Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 21.04.2021, Az.: 12 A 1805/20

Baugenehmigung; Baurecht; Klagebefugnis; Nachbarklage

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
21.04.2021
Aktenzeichen
12 A 1805/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70720
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für den Beigeladenen jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Baugenehmigung, die der Beklagte dem Beigeladenen u.a. auf den Neubau eines Legehennenstalls erteilt hat.

Die Klägerin ist die Ehefrau des Eigentümers des Grundstücks F., G., Flurstück H. der Flur I. der Gemarkung J.. Das Grundstück, das mit einem Wohnhaus bebaut ist, befindet sich nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Es ist Teil einer von landwirtschaftlich genutzten Flächen umgebenen, aus 21 Wohngrundstücken bestehenden Siedlung („K.“).

Etwa 450 m nordwestlich der Siedlung (Angabe nach Google Maps) liegt der zum Flecken A-Stadt gehörende Ortsteil J.. Hier betreibt der Beigeladene im Haupterwerb einen landwirtschaftlichen Betrieb mit ca. 294 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche (davon ca. 291 ha Ackerland und ca. 3 ha Grünland); im Eigentum des Beigeladenen befinden sich ca. 150 ha. Betriebsschwerpunkt ist der Marktfruchtanbau. Im Bereich seiner Hofstelle, die sich am nordöstlichen Rand der Ortschaft befindet, hält der Beigeladene zudem ca. 100 Hühner und saisonal etwa 50 Enten und Gänse.

Aus betriebswirtschaftlichen Gründen plant der Beigeladene eine Ausweitung seiner Tierhaltung. Unter dem 15. Mai 2017 beantragte er bei dem Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Legehennenstalls für 14.990 Tiere, den Neubau einer Trockenkotlagerhalle, die Errichtung von drei Futtermittelsilos sowie die Errichtung von zwei Stahlbetonerdbehältern auf dem in seinem Eigentum stehenden Grundstück L., G., Flurstück M. der Flur I. der Gemarkung J.. Das Grundstück liegt ca. 1 km südöstlich der Hofstelle des Beigeladenen und etwa 400 m östlich des Grundstücks des Ehemanns der Klägerin (Angaben nach Google Maps). Es befindet sich nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Der Stall soll im nördlichen Bereich des Grundstücks in ca. 140 m Entfernung parallel zur südlichen Grundstücksgrenze sowie dem dort verlaufenden Weg errichtet werden. Er hat eine Grundfläche von 1.472,80 m2. Die Firsthöhe beträgt 6,04 m, wobei die fünf Abluftkamine eine Höhe von ca. 4,12 m über Firsthöhe erreichen. Die Fütterung der Tiere soll ausweislich der Anlagen- und Betriebsbeschreibung vom 7. September 2017 mit „standardisiertem Legehennenfutter zur Bruteierproduktion“ erfolgen.

Mit Schreiben vom 9. Juni 2017 nahm der Flecken A-Stadt zu dem Bauantrag Stellung und erteilte „unter großen Bedenken“ sein Einvernehmen zu dem Vorhaben.

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2018 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen die beantragte - allerdings mit verschiedenen Nebenbestimmungen versehene - Baugenehmigung. Bestandteil der Baugenehmigung ist u.a. ein von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen verfasstes „Immissions-Gutachten zur Einwirkung von Geruchsimmissionen in der Umgebung“ vom 10. März 2017 (im Folgenden: Immissionsgutachten vom 10. März 2017), das neben den Geruchs- auch die Ammoniak- und PM10-Schwebstaubimmissionen untersucht, eine von der Landwirtschaftskammer am 13. März 2017 erstellte - unter dem 15. November 2017 und 11. April 2018 ergänzte - „Prüfung der Auswirkungen von Ammoniakemissionen auf ein benachbartes FFH-Gebiet und angrenzende Biotope“ (im Folgenden: Gutachten vom 13. März 2017) sowie eine „Beurteilung Lärmimmissionen“ - 1. Änderung - der Firma N. vom 24. April 2018 (im Folgenden: Gutachten vom 24. April 2018).

Das Gutachten vom 10. März 2017 kommt zu dem Ergebnis, dass die Orientierungswerte der Geruchsimmissions-Richtlinie bzw. der TA Luft für Geruchsbelästigungen und für die Ammoniakkonzentration eingehalten werden. Hinsichtlich des prognostizierten Stickstoffeintrages seien keine negativen Auswirkungen zu erwarten. Die PM10-Belastung liege an den Standorten der nächstgelegenen Wohnhäuser unterhalb des in der TA Luft festgelegten Irrelevanzwertes (vgl. S. 21 f. des Gutachtens). Nach dem Gutachten vom 13. März 2017 (dort auf S. 15) sind durch das Bauvorhaben keine erheblichen Beeinträchtigungen der benachbarten besonders geschützten Biotope und des Waldes und keine Verschlechterung des Erhaltungszustandes des FFH-Gebietes „O.“ zu erwarten. Das Gutachten vom 24. April 2018 stellt abschließend fest, dass sich durch den Neubau des Legehennenstalls der maßgebliche Außenlärmpegel nicht erhöhen wird (S. 4 des Gutachtens).

Unter dem 12. September 2019 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Baugenehmigung, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2019 als unzulässig zurückwies.

Am 10. März 2020 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung der Klage trägt sie vor, durch den Erschließungsverkehr für das Vorhaben, der durch die Straße P. verlaufe, würden Verkehrsgeräusche verursacht, die weit über den Immissionsrichtwerten für ein - hier anzunehmendes - (faktisches) reines Wohngebiet von tagsüber 50 dB(A) und nachts 35 dB(A) (Nr. 6.1 Buchst. e [richtig: Buchst. f] TA Lärm) lägen. Nach dem von dem Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorgelegten Verkehrslärmgutachten sei mit einem Immissionspegel von 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts zu rechnen. Die Widmung der Straße, über die die „Q.“ erschlossen werde, ende mit der Brücke über den nördlich der Siedlung fließenden Bach. Auf den sich anschließenden Privatweg finde § 1 Abs. 1 der 16. BImSchV keine Anwendung. Bei der im Rahmen des Rücksichtnahmegebots vorzunehmenden Abwägung sei auch zu berücksichtigen, ob und in welchem Umfang das Vorhaben des Beigeladenen privilegiert sei. Bereits in seinem Urteil vom 25. Oktober 1967 (- IV C 86.66 -, juris) habe das Bundesverwaltungsgericht erkennen lassen, dass es für das Verhältnis zwischen einem neu in den Außenbereich hineindrängenden privilegierten landwirtschaftlichen Betrieb und den von ihm betroffenen „Nachbarn“ sehr wohl die „starke rechtliche Privilegierung landwirtschaftlicher Vorhaben im Außenbereich“ einerseits und das Schutzbedürfnis eines Wohngrundstücks ins Verhältnis setzen wolle. An dieser differenzierten Meinung habe sich bis heute nichts geändert. Die Klage sei auch zulässig. So habe das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 18. Januar 2016 (- 1 MN 156/15 -, V.n.b.) die Befugnis des Ehegatten des Grundstückeigentümers zur Geltendmachung von Nachbareinwendungen bejaht. Zwischen ihr, der Klägerin, und ihrem Ehemann bestehe neben ihrem Eheverhältnis eine Rechtsbeziehung, die dingliche Wirkung habe. Dies folge daraus, dass sie seit mehr als 45 Jahren auf dem Grundstück wohnten, auf dem sie ihre Kinder großgezogen hätten und das sie gemeinsam benutzten und unterhielten. Dass sie zur Geltendmachung von Nachbareinwendungen befugt sei, ergebe sich auch aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Oktober 1999 (- 4 CN 1.98 -, juris). Die dortigen Ausführungen, wonach die „Wohnbevölkerung“ im Sinne von § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauGB nicht nur von den Eigentümern von Wohngrundstücken repräsentiert werde, sondern alle Personen umschließe, die an einer Wohnung nutzungs- und besitzberechtigt seien, seien auf die Frage der Klagebefugnis im baurechtlichen Nachbarstreit übertragbar. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. Oktober 2016 (- 1 LA 142/15 -, juris) stehe dem nicht entgegen. Sie, die Klägerin, sei hinsichtlich der Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Abwehransprüche ihrem Ehemann gleichgestellt. Alle baulichen Veränderungen einschließlich der Erweiterung seien von ihrem Ehemann und ihr gemeinsam durchgeführt und finanziert, alle beweglichen Gegenstände, die dem ehelichen Haushalt dienten, gemeinsam angeschafft und finanziert worden. Das Familiengrundstück, sämtliche Baulichkeiten, die Haushaltsgegenstände einschließlich der Einbauten, die zivilrechtlich wesentlicher Bestandteil des Grundstücks geworden seien, würden gemeinsam von ihnen genutzt. Aus der ehelichen Lebensgemeinschaft folge die Verpflichtung beider Eheleute, sich gegenseitig die Mitbenutzung der gemeinsam angeschafften Gegenstände zu gestatten. Entsprechend hätten sie und ihr Ehemann verfahren. Daraus ergebe sich zivilrechtlich ein gesetzlich begründetes Besitzmittlungsverhältnis.

Die Klägerin beantragt,

die dem beigeladenen Landwirt R. unter dem 16. Oktober 2018 erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Legehennenstalles, einer Trockenkotlagerhalle, von zwei Futtermittelsilos und von zwei Stahlbetonerdbehältern und den Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2020 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die Klage mangels Klagebefugnis für unzulässig. Die Klägerin sei in keinem eigenen subjektiven Recht verletzt. Nach der Rechtsprechung stehe in baurechtlichen Angelegenheiten nur dem Eigentümer eines betroffenen Grundstücks ein subjektiv-öffentliches Recht zu Seite, nicht jedoch dem obligatorisch Berechtigten. Dingliche Rechte besitze die Klägerin nicht. Auch die Rechtsbeziehung zwischen ihr und ihrem Ehemann habe keine solche Wirkung. Im Übrigen sei nicht erkennbar, weshalb nicht ihr Ehemann die ihm zukommenden Rechte geltend gemacht habe. Unabhängig davon sei die Klage unbegründet. Der von der Klägerin gerügte Verkehrslärm sei nach Nr. 7.4 TA Lärm nicht zu berücksichtigen. Das von ihr bewohnte Grundstück befinde sich mehr als 500 m von dem Betriebsgrundstück entfernt. Zudem würden die Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung eingehalten. Passiere ein Lkw das Grundstück, komme es allenfalls zu kurzzeitigen Geräuschspitzen. Auch finde die von der Klägerin angenommene nächtliche Belastung von 40 dB(A) in dem Gutachten vom 24. April 2018 keine Grundlage.

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich schriftsätzlich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig. Die Klägerin verfügt nicht über die erforderliche Klagebefugnis.

Die Klagebefugnis setzt nach § 42 Abs. 2 VwGO voraus, dass der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein, und dass nach seinem Vorbringen die Verletzung dieser Rechte möglich ist. Diese Möglichkeit ist dann auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 30.03.1995 - 3 C 8.94 - juris Rn. 39 m.w.N.). Da die Klägerin hier nicht Adressatin des von ihr angefochtenen Verwaltungsaktes ist, kommt es darauf an, ob sie sich für ihr Begehren auf eine öffentlich-rechtliche Norm stützen kann, die nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm auch sie als Dritte schützt (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.08.2000 - 3 C 30.99 -, juris Rn. 18 m.w.N.). Dies ist nicht der Fall.

Nach obergerichtlicher Rechtsprechung, der die Kammer folgt (vgl. z.B. Urt. v. 21.05.2014 - 12 A 239/14 -, n.v.), kann Nachbarschutz aus den Vorschriften des Bauplanungsrechts grundsätzlich nur der jeweilige - zivilrechtliche - Eigentümer eines benachbarten Grundstücks in Anspruch nehmen. Denn das Bebauungsrecht regelt die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke. Es ist grundstücks-, nicht personenbezogen. Zu den Aufgaben des Bauplanungsrechts gehört es, die einzelnen Grundstücke einer auch im Verhältnis untereinander verträglichen Nutzung zuzuführen. Indem es in dieser Weise auf einen Ausgleich möglicher Bodennutzungskonflikte zielt, bestimmt es zugleich den Inhalt des Grundeigentums. Demgemäß beruht bauplanungsrechtlicher Nachbarschutz auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses; weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Grundstücksnachbarn durchsetzen. Dem Eigentümer gleichzustellen ist (nur), wer in eigentumsähnlicher Weise an einem Grundstück dinglich berechtigt ist, wie etwa der Inhaber eines Erbbaurechts oder der Nießbraucher; ferner auch der Käufer eines Grundstücks, auf den der Besitz sowie Nutzungen und Lasten übergegangen sind und zu dessen Gunsten eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen ist. Wer dagegen lediglich ein obligatorisches Recht an einem Grundstück von dessen Eigentümer ableitet (Mieter, Pächter usw.), hat aus dieser Rechtsposition gegen die einem Nachbarn erteilte Baugenehmigung grundsätzlich kein öffentlich-rechtliches Abwehrrecht. Er kann seine Rechtsposition gegenüber dem Eigentümer geltend machen (vgl. zum Vorangehenden BVerwG, Urt. v. 11.05.1989 - 4 C 1.88 -, juris Rn. 43; Nds. OVG, Urt. v. 26.07.2012 - 1 LC 130/09 -, juris Rn. 61, und Urt. v. 10.10.2016 - 1 LA 142/15 -, juris Rn. 13; Bayer. VGH, Beschl. v. 11.08.2014 - 15 CS 14.740 -, juris Rn. 18; OVG NRW, Beschl. v. 08.01.2008 - 7 B 1775/07 -, juris Rn. 5 f.; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.06.2006 - 8 S 997/06 -, juris Rn. 2).

Daran hat sich auch durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Mai 1993 (- 1 BvR 208/93 -, juris Rn. 19 ff.) nichts geändert, wonach das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist. Denn mit dieser Verankerung des Mietrechts in Art. 14 GG ist angesichts der gesetzgeberischen Ausgestaltung der der Eigentumsgarantie unterfallenden Rechte noch keinerlei Aussage darüber getroffen, ob und inwieweit der Mieter eigentumsrechtlichen Schutz gegenüber der Erteilung einer Baugenehmigung für das Nachbargrundstück genießt (OVG NRW, Beschl. v. 08.01.2008 - 7 B 1775/07 -, juris Rn. 7 f. m.w.N.). Könnte ein Mieter oder Pächter eine Verletzung bauplanungsrechtlicher Vorschriften gegenüber Dritten selbständig auch dann geltend machen, wenn der Eigentümer dies nicht will, so würde er damit in den Interessenausgleich der unmittelbar berechtigten Grundstückseigentümer einwirken. Für eine Ausweitung der auf den Vorschriften des Bauplanungsrechts beruhenden öffentlich-rechtlichen Abwehrrechte besteht schließlich auch deshalb kein Bedürfnis, weil obligatorische Berechtigte Gefährdungen von Leben und Gesundheit gestützt auf ihr Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG mit einer Nachbarklage abwehren können (BVerwG, Urt. v. 11.05.1989 - 4 C 1.88 -, juris Rn. 43).

Daran gemessen kann die Klägerin Nachbarschutz aus den Vorschriften des Bauplanungsrechts nicht in Anspruch nehmen.

Die Klägerin ist nicht Eigentümerin des Grundstücks F., G.. Entgegen ihrer Auffassung ist sie auch nicht „in eigentumsähnlicher Weise“ an dem Grundstück dinglich berechtigt. Weder ist sie Inhaberin eines Erbbaurechts noch steht ihr ein Nießbrauch oder ein sonstiges - vom Eigentum abgespaltenes - dingliches Recht an dem Grundstück zu (vgl. zu den eigentumsähnlichen Rechten z.B. Förster, in: BeckOK BGB, 56. Edition, Stand: 01.11.2020, § 823 Rn. 144; Spindler, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.01.2020, § 823 Rn. 160). Soweit sie vorträgt, zwischen ihr und ihrem Ehemann bestehe neben ihrem Eheverhältnis eine Rechtsbeziehung, die dingliche Wirkung habe, dies folge daraus, dass sie seit mehr als 45 Jahren auf dem Grundstück wohnten, auf dem sie ihre Kinder großgezogen hätten und das sie gemeinsam benutzten und unterhielten, lässt sich ein eigentumsähnliches Recht daraus nicht herleiten. Steht die Ehewohnung - wie hier - im Alleineigentum eines Ehegatten, ergibt sich zwar aus dem Gebot zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB) die Pflicht des Eigentümers, dem anderen die Mitbenutzung zu gestatten. Wird sie erfüllt, so besteht zwischen den Ehegatten während des Zusammenlebens ein gesetzlich begründetes Besitzmittlungsverhältnis (Koch, in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2019, § 1363 Rn. 56). Inwieweit daraus ein eigentumsähnliches Recht folgen soll, erschließt sich jedoch nicht. Auch dem von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung angeführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 (- 1 BvR 1232/00 -, juris) lässt sich insoweit nichts entnehmen. Das Bundesverfassungsgericht führt darin lediglich aus, dass zu dem von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten ehelichen Zusammenleben auch die Entscheidung der Eheleute gehört, zusammenzuwohnen (a.a.O., Rn. 92). Die ebenfalls in der mündlichen Verhandlung geäußerte Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, eine etwaige Scheidung würde dazu führen, dass die Klägerin im Wege des Zugewinnausgleichs das Eigentum an dem Grundstück ihres Ehemannes erwerben würde, findet in den Vorschriften über den Zugewinnausgleich (§§ 1373 ff. BGB) keine Grundlage. Dass die gemeinsame Anschaffung und Finanzierung von Haushaltsgegenständen der Klägerin keine Rechte an dem von ihr bewohnten Grundstück verschaffen kann, liegt auf der Hand.

Eine Klagebefugnis lässt sich auch nicht aus dem von ihr angeführten Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Januar 2016 (- 1 MN 156/15 -, V.n.b.) herleiten. Die dortigen Ausführungen beziehen sich nicht auf den baurechtlichen Nachbarstreit, sondern auf die baurechtliche Normenkontrolle. Sie orientieren sich an der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 21.10.1999 - 4 CN 1.98 -, juris Rn 14 f.), wonach ein die Befugnis zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens gegen einen Bebauungsplan begründender Nachteil gegeben ist, wenn der Antragsteller durch den Bebauungsplan oder durch dessen Anwendung negativ in einem Interesse betroffen wird, das bei der Entscheidung über den Erlass oder den Inhalt dieses Bebauungsplans als privates Interesse des Antragstellers in der Abwägung hätte berücksichtigt werden müssen. Abwägungsrelevant kann danach nicht nur ein durch die Planung berührtes subjektives Recht, sondern auch jedes mehr als geringfügige private Interesse sein, soweit es schutzwürdig ist. Da sich abwägungsrelevante Belange wie die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (§ 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauGB) auf die gesamte „Wohnbevölkerung“ und damit auf alle Personen beziehen, die an einer Wohnung nutzungs- und besitzberechtigt sind, können in solchen Verfahren obligatorische Berechtigungen ausreichen (so ausdrücklich Nds. OVG, Urt. v. 26.07.2012 - 1 LC 130/09 -, juris Rn. 71). Die Feststellung der Zulassungsfähigkeit eines Vorhabens nach den §§ 29 bis 38 BauGB in der Baugenehmigung erfordert demgegenüber keine planerische Gestaltungsentscheidung, bei der alle von der Planung berührten Belange gegeneinander und untereinander abzuwägen sind. Im Anwendungsbereich der §§ 29 bis 38 BauGB regelt das Bauplanungsrecht im Außenverhältnis den Ausgleich konfligierender Bodennutzungen und bestimmt damit auf einfachgesetzlicher Ebene (nur) den Inhalt des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Vor diesem Hintergrund ist es nicht zweifelhaft oder unverständlich, dass ein Mieter zwar gegen einen Bebauungsplan, nicht jedoch gegen eine aufgrund eines Bebauungsplans erteilte Baugenehmigung vorgehen kann (vgl. zum Vorangehenden Bayer. VGH, Beschl. v. 11.08.2014 - 15 CS 14.740 -, juris Rn. 19, und Beschl. v. 14.07.2015 - 15 ZB 14.1067 -, juris Rn. 18; differenzierend auch Nds. OVG, Beschl. v. 19.05.2009 - 1 MN 12/09 -, juris Rn. 7, und VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.06.2006 - 8 S 997/06 -, juris Rn. 2). Soweit die Klägerin meint, die Probleme der Anfechtungsbefugnis gegen einen Verwaltungsakt oder des Nachteils durch einen Bebauungsplan seien als „gleichgelagert“ anzusehen, trifft dies demnach nicht zu. Zu einem anderen Ergebnis gelangt man auch nicht unter Berücksichtigung des von ihr zitierten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 1998 (- 4 CN 2/98 -, juris). Danach (a.a.O., Rn. 9 ff.) ist es für die Antragsbefugnis gemäß § 47 Abs. 2 VwGO in Anknüpfung an die Judikatur und Praxis zu § 42 Abs. 2 VwGO ausreichend, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass er durch Festsetzungen des Bebauungsplans in seinem Grundeigentum bzw. in einem Recht verletzt wird (so zuvor bereits BVerwG, Urt. v. 10.03.1998 - 4 CN 6.97 -, juris Rn. 12). Über die Darlegungsanforderungen an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung hinausgehende Schlüsse auf die Rechtsposition von Nichteigentümern im baurechtlichen Nachbarstreit lassen sich daraus nicht ziehen.

Nichts anderes ergibt sich schließlich im Hinblick darauf, dass sich die Klägerin auf schädliche Umwelteinwirkungen beruft. Auch wenn in einem baurechtlichen Verfahren Fragen des Immissionsschutzes zu klären sind, ist hinsichtlich der Klagebefugnis nicht auf den „umweltschutzrechtlichen Nachbarbegriff“ zurückzugreifen. Wer sich als Nachbar zur Wehr setzen kann, ergibt sich aus dem jeweils einschlägigen materiellen Recht und nicht aus einem abstrakten Nachbarbegriff (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 26.07.2012 - 1 LC 130/09 -, juris Rn. 64; VG Regensburg, Urt. v. 20.05.2014 - RO 2 K 13.1819 -, juris Rn. 39). Das Immissionsschutzrecht ist auch nicht unmittelbar Prüfungsgegenstand im Baugenehmigungsverfahren. Lediglich bei der Frage, ob das Vorhaben den Anforderungen des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots genügt, ist darauf abzustellen, welche Einwirkungen die Betroffenen nach den Wertungen des Immissionsschutzrechts hinzunehmen haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.02.1977 - 4 C 22.75 -, juris Rn. 22, und Beschl. v. 20.04.2000 - 4 B 25.00 -, juris Rn. 8 m.w.N.). Nachdem das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme weder ein eigenständig zu prüfendes Zulässigkeitserfordernis (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.09.2003 - 4 B 68.03 -, juris Rn. 4) noch eine allgemeine Härteklausel ist, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht, sondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.01.1999 - 4 B 128.98 -, juris Rn. 6), reicht der durch das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme vermittelte Nachbarschutz nicht weiter, als der sich aus den Vorschriften des Bauplanungsrechts ergebende Nachbarschutz (vgl. zum Vorangehenden Bayer. VGH, Beschl. v. 11.08.2014 - 15 CS 14.740 -, juris Rn. 18, und Beschl. v. 14.07.2015 - 15 ZB 14.1067 -, juris Rn. 5).

Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung sind nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Schwelle, an der Immissionen von Belästigungen in Gesundheitsgefährdungen umschlagen, jedenfalls deutlich über den gebietsorientierten Zumutbarkeitswerten liegt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 26.07.2012 - 1 LC 130/09 -, juris Rn. 65 zu Gerüchen). So ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei Lärmbelastungen erst bei Werten von 70 dB(A) tags bzw. 60 dB(A) nachts von einer potentiellen Gesundheitsgefährdung auszugehen (BVerwG, Urt. v. 10.11.2004 - 9 A 67.03 -, juris Rn. 44, und Urt. v. 29.06.2017 - 3 A 1.16 -, juris Rn. 71). Dass diese Schwelle hier erreicht bzw. überschritten würde, ist nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig zu erklären, weil er einen Sachantrag gestellt und sich nach § 154 Abs. 3 VwGO damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 2, § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.