Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.07.2012, Az.: 4 LA 54/11
Untersagung des Abschlusses von Vereinbarungen betreffend das Projekt "Sozialraumorientierung im Osnabrücker Land"; Einbeziehung des Sozialraumträgers bei der Gewährung von Einzelfallhilfe durch Übertragung von Mitentscheidungsbefugnissen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 11.07.2012
- Aktenzeichen
- 4 LA 54/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 19675
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0711.4LA54.11.0A
Rechtsgrundlagen
- § 36 Abs. 2 S. 1 SGB VIII
- Art. 12 Abs. 1 GG
Fundstellen
- DVBl 2012, 1123-1124
- DÖV 2012, 779
- NdsVBl 2013, 52-54
- NordÖR 2012, 457-460
Gründe
Der Antrag des Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, hat keinen Erfolg, weil die von dem Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 4 VwGO nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend dargelegt worden sind.
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), mit dem das Verwaltungsgericht dem Beklagten untersagt hat, mit dem Beigeladenen Vereinbarungen betreffend das Projekt "Sozialraumorientierung im Osnabrücker Land" entsprechend den Entwürfen des Rahmenvertrages und des Vertrages über die Wahrnehmung von Aufgaben der Jugendhilfe im Landkreis Osnabrück abzuschließen.
Entgegen der Auffassung des Beklagten hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass mit dem Abschluss der genannten Vereinbarungen in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Klägerin eingegriffen wird. Insofern geht der Beklagte unzutreffend davon aus, dass sich aus der vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts "für den vorliegenden Zusammenhang nichts herleiten" lasse. Denn nach den vom Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht entwickelten Maßstäben zu der Frage der Beeinträchtigung des Grundrechts der Berufsfreiheit ist hier ein Eingriff in dieses Grundrecht zu bejahen.
Der Beklagte hat sich zwar ausführlich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zu der Frage der Beeinträchtigung des Grundrechts der Berufsfreiheit, insbesondere mit den vom Verwaltungsgericht zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen und ferner mit den Literaturmeinungen dazu befasst, er hat jedoch nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zu dieser Frage fehlerhaft wiedergegeben hat. Dies ist auch nicht der Fall.
Nach dieser vom Verwaltungsgericht angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung setzt ein Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht zwingend voraus, dass eine Beeinträchtigung der Berufsausübung bezweckt ist. Ein Eingriff liegt vielmehr schon dann vor, wenn das betreffende hoheitliche Handeln aufgrund seiner tatsächlichen Auswirkungen die Berufsfreiheit lediglich mittelbar beeinträchtigt und insoweit eine deutlich erkennbare berufsregelnde Tendenz oder eine voraussehbare und in Kauf genommene schwerwiegende Beeinträchtigung der beruflichen Betätigungsfreiheit zur Folge hat. Zwar gewährt Art. 12 Abs. 1 GG keinen Schutz vor Konkurrenz und auch keinen Rechtsanspruch auf die Sicherung einer wirtschaftlich ungefährdeten Tätigkeit, da die Wettbewerbsposition und die Erträge grundsätzlich dem Risiko laufender Veränderung je nach den Marktverhältnissen unterliegen. Eine Wettbewerbsveränderung durch Einzelakt, die erhebliche Konkurrenznachteile zur Folge hat, kann aber das Grundrecht der Berufsfreiheit dann beeinträchtigen, wenn sie im Zusammenhang mit staatlicher Planung, der Verteilung staatlicher Mittel oder einer bestimmten Wahrnehmung von Aufgaben der staatlichen Leistungsverwaltung steht. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn durch staatliches Handeln der Wettbewerb beeinflusst wird und Konkurrenten erheblich benachteiligt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.8.2004 - 1 BvR 378/00 -, NJW 2005, 273, 274; BVerfG, Beschl. v. 12.10.1977 - 1 BvR 217, 216/75 -, BVerfGE 46, 120, 137 [BVerfG 12.10.1977 - 1 BvR 217/75]; BVerfG, Beschl. v. 12.6.1990 - 1 BvR 355/86 -, BVerfGE 82, 209, 223 f.; BVerwG, Urt. v.13.5.2004 - 3 C 45.03 -, BVerwGE 121, 23, 27; BVerwG, Urt. v. 17.12.1991 - 1 C 5.88 -, BVerwGE 89, 281, 283; ferner Senatsbeschl. v. 9.7.2010 - 4 ME 306/09 / 4 ME 307/09 / 4 ME 308/09 - und 13.3.2006 - 4 ME 1/06 -).
Entgegen der Ansicht des Beklagten hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass die hier vorgesehenen vertraglichen Regelungen nach den vorgenannten Maßstäben eine wettbewerbsrelevante erhebliche Benachteiligung der Klägerin zur Folge haben, die zu einem Eingriff inArt. 12 Abs. 1 GG führt.
Entscheidend ist insofern, dass dem Sozialraumträger durch u.a. § 5 des genannten Vertrages Mitentscheidungsbefugnisse bei der Entscheidung über die Hilfegewährung im Einzelfall eingeräumt werden sollen, obwohl dieser im Wettbewerb mit anderen potentiellen Leistungserbringern steht, und insofern daher eine Interessenkollision besteht. Der Beklagte übersieht, dass bereits diese Einräumung von Mitentscheidungsbefugnissen für den Sozialraumträger bei der Entscheidung über die Hilfegewährung vor dem Hintergrund der bestehenden Interessenkollision eine wettbewerbsrelevante erhebliche Benachteiligung der anderen Leistungsanbieter, wie der Klägerin, zur Folge hat, die nach den oben genannten Maßstäben gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt. Denn durch die hier vorgesehene Einbeziehung des Sozialraumträgers bei der Gewährung von Einzelfallhilfe durch Übertragung von Mitentscheidungsbefugnissen in allen Leistungsfällen wird diesem eine Position eingeräumt, die ihm im Gegensatz zu anderen Leistungserbringern die Möglichkeit einer Beeinflussung dieses Entscheidungsprozesses eröffnet. Die Möglichkeit, den Entscheidungsprozess zu beeinflussen, besteht aber nicht nur bei der Entscheidung über Art und Umfang der Hilfegewährung im Einzelfall. Vielmehr ergibt sich auch in den Fällen, in denen der Sozialraumträger und andere Leistungserbringer im Sozialraum passgenaue Hilfen im Einzelfall anbieten können, bei der Frage, welcher Anbieter im Einzelfall die Hilfe erbringt, oftmals ein Entscheidungsspielraum. Gerade in diesen Fällen besteht aber die Gefahr einer Interessenkollision. Denn der Sozialraumträger wird regelmäßig ein Interesse daran haben, dass das von ihm vorgehaltene Angebot (ambulanter) Hilfen auch genutzt wird. Hinzu kommt, wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil unter Wiedergabe des Senatsbeschlusses vom 9. Juli 2010 (4 ME 307/09) zutreffend im Einzelnen dargestellt hat, dass die Entscheidung über die Durchführung von Hilfen im Einzelfall nicht losgelöst von der Grundvergütung der Sozialraumträger nach § 12 des Vertrags und den Regeln zur Budgetbildung nach § 13 i.V.m. Anlage 2 des Vertrags gesehen werden kann, den vorgesehenen Budgets in tatsächlicher Hinsicht eine steuernde Wirkung zukommt und der Sozialraumträger auch ein Interesse daran haben kann, sich über das ihm zugewiesene Budget hinaus weitere "Marktanteile" zu sichern. Da dem Sozialraumträger und damit einem Mitbewerber in dem als Markt organisierten Bereich der Jugendhilfeleistungen zudem bereits vorab Mittel u.a. zur Durchführung ambulanter Jugendhilfe zugewiesen und zugleich Mitentscheidungsrechte bei der Entscheidung darüber, welcher Anbieter im Einzelfall Hilfe erbringen soll, eingeräumt werden, liegt es auf der Hand, dass dieses zu einer erheblichen Begünstigung des Sozialraumträgers im Wettbewerb einerseits und zu einer Benachteiligung der anderen Leistungsanbieter, wie der Klägerin, andererseits führt, die gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt.
Der insofern erhobene und ausführlich begründete Einwand des Beklagten, dass u.a. ein "Element des Zwangs" und ein "grundrechtlicher Wirkungszusammenhang" für die Annahme eines Eingriffs in das Grundrecht der Berufsfreiheit erforderlich seien, die hier aber fehlten, und dass ein Grundrechtseingriff nur denkbar sei, "wenn sich die Fallvergabe im Einzelfall auch nach Maßgabe der Vorgaben des SGB VIII als rechtswidrig darstellt, ein anderer Träger also als Leistungserbringer hätte ausgewählt werden müssen", verfängt daher nicht. Die erhebliche, nach den oben genannten Maßstäben den Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG begründende Benachteiligung der anderen Leistungsanbieter aufgrund der vertraglichen Regelungen, die der Beklagte mit dem Sozialraumträger treffen will, tritt nämlich nicht erst dann ein, wenn "das Kind in den Brunnen gefallen ist", der Sozialraumträger die durch den Vertrag eröffneten "Verhaltensmöglichkeiten" entgegen den Vorgaben des SGB VIII zum Nachteil von Mitbewerbern genutzt, also seine Mitentscheidungsbefugnisse im Einzelfall tatsächlich und nachweislich "rechtsmissbräuchlich" eingesetzt und auf diese Weise zumindest dazu beigetragen hat, einen Konkurrenten aus dem Wettbewerb zu drängen. Aus der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG erst dann bejaht werden kann, wenn der durch staatliches Handeln begründete Wettbewerbsnachteil sich in einem konkreten Schaden realisiert hat. Ein solches Erfordernis würde auch dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG zuwiderlaufen, da der Nachweis eines solchen Schadens bzw. eines solchen schädigenden Verhaltens in der Praxis schwer zu führen sein würde und der Rechtsschutz in diesem Falle darüber hinaus auch zu spät käme, nämlich erst dann, wenn bereits ein Schaden eingetreten wäre.
Im Übrigen ist der von dem Beklagten insoweit ferner erhobene Einwand, "letztlich beruht damit der behauptete Grundrechtseingriff auf einer Spekulation darüber, dass Mitentscheidungsbefugnisse in Bezug auf Art und Umfang der Hilfe seitens des Sozialraumträgers rechtsmissbräuchlich eingesetzt werden könnten", auch inhaltlich nicht nachvollziehbar. Denn es wäre angesichts der hier bestehenden erheblichen Interessenkollision lebensfremd, anzunehmen, dass der Gebrauch dieser Mitwirkungsbefugnisse im eigenen Interesse ausgeschlossen bzw. "in hohem Maße ungewiss" ist, der ausgewählte Sozialraumträger sich also bei der Ausübung dieser Befugnisse ausschließlich von den gesetzlichen Vorgaben leiten und seine eigenen Interessen vollständig außer Acht lässt, (nur) weil die Entscheidung über Art und Umfang der Hilfe im Einzelfall nach dem hier vorgesehenen Sozialraummodell und der ergänzenden Protokollerklärung vom 4. Dezember 2009 allein nach fachlichen Kriterien erfolgen soll. Dabei wird der Möglichkeit einer interessenbedingten Einwirkung auf den Entscheidungsprozess und der damit einhergehenden Benachteiligung anderer Leistungserbringer auch nicht dadurch hinreichend entgegengewirkt, dass Entscheidungen gegen den öffentlichen Träger aufgrund seines Letztentscheidungsrechts nach § 5 Abs. 3 Satz 2 des Vertrags ausgeschlossen sind. Denn die abschließende Entscheidung allein durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf der sogenannten Clearing-Ebene ist nur in den Fällen vorgesehen, in denen es zu keiner Einigung auf Sozialraumebene gekommen ist. Vor einer Entscheidung auf der Clearing-Ebene verbleiben dem Sozialraumträger daher Einwirkungsmöglichkeiten, ohne dass vertraglich sichergestellt ist, dass auch andere unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts nach § 5 SGB VIII geeignete Träger an der Entscheidungsfindung hinreichend beteiligt werden.
Der weitere Einwand des Beklagten, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht vollständig und richtig erfasst, ist aus den im Folgenden dargestellten Gründen ebenfalls unzutreffend:
Soweit der Beklagte behauptet, die Annahme des Verwaltungsgerichts gehe fehl, "dass die Fachkräfte des öffentlichen Trägers aufgrund der vertraglichen Vereinbarung eines Budgets ein Interesse daran haben, Fälle dem Vertragspartner zuzuweisen", findet sich eine dahingehende Annahme nicht in den Urteilsgründen. Das Verwaltungsgericht hat unter Wiedergabe des Senatsbeschlusses vom 9. Juli 2010 (4 ME 307/09) lediglich ausgeführt, dass der Sozialraumträger ein durch die Vertragslage begründetes Interesse habe, dass keine Budgetüberschreitungen entstehen. Diese Interessenlage entspreche auch der des Beklagten. Denn gerade der Beklagte habe ein erhebliches Interesse daran, dass es nicht zu einer Budgetüberschreitung und damit möglicherweise zu einer von ihm zu verantwortenden Überschreitung des Jugendhilfeetats komme. Diese Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind zutreffend und werden auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass es das "Interesse der Fachkräfte des öffentlichen Trägers ist, freie Träger zu empfehlen, die fachlich gut mit den Familien zusammenarbeiten" und sie deshalb entlasten, und für den Beklagten ferner die Möglichkeit einer kurzfristigen Vertragsbeendigung besteht.
Soweit der Beklagte den Ablauf der Hilfeplanung nach § 36 Abs. 2 und 3 SGB VIII (nochmals) dargestellt hat und dabei eine "Beeinträchtigung grundrechtlicher Freiheit" für ausgeschlossen hält, übersieht er, dass dem Sozialraumträger nach den vertraglichen Regelungen eine Beteiligung und generelle Mitentscheidungsbefugnis in allen Fällen, also nicht nur bei einem längerfristigen Hilfebedarf, den § 36 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII voraussetzt, und unabhängig davon, ob er als Leistungserbringer in Betracht kommt, eingeräumt wird und die vertraglich vorgesehenen Regelungen entgegen der Behauptung des Beklagten inhaltlich über eine bloß beratende Funktion des Sozialraumträgers, wie sie im Rahmen der Hilfeplanung den vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Einzelfall hinzugezogenen Personen außerhalb des Jugendamtes nach § 36 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII zukommen kann, hinausgehen. Denn bei der Entscheidung über die Durchführung von Jugendhilfemaßnahmen ist nach den vorgesehenen Regelungen stets der Sozialraumträger als freier Träger zu beteiligen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages werden grundsätzlich alle Leistungen für Einzelfälle vom "Gemeinsamen Sozialraumteam" in regelmäßigen Teamsitzungen beraten und entschieden, wobei sich das gemeinsame Sozialraumteam aus Mitarbeitern des sogenannten Grundteams des Sozialraumträgers und Mitarbeitern des Beklagten zusammensetzt (vgl. § 5 Abs. 2 Sätze 4 und 5 sowie § 9 des Vertrages). Sofern auf der ersten Entscheidungsstufe (Sozialraumebene) keine Einigung über die Hilfe im konkreten Einzelfall erzielt werden kann, treffen der Sozialraumleiter, ein Mitarbeiter des Beklagten (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 4 des Vertrages), und der Koordinator, ein Mitarbeiter des Sozialraumträgers (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4 des Vertrages), die Entscheidung konsensual (§ 5 Abs. 3 Satz 1 des Vertrages). Erst wenn auch diese keine Einigung erzielen können, entscheidet der nächste Vorgesetzte des Sozialraumleiters oder sein Vertreter (§ 5 Abs. 3 Satz 2 des Vertrages), mithin allein ein Vertreter des Beklagten. Durch § 5 des Vertrages werden dem Sozialraumträger daher Mitentscheidungs- und nicht lediglich Mitberatungsbefugnisse bei der Entscheidung über die Hilfegewährung im Einzelfall eingeräumt.
Entgegen der Meinung des Beklagten ist es "in diesem Zusammenhang" auch keineswegs "ohne Relevanz", dass die vorgesehenen vertraglichen Regelungen die Zuweisung eines Budgets an den Sozialraumträger vorsehen. Die von dem Beklagten angeführten Gründe bzw. Motive für die diesbezüglichen Vereinbarungen, die seiner Ansicht nach allein darauf zurückzuführen seien, dass eine Differenzierung zwischen Mitteln für die Bearbeitung von Hilfefällen einerseits und Mitteln für die Verwirklichung eines Netzwerks im Sozialraum andererseits eine effizienzbeeinträchtigende Wirkung haben könnte, ändern nichts daran, dass den vorgesehenen Budgets aus den vom Verwaltungsgericht unter Wiedergabe des Senatsbeschlusses vom 9. Juli 2010 (4 ME 307/09) ausführlich dargestellten Gründen in tatsächlicher Hinsicht eine steuernde Wirkung zukommt und daher auch unter diesem Gesichtspunkt eine Interessenkollision auf der Hand liegt, die in Verbindung mit den dem Sozialraumträger in dem Vertrag zugewiesenen Mitentscheidungsbefugnissen eine erhebliche Wettbewerbsbenachteiligung der anderen Leistungsanbieter, wie der Klägerin, und mithin einen Eingriff in deren Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG zur Folge hat.
Nicht nachvollziehbar ist schließlich der Einwand des Beklagten, das besondere Rechtsschutzinteresse für die von der Klägerin erhobene vorbeugende Unterlassungsklage fehle, weil bereits der Umstand, dass andere Verfahren betreffend sein Sozialraumprojekt anhängig seien, ihn an dem Abschluss der projektierten Verträge hindere und die vorliegende Klage überflüssig mache. Dieser Einwand ist bereits deshalb nicht tragfähig, weil damit jeder Klage der betroffenen Mitbewerber entgegen gehalten werden könnte, dass es noch andere gleich gelagerte Verfahren gebe. Das Rechtsschutzbedürfnis für die jeweilige Klage entfällt aber nicht dadurch, dass es noch andere Klagen mit demselben Rechtsschutzziel gibt. Richtig ist insofern vielmehr, dass im Falle jeder dieser Klagen dem jeweils betroffenen Kläger das Abwarten des Abschlusses der von dem Beklagten beabsichtigten Vereinbarungen im Hinblick auf die damit verbundenen Wettbewerbsnachteile nicht zugemutet werden kann.
Besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), die eine Zulassung der Berufung begründen könnten, sind entgegen der Auffassung des Beklagten nicht ersichtlich, da die hier anzuwendenden rechtlichen Maßstäbe in der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind und die Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Sachverhalt, der vom Verwaltungsgericht hinsichtlich der entscheidungserheblichen Fragen nach dem oben Gesagten vollständig und richtig erfasst worden ist, keine besonderen, d.h. überdurchschnittlichen Schwierigkeiten bereitet.
Es kommt auch eine Zulassung der Berufung wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht in Betracht.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7.4.2011 - 4 LA 98/10 -, 8.10.2009 - 4 LA 234/09 - und 24.2.2009 - 4 LA 798/07 -; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124 Rn. 30 ff. m.w.N.). Daher ist die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nur dann im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum diese Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124 a Rn. 103 ff. m.w.N.).
Soweit der Beklagte allgemein "die Frage nach der Zulässigkeit der projektierten vertraglichen Vereinbarungen unter Berücksichtigung des Grundrechts der Berufsfreiheit anderer freier Träger" als grundsätzlich bedeutsam ansieht, fehlt es an der Bezeichnung einer konkreten Tatsachen- oder Rechtsfrage, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung bedarf. Denn der Beklagte hat nicht dargelegt, welche konkrete grundsätzlich bedeutsame Tatsachen- oder Rechtsfrage im Zusammenhang mit "der Zulässigkeit der projektierten vertraglichen Vereinbarungen" geklärt werden soll.
Soweit der Beklagte anführt, dass keine höchstrichterliche Entscheidung bekannt sei, "in der es als einem Grundrechtsadressaten zurechenbare Beeinträchtigung der Grundrechte Dritter angesehen worden wäre, wenn die Einräumung bestimmter Verhaltensmöglichkeiten durch vertragliche Vereinbarungen einem Privaten das Unterbreiten von Vorschlägen gegenüber der Verwaltung in einem institutionalisierten Rahmen ermöglicht", ist bereits unklar, ob der Beklagte damit eine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage bezeichnen will. Sofern dies der Fall ist, ist die entsprechende Frage jedenfalls nicht entscheidungserheblich, da es hier nach dem oben Gesagten nicht lediglich um das "Unterbreiten von Vorschlägen gegenüber der Verwaltung", sondern um konkrete Mitentscheidungsbefugnisse des Sozialraumträgers geht.
Ebenfalls nicht entscheidungserheblich ist die von dem Beklagten bezeichnete Frage, "ob es grundrechtsdogmatisch möglich ist, die positive Feststellung der grundrechtlichen Relevanz des Handelns eines Grundrechtsadressaten durch die Unterstellung möglichen (Fehl-) Verhaltens eines Grundrechtsadressaten in der Zukunft zu ersetzen". Denn der Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG liegt hier nach dem oben Gesagten in der Einräumung von konkreten Mitentscheidungsbefugnissen für den Sozialraumträger vor dem Hintergrund einer bestehenden Interessenkollision und nicht in der "Unterstellung möglichen (Fehl-) Verhaltens eines Grundrechtsadressaten in der Zukunft".
Die Frage, "inwieweit das vorgesehene Konzept der Sozialraumorientierung bei unterstellter Grundrechtsrelevanz im Hinblick auf Dritte eine Rechtsgrundlage in Vorschriften des SGB VIII zu finden vermag", ist bereits im Berufungszulassungsverfahren ohne weiteres dahingehend zu beantworten, dass eine solche Rechtsgrundlage im SGB VIII nicht vorhanden ist. Denn es liegt aus den vom Verwaltungsgericht unter Wiedergabe des Senatsbeschlusses vom 9. Juli 2010 (4 ME 307/09) näher ausgeführten Gründen auf der Hand, dass die von dem Beklagten insofern angeführten Vorschriften der §§ 74 Abs. 3, 77 ff. SGB VIII die Übertragung von Mitentscheidungsbefugnissen bei der Hilfegewährung im Einzelfall auf den Sozialraumträger, die eine wettbewerbsrelevante erhebliche Beeinträchtigung des Mitbewerbers zur Folge hat, nicht erlauben. Auch im Hinblick auf diese Frage kommt daher eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht in Betracht.
Soweit der Beklagte die Frage, "ob das besondere Rechtsschutzinteresse für eine vorbeugende Unterlassungsklage auch dann besteht, wenn eine Handlung zum Nachteil eines Klägers - hier die Unterzeichnung der Verträge - nicht unmittelbar droht und bei einer später drohenden Handlung zum Nachteil des Klägers noch Rechtsschutz möglich ist", für grundsätzlich bedeutsam hält, hat er bereits nicht dargelegt, aus welchen Gründen deren Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren. Im Übrigen ist diese Frage aus den oben genannten Gründen auch nicht entscheidungserheblich, da danach das besondere Rechtsschutzinteresse für die jeweilige vorbeugende Unterlassungsklage nicht dadurch entfällt, dass es noch andere Klagen mit demselben Rechtsschutzziel gibt.
Der Zulassungsgrund der Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist von dem Kläger ebenfalls nicht hinreichend dargelegt worden und liegt auch nicht vor.
Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht seinem Urteil einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit einem in einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten, dieselbe Rechtsfrage betreffenden und die Entscheidung tragenden Rechtssatz nicht übereinstimmt (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124 Rn. 36 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, § 124 Rn. 11, § 132 Rn. 14 ff.; vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 6.12.1995 - 4 B 187.95 - und 19.8.1997 - 7 B 261/97 -, NJW 1997 S. 3328 m.w.N). Dabei muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied deutlich werden, weil die bloße unrichtige oder unterbliebene Anwendung eines obergerichtlich oder höchstrichterlich aufgestellten Rechtssatzes den Zulassungsgrund der Divergenz nicht erfüllt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20.8.1997 - 9 B 89.97 - und 19.8.1997 - 7 B 261.97 -, a.a.O.). Die Darlegung der Divergenz, die § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO verlangt, erfordert daher u.a. die Angabe des obergerichtlich oder höchstrichterlich entwickelten Rechtssatzes, die Bezeichnung des Rechtssatzes, mit dem das Verwaltungsgericht von dem obergerichtlich oder höchstrichterlich gebildeten Rechtssatz abgewichen sein soll, und Erläuterungen dazu, worin die Abweichung konkret besteht (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124 a Rn. 106 ff.; BVerwG, Beschluss vom 19.8.1997 - 7 B 261.97 -, a.a.O.).
Der Beklagte hat zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes vorgebracht: "Die angegriffene Entscheidung weicht von der ständigen Rechtsprechung aller Verwaltungs- und Verfassungsgerichte ab, in der bislang für die Grundrechtsrelevanz des Handelns eines Grundrechtsadressaten noch stets eine feststellbare Zwangswirkung zu Lasten eines Dritten und damit ein Eingriff verlangt worden ist. Demgegenüber soll nach der angegriffenen Entscheidung nunmehr offenbar ein eingriffsloser Eingriff ausreichen, bei dem auf die Feststellung der Fremdbestimmung des Dritten verzichtet und vertraglichen Vereinbarungen allein deshalb grundrechtliche Relevanz zugebilligt wird, weil ein Grundrechtsadressat sich im Rahmen der Umsetzung der geschlossenen Verträge rechtswidrig verhalten könnte." Damit hat der Beklagte jedoch keinen abstrakten Rechtssatz bezeichnet, den das Verwaltungsgericht aufgestellt haben und mit dem es von einem bestimmten obergerichtlich oder höchstrichterlich entwickelten, dieselbe Rechtsfrage betreffenden abstrakten Rechtssatz abgewichen sein soll. Im Übrigen liegt hier eine Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO auch nicht vor, da die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach dem oben Gesagten mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats übereinstimmt.