Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.11.2012, Az.: 1 ME 128/12

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.11.2012
Aktenzeichen
1 ME 128/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 44498
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 04.07.2012 - AZ: 12 B 2648/12

Tenor:

Die Beschwerden des Antragsgegners und des Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 12. Kammer - vom 4. Juli 2012 werden zurückgewiesen.

Antragsgegner und Beigeladener tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte; außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Unter Änderung der Streitwertfestsetzung im angegriffenen Beschluss wird der Streitwert für das Verfahren im ersten und im zweiten Rechtszug auf jeweils 10.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller wendet sich zum Schutze seines Wohnhauses gegen die Vollziehung der Baugenehmigung vom 20. Juli 2011, mit der dem Beigeladenen nicht nur genehmigt worden war, einen Schweinemaststall (Betriebseinheit <BE> 3: 140 Mastplätze) zu beseitigen und an seiner Stelle eine Mehrzweckhalle (ohne Tierhaltung), sondern außerdem, einen östlich davon gelegenen Schweinemaststall (BE 2) um einen westlichen Anbau zu erweitern, in den hinein die 140 Plätze aus der BE 3 verlegt und weitere 60, insgesamt also 200 Schweinemastplätze entstehen sollen. BE 2 und BE 2a enthielten dann 600 Mastschweinplätze. Der Antragsteller meint, er brauche diese Maßnahmen nicht hinzunehmen, auch wenn mit ihr durch den Fortfall des näher an seinem Wohnhaus stehenden Schweinemaststalles BE 3 eine als geringfügig anzusehende Verminderung der Geruchsbelastung verbunden sei. Denn die Geruchsgesamtbelastung überschreite noch immer ganz erheblich das nach der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) zulässige Maß von 15 % der Jahresstunden.

Der Antragsteller kaufte im Jahre 2002 das im Aktivrubrum genannte, an der Westseite der hier nordsüdlich verlaufenden F. Straße gelegene Grundstück, das mit einem nach Westen geöffneten U-förmigen Gebäudekomplex bebaut ist. Den östlichen Teil nutzt er zu allgemeinen Wohnzwecken. Sein Grundstück liegt im Geltungsbereich einer seit 1986 rechtsverbindlichen Innenbereichssatzung.

Das Betriebsgrundstück des Beigeladenen liegt östlich davon auf der anderen Straßenseite. Vor Durchführung der hier in Rede stehenden Baumaßnahme war das querrechteckig geschnittene und langgestreckte Areal folgendermaßen baulich genutzt: Straßenseitig steht ein Wohnhaus. An das schloss sich der im Unterdrucksystem belüftete Stall mit 140 Schweinemastplätzen (Betriebseinheit <BE> 3) und 12 m hohen Luftschächten an. Dieser ist im Zuge der hier interessierenden Baumaßnahme ebenso beseitigt worden wie ein nördlich davon stehender Schuppen (BE 5), um Platz für die nordsüdlich aufzustellende Mehrzweckhalle (Unterstellen von Maschinen und Gerät) zu schaffen. Die bisher be- zeichneten Gebäude liegen im Geltungsbereich der oben genannten Innenbereichssatzung. Östlich und außerhalb davon soll auf der Grundlage der Baugenehmigung vom 20. Juli 2011 im Nordostwinkel des Areals (Flurstück 3/1) ein Fahrsilo (BE 10) errichtet werden. Südlich seines Aufstellungsortes (Flurstück 1/2) steht ein frei belüfteter Stall (BE 2) mit Mastplätzen für Schweine bis 110 kg. Die bisherige Westwand dieses Gebäudes steht etwa 100 m vom Wohnhaus des Antragstellers entfernt. An dieses Gebäude (BE 2) soll unter Beseitigung einer kleinen Scheune auf der Grundlage der Baugenehmigung vom 20. Juli 2011 westlich die 20,33 m tiefe und 21,44 m lange BE 2a angefügt werden. Die BE 2a soll, wie die BE 2, mit Schwerkraftlüftung, d.h. als Offenstall mit Entlüftung am First hergestellt und betrieben werden.

Zur Vorbereitung der Baugenehmigung waren Gutachten vom Dipl.-Ing. agr. (FH) G. H. erstellt worden. Dieser kam in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 20. Dezember 2010 (Bl. 107/133 d. BA C) zum Ergebnis, im gegenwärtigen Zustand sei das Grundstück des Antragstellers an 25,2 % der Jahresstunden Gerüchen ausgesetzt; bei Verwirklichung und Ausnutzung des Bauscheins vom 20. Juli 2010 seien Geruchshäufigkeiten von 24,6 % der Jahresstunden zu erwarten. Unter dem 8. Juni 2012 errechnete derselbe Gutachter eine Vorbelastung nach dem Ist-Zustand von 27,0 % der Jahresstunden und im Plan-Zustand von 26,4 %.

Der Antragsgegner gab dem Aussetzungsantrag des Antragstellers zunächst statt und lehnte ihn später ab. Den daraufhin gestellten Eilantrag hat das Verwaltungsgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss, auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, und im wesentlichen folgender Begründung stattgegeben, soweit mit dem Bauschein vom20. Juli 2011 Errichtung und Betrieb des Schweinestalls BE 2a (Erweiterung für 200 Tierplätze) genehmigt worden ist:

Dieses Vorhaben sei u.a./insbesondere gegenüber dem Antragsteller rücksichtslos. Es sei zwar nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert. Auch solche Vorhaben müssten jedoch nach Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 dieser Vorschrift auf benachbarte Wohnbebauung Rücksicht nehmen. Das tue das angegriffene Vorhaben nicht in ausreichendem Maße. Die Rücksichtnahme habe vor der Schwelle zur Gesundheitsbeeinträchtigung zu beginnen. Als Regelwerke seien insoweit nicht die TA Luft (nur Vorsorge, d.h. kein Nachbarschutz) oder die VDI Richtlinie 3471 (im Nahbereich sowie bei mehreren Emittenten eine Sonderbeurteilung erforderlich) oder nach der VDI Richtlinie 3894 (bislang nur Entwurf für Entfernungen), sondern nach der Geruchsimmissions-Richtlinie (- GIRL -, Einführungserlass v. 23.7.2009, Nds.MinBl. 2009, 794) zu beurteilen. Im Innenbereich, der hier einem Dorfgebiet entspreche, brauche das Grundstück des Antragstellers grundsätzlich nur 15 % der Jahresstunden hinzunehmen. Je nach Ortsüblichkeit könne es zwar gerechtfertigt sein, diesen Wert zum Nachteil von Wohnbebauung auf bis zu 20 % der Jahresstunden zu erhöhen. Dieser Wert werde jedoch nach allen drei Varianten des Gutachtens H. überschritten. Ausnahmen vom Grundsatz, nicht mehr als 20 % der Jahresgeruchsstunden hinnehmen zu müssen, kämen jedenfalls in dieser Sachlage nicht in Betracht. Andere Grundlagen, den Stall BE 2a zuzulassen, existierten nicht. Nr. 4.2 der GIRL/Nr. 3.5.4 der TA Luft gestatteten eine Änderung trotz die Toleranzgrenzen übersteigender Vorbelastungen nur dann, wenn die (Um-)Baumaßnahme allein oder weit überwiegend der Immissionsminderung diene. Das sei hier nur hinsichtlich der BE 4, nicht jedoch hinsichtlich der BE 2/2a der Fall. Die Prognostizierte Minderung der Immissionsgesamtbelastung sei allein darauf zurückzuführen, dass in der BE 4 die Abluftführung gebündelt und die Austrittsöffnung erhöht worden sei. Dass die Erteilung einer Genehmigung, deren Ergebnis die vorhandene Situation nicht auf das immissionsrechtlich noch zulässige Maß zurückführe, nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht komme, zeige auch § 6 Abs. 3 BImSchG. Dessen Voraussetzungen lägen nicht vor. Daher brauche nicht geprüft zu werden, ob den Antragsgegner am Ende sogar die Pflicht treffe, zulasten des Beigeladenen Maßnahmen nach §§ 22, 24 BImSchG zu ergreifen. Der Beigeladene habe durch die Wahl eines Außenklimastalles das vorhandene Immissionsminderungspotential bei weitem nicht ausgeschöpft. Er habe auch nicht dargetan, keine Standortalternativen gehabt zu haben, deren Wahl den Antragsteller geringeren Umfangs belastet hätte.

Hiergegen richten sich die Beschwerden des Antragsgegners und des Beigeladenen, denen der Antragsteller entgegentritt.

Die Beschwerden haben keinen Erfolg. Eine wegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die rechtzeitig geltend gemachten Beschwerdegründe zu beschränkende Prüfung rechtfertigt es nicht, den Beschwerden stattzugeben.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht zu der Auffassung gelangt, der mit dem angegriffenen Bauschein vom 20. Juli 2011 genehmigte Stall BE 2a werde Nachbarrechte des Antragstellers verletzen. Sein Ausgangspunkt, dieses Vorhaben müsse sich der Prüfung stellen, ob seine Nutzung Abwehransprüche des Antragstellers verletzt, d. h. diesen unzumutbaren Geruchsbeeinträchtigungen aussetzt, ist nicht zu beanstanden. Jedes hinzutretende Bauvorhaben/Bauwerk muss sich der Prüfung stellen, ob es mit den jetzt geltenden Bauvorschriften in der jetzt gegebenen Situation zu vereinbaren ist. Dass vor seiner Realisierung auf dem Baugrundstück oder in der Nachbarschaft im Wesentlichen die gleichen oder sogar leicht schlechtere Umstände herrschten, wie sie nach dem Neubau gegeben sein sollen, verhilft dem Neubau nicht gleichsam automatisch zur Baurechtmäßigkeit und Nachbarverträglichkeit. Schon die Existenz von Ausnahme-Regelungen wie § 6 Abs. 3 BImSchG und § 34 Abs. 3a BauGB (Fremdkörperregelungen) zeigt, dass grundsätzlich in jedem Baugenehmigungsverfahren neu zu beantworten ist, ob das Vorhaben mit den jetzt geltenden Rechtsvorschriften bzw. Vorstellungen über die Zumutbarkeit und die Vereinbarkeit mit konkurrierenden Nutzungen zu vereinbaren ist. Das wird etwa bei dem Parallelbeispiel deutlich, dass ein geschützter, geltendes Abstandsrecht aber verletzender Altbestand beseitigt und durch einen Neubau ersetzt werden soll. Dieser darf nicht, jedenfalls nicht ohne Weiteres (d. h. ohne spezielle Gesetzeshilfe, wie sie beispielsweise § 13 Abs. 1 Nr. 4 NBauO a. F. bot) in gleicher Weise die Grenzabstandsvorschriften verletzen, wie dies der Altbestand - und sei es wegen einer nach seiner Errichtung in Kraft getretener Gesetzesänderung - getan hatte. Es entspricht daher einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass sich auch bei Änderung von Anlagenteilen die Prüfung auf das erstreckt, was von der Anlage dann insgesamt an Belästigungen ausgeht und ob dies mit dem jetzt geltenden Baurecht zu vereinbaren ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.2.1977 - 4 C 9.75 -, DVBl. 1977, 770 = RdL 1977, 290).

Selbst wenn die Verwirklichung des streitigen Vorhabens dazu führen sollte, dass der Hof des Beigeladenen die Nachbarschaft in geringerem oder gleichem Maße mit Gerüchen belastet, ist damit die Baurechtmäßigkeit und die Nachbarverträglichkeit des Neu- /Umbauvorhabens nicht eo ipso erwiesen. Vielmehr ist zu untersuchen, ob der Geruchsbeitrag, den der Stall BE 2a nun einmal leistet (und dessen Beitrag der Antragsteller auf der Grundlage der Äußerung des TÜV Nord vom 24.8.2012 auf <gewichtet> 12 % der Geruchsstunden veranschlagt; vgl. Bl. 332 d.GA), in der vorgegebenen Situation den Nachbarn, namentlich dem Antragsteller noch zugemutet werden kann.

Die Richtigkeit dieser Auffassung erweist sich auch daran, dass - worauf die Antragstellerseite zutreffend hinweist - mit früheren Baugenehmigungen, namentlich denjenigen aus dem Jahre 2004 dem Beigeladenen nicht abstrakt, d.h. unabhängig von damit genehmigten, ihren Immissionsbeitrag verursachenden Baulichkeiten und Nutzungen ein abstraktes Emiss-/Immissionsniveau auf unabsehbar lange Zeit genehmigt worden ist. Vielmehr erstreckt sich die Legalisierungswirkung (und im Falle der Unanfechtbarkeit von Bauscheinen dementsprechend die Duldungspflicht der Nachbarn) nur auf die Gebäude und Nutzungen, welche von diesen Baugenehmigungen er-/umfasst worden sind.

Das Hinzutreten der BE 2a ist in der gegenwärtigen Situation dem Antragsteller nicht zuzumuten. Nach § 35 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 BauGB darf das streitige Vorhaben nicht zum Nachteil des Antragstellers zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen. Es darf mithin keine erheblichen Nachteile oder Belästigungen für die Nachbarschaft hervorrufen können (vgl. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BImSchG).

Das Verwaltungsgericht hat auf Seite 8 des Beschlussabdrucks zutreffend dargelegt, die TA Luft stelle insoweit kein zureichendes Regelwerk für die Beurteilung zur Verfügung, weil sich diese auf Vorsorge -, das sind nicht die Gesichtspunkte beschränke, welche im Nachbarstreit allein ausschlaggebend sind. Auch die VDI-Richtlinie 3471 ist im Nahbereich, um den es sich hier handelt, nicht anzuwenden. Dementsprechend hat eine Sonderbeurteilung stattzufinden, bei der die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL), eingeführt durch gemeinsamen Runderlass vom 23.7.2009 (Nds.MinBl. 2009, 794) in vorzüglicher Weise heranzuziehen ist. Diese stellt nach verbreiteter Auffassung, welcher auch dieser Senat folgt, zwar keine Rechtsquelle dar und auch kein rechtlich verbindliches Regelwerk. Sie ist jedoch als antizipiertes generelles Sachverständigengutachten anzusehen, welches auf den Erkenntnissen und den Erfahrungen von Sachverständigen beruht und allgemeine Erfahrungssätze auflistet, die in vielfältigen Verfahren erprobt, zur Diskussion gestellt und ergänzt worden sind. Die in ihr niedergelegten Erkenntnisse beruhen auf fachwissenschaftlichen Gutachten und Untersuchungen; sie geben dem Prüfer ein Instrumentarium an die Hand, alle zur Beurteilung schädlicher Einwirkungen maßgeblichen Umstände wie Oberflächengestaltung, Hedonik, Vorbelastungen rechtlicher und tatsächlicher Art sowie Intensität der Geruchseinwirkungen zu beurteilen (vgl. zum Vorstehenden: OVG Münster, Urt. v. 20.9.2007 - 7 A 1434/06 -, BauR 2008, 71 = RdL 2008, 63 = BRS 71 Nr. 58, Juris-Rdnrn. 57 f.; Urt. v. 25.3.2009 - 7 D 129/07.NE -, RdL 2009, 174 = BRS 74 Nr. 22, Juris-Rdnr. 115; Nds.OVG, Urt. v. 22.6.2010 - 12 LB 213/07 -, RdL 2010, 347 = BRS 76 Nr. 161, Juris-Rdnr. 47 ff.; Beschl. v. 26.6.2007 - 12 LA 14/07 -, RdL 2007, 240, Juris-Rdnrn. 6 und 7).

In Rede steht die Nachbarverträglichkeit des Stalles BE 2a in einem Bereich, der entweder als Dorfgebiet oder aber als Bereich einzustufen ist, in dem getrennt durch die F. Straße intensivere landwirtschaftliche Nutzung östlich der Straße auf sehr verbreitete nicht mehr landwirtschaftliche, allgemeine Wohnnutzung unmittelbar westlich von ihr trifft. Dass das Antragsteller-Wohnhaus den nördlichen Abschluss einer ganzen Reihe solcher Wohngebäude darstellt, zeigen u. a. der Plan Bl. 231 der Beiakte B sowie Bild und Eintragung auf Seite 23 des Gutachtens H. vom 20. Dezember 2010 (Bl. 130 der Beiakte C). Selbst in dem für den Beigeladenen voraussichtlich vorteilhafteren Fall, nämlich der einheitlichen Einordnung dieses Gebiets als Dorfgebiet unter Einschluss beider Straßenseiten fügt das angegriffene Vorhaben (BE 2a) dem Wohngrundstück des Antragstellers Geruchshäufigkeiten zu, die dieser in dieser Situation nicht mehr hinnehmen muss. Ausgangspunkt der Überlegungen hat zu sein, dass die GIRL in ihrer Nr. 3.1 Tabelle 1 in Dorfgebieten (nunmehr) ebenfalls einen Wert von 15 % der Jahresstunden Häufigkeiten zuordnet. Aus den Erläuterungen zu Nr. 3.1 der GIRL (Nds.MinBl. S. 806, rechte Spalte oben) ergibt sich, dass mit diesem Wert bereits dem Umstand Rechnung getragen wird/werden soll, dass Dorfgebiete der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, daneben auch dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben dienen und dort auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe vorrangig Rücksicht zu nehmen ist. In begründeten Einzelfällen soll es dieser Erläuterung zufolge allerdings zulässig sein, zwischen Dorfgebieten und dem Außenbereich Zwischenwerte zu bilden, was zu Werten von bis zu 0,20 am Rand des Dorfgebietes führen könne.

All das ist - wie oben angeführt - nicht gleichsam rechtssatzartig, sondern unter Berücksichtigung der besonderen Umstände der in Rede stehenden näheren Umgebung anzuwenden. Schon nach dem Wort der Erläuterungen allerdings fällt es nicht ganz leicht, zugunsten des angegriffenen Vorhabens die Möglichkeit eröffnet zu sehen, die Orientierungswerte von 15 auf 20 % der Jahresgeruchsstunden zu erhöhen. Denn die BE 2a soll zwar - darin sind sich die Beteiligten offenbar alle einig - im Außenbereich verwirklicht werden. „Am Rande des Dorfgebiets“ liegen indes möglicherweise nur der Hof des Beigeladenen und die südlich davon gelegenen landwirtschaftlichen Ställe, nicht jedoch die Wohnbebauung westlich der F. Straße.

Selbst wenn man dies anders sähe, und die Rechtsprechung zu früheren Fassungen der GIRL (ohne eigenen Immissionswert für Dorfgebiete) heranzöge, wäre hier eine Überschreitung des Jahresgeruchsstundenwertes von 0,2 nicht zu rechtfertigen. Zu Zeiten, in denen die Geruchsimmissionsrichtlinie einen gesonderten Wert für Dorfgebiete nicht aufwies, rechtfertigte man die Möglichkeit, die zumutbare Geruchshäufigkeit grundsätzlich auf bis zu 20% der Jahresstunden erhöhen zu können, mit der Überlegung, der Richtliniengeber habe keine starre, gleichsam mathematische Grenze für die Zumutbarkeit von Tierhaltungsgerüchen aufstellen, sondern die GIRL dem Rechtsanwender mit der Maßgabe an die Hand geben wollen, zu prüfen, ob „nach Lage der Dinge" eine Ausschöpfung des Korridors zwischen 15 und 20 % der Jahresgeruchsstunden angezeigt oder - auch das kam als umgekehrter Fall ernstlich in Betracht - nicht sogar der Wert von 15 % der Jahresstunden nicht einmal sollte erreicht werden dürfen (vgl. OVG Münster, Urt. v. 20.9.2007 - 7 A 1434/06 -, a.a.O., Juris-Rdnr. 51; Nds. OVG, Beschl. v. 26.6.2007 - 12 LA 14/07 -, a.a.O., Juris-Rdnr. 14). Maßgeblich hatte danach insbesondere zu sein, in welchem Verhältnis landwirtschaftliche und nicht landwirtschaftliche, d.h. allgemeine Wohnnutzung in dem fraglichen Bereich einander gegenüberstanden. Das konnte einerseits je nach Mischungsverhältnis und Windrichtungen zur Folge habe, dass die landwirtschaftliche Nutzung als auf dem Rückzug begriffen anzusehen und ihr damit geringere Geruchshäufigkeiten einzuräumen war, als sie der Wert von 15 % der Jahresstunden vermeintlich eindeutig verheißt. Dies konnte im umgekehrten Falle, in dem landwirtschafsunabhängiges Wohnen in einem kleinen Bereich nur dadurch als Einzelfall entstanden war, dass ein bislang landwirtschaftlichem Wohnen gewidmetes Gebäude aus der Solidargemeinschaft der Tierhalter einseitig ausschied, Geruchshäufigkeiten deutlich über 30 oder gar 50 % der Jahresstunden als noch zumutbare Geruchsbelastung zur Folge haben (vgl. Senatsurt. v. 25.7.2002 - 1 LB 980/01 -, RdL 2002, 313 = NVwZ-RR 2003, 24 = AUR 2003, 58).

Eine danach vorzunehmende Würdigung ergibt, dass in der hier gegebenen Sachlage jedenfalls der Wert von 20 % der Jahresstunden nicht überschritten werden kann. Die Bereiche westlich und östlich der F. Straße sind aller Voraussicht nach als Einheit, dabei als Innenbereich zu würdigen. Hier dominiert die landwirtschaftliche Nutzung nicht (mehr) in einem Maße, welches eine Übertragung der Grundsätze rechtfertigte, welche der Senat in seinem Urteil vom 25. Juli 2002 (- 1 LB 980/01 -, aaO) entwickelt hatte. Vielmehr ist jedenfalls nach den bislang vorliegenden Unterlagen anzunehmen, dass die aus etwa acht Gebäuden bestehende Reihe von Wohnhäusern, die westlich der F. Straße steht und deren nördlichen Abschluss das des Antragstellers bildet, nicht mehr "landwirtschaftlichem"; sondern "allgemeinem" Wohnen dient. Damit ist im unmittelbaren Umfeld des Beigeladenenbetriebes Wohnbebauung eines Umfangs entstanden, welches das Gewicht des Interesses, auf landwirtschaftliche Tierhaltung besonderen Umfangs Rücksicht nehmen zu sollen, deutlich mildert. Landwirtschaftliche Tierhaltung kann hier daher gerade nicht mehr mit besonderem Akzent Anspruch darauf erheben, zulasten der Wohnbebauung vorrangig Rücksichtnahme, d. h. Hinnahme von Geruchshäufigkeiten beanspruchen zu können, welche über 20% der Jahresstunden liegen.

Diese Einschätzung steht nicht im Widerspruch zur Senatsentscheidung vom 10. November 2009 (- 1 LB 45/08 -, BauR 2010, 195 = BRS 74 Nr. 185 = RdL 2010, 43).

In dieser Entscheidung (vgl. Juris-Rdnr. 67) ist zwar eine Vielzahl von Entscheidungen aufgelistet, in denen benachbarten Wohngebäuden deutlich höhere Geruchshäufigkeiten als 50 % der Jahresstunden zugemutet worden waren. Diese „Prozentzahlen“ können jedoch nicht unbesehen auf jedwede Sachlage übertragen werden. Eine Rechtsprechungsübersicht ergibt folgendes Bild:

Die Entscheidung des OVG Münster vom 20.9.2007 (- 7 A 1434/06 -, a.a.O., Juris- Rdnr. 63) betraf einen Bereich, in dem Wohnungen auf einem Areal realisiert werden sollten, das - anders als hier - durch landwirtschaftliche Nutzung mit beachtlicher Tierhaltung geprägt war. Der Baden-Württembergische VGH hatte in seinem Urteil vom 4. März 2009 (- 3 S 1467/07 -, RdL 2011, 346 = BRS 74 Nr. 164) für ein faktisches Dorfgebiet angenommen, in begründeten Einzelfällen dürfe die Jahresgeruchsstundenzahl auf 20 % der Jahresstunden gesteigert werden. Das sei dort hinsichtlich eines Wohngebäudes (nur deshalb) anzunehmen, weil dieses seit je dem betrieblichen Wohnen, d.h. einer Hofstelle als Unterkunft gedient habe. Das entspricht dem im Senatsurt. v. 25. Juli 2002 (- 1 LB 980/01 -, a.a.O.) hervorgehobenen Umstand, dass die einseitige Aufgabe landwirtschaftlich bezogenen Wohnens in einer im Übrigen ausschließlich und intensiv landwirtschaftlich geprägten Umgebung den Schutzanspruch herabsetzen kann. Das ist hier angesichts des Umstandes, dass das Wohnhaus des Antragstellers den nördlichen Abschluss einer ganzen Reihe nicht mehr landwirtschaftlichem Wohnen dienender Gebäude darstellt, nicht übertragungsfähig. Die Entscheidung des OVG Münster vom 25. März 2009 (- 7 D 129/07.NE -, a.a.O., Juris-Rdnr. 126) betraf ein Haus, das im Außenbereich gelegen war und nicht landwirtschaftlich bezogenem Wohnen diente. Das ist hier anders, weil das Grundstück des Antragstellers in die Innenbereichssatzung einbezogen worden, des- wegen grundsätzlich mit einem allgemeinen Wohngebäude zu nutzen ist und deswegen andere, höhere Schutzansprüche stellen kann. Vom OVG Münster (25.3.2009) wurde ein Maß von über 25 % der Geruchsstunden nur im Wege einer Mittelwertbildung für noch zumutbar angesehen, im Übrigen aber (s. Rdnr. 121 bei Juris) akzentuiert, sei das Maß des Zumutbaren durch die Vorbelastung bereits erreicht, könne dies dazu führen, dass ein landwirtschaftliches Neubauvorhaben eben nicht mehr ausgeführt werden könne. Gleichfalls nur ein Außenbereichsvorhaben betraf der vom OVG Münster im Beschluss vom 16. März 2009 (- 10 A 259/09 -, nur Juris, dort Rdnr. 20 f.) entschiedene Fall. In seiner Entscheidung vom 12. November 2008 (- 12 LB 14/07 -, a.a.O.) hatte der 12. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts akzentuiert, nur in ganz besonderen Fällen sei es zulässig, Wohngebäuden Geruchsfrachten von über 20 % der Jahresstunden zuzumuten, und dies in einer Sachlage angenommen, in der lediglich konkurrierende landwirtschaftliche, gleichfalls im Außenbereich liegende Betriebe von den Gerüchen betroffen waren. Das ist hier im Wesentlichen anders. Zugunsten des angegriffenen Vorhabens ficht damit auch nicht die Entscheidung des OVG Münster vom 12. August 2008 (- 10 A 1666/05 -, nur Juris, dort Rdnr. 19). Diese betraf „landwirtschaftsbezogenes Wohnen" in einem Bereich, welcher durch Bebauungsplan als Fläche für die Landwirtschaft festgesetzt gewesen war.

Zum Vorteil des angegriffenen Vorhabens wird aller Voraussicht nach auch nicht das sog. Irrelevanzkriterium (Nr. 3.3 der GIRL) gereichen. Nach den Erläuterungen zu dieser Nummer (Nds.MinBl. 2009, 807) kann das Irrelevanzkriterium auch bei Erweiterung einer Anlage unter gleichzeitiger Durchführung von Immissionsminderungsmaßnahmen nur unter der Voraussetzung eingreifen, dass der Immissionswert eingehalten wird (es folgt ein Verweis auf den Auslegungshinweis zu Nr. 4.2 der GIRL). Selbst für den Außenbereich gilt nach dem Unterpunkt „Anwendung des Irrelevanzkriteriums im Außenbereich“, eine uneingeschränkte Anwendung des Irrelevanzkriteriums durch Beschränkung der Betrachtung auf das jeweils hinzutretende Vorhaben würde zum Nachteil schutzbedürftiger Bebauung beträchtliche Kumulationswirkungen nach sich ziehen können. Erfahrungen aus der Praxis belegten, dass Immissionswertüberschreitungen in diesen Fällen nicht auszuschließen seien. Zur Vermeidung übermäßiger Kumulationen sei daher stets zu prüfen, ob bei der bereits vorhandenen Bebauung noch ein zusätzlicher Beitrag von 0,02 toleriert werden könne. Das ist hier - wie dargestellt - nicht der Fall. Denn die T oleranz- schwelle darf hier jedenfalls 0,2 nicht überschreiten, tut dies jedoch auch in dem vom Gutachter H. betrachteten günstigsten Fall, um 0,046.Der Umstand der Vorbelastung war vorstehend bereits gewürdigt worden. Er rechtfertigt es für sich genommen nicht, durch Novationen von Genehmigungen diesen Zustand auf unabsehbare lange Zeit zu prolongieren. Genehmigt wurde nämlich mit vorangegangenen Bauscheinen nicht eine abstrakte, die Nachbarschaft auf unabsehbar lange Zeit zur Hinnahme erheblicher Geruchslasten verpflichtende „Immissionssituation“, sondern jeweils nur ein ganz bestimmtes Vorhaben. Wird eines von diesen beseitigt, so kann das auch/sogar für einen "Ersatzbau" nachteilige Folgen haben. Darin liegt entgegen der Annahme des Antragsgegners und des Beigeladenen kein eindeutig „kontraproduktives“ Element. Es mag zwar sein, dass bei kurzfristiger Betrachtung der gegenwärtige Zustand durch Beibehaltung der „schlechteren“ Stallungen aufrechterhalten wird, obwohl mit dem Vorhaben eine - leichte - Verbesserung verbunden sein würde. Die vorstehend skizzierte Rechtsauffassung hat indes mittelfristig zur Folge, dass sich ein Landwirt zu dauerhafter und energischer Reduktion der Geruchseinträge wird verstehen müssen. Der Beigeladene hebt (in anderem Zusammenhang) selbst hervor, er sei auf das streitige Vorhaben aus betrieblichen Gründen dringend angewiesen. Das entspricht einer allgemeinen Beobachtung, wonach der Markt einen gewissen Anpassungsdruck ausübt. Ist der Tierhalter mithin auf längere Sicht verpflichtet, seine Betriebsweise umzustellen, wird auf diese Weise das vom Gesetz Gewollte, nämlich erreicht, dass sich die Wohnverhältnisse in einem Gebiet dem Zuträglichen wieder annähern, was zuvor nicht in diesem Maße beobachtet worden war und nicht zu erreichen wäre, folgte man den Betrachtungsweisen der Beschwerdeführer.

Der Beigeladene kann nicht mit Erfolg daraus verweisen, er sei nicht allein für das Maß der Geruchsgesamtbelastung verantwortlich. Der Antragsgegner hatte zwar auf Seite 2 seiner Beschwerdebegründung vom 1. August 2012 mit den Betrieben Menzel, Rohlfing und Riefe die drei weiteren Betriebe, die hier tätig sind, bezeichnet. Abgesehen davon, dass nach den dabei mitgeteilten Mastplatzzahlen der Beigeladene den größeren Teil der Tiere hält und damit auch an Geruchsfrachten verursachen dürfte, hat er „nun einmal“ die Folgen zu tragen, dass sein Baugrundstück in dieser Umgebung liegt. Dies ist die „Situationsgebundenheit“, welche nach der GIRL zu berücksichtigen ist und die er in seiner Beschwerdebegründung allein zulasten des Antragstellers in Stellung zu bringen versucht, in umgekehrter Weise aber auch sein Grundstück betrifft.

Der Gesichtspunkt des § 6 Abs. 3 BImSchG kommt dem angegriffenen Vorhaben nicht zugute. Der Senat hatte in seinem Urteil vom 26.7.2012 (- 1 LC 130/09 -, nur Juris, dort Rdnr. 81) eher en passant festgestellt, diese Spezialvorschrift sei im Baurecht nicht anzuwenden. Daran ist festzuhalten. § 6 Abs. 3 BImSchG normiert mit der sog. Verbesserungsgenehmigung keinen verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken, sondern stellt - ganz im Gegenteil - eine nicht verallgemeinerungsfähige Sondervorschrift dar. Sie ist zwar vom Gedanken des Bestandsschutzes mit getragen. Ausgestaltungen des Bestandsschutzes sind aber nicht generell verallgemeinerungsfähig. Sie hat in Wahrnehmung seiner Regelungskompetenz nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG der Gesetzgeber zu treffen und nicht der Richter. Die Parallelvorschrift des § 34 Abs. 3a BauGB mit seinem auf ganz bestimmte Betriebe (Satz 1) eingeschränkten und durch Gegenausnahmen (Satz 2 der Vorschrift) weiter eingeengten Anwendungsbereich zeigt, dass es Sache des Gesetzgebers ist zu bestimmen, welche Betriebe er begünstigen und in welchem Umfang er in Gemenge- und anderen prekären Lagen einem solchen Betrieb zu Hilfe kommen und dabei die Belange seiner Nachbarschaft gestalten will. Solche Regelungen fehlen in §§ 34 und 35 BauGB für landwirtschaftliche Betriebe.

Es kommt hinzu, dass eine entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 3 BImSchG auch erforderte, dass sich der Bauherr an dessen Voraussetzungen orientiert. Hier fehlt es schon an der Erfüllung der Anforderungen, welche § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG stellt, Danach muss der Immissionsbeitrag der in Rede stehenden Anlage "deutlich", außerdem über das durch nachträgliche Anordnungen durchsetzbare Maß hinaus reduziert werden. Eine deutliche Reduktion ist jedoch bei Geruchsstundenminimierungen, die unter einem Prozent der Jahreslast bleiben, nicht gegeben.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, Nr. 3.5.4 der TA Luft sei - ganz abgesehen davon, dass dieses Regelwerk Vorsorgegesichtspunkte behandelt - hier nicht zum Vorteil des Vorhabens anzuwenden, weil die mit der Ausnutzung des Bauscheins vom 20. Juli 2011 verbundenen Geruchsverminderungen dafür erheblich zu gering sind und der Zweck der Maßnahme nicht allein oder jedenfalls im Wesentlichen darin besteht, zum Vorteil der Wohnbebauung (hier vornehmlich westlich der F. Straße anzutreffen) Geruchsminderungen zu erreichen.

Weitere Ausführungen zur Beschwerde sind nicht veranlasst.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Angesichts der Einbußen, welche der Antragsteller mit dem vorliegenden Eilantrag zu begegnen versucht, ist es angezeigt, unter Anwendung von Nr. 8 lit. a) der Streitwertannahmen des Senats (Nds.VBl. 2002,

192 = NordÖR 2002, 197) den Streitwert für das Hauptsacheverfahren mit 20.000,-- EUR zu bestimmen und unter Halbierung für das Eilverfahren den Streitwert auch für das Verfahren des ersten Rechtszuges (§ 63 Abs. 3 GKG) auf 10.000,-- EUR festzusetzen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).