnen, sich um Pässe zu kümmern. Zweifelhaft sei zudem, ob der Lebensunterhalt in dem von § 104 a AufenthG geforderten Maße sichergestellt werden könne.

6

Daraufhin haben die Kläger Klage erhoben.

7

Sie haben im Wesentlichen vorgetragen, zureichende Deutschkenntnisse lägen vor. Sie hätten auch nicht vorsätzlich Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung verzögert. Sie hätten vielmehr bereits bei ihrer Asylantragstellung dem Bundesamt das syrische Familienbuch, in dem alle Kläger bis auf den im Bundesgebiet geborenen Kläger zu 6. eingetragen seien, sowie die Personalausweise für die Kläger zu 1. und 2. übergeben. Diese Unterlagen seien an den Beklagten weitergeleitet worden. Der Beklagte sei daher von Anfang an im Besitz aussagekräftiger Identitätsnachweise gewesen.

8

Die Kläger haben beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 11. März 2009 aufzuheben und

den Beklagten zu verpflichten, ihnen Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen zu erteilen.

9

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Er hat im Wesentlichen sinngemäß ausgeführt, die Kläger hätten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung seit der Einreise (Februar 2001) jahrelang vorsätzlich behindert. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass er - der Beklagte - im Besitz des syrischen Familienbuches und der beiden syrischen Personalausweise gewesen sei. Die den Klägern im Februar 2007 unter Verweis auf die Bleiberechtsregelung der Innenminister und Innensenatoren der Länder vom 17. November 2006 ausgehändigten Personalausweise wären ihnen nämlich schon früher überlassen worden, wenn sie zur Erfüllung ihrer Mitwirkungspflicht bereit gewesen wären. Die Kläger hätten sich jedoch zu keinem Zeitpunkt ernsthaft um die Beschaffung von Pass(ersatz)papieren gekümmert. Zudem sei nicht ersichtlich, dass die Kläger für die Zukunft selbständig für ihren Lebensunterhalt aufkommen könnten.

11

Mit Urteil vom 31. Mai 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch nach § 104 a AufenthG bestehe nicht. Zwar verfügten die Kläger, wie die mündliche Verhandlung ergeben habe, über zureichende Deutschkenntnisse. Auch seien die im Rahmen von § 104 a AufenthG (nur) zu fordernden wirtschaftlichen Voraussetzungen voraussichtlich erfüllt; denn auch wer neben seinem Erwerbseinkommen ergänzende Sozialleistungen beziehe, habe seinen Lebensunterhalt "überwiegend" i.S.d. § 104 a Abs. 5 Satz 2 AufenthG gesichert, wenn das eigene Einkommen überwiege. Das wäre nach Aktenlage wohl zu bejahen. Jedenfalls wäre eine Verlängerung nach dem Runderlass des Nds. Ministeriums für Inneres, Sport und Integration vom 11. Dezember 2009 zu erteilen gewesen, denn der Kläger zu 1. habe nicht nur innerhalb der letzten sechs Monate vor dem 31. Dezember 2009 eine Halbtagsbeschäftigung ausgeübt, sondern sei sogar das ganze Jahr 2009 aufgrund eines unbefristeten Arbeitsvertrages vollzeitbeschäftigt gewesen. Der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis stehe jedoch entgegen, dass die Kläger sich seit ihrer Einreise geweigert hätten, an Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung mitzuwirken, obgleich der Beklagte sie in zureichendem Maße zur Mitwirkung aufgefordert habe, wie sich aus den Vermerken des Beklagten vom 14. Januar 2004 und 2. April 2008 ergebe. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 25 Abs. 5 AufenthG bestehe ebenfalls nicht. Die Ausreise der Kläger sei weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen unmöglich. Insbesondere sei davon auszugehen, dass bei einem entsprechenden Bemühen auch für die Kläger zu 3. bis 6. in absehbarer Zeit Passersatzpapiere ausgestellt werden könnten.

12

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Kläger.

13

Im Laufe des Berufungsverfahrens haben zum einen auch die Kläger zu 3. bis 5 syrische Nationalpässe vorgelegt und hat zum anderen der Beklagte für die Kläger zu 3. (geb.

14

) und 4. (geb. ) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a Abs. 1 AufenthG erteilt, woraufhin die Verfahren der Kläger zu 3. und 4. übereinstimmend für erledigt erklärt worden sind. Für den Kläger zu 5. (geb. ) hat der Beklagte ebenfalls - nach seinen Angaben versehentlich - eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a AufenthG erteilt, will diese jedoch wieder zurücknehmen und hat unter dem 11. Juni 2012 bereits ein entsprechendes Anhörungsschreiben erlassen.

15

Die Kläger tragen in dem Berufungsverfahren unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens im wesentlichen vor, der Beklagte sei seit langem im Besitz von originalen Identitätspapieren für die Kläger zu 1. und 2. gewesen, ohne diese Papiere seinerseits für Abschiebungsmaßnahmen in Anspruch genommen zu haben. Von einem gezielten Unterlaufen der Aufenthaltsbeendigung durch die Kläger sei daher nicht auszugehen.

16

Die Kläger zu 1., 2., 5. und 6. beantragen sinngemäß,

das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 11. März 2009 den Beklagten zu verpflichten, den Klägern zu 1., 2., 5. und 6. eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu erteilen,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag der Kläger zu 1., 2., 5. und 6. auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

17

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

18

Er führt im Wesentlichen aus, er habe die Passlosigkeit der Kläger nicht beanstandungslos hingenommen, was bereits dadurch deutlich werde, dass die Duldungen jeweils nur für einen kurzen Zeitraum erteilt/verlängert worden seien. Eigene Maßnahmen zur Beschaffung von Passersatzpapieren durch direkte Kontaktaufnahme mit der syrischen Botschaft wären zudem in den Jahren zwischen 2004 und 2008 nach allgemeiner Erfahrung nicht zielführend gewesen, was auch der Abschluss des deutsch-syrischen Rücknahmeabkommens vom 14. Juli 2008 (BGBl. II S. 811, in Kraft getreten am 3.1.2009, BGBl. II S. 107) belege. Selbst nach Vorlage von gültigen syrischen Reisepässen für die Kläger zu 1. und 2. im Jahre 2008 wäre eine Abschiebung nicht in Betracht gekommen, da die Kinder damals mangels Pässen nicht zugleich mit hätten abgeschoben werden können. Im Übrigen sei der Lebensunterhalt der Kläger durch eigene Leistungen nicht sichergestellt.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

20

II

A) Nachdem die Kläger zu 3. und 4. eine Aufenthaltserlaubnis nach dem zum 1. Juli 2011 neu eingeführten § 25 a AufenthG (vgl. Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften v. 23.6.2011, BGBl. I 2011, 1266) erhalten und die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren dieser Kläger einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit für unwirksam zu erklären (§§ 92 Abs. 3 Satz 1, 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).

21

B) Über die Berufung der Kläger zu 1., 2., 5. und 6. entscheidet der Senat nach Anhörung der Beteiligten gemäߧ 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er sie einstimmig für zulässig und begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

22

Die Berufung ist zulässig (1) und mit dem Hauptantrag begründet (2). Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist zu ändern und der Beklagte unter entsprechender Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 11. März 2009 zu verpflichten, den Klägern zu 1., 2., (a) sowie den Klägern zu 5. und 6. (b) eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gem. § 104 a AufenthG iVm. den dazu ergangenen Folgeregelungen, nämlich den Runderlassen des Nds. Ministeriums für Inneres, Sport und Integration vom 11. Dezember 2009 (42.12-12230.1-8 (§ 23), Bleiberechtsregelung 2009) und vom 19. Dezember 2011 (42.12-12230.1-8 (§ 23), Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Bleiberechtsregelung 2009) zu erteilen. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 25 a bzw. 25 Abs. 5 AufenthG besteht dagegen nicht (c).

23

Da es sich um eine Verpflichtungsklage handelt, ist maßgeblich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats.

24

1)

Danach ist die Berufung der Kläger zulässig. Insbesondere ist für den Kläger zu 5. das Rechtsschutzbedürfnis nicht bereits dadurch entfallen, dass ihm im Laufe des Berufungsverfahrens eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a AufenthG erteilt worden ist. Denn der Beklagte hat bereits die Rücknahme jener auch aus der Sicht des Klägers zu 5. (vgl. Schriftsatz v. 14.6.2012) fehlerhaft ausgestellten Aufenthaltsgenehmigung angekündigt und das entsprechende Anhörungsschreiben unter dem 11. Juni 2012 erlassen.

25

Unerheblich ist zudem, dass die von den Klägern am 15. Oktober 2008 begehrte Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a AufenthG gemäß § 104 a Abs. 5 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nur mit einer Gültigkeit bis zum 31. Dezember 2009 erteilt werden konnte und dieser Zeitpunkt zwischenzeitlich verstrichen ist. Die Kläger haben gleichwohl ein Rechtsschutzbedürfnis für ihr sinngemäß auch auf die Vergangenheit bezogenes Begehren. Ein Ausländer kann nämlich die Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich auch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung beanspruchen, wenn die rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die weitere aufenthaltsrechtliche Stellung des Ausländers erheblich sein kann (BVerwG, Urt. v. 11.1.2011 - 1 C 22/09 -, BVerwGE 138, 336 = NVwZ 2011, 939; v. 26.10.2010 - 1 C 19/09 -, AuAS 2011, 26 = NVwZ 2011, 236; v. 9.6.2009 - 1 C 7/08 -, InfAusl 2009, 378 = NVwZ 2009, 1431 m.w.N..; GK-AufenthG, Stand: März 2012, § 104 a Rdnr. 144 ff). In diesem Sinne haben die Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der rückwirkenden Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung des § 104 a AufenthG. Diese Aufenthaltserlaubnis war nämlich zum einen Voraussetzung für eine bis zum 31. Dezember 2011 mögliche Verlängerung nach § 104 a Abs. 5 Satz 2 AufenthG. Zum anderen hatten sich die Innenminister und Innensenatoren der Länder auf der Innenministerkonferenz vom 3./4. Dezember 2009 auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf eine weitergehende Anschlussregelung für die inzwischen ausgelaufenen Aufenthaltserlaubnisse auf Probe nach § 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG geeinigt (BVerwG, Urt. v. 26.10.2010 - 1 C 19/09 -, AuAS 2011, 26 = NVwZ 2011, 236), was zu dem o.a. Runderlass des Nds. Ministeriums für Inneres, Sport und Integration vom 11. Dezember 2009 (42.12-12230.1-8 (§ 23), Bleiberechtsregelung 2009) geführt hat. Schließlich sind die Innenminister und Innensenatoren der Länder auf der Innenministerkonferenz am 9. Dezember 2011 im Einvernehmen mit dem Bundesminister davon ausgegangen, dass bei einer günstigen Integrationsprognose über§ 8 AufenthG eine weitere Verlängerung der ursprünglich nach § 104 a AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnisse zulässig ist. Diese Vorgabe ist mittlerweile durch den o.a. Runderlass des Nds. Ministeriums für Inneres, Sport und Integration vom 19. Dezember 2011 (42.12-12230.1-8 (§ 23), Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Bleiberechtsregelung 2009) umgesetzt worden.

26

2)

Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet.

27

a)

Den Klägern zu 1. und 2. steht ein Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG iVm. den Folgeerlassen zu.

28

aa)

Die Kläger zu 1. und 2. erfüllten bei Antragstellung 2008 die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach§ 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG (zunächst mit einer Gültigkeit bis 31.12.2009; allg. zu § 104 a AufenthG vgl. Wolff, Die Altfallregelung- Bleiberecht auch bei dauerndem Sozialhilfebezug?, ZAR 2011,54 ff).

29

(1)

Die Kläger zu 1. und 2. sind im Februar 2001 (mit ihren minderjährigen Kindern, den Klägern zu 3., 4. und 5.) in das Bundesgebiet eingereist, hielten sich zu dem Stichtag (1. Juli 2007) mithin seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet auf. In diesem Zeitraum verfügten sie zudem ununterbrochen über eine Aufenthaltsgestattung, später über eine Duldung (§ 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG).

30

(2)

Zureichender Wohnraum war/ist vorhanden (§ 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG).

31

(3)

Ausweislich der Erkenntnisse in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht verfüg(t)en die Kläger zu 1. und 2. über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse (§ 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG).

32

(4)

Anhaltspunkte für etwaige Straftaten oder Bezüge zu terroristischen/extremistischen Organisationen waren/sind den Vorgängen nicht zu entnehmen (§ 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und 6 AufenthG).

33

(5)

Der Ausschlussgrund des § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG lag ebenfalls nicht vor.

34

Die Kläger zu 1. und 2. hatten schon bei der Anhörung vor dem Bundesamt ihr Familienbuch und ihre beiden syrischen Personalausweise übergeben, also nicht über ihre Identität getäuscht.

35

Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass die Kläger zu 1. und 2. Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert oder behindert haben.

36

Dem steht zum einen schon entgegen, dass die zu fordernde Mitwirkungspflicht den Klägern zu 1. und 2. gegenüber nicht zureichend konkret und für diese erkennbar aktualisiert worden ist (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Urt. v. 26.10.2010 - 1 C 18/09 -, InfAuslR 2011, 92 = AuAS 2011, 86; OVG NRW, Beschl. v. 21.1.2008 - 18 B 1864/07 -, NVwZ-RR 2008, 423; VG Hamburg, Urt. v. 21.5.2008 - 8 K 1025/07 -, [...]). Die (bloßen) mündlichen Aufforderungen reichen hierfür nicht aus. Schriftlich ist erstmals im Laufe des Berufungsverfahrens mit Bescheid vom 1. November 2011 (GA Bl. 157) mit dem gebotenen Nachdruck (für die Kläger zu 3. bis 6., die Kläger zu 1. und 2. hatten bereits 2008 einen gültigen Pass vorgelegt) auf das Erfordernis eines Passes hingewiesen worden.

37

Und selbst wenn man davon ausgeht, dass auch die anlässlich einer ausländerbehördlichen Vorladung abgegebene Erklärung, keinen Pass beschaffen zu wollen, der dann in der Folgezeit auch entsprechendes Verhalten folgt, unter § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG zu subsumieren, also der Erlass einer konkretisierenden Verfügung nicht zusätzlich erforderlich ist (vgl. hierzu allg. GK-AufenthG, Stand: März 2012, § 104 a Rdnr. 85 m.w.N..), greift der Ausschlussgrund des § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG vorliegend nicht ein. Selbst wenn man nämlich eine formlose Aufforderung zur Passvorlage durch den Beklagten als ausreichend ansähe, kann dem Ausländer ein Unterlassen nach Treu und Glauben dann nicht vorgehalten werden, wenn zwar unstreitig ist, dass er seine Rechtspflichten gekannt hat, die Ausländerbehörde aber ihrerseits über Jahre hinweg untätig geblieben und den Zustand beanstandungslos hingenommen hat, obgleich sie ihrerseits gem. § 82 Abs. 3 AufenthG verpflichtet ist, den Ausländer auf seine Mitwirkungspflichten hinzuweisen (OVG NRW, Beschl. v. 19.8.2009 - 18 A 3049/08 -, [...], Rdnr. 72; GK-AufenthG, Stand: März 2012, § 104 a Rdnr. 85; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Nov. 2011, § 104 a AufenthG, Anm. 17; vgl. allg. zu den Pflichten von Ausländer und Behörde auch Sen., Beschl. v. 19.7.2011 - 2 LA 229/10 -; v. 28.6.2010 - 2 LB 409/07 -; Urt. v. 27.5.2010 - 2 LB 577/04 -; Beschl. v. 31.7.2007 - 2 LA 1197/06 -; Franßen-de la Cerda, Die Verpflichtung des Ausländers zur Mitwirkung (§ 82 AufenthG), ZAR 2010, 81 ff). Nach diesen Kriterien greift der Ausschlussgrund nicht ein. Der vorliegende Fall zeichnet sich gegenüber der Mehrzahl sonstiger bei dem Senat anhängiger Verfahren durch die Besonderheit aus, dass die Kläger zu 1. und 2. bereits unmittelbar nach ihrer Einreise (Februar 2001) dem Bundesamt ihr syrisches Familienbuch und ihre beiden syrischen Personalausweise übergeben haben und diese Unterlagen danach in den Besitz des Beklagten gekommen sind. Obgleich der Beklagte mithin seit etwa Mitte 2002 (rechtskräftiger Abschluss des Asylverfahrens) im Besitz dieser Originalunterlagen war, hat er den Klägern zu 1. und 2. seit 2002 nicht mit dem gebotenen, gerade auch für die Kläger erkennbaren Nachdruck deutlich gemacht, dass sie sich unter Vorlage des syrischen Familienbuches und der beiden syrischen Personalausweise intensiv um die Ausstellung von Pass(Ersatz)papieren für sich und ihre Kinder, die Kläger zu 3. bis 6. zu bemühen haben. So wurde am 14. Januar 2004 die Aufforderung, einen Passersatzantrag vollständig auszufüllen, lediglich mündlich ausgesprochen. Anschließend wurden über einen langen Zeitraum kontinuierlich Duldungen erteilt, wobei zwar in einzelnen Fällen intern vermerkt wurde, dass die Kläger sich weigerten, den Passersatzantrag zu unterschreiben, konkrete schriftliche oder mündliche Aufforderungen an die Kläger, sich um einen Pass zu bemühen, sich indes dem Verwaltungsvorgang nicht entnehmen lassen. Auch im April 2008 hat der Beklagte ausweislich des vorliegenden Verwaltungsvorgangs die Kläger wiederum nur mündlich auf die Pässe angesprochen, nachdem er den Klägern im Februar 2007 (im Zusammenhang mit der Ende 2006 von den Innenministern/Innensenatoren der Länder getroffenen Bleiberechtsregelung) die Personalausweise zur Passbeschaffung ausgehändigt hatte. Der Beklagte hat auch keine Anstrengungen unternommen, von sich aus mit Hilfe der vorliegenden Unterlagen, gegebenenfalls unter Einschaltung weiterer Behörden, bei der syrischen Botschaft in Berlin auf die Ausstellung von Pass(Ersatz)papieren hinzuwirken, obgleich Ausländerbehörden insbesondere bei einer unzureichenden Mitwirkung des Heimatlandes häufig über bessere Kontakte als der Ausländer hinsichtlich etwaiger noch bestehender Möglichkeiten zur Beschaffung von Heimreisepapieren verfügen (vgl. VGH München, Urt. v. 15.11.2006 - 24 B 06/1700 -, [...] Rdnr. 61). Die Ausführungen des Beklagten, erfahrungsgemäß hätten Vorsprachen bei der syrischen Botschaft in jener Zeit nichts erbracht, vermag seine Untätigkeit nicht zu exkulpieren. Zwar trifft es zu, dass sich die Zusammenarbeit mit syrischen Behörden insb. in dem hier maßgeblichen Zeitraum problematisch gestaltete. Das rechtfertigt es aber nicht, derartige Bemühungen von vornherein zu unterlassen, zumal der Beklagte - wie dargelegt und abweichend von der Mehrzahl der dem Senat bekannten Fällen - sowohl im Besitz des Familienbuches als auch zweier syrischer Personalausweise war. Der Auffassung des Beklagten, die Duldungen seien jeweils nur für einen kurzen Zeitraum erteilt worden, schon dieses habe den Klägern zu 1. und 2. deutlich machen müssen, dass von ihnen weitergehende Mitwirkungspflichten erwartet würden, vermag der Senat nicht zu folgen; denn aus Sicht der Kläger war allein maßgeblich, dass die - wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum - erteilten Duldungen im Ergebnis jeweils wieder (um einen kurzen Zeitraum) verlängert wurden.

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(6)

Die Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) war für die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht erforderlich; die sogenannte "Aufenthaltserlaubnis auf Probe" sollte vielmehr (gerade) die Möglichkeit geben, eine Erwerbstätigkeit zu finden (BT-Druck16/5065 S. 202 f; Wolff, Die Altfallregelung - Bleiberecht auch bei dauerndem Sozialhilfebezug?, ZAR 2011, 54).

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(7)

Gemäß § 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG "soll" (sollte) eine Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der genannten Vorgaben erteilt werden. Die Vorschrift eröffnet(e) mithin kein freies Ermessen für die Ausländerbehörden, lediglich bei atypischen Ausnahmefällen kann (konnte) sie versagt werden (Wolff, Die Altfallregelung- Bleiberecht auch bei dauernden Sozialhilfebezug ?, ZAR 2011,54 ff.; Hailbronner, AufenthG, Stand: Nov. 2011, § 104 a AufenthG Rdnr. 29). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Ausnahmefalls sind indes nicht gegeben. Insbesondere lagen für die Kläger zu 1. und 2. bei Antragstellung auch Reisepässe vor (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG)

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bb)

Wie bereits das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil ausgeführt hat, wären die Aufenthaltserlaubnisse für die Kläger zu 1. und 2. Ende 2009 auch um zwei Jahre (bis zum 31.12.2011) zu verlängern gewesen.

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So hat der Kläger zu 1. zum 1. Januar 2009 eine Arbeit aufgenommen (Arbeitgeber: H.) und verdiente im Jahr mtl. netto rd. 800,-- EUR, während die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (insg.) 528,07 EUR (Schreiben der Gemeinde Saterland v. 5.5.2009, BA A aE) betrugen. Es kann dahinstehen, ob damit aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles bereits die Vorgaben des § 104 a Abs. 5 AufenthG als erfüllt anzusehen sind, weil mit zu berücksichtigen wäre, dass zugunsten der Kläger bislang noch kein Aufenthaltstitel (nach § 104 a Abs. 1 AufenthG) erteilt worden war und daher auch ihr prekärer ungesicherter aufenthaltsrechtlicher Status eine frühere und/oder umfassendere Arbeitsaufnahme insbesondere des Klägers zu 1. erschwert haben dürfte (vgl. zu diesem Gesichtspunkt GK-AufenthG, Stand: März 2012, § 104 a Rdnr. 164, 166 ff).

42

Unabhängig davon wären die Aufenthaltserlaubnisse nämlich nach dem Runderlass des Niedersächsischen Innenministeriums für Inneres, Sport und Integration vom 11. Dezember 2009 (42.12-12230.1-8 (§ 23), Bleiberechtsregelung 2009), der auf der von den Innenministern und -senatoren der Länder im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern am 4. Dezember 2009 getroffenen Anordnung nach§ 23 Abs. 1 AufenthG beruht, bis zum 31. Dezember 2011 zu verlängern gewesen; denn der Kläger zu 1. hat durch seine (weiterbestehende) Arbeitstätigkeit belegt, dass er um die vollständige Sicherung des Lebensunterhalts für seine Familie (weiterhin) bemüht ist, so dass (Ende 2009) auch die Prognose gerechtfertigt gewesen wäre, in zwei (weiteren) Jahren werde der Lebensunterhalt der Kläger eigenständig gesichert sein (Runderlass unter lit.c). Zureichende Anhaltspunkte, dass der Kläger zu 1. generell arbeitsunwillig ist, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat er schon von März bis November 2003 in einer Schlachterei gearbeitet, die Arbeitserlaubnisse wurden damals jedoch nicht verlängert (BA A Mitte.) Selbständig tragend kommt hinzu, dass nach jenem Runderlass der Ehegatte und die minderjährigen Kinder in die dem Kläger zu 1. zu erteilende Aufenthalterlaubnis "einbezogen werden" können (Runderlass lit e), was möglicherweise auch dahin zu verstehen ist, dass insoweit ein eigener Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ohne weitere Voraussetzungen besteht (in diesem Sinne wohl Wolff, Die Altfallregelung - Bleiberecht auch bei dauerndem Sozialhilfebezug?, ZAR 2011, 54, 57).

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cc)

Die Aufenthaltserlaubnisse der Kläger zu 1. und 2. wären schließlich nach dem Runderlass des Nds. Ministeriums für Inneres und Sport vom 19. Dezember 2011 (42.12-12230.1-8 (§ 23), Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Bleiberechtsregelung 2009 (nach § 23 Abs. 1 iVm. § 104 a AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnisse)) erneut um zwei Jahre (bis 31.12.2013) zu verlängern gewesen. Nach dem Runderlass von 2011 kann in Anwendung von § 8 AufenthG auf der Grundlage des Runderlasses von 2009 erneut eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse nach § 104 a Abs. 1 AufenthG für (weitere) zwei Jahre ausgesprochen werden, wenn (weiterhin) eine günstige Integrationsprognose erstellt werden kann und die Begünstigten sich um die Sicherung des Lebensunterhalts bemühen. Diese Voraussetzungen liegen vor, da der Kläger zu 1. weiterhin in dem 2009 begründeten Arbeitsverhältnis steht (vgl. GA Bl. 173,174). Ausweislich der Berechnung des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 13. März 2012 beträgt der (für die Kläger zu 1. bis 6.) anzusetzende Bedarf 2.328, 49 EUR. Dem sind zum einen 773,00 Kindergeld und 560,00 EUR Kinderzuschlag nach § 6 a BKGG gegenüberzustellen (§ 3 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Anzurechnen ist zum anderen das Arbeitseinkommen von 793,75 EUR. Dieses Arbeitseinkommen ist nicht um den Freibetrag für Erwerbstätigkeit (vgl. § 11 Abs. 1 iVm. § 11 b Abs. 3 SGB II) zu mindern; denn der Freibetrag wird in erster Linie aus arbeitsmarkt- bzw. beschäftigungspolitischen Gründen gewährt und soll eine Anreizfunktion zur Aufnahme bzw. Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit haben, nicht aber einen Mangel an ausreichenden festen und regelmäßigen Einkünften ausgleichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.11.2010 - 1 C 20/09 -, BVerwGE 138,135 = NVwZ 2011, 825, die Entscheidung ist zwar in Umsetzung des Urteils EuGH v. 4.3.2010 - C-578/08 -, Chakroun, InfAuslR 2010, 221 [EuGH 04.03.2010 - Rs. C-578/08] ergangen und betrifft die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, ist jedoch entsprechend auf eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu übertragen; a.A. Deibel, Die neue Aufenthaltserlaubnis für Jugendliche und Heranwachsende in § 25 a AufenthG, ZAR 2011, 241; vgl. allg. auch Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Mai 2012, § 2 AufenthG Rdnr. 27; GK-AufenthG, Stand: Juni 2012, § 2 Rdnr. 65). Insgesamt sind mithin 2.126, 75 EUR als Einkommen gegenüber zu stellen, so dass ein ungedeckter Bedarf von (nur) 201,74 EUR verbleibt. Eine günstige Integrationsprognose ist damit gerechtfertigt, zumal davon auszugehen ist, dass die Klägerin zu 2. in Zukunft mit zum Lebensunterhalt beitragen kann, weil die vier Kinder mit zunehmendem Alter nicht mehr auf die dauernde Anwesenheit der Mutter angewiesen sein dürften.

44

b)

Die Kläger zu 5. und 6. haben ebenfalls einen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 104 a AufenthG iVm. den Folgeerlassen. Der Anspruch eines minderjährigen Kindes, das mit seinen Eltern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft lebt, auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung in§ 104 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist dort zwar nicht ausdrücklich geregelt, er ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung und dem vom Gesetzgeber damit verfolgten Zweck (vgl. auch BT-Drs. 16/5065 S. 202 zu § 104 a; BVerwG, Urt. v. 25.8.2009 - 1 C 20.08 - Buchholz 402.242 § 104 a AufenthG Nr. 3 = InfAuslR 2010, 113 Rn. 16 f. m.w.N; GK-AufenthG, Stand: März 2012, § 104 a Rdnr. 39). Allerdings gewährt die Vorschrift nur ein akzessorisches Aufenthaltsrecht für den Fall, dass die Eltern ihrerseits einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift haben (BVerwG, Beschl. v. 30.6.2011 - 1 B 32/10 u.a. -, InfAuslR 2011, 340; Urt. v. 11.1.2011 - 1 C 22/98 -, BVerwGE 138, 336 [BVerwG 11.01.2011 - BVerwG 1 C 22.09] = NVwZ 2011, 939). Das ist der Fall, wie sich aus den Ausführungen unter a) ergibt.

45

c)

Auf § 25 a Abs. 2 AufenthG oder § 25 Abs. 5 AufenthG können die Kläger ihr Begehren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen dagegen nicht stützen.

46

aa)

§ 25 a Abs. 2 AufenthG kommt nicht zum Tragen, weil der Lebensunterhalt der Kläger - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - entgegen den Vorgaben in §§ 25 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht vollständig durch eigenes Erwerbseinkommen gesichert ist. Das gilt auch, wenn man die zwischenzeitlich über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a Abs. 1 AufenthG verfügenden Kläger zu 3. und 4. aus der Bedarfsberechnung herausnimmt, da dann entsprechend auch das auf sie entfallende Kindergeld und der Kinderzuschlag abzusetzen wären. Möglichkeiten, von der besonderen Erteilungsvoraussetzung des§ 25a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen, bestehen nach dem Wortlaut und der Intention des Gesetzgebers (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 17/4401, S. 17) nicht. Die Bestimmung des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG gilt insoweit nicht. Sie gestattet lediglich ein Absehen vom Erfordernis der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des§ 5 Abs. 1 und 2 AufenthG, nicht aber besonderer, wenn auch inhaltsgleicher Erteilungsvoraussetzungen in speziellen Rechtsgrundlagen (erk. Gericht, Urt. v. 19.3.2012 - 8 LB 5/11 -, [...]; Deibel, Die neue Aufenthaltserlaubnis für Jugendliche und Heranwachsende, ZAR 2011, 241, 246; Welte, Neues humanitäres Aufenthaltsrecht für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende, SächsVBl. 2011, 249, 254).

47

bb)

Auch § 25 Abs. 5 AufenthG greift nicht ein, da dieser über § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ebenfalls grundsätzlich die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts voraussetzt. Anhaltspunkte von dieser Regelerteilungsvoraussetzung abzusehen oder im Rahmen des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen, liegen nicht vor, zumal den Klägern über § 104 a AufenthG iVm. den nachfolgenden Erlassen bereits ein weiterer Verbleib im Bundesgebiet ermöglicht wird.