Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.04.2024, Az.: 4 KN 262/20

Normenkontrollantrag gegen eine Naturschutzgebietsverordnung wegen der Regelung zur Vorrangigkeit der Deponieplanung; Bestimmungsgemäße Nutzung der Müllentsorgung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.04.2024
Aktenzeichen
4 KN 262/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 15921
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0418.4KN262.20.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Bei Erlass einer Naturschutzgebietsverordnung ist eine nach dem Prioritätsgrundsatz vorrangige Deponieplanung angemessen zu berücksichtigen. Dies folgt aus dem u.a. in § 2 Abs. 3 BNatSchG zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Bestätigung Senatsurt. v. 19.4.2018 - 4 KN 368/15 -, juris Leitsatz 2 u. Rn. 72) und wird durch § 4 Satz 1 Nr. 5 Var. 2 BNatSchG bekräftigt, nach dem bei Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf Flächen, die ausschließlich oder überwiegend Zwecken der Entsorgung dienen oder die in einem verbindlichen Plan für die genannten Zwecke ausgewiesen sind, die bestimmungsgemäße Nutzung zu gewährleisten ist.

  2. 2.

    Erfolgt die geforderte angemessene Berücksichtigung durch eine Freistellungsregelung für den Bau und Betrieb der Deponie, sind von der Freistellung auch etwaig erforderliche Betriebsanpassungen zur Erfüllung dynamischer Betreiberpflichten erfasst.

Tenor:

Soweit der Normenkontrollantrag zurückgenommen worden ist, wird das Normenkontrollverfahren eingestellt.

§ 4 Abs. 2 Nr. 14 der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Haaßeler Bruch" in den Gemarkungen Haaßel (Gemeinde Selsingen), Anderlingen und Ohrel (Gemeinde Anderlingen) im Landkreis Rotenburg (Wümme) vom 13. Dezember 2019 ist unwirksam, soweit es darin heißt "sofern keine zusätzlichen Flächen außerhalb der bereits planfestgestellten Deponieumzäunung in Anspruch genommen werden und die abgelagerten Stoffe auf die im Planfeststellungsbeschluss beantragte Liste der Abfälle beschränkt bleiben".

Im Übrigen wird der Normenkontrollantrag abgelehnt.

Die Kosten des Normenkontrollverfahrens tragen die Antragsteller zu zwei Dritteln und der Antragsgegner zu einem Drittel.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung, soweit diese nicht den zurückgenommenen Teil betrifft, vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Antragsteller zu 1. und 2. (im Folgenden kurz: Antragsteller) wenden sich gegen die Verordnung des Antragsgegners über das Naturschutzgebiet "Haaßeler Bruch" in den Gemarkungen Haaßel (Gemeinde Selsingen), Anderlingen und Ohrel (Gemeinde Anderlingen) im Landkreis Rotenburg (Wümme) vom 13. Dezember 2019.

Am 29. Januar 2010 schlossen die Antragstellerin zu 1., ein Unternehmen im Bereich des Straßenbaus, als Käuferin, vertreten durch den Antragsteller zu 2. als vertretungsberechtigten Geschäftsführer, und der Antragsgegner als Verkäufer einen Grundstückskaufvertrag nebst Auflassung. Kaufobjekt waren die im Kreisgebiet des Antragsgegners nordöstlich der Samtgemeinde Selsingen in der Gemarkung Haaßel Flur 2 gelegenen Flurstücke 20/3, 20/1 und 13/3 mit einer Gesamtgröße von ca. 10,7 ha. Nach den vertraglichen Bestimmungen verkaufte der Antragsgegner das Grundeigentum an die Antragstellerin zu 1. "für die Errichtung einer Bodendeponie". In das Vorhaben wurden die im Eigentum des Antragstellers zu 2. stehenden südlich angrenzenden Flurstücke 20/12, 20/15 und 20/16 der Flur 2 der Gemarkung Haaßel einbezogen. Am 2. Februar 2010 wurde die Auflassungsvormerkung hinsichtlich des Kaufobjektes in das Grundbuch eingetragen. Die Übergabe des Eigentums erfolgt am Tage der Kaufpreiszahlung, die allerdings noch nicht fällig ist, weil die vereinbarte Voraussetzung des Vorliegens einer "rechtskräftige(n) Bodendeponiegenehmigung" bislang nicht eingetreten ist.

Die von dem Antragsgegner verkauften Flurstücke waren sowohl in seinem Regionalen Raumordnungsprogramm (RROP) 1985 als auch in seinem RROP 1998 als Vorrangstandort für Abfallbeseitigungsanlagen dargestellt gewesen. In sein RROP 2005 waren sie in ein als Ziel der Raumordnung festgelegtes "Vorranggebiet für Natur und Landschaft" einbezogen worden, das insgesamt eine Fläche von etwa 120 ha aufwies und die drei Flurstücke in seinem südlichen Bereich umfasste. Mit Bescheid vom 19. März 2010 erteilte der Antragsgegner im Einvernehmen mit seiner Naturschutzbehörde für die Errichtung der von der Antragstellerin zu 1. geplanten Bodendeponie für mineralische Abfälle eine raumordnungsrechtliche Zielabweichung. Im Raumordnungsprogramm bleibe das Ziel bestehen, es brauche aber im abfallrechtlichen Deponiegenehmigungsverfahren nicht beachtet zu werden. Die Zielabweichung sei raumordnerisch vertretbar, da es sich um einen atypischen Sachverhalt handele. Der Standort Haaßel sei aufgrund eines umfangreichen Erkundungsprogramms zur vormals geplanten Hausmülldeponie insbesondere wegen der geologischen Verhältnisse für eine Deponie der Klasse I (mineralische Abfälle) als geeignet zu betrachten. Auf eine erneute Ausweisung als Vorrangstandort für Abfallbeseitigungsanlagen im RROP 2005 sei nur deswegen verzichtet worden, weil 2002 beschlossen worden sei, die Hausmülldeponie aufgrund veränderter Rahmenbedingungen in der Abfallwirtschaft nicht zu bauen.

Auf den im März 2011 gestellten und im April 2013 geänderten bzw. ergänzten Antrag der Antragstellerin zu 1. stellte das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg mit Beschluss vom 28. Januar 2015 unter Ziffer I.1. den Plan zur Errichtung und zum Betrieb der Deponie Haaßel als Deponie der Klasse I in der Gemarkung Haaßel, Flurstücke 13/3, 20/1, 20/3, 20/12, 20/15 und 20/16 der Flur 2, fest. Als Nebenbestimmung war festgelegt, dass die Deponie für die Ablagerung von den in Anlage 1 zu dem Bescheid aufgeführten nicht verwertbaren Abfallarten zugelassen werde (Ziffer III.B.1.). Enthalten war auch die Anordnung, dass aus Gründen der Vermeidung abweichend von den von der Antragstellerin zu 1. eingereichten Lageplänen bestimmte Bereiche nicht durch den Betriebszaun von der freien Landschaft abzuschneiden seien, darunter der Verlauf der Regenwasserableitung zur Vorflut und das naturnah gestaltete Regenrückhaltebecken (Ziffer III.H.3.8). Als Bestandteil des Plans festgestellt wurde u.a. eine im Aufstellungsverfahren von der Planfeststellungsbehörde erstellte Biotoptypenkartierung in der Fassung vom 15. Dezember 2014 (Ziffer II.1. Zu Ordner 2, Anlage 3), in der auch die geänderte Umzäunung des Betriebsgeländes dargestellt wurde.

Unter Ziffer I.2. des Planfeststellungsbeschlusses vom 28. Januar 2015 wurde der Antrag der Antragstellerin zu 1. zum einen insoweit abgelehnt, als die Zuwegung in den Einfahrtsbereich (Waage, Bürocontainer, Stellplätze) der Deponie direkt von dem Flurstück 20/11 auf das Flurstück 20/12 erfolgen sollte. Dem lag zugrunde, dass das nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmete Flurstück 20/11 Eigentum des Antragsgegners ist. Der Antragsgegner, der durch Schließung des Grundstückskaufvertrags, dessen Wirksamkeit er auch derzeit nicht in Zweifel zieht, und Erteilung des Zielabweichungsbescheids eine Realisierung der von der Antragstellerin zu 1. geplanten Bodendeponie erst ermöglicht hatte, hatte nämlich im Nachhinein eine ablehnende Haltung gegenüber dem Vorhaben eingenommen. Dessen verkehrliche Erschließung über im Eigentum des Antragsgegners stehende Privatwege hatte sich die Antragstellerin zu 1. daher zivilgerichtlich erstreiten müssen. Ausweislich des Beschlusses war der Antragsgegner durch das Landgericht Verden zur Eintragung von Erschließungsbaulasten zugunsten der drei von ihm an die Antragstellerin zu 1. verkauften Flurstücke 20/3, 20/1 und 13/3 verpflichtet worden (IV.D.1.5); Gleiches galt aber nicht hinsichtlich des im Eigentum des Antragstellers zu 2. stehenden Flurstücks 20/12. In den Nebenbestimmungen wurde festgelegt, dass der Planfeststellungsbehörde mindestens einen Monat vor Baubeginn die Planung zur Anpassung des Eingangsbereiches vorzulegen sei (III.A.11.).

Zum anderen wurde der Antrag der Antragstellerin zu 1. unter Ziffer I.2 des Beschlusses insoweit abgelehnt, als das Deponiesickerwasser über ein Rohrleitungssystem an die Samtgemeinde Selsingen gegeben werden sollte. Die Samtgemeinde Selsingen hatte ihr Einverständnis dazu nicht gegeben (IV.D.2.4). Zur Sicherung der abwasserrechtlichen Erschließung wurde die Sammlung des Sickerwassers in einem Speicherbecken und anschließende Entsorgung in einer zugelassenen Entsorgungsanlage angeordnet (IV.D.1.5). Zugleich wurde erklärt, dass eine spätere Einigung der Antragstellerin zu 1. mit der Samtgemeinde, das Sickerwasser in der kommunalen Kläranlage anzunehmen, durch den Planfeststellungsbeschluss nicht ausgeschlossen werde (IV.D.2.4).

Schließlich wurde unter Ziffer I.3 des Beschlusses vom 28. Januar 2015 die Wasserrechtliche Erlaubnis zur Einleitung von nicht verunreinigtem Oberflächenwasser gemäß § 8 Wasserhaushaltsgesetz nach Maßgabe des Beschlusses zur Einleitung von Niederschlagswasser vom Gelände der Deponie in das Gewässer Haaßel-Windershuser Abzugsgraben und zur Einleitung von Niederschlagswasser vom Parkplatz und den Dachflächen des Bürocontainers in das Versickerungsbecken erteilt.

Auf die Klage eines anerkannten Umweltverbandes stellte der 7. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts durch Urteil vom 4. Juli 2017 (- 7 KS 7/15 -, juris) - unter Abweisung der Klage im Übrigen - fest, dass der Planfeststellungsbeschluss zur Errichtung und zum Betrieb der Deponie Haaßel einschließlich der unter I.3 erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis rechtswidrig und nicht vollziehbar sei. Die dagegen sowohl von dem Umweltverband als auch von der zu dem Klageverfahren beigeladenen Antragstellerin zu 1. erhobenen Nichtzulassungsbeschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. Juli 2018 (- 7 B 15.17 -, juris) zurück. Damit stand rechtskräftig fest, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 28. Januar 2015 zwei Mängel aufwies - zum einen ergab sich ein beachtlicher Abwägungsfehler daraus, dass die Planfeststellungsbehörde unterlassen hatte zu prüfen, ob anstelle des planfestgestellten Vorhabens eine auf das gesamte Einzugsgebiet der Deponie einschließlich der zum Antragsgegner benachbarten Landkreise bezogene ernsthafte Alternative in Betracht kommen könnte; zum anderen war die wasserrechtliche Erlaubnis verfahrensfehlerhaft erteilt worden, da der Antragsgegner in seiner Funktion als zuständige Wasserbehörde das gesetzlich erforderliche Einvernehmen nicht erklärt hatte -, dass diese Mängel aber die Gesamtkonzeption der Planung nicht durchgreifend infrage stellten, so dass ihre Heilung in einem ergänzenden Verfahren nach § 75 Abs. 1a VwVfG mit nachfolgender erneuter Sachentscheidung möglich war (Niedersächsisches OVG, Urt. v. 4.7.2017 - 7 KS 7/15 - , juris Rn. 241 ff., Rn. 257 ff., Rn. 262).

Ebenfalls rechtskräftig festgestellt war, dass sämtliche anderen Einwände des Umweltverbandes gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Errichtung und zum Betrieb der Deponie Haaßel nicht durchgriffen. In dem Urteil des 7. Senats vom 4. Juli 2017 war insbesondere dargelegt, dass es dem Vorhaben der Antragstellerin zu 1. nicht an der erforderlichen Planrechtfertigung fehle, es im Hinblick auf den Zielabweichungsbescheid vom 19. März 2010, der bestandskräftig und auch nicht nichtig sei, den raumordnungsrechtlichen Erfordernissen genüge, es ebenfalls den Anforderungen des Habitatschutzrechts entspreche, dass durch den Planfeststellungsbeschluss gesetzlich geschützte Biotope nicht unzulässig beeinträchtigt würden, er auch die erforderlichen Vorkehrungen getroffen habe, damit durch das Vorhaben keine artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 BNatSchG erfüllt würden, er der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung nicht widerspreche und schließlich auch im Hinblick auf wasserrechtliche Anforderungen keinen durchgreifenden Bedenken begegne (Niedersächsisches OVG, Urt. v. 4.7.2017 - 7 KS 7/15 -, juris Rn. 114 ff., Rn. 121 ff., Rn. 140 ff., Rn. 152 ff., Rn. 189 ff., Rn. 224 ff.). Ausgeschlossen wurde auch ein Verstoß des Planfeststellungsbeschlusses gegen die von dem Antragsgegner am 17. Dezember 2014 beschlossene (erste) Verordnung über das Naturschutzgebiet "Haaßeler Bruch", dessen Areal unter Einschluss der an die Antragstellerin zu 1. verkauften Flurstücke 20/1, 20/3 und 13/3 der Flur 2 Gemarkung Haaßel im Wesentlichen dem im RROP 2005 dargestellten Vorranggebiet für Natur und Landschaft entsprach. Die Verordnung sei erst mit Wirkung vom 1. Februar 2015 und damit nach dem für die Beurteilung des Planfeststellungsbeschlusses maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses am 28. Januar 2015 in Kraft gesetzt worden (Niedersächsisches OVG, Urt. v. 4.7.2017 - 7 KS 7/15 -, juris Rn. 150).

Zudem erklärte der erkennende Senat auf den Normenkontrollantrag der Antragstellerin zu 1. mit Urteil vom 19. April 2018 (- 4 KN 368/15 -, juris), das der Antragsgegner rechtskräftig werden ließ, die Naturschutzgebietsverordnung vom 17. Dezember 2014 für unwirksam. Die Verordnung leide wegen Nichteinhaltung der für sie geltenden Verkündungsvorschriften an einem insgesamt zur Unwirksamkeit führenden formellen Mangel, sei aber auch materiell-rechtlich zu beanstanden. Die Einbeziehung der als Deponiefläche planfestgestellten Flurstücke 20/3, 20/1 und 13/3 der Flur 2 der Gemarkung Haaßel verstoße gegen den u.a. in § 2 Abs. 3 BNatSchG zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Antragsgegner wäre bei Erlass der Naturschutzgebietsverordnung verpflichtet gewesen, die im Planfeststellungsverfahren verfolgten Ziele im Rahmen der Abwägung nach § 2 Abs. 3 BNatSchG als "sonstige Anforderung der Allgemeinheit an Natur und Landschaft" angemessen zu berücksichtigen. Diesem Verfahren sei Vorrang zugekommen, weil die Deponieplanung einen deutlichen zeitlichen Vorsprung vor dem Verfahren der Ausweisung des Naturschutzgebiets "Haaßeler Bruch" gehabt habe. An einer solchen angemessenen Berücksichtigung fehle es aber. Die Verordnung erstrecke sich auf die für die Deponie vorgesehenen Flurstücke 20/3, 20/1 und 13/3 der Flur 2 der Gemarkung Haaßel und enthalte in ihrem § 3 zahlreiche Verbote, die der Errichtung und dem Betrieb der mit dem Planfeststellungsbeschluss vom 28. Januar 2015 genehmigten Bodendeponie für mineralische Abfälle entgegenstünden. Eine Freistellungsregelung für die Deponie gebe es in der Verordnung nicht. Der Senat habe allerdings keinen Zweifel daran, dass das mit der Verordnung unter Schutz gestellte Gebiet in naturschutzrechtlicher Hinsicht sowohl schutzwürdig als auch schutzbedürftig sei (Senatsurt. v. 19.4.2018 - 4 KN 368/15 -, juris Rn. 32 ff., Rn. 71 ff., Rn. 83).

Hinsichtlich des nicht vollziehbaren Planfeststellungsbeschlusses vom 28. Januar 2015 leitete die Antragstellerin zu 1. im Dezember 2018 beim Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg unter Einreichung einer Standortalternativenprüfung das ergänzende Verfahren nach § 75 Abs. 1a VwVfG ein, das zwar auch derzeit noch nicht abgeschlossen ist, dem aber in jüngerer Zeit durch Weisung der Fachaufsicht Fortgang gegeben wurde. Bereits mit wasserwirtschaftlicher Stellungnahme vom 19. August 2020 hatte die Untere Wasserbehörde - nach zusätzlicher Vorlage eines geänderten Entwässerungskonzepts und unter der Voraussetzung der Aufnahme von Nebenbestimmungen in den Planergänzungsbescheid - die Erteilung des Einvernehmens zur Wasserrechtlichen Erlaubnis zur Einleitung von nicht verunreinigtem Oberflächenwasser vom Gelände der geplanten Deponie Haaßel in den Haaßel-Windershusener Abzugsgraben empfohlen. Dem war der Kreistag des Antragsgegners allerdings mehrfach, zuletzt bei der auf entsprechende Anforderung der Planfeststellungsbehörde erfolgten Befassung in seiner Sitzung vom 29. Juni 2023 (TOP 25), nicht gefolgt. Daraufhin hatte sich die Antragstellerin zu 1. an das Niedersächsische Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz gewandt, das den Antragsgegner mit Schreiben vom 8. April 2024 unter Verweis darauf, dass für die Ablehnung (weiterhin) keine tragfähigen Gründe vorlägen, aufforderte, das vom Gewerbeaufsichtsamt erbetene Einvernehmen bis zum 10. Juni 2024 zu erteilen.

Der Antragsgegner hatte Anfang 2019 ein erneutes Verfahren zur Unterschutzstellung des Areals "Haaßeler Bruch" aufgenommen. Der Ausschuss für Umwelt und Planung beschloss, die Flurstücke 20/3, 20/1 und 13/3 der Flur 2 der Gemarkung Haaßel wieder in das Schutzgebiet einzubeziehen, für die Bodendeponie aber in § 4 Abs. 2 Nr. 14 des Verordnungsentwurfs eine Freistellungsklausel aufzunehmen. Die Freistellungsregelung im Verordnungsentwurf wurde mit folgendem - vom Ausschuss für Umwelt und Planung in seiner Sitzung vom 4. Juni 2019 vorgeschlagenen - Wortlaut in das Beteiligungsverfahren gegeben: "Freigestellt ist der Bau und Betrieb einer Deponie der Klasse 1 gemäß dem Planfeststellungsbeschluss vom 28. Januar 2015 einschließlich möglicher Änderungen im Planergänzungsverfahren, sofern keine zusätzlichen Flächen außerhalb der bereits planfestgestellten Deponieumzäunung in Anspruch genommen werden und die abgelagerten Stoffe auf die im Planfeststellungsbeschluss beantragte Liste der Abfälle beschränkt bleiben." Mit Schreiben vom 13. August 2019 räumte der Antragsgegner den gebietsbetroffenen Gemeinden und sonst betroffenen Behörden sowie verschiedenen Naturschutzvereinen mit Frist bis zum 15. Oktober 2019 Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem beigefügten Verordnungsentwurf (Text und Abgrenzung) ein.

In ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom 4. Oktober 2019 erhoben die Antragsteller etliche Rügen gegen den Verordnungsentwurf. Insbesondere machten sie geltend, dass schon an der Erforderlichkeit der Festsetzung des Areals "Haaßeler Bruch" als Naturschutzgebiet gemäß § 23 Abs. 1 BNatSchG erhebliche Zweifel bestünden. Soweit es in der Begründung zum Entwurf der Verordnung heiße, dass mit der Unterschutzstellung insbesondere Lebensräume von stark gefährdeten Vogelarten (Großer Brachvogel und Kiebitz) geschützt werden sollten, könne dieses Ziel im Hinblick auf das Deponiegelände nicht erreicht werden. Bei Überprüfungen in den Jahren 2013 und 2014 habe das Vorkommen des Großen Brachvogels dort nicht mehr nachgewiesen werden können. Insoweit sei das Deponiegelände auch nicht geeignet, die Entwicklung bzw. Wiederherstellung eines Bestandes zu sichern. Es sei auch nicht ausreichend, dass der erkennende Senat in seinem Urteil vom 19. April 2018 (4 KN 368/15) festgestellt habe, dass das Gebiet in naturschutzrechtlicher Hinsicht sowohl schutzwürdig als auch schutzbedürftig sei. Denn diese Bewertung beziehe sich auf die Verordnung vom 17. Dezember 2014. Im jetzigen Verordnungsentwurf sei der Schutzgegenstand verändert und allgemeiner gehalten. Insofern wären Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit neu zu bewerten gewesen. Unabhängig davon genüge die Unterschutzstellung der Deponieflächen jedenfalls weiterhin nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Denn die Freistellungsregelung berücksichtige im Hinblick auf die in dem Entwurf enthaltenen Einschränkungen und Vorbehalte den Vorrang der Deponieplanung und ihre Rechte als Vorhabenträger und Grundstückseigentümer nicht angemessen, zumal noch nicht feststehe, wie sich das Planergänzungsverfahren auf die Ausgestaltung der Deponie auswirken werde.

Nach Beratung im Ausschuss für Umwelt und Planung in dessen 15. Sitzung vom 28. November 2019 sowie im Kreisausschuss in dessen 28. Sitzung vom 5. Dezember 2019 beschloss der Kreistag des Antragsgegners am 13. Dezember 2019 - hinsichtlich der Einbeziehung der Deponieflächen und der Freistellungsregelung des § 4 Abs. 2 Nr. 14 ohne Änderung gegenüber dem Entwurf - die (zweite) Verordnung über das Naturschutzgebiet "Haaßeler Bruch" in den Gemarkungen Haaßel (Gemeinde Selsingen), Anderlingen und Ohrel (Gemeinde Anderlingen) im Landkreis Rotenburg (Wümme) (im Folgenden: NSG-VO). Die Verordnung wurde im Amtsblatt des Antragsgegners vom 31. Dezember 2019 bekannt gemacht und trat nach ihrem § 8 am folgenden Tag in Kraft.

Nach § 1 NSG-VO ergibt sich die genaue Grenzziehung des unter Schutz gestellten ca. 120 ha großen, innerhalb des Naturraumes "Beverner Geest" nordöstlich der Ortschaft Haaßel liegenden Areals aus der maßgeblichen und mit veröffentlichten Karte im Maßstab 1:7.500 und aus der mit veröffentlichten Übersichtskarte im Maßstab 1:25.000.

In § 2 Abs. 1 NSG-VO wird der Schutzgegenstand als Teilbereich eines breiten, weitestgehend unzerschnittenen und im Wesentlichen noch naturnah ausgestatteten, landschaftsprägenden Bachtals mit alt- und totholzreichen, z.T. quelligen, gut basenversorgten und strukturreichen Feuchtwaldbereichen beschrieben, die weiter nördlich auf ansteigendem Gelände im mesophilen Eichen-Mischwald im Wechsel mit bodensaurem Buchwald übergehen. Daran schlössen sich überwiegend standortfremde Nadelholzbestände aus Fichte und Lärche mit kleineren Buchenaltholzinseln an. Teile des Waldkomplexes seien historisch alte Waldstandorte. Im Nordosten auf anmoorigem Standort befinde sich artenreiches Feucht- und Nassgrünland mit eingestreuten Sümpfen, gegliedert durch naturnahe Feldgehölze und Hecken. Der Bereich werde extensiv als Weide oder Mähgrünland genutzt. Im Osten lägen Birken-Moor- und -Bruchwald mit regenerierenden Torfstichen. Im Süden und Westen wechselten sich extensiv genutztes artenreiches mesophiles Grünland mit Intensivgrünland und einer größeren Ackerfläche ab. Das NSG habe eine sehr hohe Bedeutung für gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Die bewaldeten und von entwässertem Hochmoor geprägten Bereiche seien wichtige Lebensräume für vornehmlich waldbewohnende Tierarten, das landwirtschaftlich genutzte Offenland für Wiesenvögel und Heckenbewohner.

Nach § 2 Abs. 2 NSG-VO ist allgemeiner Schutzzweck die Erhaltung, Pflege, Entwicklung oder Wiederherstellung von Biotopen, Lebensstätten und Lebensgemeinschaften bestimmter wildlebender, schutzbedürftiger Tier- und Pflanzenarten auch im Hinblick auf ihre jeweiligen Funktionen im Naturhaushalt sowie als Landschaft von besonderer Eigenart und Vielfalt. Zudem soll das Naturschutzgebiet als Bestandteil eines Biotopverbundes gemäß § 21 BNatSchG der Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen dienen. § 2 Abs. 3 NSG-VO listet die insbesondere mit der Erklärung zum NSG verfolgten Schutzzwecke auf, u.a. die langfristige Umwandlung nicht standortheimischer Waldbestände in die auf dem jeweiligen Standort natürlich vorkommenden Waldgesellschaften (Nr. 2), die Erhaltung und Entwicklung artenreicher Grünlandbestände auf vorwiegend feuchten bis nassen Standorten (Nr. 4) sowie der Schutz und die Förderung wildlebender Pflanzen und wildlebender Tiere, insbesondere der europäisch geschützten Vogelarten sowie ihrer Lebensgemeinschaften und Lebensstätten (Nr. 5).

§ 3 NSG-VO bestimmt die Verbote. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 NSG-VO sind gemäß § 23 Abs. 2 BNatSchG alle Handlungen verboten, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des NSG oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können. § 3 Abs. 2 Satz 2 NSG-VO enthält einen Katalog explizit untersagter Handlungen wie z.B., Hecken, Feldgehölze, Einzelbäume, Baumreihen oder naturnahe Gebüsche zu beseitigen oder zu beeinträchtigen (Nr. 3), naturnah aufgebaute Waldränder zu beseitigen oder zu beeinträchtigen (Nr. 4), Leitungen jeder Art zu verlegen, Masten, Einfriedungen oder Einzäunungen zu errichten oder bestehende Einrichtungen oder Anlagen dieser Art wesentlich zu ändern, sofern sie nicht der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft gemäß § 11 NWaldLG dienen (Nr. 13), Abfallstoffe aller Art, wie z.B. Müll, Schutt, Gartenabfälle, land- und forstwirtschaftliche Abfälle sowie Bodenbestandteile zu lagern, aufzuschütten oder einzubringen (Nr. 15), Bodenbestandteile abzubauen, Aufschüttungen, Auf- oder Abspülungen oder Abgrabungen vorzunehmen (Nr. 16) und in die bestehenden Verhältnisse im Wasserhaushalt in der Art einzugreifen, dass es zu einer weitergehenden Entwässerung des Schutzgebietes oder von Teilflächen kommen kann (Nr. 18). Außerdem darf nach § 3 Abs. 2 NSG-VO das Naturschutzgebiet gemäß § 16 Abs. 2 NNatSchG außerhalb des mit der veröffentlichten Karte dargestellten Weges nicht betreten, befahren oder auf sonstige Weise aufgesucht werden, soweit es nicht in § 4 anders bestimmt ist.

§ 4 NSG-VO sieht die Freistellungen von den Regelungen des § 3 NSG-VO vor. Dabei sind nach der Auflistung in § 4 Abs. 2 NSG-VO, die auch unter Nr. 14 die oben bereits erwähnte Freistellungsklausel für die Bodendeponie enthält, freigestellt u.a. die Unterhaltung und Instandsetzung bestehender Weidezäune und Viehtränken (Nr. 7) sowie rechtmäßig bestehender Viehunterstände (Nr. 8), die Nutzung, Unterhaltung und Instandsetzung der sonstigen rechtmäßig bestehenden Anlagen und Einrichtungen (Nr. 9) sowie die Unterhaltung der vorhandenen Ver- und Entsorgungseinrichtungen (Nr. 10). Weitere Freistellungen betreffen z.B. die ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung (Abs. 5) und die ordnungsgemäße Forstwirtschaft (Abs. 6). Nach § 4 Abs. 10 NSG-VO bleiben zudem bestehende behördliche Genehmigungen, Erlaubnisse oder sonstige Verwaltungsakte unberührt.

§ 5 NSG-VO bestimmt, dass die zuständige Naturschutzbehörde von den Verboten der Verordnung nach Maßgabe des § 67 BNatSchG i.V.m. § 41 NAGBNatSchG Befreiung gewähren kann. Schließlich enthalten § 6 und § 7 NSG-VO Regelungen zu Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen und zu Ordnungswidrigkeiten.

Am 11. Dezember 2020 haben die Antragsteller gegen die Verordnung über das Naturschutzgebiet "Haaßeler Bruch" vom 13. Dezember 2019 Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung machen sie einen - in einem Schreiben vom selben Tage auch direkt gegenüber dem Antragsgegner gerügten - Fehler im Beteiligungsverfahren nach § 14 Abs. 1 NAGBNatSchG geltend. Zudem vertreten sie die Auffassung, dass den Anforderungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 NAGBNatSchG an die zeichnerische Bestimmtheit der Naturschutzgebietsverordnung hinsichtlich des Geltungsbereiches von Vorschriften nicht Genüge getan sei. Dies gelte sowohl in Bezug auf die Fläche, auf die sich der Planfeststellungsbeschluss für die Deponie Haaßel beziehe, als auch hinsichtlich der durch die Vorschriften des § 4 Abs. 2 Nr. 7 bis 10 NSG-VO freigestellten "bestehenden Weidezäune und Viehtränken", "rechtmäßig bestehenden Viehunterständen", "sonstigen rechtmäßig bestehenden Anlagen und Einrichtungen" und "vorhandenen Ver- und Entsorgungsleitungen". Auch mangele es an einer groben Beschreibung des Geltungsbereiches der genannten Freistellungen im Text der Verordnung, wie sie von § 14 Abs. 4 Satz 5 NNatSchG gefordert sei. Darüber hinaus wiederholen und vertiefen die Antragsteller ihre Auffassung, dass es an der Erforderlichkeit der Ausweisung des Areals "Haaßeler Bruch", zumindest der für die Errichtung und den Betrieb der Deponie Haaßel notwendigen Flurstücke, als Naturschutzgebiet fehle, jedenfalls die in die Naturschutzgebietsverordnung aufgenommene Freistellungsregelung zur Wahrung ihrer Interessen nicht ausreichend sei. Dabei beanstanden sie insbesondere, dass § 14 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO die Notwendigkeit wesentlicher Änderungen im laufenden Deponiebetrieb zur Erfüllung dynamischer Betreiberpflichten und zur Anpassung an geänderte (unter-)gesetzliche Vorgaben nicht berücksichtige, wodurch auch der Entsorgungsvorrang nach § 4 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG missachtet werde.

Die Antragsteller beantragen - unter gleichzeitiger Rücknahme des Normenkontrollantrags im Übrigen -,

§ 4 Abs. 2 Nr. 14 der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Haaßeler Bruch" in den Gemarkungen Haaßel (Gemeinde Selsingen), Anderlingen und Ohren (Gemeinde Anderlingen) im Landkreis Rotenburg (Wümme) für unwirksam zu erklären, soweit es darin heißt "sofern keine zusätzlichen Flächen außerhalb der bereits planfestgestellten Deponieumzäumung in Anspruch genommen werden und die abgelagerten Stoffe auf die im Planfeststellungsbeschluss beantragte Liste der Abfälle beschränkt bleiben",

sowie ferner die Verordnung über das Naturschutzgebiet "Haaßeler Bruch" in den Gemarkungen Haaßel (Gemeinde Selsingen), Anderlingen und Ohrel (Gemeinde Anderlingen) im Landkreis Rotenburg (Wümme) für unwirksam zu erklären, soweit sich der Geltungsbereich der Verordnung auf das Flurstück 13/3, das Flurstück 20/1, das Flurstück 20/3, das Flurstück 20/11, das Flurstück 22/4, das Flurstück 6 und das Flurstück 13/2 der Flur 2 der Gemarkung Haaßel erstreckt.

Der Antragsgegner beantragt - unter Einwilligung in die teilweise Antragsrücknahme -,

die Anträge abzulehnen.

Der Antragsgegner verteidigt die angegriffene Verordnung. Das Beteiligungsverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Freistellungsregelung in § 4 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO sei durch den Rückgriff auf den Planfeststellungsbeschluss vom 28. Januar 2015 samt etwaiger Änderungen im Planergänzungsverfahren hinreichend bestimmt. Eine zeichnerische Darstellung von Weidezäunen und Viehtränken sei nicht erforderlich. Es fehle auch nicht an der Erforderlichkeit der Festsetzung als Naturschutzgebiet. Bereits im Landschaftsrahmenplan 2003 sei das Areal "Haaßeler Bruch" als naturschutzgebietswürdig eingestuft worden. Dies werde auch in § 2 Abs. 1 NSG-VO im Einzelnen dargelegt. Bei einer den Vorgaben der Verordnung entsprechenden Bewirtschaftung könne durchaus davon ausgegangen werden, dass der Große Brachvogel und der Kiebitz sich mittelfristig durch eine extensivere Nutzung der Flächen wieder ansiedeln bzw. weiter ausbreiten könnten. An dem Erhaltungszustand des Gebiets hätten sich seit der Feststellung des erkennenden Senats über dessen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit in seinem Urteil vom 19. April 2018 (4 KN 368/15) auch keine wesentlichen Änderungen ergeben. Schließlich könne eine über die Regelung in § 4 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO hinausgehende Freistellung nicht verlangt werden. Einen grundgesetzlichen Schutz für etwaige Erweiterungs- oder Änderungsabsichten von Betrieben gebe es nicht. Dies gelte sowohl für die Abwägung im Rahmen der Aufstellung der Verordnung als auch bei der Anwendung des § 4 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG, der (nur) vermeiden solle, dass durch nachträgliche naturschutzfachliche Forderungen die bestehende, zweckgemäße Nutzung unmöglich gemacht werde. Sollten sich neue technische Anforderungen an den Deponiebetrieb ergeben, die zur Fortführung des bereits genehmigten Betriebs notwendig seien, könnte eine Befreiung in Aussicht gestellt werden. Eine generelle Freistellungsregelung für derzeit nicht absehbare Änderungen sei dagegen nicht vertretbar.

In der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2024 hat die Vertreterin des Antragsgegners die Original-Ausfertigung der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Haaßeler Bruch" vom 13. Dezember 2019 mit den dazugehörigen Karten sowie ein Exemplar des gedruckten Amtsblattes vom 31. Dezember 2019 zur Einsichtnahme vorgelegt. Der mit ihr erschienene Leiter des Amtes für Naturschutz und Landschaftspflege des Antragsgegners hat die Gründe der Unterschutzstellung aus seiner Sicht erläutert.

Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind zudem der Verwaltungsvorgang der streitgegenständlichen Verordnung (BA001), der Verwaltungsvorgang der für unwirksam erklärten Naturschutzgebietsverordnung vom 17. Dezember 2014 (3 Bände; BA002) sowie die Gerichtsakten zum Normenkontrollverfahren 4 KN 368/15 einschließlich des dort als Anlage vorgelegten Landschaftsrahmenplans 2003 des Antragsgegners und der als Bestandteil des Plans zur Errichtung und zum Betrieb der Deponie Haaßel festgestellten Biotoptypenkartierung vom 15. Dezember 2014 gewesen.

Entscheidungsgründe

I. Soweit die Antragsteller ihren zunächst auf Unwirksamkeitserklärung der gesamten Verordnung über das Naturschutzgebiet "Haaßeler Bruch" vom 13. Dezember 2019 gerichteten Normenkontrollantrag in der mündlichen Verhandlung durch Teilrücknahme mit Einwilligung des Antragsgegners beschränkt haben, ist das Normenkontrollverfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

II. Der Normenkontrollantrag im Übrigen ist zulässig und in dem im Tenor genannten Umfang auch begründet.

1. Der Normenkontrollantrag ist nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 75 NJG statthaft und hinsichtlich seiner Zulässigkeit auch sonst keinen Bedenken ausgesetzt. Insbesondere sind beide Antragsteller antragsbefugt im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Antrag auf Normenkontrolle jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Nach der Rechtsprechung des Senats ist insoweit erforderlich, aber auch ausreichend, dass ein Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die zur Prüfung gestellte Rechtsnorm in einem subjektiven Recht verletzt wird. Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO setzt allerdings voraus, dass ein subjektiv-öffentliches Recht des Antragstellers von der von ihm zur gerichtlichen Prüfung gestellten Norm betroffen ist, ein solches Recht also besteht. Allein die bloße Möglichkeit einer eigenen Rechtsbetroffenheit des Antragstellers genügt nicht. Steht das Bestehen des vom Antragsteller geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Rechts fest, ist die Antragsbefugnis nur dann zu verneinen, wenn die Verletzung dieses Rechts offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (vgl. Senatsurt. v. 19.4.2018 - 4 KN 368/15 -, juris Rn. 28 m.w.N.).

Für die Antragstellerin zu 1. ergibt sich das erforderliche subjektiv-öffentliche Recht aus dem Planfeststellungsbeschluss vom 28. Januar 2015, der ihr das Recht zur Errichtung und zum Betrieb der Deponie Haaßel als Deponie der Klasse I in der Gemarkung Haaßel, Flurstücke 13/3, 20/1, 20/3, 20/12, 20/15 und 20/16 der Flur 2, verleiht. Davon ist der Senat bereits in dem gegen die (erste) Verordnung über das Naturschutzgebiet "Haaßeler Bruch" vom 17. Dezember 2014 angestrengten Normenkontrollverfahren ausgegangen (Senatsurt. v. 19.4.2018 - 4 KN 368/15 -, juris Rn. 29 ff.) und Gründe für eine veränderte Bewertung bestehen nicht. Zwar ist der Planfeststellungsbeschluss vom 28. Januar 2015 weiterhin nicht vollziehbar. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass das seit Dezember 2018 geführte Planergänzungsverfahren noch (unter Anordnung von Änderungen) mit seiner Bestätigung endet. Denn die zunächst nachzuholende Standortalternativenprüfung hat offenbar nicht zur Aufhebung des Beschlusses geführt und bei Umsetzung der gegenüber dem Antragsgegner ausgesprochenen fachaufsichtlichen Weisung des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz vom 8. April 2024 würde auch sein zweiter Mangel geheilt werden.

Darüber hinaus kann die Antragstellerin zu 1. auch geltend machen, durch die Verordnung über das Naturschutzgebiet "Haaßeler Bruch" vom 13. Dezember 2019 in ihrem Eigentumsrecht betroffen zu sein, da auch durch eine Auflassungsvormerkung gesichertes Grundeigentum dem Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG unterfällt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.11.2012 - 9 C 14.11 -, juris Rn. 11).

Auch der Antragsteller zu 2. kann sich auf Art. 14 Abs. 1 GG berufen. Zwar sind die in seinem Eigentum stehenden Flurstücke 20/12, 20/15 und 20/16 der Flur 2 der Gemarkung Haaßel nicht durch die Verordnung vom 13. Dezember 2019 unter Schutz gestellt worden und unterliegen damit nicht unmittelbar den Regelungen der Verordnung. Vorliegend besteht aber die Besonderheit, dass durch den Planfeststellungsbeschluss vom 28. Januar 2015, der außerdem durch seine Nebenbestimmung III.H.1.1 ausdrücklich anordnet, sämtliche in die Deponie einbezogenen Flurstücke vor Ausführung der Arbeiten rechtlich zu einem Grundstück im Sinne von § 4 Abs. 1 NBauO a.F. (jetzt: § 2 Abs. 12 NBauO) zusammenzufassen, die Flurstücke 20/12, 20/15 und 20/16 mit den Flurstücken 13/3, 20/1, 20/3 der Flur 2 der Gemarkung Haaßel in der Weise miteinander "verklammert" sind, dass die Möglichkeiten der Ausnutzung des Grundeigentums des Antragstellers zu 2. mittelbar von den rechtlichen Beschränkungen abhängen, denen die innerhalb des Naturschutzgebiets liegende Deponiefläche unterliegt.

Dem Antragsteller zu 2. steht zudem aufgrund seiner Stellung als vertretungsberechtigter Geschäftsführer der Antragstellerin zu 1. als weiteres subjektiv-öffentliches Recht die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit zur Seite (vgl. Senatsurt. v. 30.3.2022 - 4 KN 280/19 -, juris Rn. 34).

Eine Verletzung der dargelegten Rechte der Antragsteller durch die von ihnen angegriffenen Regelungen der Verordnung ist auch nicht "offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen". Die in die Naturschutzgebietsverordnung für den Bau und Betrieb der Bodendeponie aufgenommene Freistellungsregelung taugt für eine solche Annahme schon angesichts der im zweiten Halbsatz von § 4 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO enthaltenen Einschränkungen nicht.

2. Der Normenkontrollantrag ist hinsichtlich seines ersten Hauptantrags begründet, aber in Bezug auf seinen zweiten Hauptantrag unbegründet.

§ 4 Abs. 2 Nr. 14 der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Haaßeler Bruch" vom 13. Dezember 2019 ist für unwirksam zu erklären, soweit es darin heißt "sofern keine zusätzlichen Flächen außerhalb der bereits planfestgestellten Deponieumzäumung in Anspruch genommen werden und die abgelagerten Stoffe auf die im Planfeststellungsbeschluss beantragte Liste der Abfälle beschränkt bleiben". Dagegen ist die Naturschutzgebietsverordnung gültig, soweit sich ihr Geltungsbereich auch auf die (planfestgestellten) Flurstücke 13/3, 20/1 und 20/3 sowie die (nach Angaben der Antragsteller unter Umständen für den Deponiebetrieb zusätzlich benötigten) Flurstücke 20/11, 22/4, 6 und 13/2 der Flur 2 der Gemarkung Haaßel erstreckt. Dies ergibt sich im Einzelnen wie folgt:

a) Die von den Antragstellern erstrebten Unwirksamkeitserklärungen ergeben sich nicht schon im Hinblick auf die Vorgaben von § 14 NNatSchG zum Verfahren und zur Form der Unterschutzstellung. Denn die Verordnung vom 13. Dezember 2019 hält die in der Vorschrift genannten Anforderungen ein.

aa) Die Verkündung der Naturschutzgebietsverordnung war ordnungsgemäß. Ihre Bekanntmachung im Amtsblatt des Antragsgegners vom 31. Dezember 2019 entsprach der Vorgabe von § 14 Abs. 4 Satz 7 NNatSchG (in der damals geltenden Fassung des NAGBNatSchG v. 19.2.2010, Nds. GVBl. S. 104). Auch die Anforderung des § 11 Abs. 2 Satz 1 NKomVG, nach dem das amtliche Verkündungsblatt in ausreichender Auflage erscheinen muss, wurde eingehalten. Der Antragsgegner hat hierzu auf Nachfrage unter Vorlage eines Auszuges aus der Niederschrift der 9. Sitzung seines Kreistages vom 14. Juni 2018 dargelegt, dass er nach den Beanstandungen des Senats im Urteil vom 19. April 2018 (- 4 KN 368/15 -, juris Rn. 32 ff.) seine Verwaltungspraxis dahin änderte, dass jeweils 30 Exemplare seines Amtsblattes gedruckt wurden, die den kreisangehörigen Kommunen sowie der Niedersächsischen Landesbibliothek in Papierform zugesandt bzw. im Kreishaus vorgehalten und archiviert wurden. Bei der Vorlage der Original-Ausfertigung der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Haaßeler Bruch" vom 13. Dezember 2019 mit den dazugehörigen Karten sowie eines Exemplars des gedruckten Amtsblattes vom 31. Dezember 2019 in der mündlichen Verhandlung konnte auch festgestellt werden, dass die Karten der Verordnung im Amtsblatt maßstabsgetreu abgedruckt sind (vgl. dazu Senatsurt. v. 2.5.2017 - 4 KN 318/13 -, juris Leitsatz 1 und Rn. 35).

bb) Fehler in dem nach § 14 Abs. 1 NNatSchG durchzuführenden Beteiligungsverfahren liegen nicht vor.

Danach ist vor Erlass einer Verordnung u.a. nach § 16 Abs. 1 NNatSchG den Gemeinden, deren Gebiet betroffen ist, und den sonst betroffenen Behörden Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. An der Rüge, es habe im Beteiligungsverfahren einen Fehler gegeben, haben die Antragsteller in der mündlichen Verhandlung selbst nicht mehr festgehalten. Denn entgegen der in ihrem Rügeschreiben vom 11. Dezember 2020 geäußerten Vermutung hat das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt. Dies ergibt sich aus der dem Beteiligungsschreiben vom 13. August 2019 angehängten Empfängerliste (Bl. 36 BA001). Der Antragsgegner hat zudem ergänzend erläutert, dass das Gewerbeaufsichtsamt in der "Auswertung der Anregungen und Bedenken aus dem Beteiligungsverfahren" (sog. Abwägungstabelle, Bl. 110 bis 135 BA001) nicht genannt werde, weil es die ihm eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme nicht wahrgenommen habe.

cc) Entgegen der Auffassung der Antragsteller hält die Verordnung vom 13. Dezember 2019 die Anforderungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 NNatSchG auch insoweit ein, als nicht nur der geschützte Teil von Natur und Landschaft, sondern auch der Geltungsbereich von Vorschriften zeichnerisch in Karten zu bestimmen ist.

In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass es Zweck des § 14 Abs. 4 Satz 1 NNatSchG ist, den sich aus den rechtsstaatlichen Geboten der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ergebenden Anforderungen an die Eindeutigkeit und Nachprüfbarkeit des räumlichen Geltungsbereichs einer Schutzverordnung Rechnung zu tragen. Die zweifelsfreie Bestimmbarkeit der Grenzen des Schutzgebietes anhand der verwendeten Karten ist daher ein unabdingbares Wirksamkeitserfordernis für die Unterschutzstellung. Die zeichnerische Darstellung muss es ermöglichen, die Grenzen des Schutzgebietes sowie den Geltungsbereich spezieller Vorschriften grundstücksgenau zu ermitteln. Nach Sinn und Zweck des § 14 Abs. 4 Satz 1 NatSchG muss neben der Außengrenze des Schutzgebiets jedenfalls dann zusätzlich auch der Geltungsbereich einer einzelnen Vorschrift, insbesondere eines Gebots oder Verbots, in der Karte dargestellt werden, wenn kumulativ die folgenden beiden Voraussetzungen vorliegen: Erstens bedarf es der gesonderten Darstellung des Geltungsbereichs einer Vorschrift nur dann, wenn dieser nicht deckungsgleich mit der Gesamtfläche des Schutzgebiets ist. Zweitens erfordert die hinreichende Bestimmtheit eines Gebots oder Verbots eine zeichnerische Darstellung, wenn der Geltungsbereich der Vorschrift flächenbezogen und unbeweglich ist. Knüpft ein Gebot oder Verbot dagegen tatbestandlich an ein einzelnes Objekt oder Landschaftselement an, dass auch ohne Eintragung in die Karte für den Betrachter ohne weiteres im Naturraum erkennbar ist, erscheint eine zeichnerische Darstellung des Geltungsbereichs der Vorschrift aus Gründen der Bestimmtheit nicht unbedingt notwendig. Bei Vorschriften, die sich nicht auf eine feststehende Fläche, sondern auf bestimmte Pflanzenarten, Biotoptypen oder andere natürliche Gegebenheiten beziehen, kann der Geltungsbereich zudem einer natürlichen Dynamik unterliegen, die im Laufe der Zeit zu Abweichungen von der per se unveränderlichen Darstellung in der Karte führt (Senatsurt. v. 19.10.2021 - 4 KN 292/16 -, Rn. 30 f. m.w.N.).

Nach diesen Maßgaben liegt auf der Hand, dass es hinsichtlich der durch die Vorschriften des § 4 Abs. 2 Nr. 7 bis 10 NSG-VO freigestellten "bestehenden Weidezäune und Viehtränken", "rechtmäßig bestehenden Viehunterständen", "sonstigen rechtmäßig bestehenden Anlagen und Einrichtungen" und "vorhandenen Ver- und Entsorgungsleitungen" als einzelne Objekte keiner zeichnerischen Darstellung in der Naturschutzgebietsverordnung bedurfte. Auch der Geltungsbereich von § 4 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO bezieht sich nicht auf eine feststehende Fläche im vorbezeichneten Sinn. Durch diese Vorschrift ist von den Regelungen des § 3 NSG-VO freigestellt "der Bau und Betrieb einer Deponie der Klasse 1 gemäß dem Planfeststellungsbeschluss vom 28. Januar 2015 einschließlich möglicher Änderungen im Planergänzungsverfahren". Die Reichweite der Freistellungsregelung knüpft damit an die inhaltlichen Regelungen und Festlegungen in dem Planfeststellungsbeschluss an, und ihr Regelungsgehalt ist damit für den Normadressaten auch mit hinreichender Bestimmtheit erkennbar.

dd) Die Rüge der Antragsteller, § 14 Abs. 4 Satz 5 NNatSchG, nach dem die in Satz 1 genannten Örtlichkeiten im Text der Verordnung grob zu beschreiben sind, sei nicht beachtet worden, greift ebenfalls nicht durch. Gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 NNatSchG ist nach den Sätzen 3 bis 6 (nur) zu verfahren, wenn die (der Naturschutzgebietsverordnung zugehörigen) Karten nicht oder nicht vollständig im Verkündungsblatt abgedruckt werden, was hier aber ausweislich des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Exemplars des Amtsblattes vom 31. Dezember 2019 nicht der Fall ist.

b) § 4 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO verstößt hinsichtlich der in seinem zweiten Halbsatz enthaltenen Einschränkungen gegen den u.a. in § 2 Abs. 3 BNatSchG zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist daher insoweit unwirksam.

aa) Die Naturschutzbehörde hat grundsätzlich einen Handlungsspielraum, ob und wie sie ein schutzwürdiges und schutzbedürftiges Gebiet unter Schutz stellt. Dieser Handlungsspielraum ist in erster Linie durch eine nach Maßgabe des naturschutzrechtlichen Abwägungsgebots im Sinne des § 2 Abs. 3 BNatSchG erfolgende, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtete Würdigung der sich gegenüberstehenden Interessen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf der einen und der Nutzungsinteressen der Grundeigentümer und der übrigen Beteiligten auf der anderen Seite geprägt (Senatsbeschl. v. 25.8.2023 - 4 MN 128/22 -, juris Rn. 94; Senatsurt. v. 21.6.2022 - 4 KN 195/19 - , juris Rn. 85 und v. 19.10.2021 - 4 KN 174/17 -, juris Rn. 78 jeweils m.w.N.; ferner BVerwG, Beschl. v. 20.12.2017 - 4 BN 8.17 -, juris Rn. 9, Beschl. v. 29.1.2007 - 7 B 68.06 -, juris Rn. 15 u. Beschl. v. 16.6.1988 - 4 B 102.88 -, juris Rn. 3). Die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtete Würdigung der sich gegenüberstehenden Interessen ist mit der Abwägung aller in Betracht kommenden Belange bei einer Planungsentscheidung nicht identisch. Daher kommt es lediglich darauf an, ob die aufgrund der Abwägung getroffene Entscheidung im Ergebnis, also die erlassene Vorschrift in ihrer regelnden Wirkung, zu beanstanden ist (Senatsbeschl. v. 25.8.2023 - 4 MN 128/22 -, juris Rn. 95; Senatsurt. v. 21.6.2022 - 4 KN 195/19 -, juris Rn. 88 und v. 19.10.2021 - 4 KN 174/17 -, juris Rn. 79 jeweils m.w.N.; ferner BVerwG, Beschl. v. 20.12.2017 - 4 BN 8.17 - , juris Rn. 9, Beschl. v. 29.1.2007 - 7 B 68.06 -, juris Rn. 15 u. Beschl. v. 16.6.1988 - 4 B 102/88 -, juris Rn. 3).

Der Antragsgegner ist bei Erlass der Naturschutzgebietsverordnung daher verpflichtet gewesen, die im Planfeststellungsverfahren verfolgten Ziele im Rahmen der Abwägung nach § 2 Abs. 3 BNatSchG als "sonstige Anforderung der Allgemeinheit an Natur und Landschaft" angemessen zu berücksichtigen. Denn diesem Verfahren kommt Vorrang zu, weil die Deponieplanung einen deutlichen zeitlichen Vorsprung vor dem Verfahren der Ausweisung des Naturschutzgebiets "Haaßeler Bruch" hat (zu der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Haaßeler Bruch" vom 17. Dezember 2014 vgl. Senatsurt. v. 19.4.2018 - 4 KN 368/15 -, juris Rn. 74). Zudem folgt aus § 4 Satz 1 Nr. 5 2. Var. BNatSchG, dass bei Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf Flächen, die ausschließlich oder überwiegend Zwecken der Entsorgung dienen oder die in einem verbindlichen Plan für die genannten Zwecke ausgewiesen sind, die bestimmungsgemäße Nutzung zu gewährleisten ist. Auch wenn der Planfeststellungsbeschluss vom 28. Januar 2015 aufgrund des Urteils des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. Juli 2017 - 7 KS 7/15 - derzeit nicht vollziehbar ist, da das zur Fehlerbehebung durchgeführte Planergänzungsverfahren zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht abgeschlossen ist, entfaltet er dennoch Rechtswirkungen und ist verbindlich.

Angesichts der zum Schutz des Naturschutzgebiets in die Verordnung aufgenommenen Verbote, die der Errichtung und dem Betrieb einer Bodendeponie für mineralische Abfälle entgegenstehen, bedarf es für diese zur Gewährleistung der Errichtung und des Betriebs der Deponie einer speziellen Freistellungsklausel. Die allgemeine Freistellungsregelung nach § 4 Abs. 10 NSG-VO, wonach bestehende behördliche Genehmigungen, Erlaubnisse oder sonstige Verwaltungsakte unberührt bleiben, erfasst die Errichtung und den Betrieb der Deponie nämlich nicht. Denn im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung vom 13. Dezember 2019 ist das Planergänzungsverfahren zur Heilung des rechtswidrigen und nicht vollziehbaren Planfeststellungsbeschlusses vom 28. Januar 2015 noch nicht abgeschlossen gewesen, so dass diese Genehmigung zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden hat im Sinne des § 4 Abs. 10 NSG-VO. Die in der Antragsschrift vom 11. Dezember 2020 aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis von § 4 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO zu § 4 Abs. 10 NSG-VO stellt sich daher nicht.

Die Freistellung nach § 4 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO muss, um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen, auch die möglichen Änderungen im Planergänzungsverfahren umfassen. Denn anderenfalls würde die rechtskräftig gewordene Feststellung des 7. Senats, dass eine Heilung der Mängel des Planfeststellungsbeschlusses vom 28. Januar 2015 möglich ist (Niedersächsisches OVG, Urt. v. 4.7.2017 - 7 KS 7/15 -, juris Rn. 262), konterkariert. Die der Freistellungsregelung durch ihren zweiten Halbsatz beigegebenen Einschränkungen "sofern keine zusätzlichen Flächen außerhalb der bereits planfestgestellten Deponieumzäunung in Anspruch genommen werden und die abgelagerten Stoffe auf die im Planfeststellungsbeschluss beantragte Liste der Abfälle beschränkt bleiben" berücksichtigen die Rechte der Antragsteller als Vorhabenträger und Grundstückseigentümer indes nicht angemessen.

Der in die Freistellungsregelung aufgenommene erste Zusatz "sofern keine zusätzlichen Flächen außerhalb der bereits planfestgestellten Deponieumzäunung in Anspruch genommen werden", stellt sich bereits auf der Ebene der Errichtung der von den Antragstellern geplanten Bodendeponie für mineralische Abfälle als Einschränkung dar. Denn der genaue Verlauf des Betriebszaunes ist zwar ausdrücklicher Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses vom 28. Januar 2015. Das planfestgestellte Vorhaben beschränkt sich aber nicht auf die umzäunte Deponiefläche. Dass der Betriebszaun nicht, wie es in den von der Antragstellerin zu 1. eingereichten Lageplänen eigentlich vorgesehen war, an der Westgrenze des Flurstücks 13/3, sondern auf Wunsch der Planfeststellungsbehörde östlich zurückversetzt davon verläuft, liegt nach dem Planfeststellungsbeschluss allein daran, dass sich in dem betreffenden Bereich keine deponietechnischen Einrichtungen befinden (IV.C.1.2.2.d). Mit dem Regenrückhaltebecken und der Regenwasserableitung sind dort aber sehr wohl für die Realisierung des Vorhabens erforderliche Anlagen vorgesehen. Sowohl der Planfeststellungsbeschluss als auch der Zielabweichungsbescheid beziehen sich auch auf das gesamte Flurstück 13/3. Die räumliche Beschränkung der Freistellung auf den Zauninnenbereich würde der Antragstellerin zu 1. zudem die Möglichkeit nehmen, zur Heilung des Planfeststellungsbeschlusses erforderliche wasserrechtliche Maßnahmen auf der außerhalb der Einzäunung liegenden Flurstückfläche zu realisieren. Nach der von den Antragstellern vorgelegten wasserwirtschaftlichen Stellungnahme vom 19. August 2020 sind aber gerade im Bereich des Regenrückhaltebeckens Änderungen hinsichtlich der Ausführung vorgesehen.

Der im zweiten Halbsatz von § 4 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO enthaltene weitere Zusatz "und die abgelagerten Stoffe auf die im Planfeststellungsbeschluss beantragte Liste der Abfälle beschränkt bleiben" wirkt sich als unverhältnismäßige Beschränkung des nach dem Planfeststellungsbeschluss (IV.B) auf etwa 22 Jahre angelegten Betriebs der Bodendeponie aus. Denn zwar ist durch die Nebenbestimmung Ziffer III.B.1. ohnehin festgelegt, dass die Deponie (nur) für die Ablagerung von den in Anlage 1 zu dem Bescheid aufgeführten nicht verwertbaren Abfallarten - die denen in der beantragten Liste entsprechen dürften - zugelassen ist. Wie die Antragsteller nachvollziehbar vortragen, können aber während der Laufzeit einer Deponie Änderungen der Abfallliste u.a. aufgrund von Änderungen des Entsorgungsmarktes notwendig werden. Änderungen der Abfallarten erfordern auch nicht zwingend eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses. Denn nach § 35 Abs. 4 Satz 1 KrWG gilt § 15 Abs. 1 Satz 1 bis 4, Abs. 2 BImSchG entsprechend, der u.a. bei Betriebsänderungen zunächst nur eine Anzeigepflicht bei der zuständigen Behörde bestimmt. Äußert sich die Behörde nicht innerhalb der von § 15 Abs. 2 Satz 1 BImSchG festgelegten Monatsfrist, können selbst wesentliche Änderungen des Betriebs einer Deponie ohne Änderungsgenehmigung oder Änderungsplanfeststellung zulässig sein (vgl. Beckmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, KrWG § 35 Rn. 96).

Eine naturfachliche Rechtfertigung für die in die Freistellungsregelung aufgenommenen Einschränkungen ergibt sich nicht. Die außerhalb des Betriebszaunes vorgesehenen Anlagen des Vorhabens wie das Regenrückhaltebecken und die Regenwasserableitung stellen für das unter Schutz gestellte Gebiet eine geringere Belastung als die deponietechnischen Einrichtungen innerhalb der Umzäunung dar. Dass die Ablagerung von bislang nicht in der Abfallliste aufgeführten (mineralischen) Abfällen mit den Schutzzwecken der Verordnung vom 13. Dezember 2019 keinesfalls in Einklang zu bringen sind, lässt sich schon mangels Bestimmtheit hierfür in Betracht kommender Abfallarten nicht feststellen. Eine konkrete Begründung für die der Freistellungsregelung beigegebenen Zusätze hat der Antragsgegner auch weder im Rahmen der Erörterung in der mündlichen Verhandlung noch sonst gegeben.

Die vom Kreistag des Antragsgegners am 13. Dezember 2019 mitbeschlossene Begründung der Naturschutzgebietsverordnung verhält sich zu den Einschränkungen in der Freistellungsregelung ebenfalls nicht. Dort heißt es lediglich: "Damit dem Urteil des OVG hinreichend Rechnung getragen wird, wurde in § 4 Abs. 2 Nr. 14 eine Freistellungsregelung zur Errichtung der Deponie auf Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2015 aufgenommen. Da das zur Heilung des rechtswidrigen Planfeststellungsbeschlusses notwendige Planergänzungsverfahren bisher nicht abgeschlossen worden ist, muss auch eine etwaige Planergänzung von der Freistellung umfasst werden. Der Betrieb der Deponie umfasst ebenfalls die Stilllegung und Rekultivierung, welche somit auch freigestellt sind."

Auch in den Materialen zur Entstehung der Naturschutzgebietsverordnung finden sich nur ganz allgemeine Aussagen wie, es solle einer nachträglichen Erweiterung der Deponiefläche in das Naturschutzgebiet wirksam vorgebeugt werden (Beschlussvorlage zum ersten Verordnungsentwurf Bl. 9 BA001) bzw. es solle einer nachträglichen Mehrbelastung des Naturschutzgebietes vorgebeugt werden (nach der Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Planung vom 4. Juni 2019 geänderte Begründung des Verordnungsentwurfes Bl. 32 BA001). Die in die spätere Verordnungsbegründung auch nicht übernommene Vorstellung, es müsse einer nachträglichen Erweiterung der Deponiefläche in das Naturschutzgebiet bzw. einer nachträglichen Mehrbelastung des Naturschutzgebiets vorgebeugt werden, geht aber schon deswegen fehl, weil die genaue Gestalt des Vorhabens der Antragstellerin zu 1. erst nach Abschluss des Planergänzungsverfahrens feststehen wird.

Im Übrigen waren selbst der Verwaltung des Antragsgegners im Verfahren zur Aufstellung der Verordnung aufgrund der im Beteiligungsverfahren abgegebenen Stellungnahme der Antragsteller vom 4. Oktober 2019 rechtliche Bedenken gegen die in den Entwurf von § 4 Abs. 2 Nr. 14 Halbs. 2 NSG-VO aufgenommenen Einschränkungen gekommen und sie hatte eine Reduzierung der Vorschrift auf ihren ersten Halbsatz "Freigestellt ist der Bau und Betrieb einer Deponie der Klasse 1 gemäß dem Planfeststellungsbeschluss vom 28. Januar 2015 einschließlich möglicher Änderungen im Planergänzungsverfahren." empfohlen (Bl. 121 ff., 137 BA001). Allerdings war in der Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Planung vom 28. November 2019 (TOP 6), in die die geänderte Fassung gegeben worden war, eine Rückänderung zu der in der Sitzung vom 4. Juni 2019 vorgeschlagenen Fassung erfolgt (vgl. unter Niederschrift_Fachausschuss (3).pdf) im Bürgerinformationssystem des Antragsgegners), die im weiteren Beteiligungsverfahren so beschlossen wurde. Der den Änderungsantrag stellende Abgeordnete, der auch Mitglied der sog. Lenkungsgruppe der sich bereits 2011 gegen die geplante Deponie Haaßel gebildeten Bürgerinitiative ("BI Haaßel") ist, hatte zur Begründung angeführt, dass die Beeinträchtigung des Naturschutzgebietes durch die notwendige Freistellung bereits derart hoch sei, dass jede weitere Veränderung zwingend verhindert werden müsse. Auch dieses Argument nimmt aber nicht in den Blick, dass die notwendige - nämlich aus Verhältnismäßigkeitsgründen gebotene - Freistellung gerade auch im ersten Halbsatz des § 4 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO ausdrücklich erwähnte Änderungen umfasst.

bb) Es ist gerechtfertigt, § 4 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO nur insoweit für unwirksam zu erklären, als es darin heißt "sofern keine zusätzlichen Flächen außerhalb der bereits planfestgestellten Deponieumzäumung in Anspruch genommen werden und die abgelagerten Stoffe auf die im Planfeststellungsbeschluss beantragte Liste der Abfälle beschränkt bleiben".

Nach der an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Bebauungsplänen angelehnten Rechtsprechung des Senats haben Mängel, die Teilen einer Vorschrift anhaften, nur dann die Teilnichtigkeit der Vorschrift zur Folge, wenn die übrigen Teile der Vorschrift für sich betrachtet noch eine sinnvolle Regelung darstellen und wenn nach dem im Normsetzungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen des Normgebers anzunehmen ist, dass die Vorschrift im Zweifel auch ohne die zu beanstandenden Teile erlassen worden wäre. Umgekehrt ist die Regelung insgesamt unwirksam, wenn die zu beanstandenden Teile der Regelung mit den übrigen Teilen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl. Senatsurt. v. 2.11.2010 - 4 KN 109/10 -, juris Rn. 36; zu Festsetzungen in Bebauungsplänen z.B. BVerwG, Urt. v. 14.12.2022 - 4 CN 1.22 -, juris Rn. 32). Die hiernach zu treffende Einzelfallentscheidung führt zur Teilunwirksamkeit des § 4 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO hinsichtlich seines zweiten Halbsatzes, so dass die Verordnung vom 13. Dezember 2019, die bei Entfallen jeglicher Freistellungsregelung für die Errichtung und den Betrieb der Deponie aus Verhältnismäßigkeitsgründen unwirksam wäre, im Übrigen bestehen bleiben kann.

Ein untrennbarer Zusammenhang zwischen dem ersten und dem zweiten Halbsatz von § 4 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO besteht ersichtlich nicht. Zudem hätte der Normgeber die Vorschrift im Zweifel auch ohne den zu beanstandenden Teil beschlossen. Zwar hatte nach Abschluss des Beteiligungsverfahrens die Verwaltung des Antragsgegners § 4 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO bereits von sich aus auf "Freigestellt ist der Bau und Betrieb einer Deponie der Klasse 1 gemäß dem Planfeststellungsbeschluss vom 28. Januar 2015 einschließlich möglicher Änderungen im Planergänzungsverfahren." reduzieren wollen. Die insoweit von der Verwaltung erkannten Rechtmäßigkeitsbedenken an den in die Freistellungsklausel aufgenommenen Vorbehalten hatten sich aber im Ausschuss für Umwelt und Planung nicht durchsetzen können und der zur Beschlussfassung über die Naturschutzgebietsverordnung berufene Kreistag war dem gefolgt. Den Verwaltungsvorgängen lässt sich aber auch entnehmen, dass dem Antragsgegner nach der Unwirksamkeitserklärung der Verordnung vom 17. Dezember 2014 durch das Urteil des Senats vom 19. April 2018 (4 KN 368/15) sehr daran gelegen war, das Areal "Haaßeler Bruch" nunmehr wirksam unter Schutz zu stellen. So hatte er nicht den Aufwand gescheut, zu den Heilungsmöglichkeiten der Verordnung ein Rechtsgutachten seines Prozessbevollmächtigten im Verfahren 4 KN 368/15 (Bl. 586 ff. BA002) einzuholen. Hiernach kann davon ausgegangen werden, dass sich der Antragsgegner bei nachdrücklicherer rechtlicher Beratung für den Erlass einer Naturschutzgebietsverordnung mit rechtmäßiger Freistellungsregelung entschieden hätte.

c) Bei sachgerechter Auslegung der (auf den ersten Halbsatz von § 4 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO reduzierten) Freistellungsregelung unterliegt die Einbeziehung der (planfestgestellten) Flurstücke 13/3, 20/1 und 20/3 sowie der (nach Angaben der Antragsteller unter Umständen für den Deponiebetrieb zusätzlich benötigten) Flurstücke 20/11, 22/4, 6 und 13/2 der Flur 2 der Gemarkung Haaßel in den Geltungsbereich der Verordnung vom 13. Dezember 2019 keinen rechtlichen Bedenken.

aa) Das unter Schutz gestellte Areal "Haaßeler Bruch" ist im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BNatSchG schutzwürdig und schutzbedürftig ist (vgl. bereits Senatsurt. v. 19.4.2018 - 4 KN 368/15 -, juris Rn. 83). Das Gebiet war bereits im Landschaftsrahmenplan 2003 als naturschutzgebietswürdig eingestuft worden. Dies gilt auch in Bezug auf die unter Schutz gestellten Flächen, die für den Deponiebetrieb vorgesehen sind. So heißt es in dem Schreiben der Naturschutzbehörde des Antragsgegners vom 18. März 2010 (Bl. 154 GA 4 KN 368/15), mit dem das Einvernehmen zu dem am Tag darauf erlassenen Zielabweichungsbescheid erteilt worden ist: "Der gesamte übrige Bereich des Flurstücks 13/3 wird von einem Teilstück des landesweit wertvollen Bereichs Nr. L2720-90 eingenommen, hier staunasses verbinstes Extensivgrünland. Landesweit wertvolle Bereiche erfüllen die Voraussetzungen für ein Naturschutzgebiet; daher ist der Komplex als geplantes NSG Nr. 18 "Bockhorn" im Landschaftsrahmenplan dargestellt." Diese Einschätzung wird durch die im Planfeststellungsverfahren erstellte Biotoptypenkartierung vom 15. Dezember 2014 bestätigt, die gerade auch innerhalb der eingezeichneten Deponieumzäunung eine Vielzahl von nach § 30 BNatSchG geschützten Biotopen aufweist. Auch in dem Urteil des 7. Senats vom 4. Juli 2017 (7 KS 7/15), in dem die Vereinbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses mit u.a. den Anforderungen des Habitatschutzrechts, des Artenschutzes und der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung umfangreich geprüft wird, wird zum Beispiel angegeben, dass sich direkt auf dem geplanten Deponiestandort artenarmes Extensivgrünland und mesophiles Grünland mit nährstoffreichen Nasswiesen mit auf Grund von zum Teil unregelmäßiger Mahd dominanten Flatter-Binsenbeständen (Juncus effusus) abwechseln (Niedersächsisches OVG, Urt. v. 4.7.2017 - 7 KS 7/15 -, juris Rn. 154). Gegen die Richtigkeit der in § 2 Abs. 1 NSG-VO erfolgten Beschreibung des Schutzgegenstands der Naturschutzgebietsverordnung als naturnah ausgestattetes, landschaftsprägendes Bachtal mit verschiedenen weiteren naturschutzfachlich wertvollen Bereichen haben die Antragsteller auch Einwände nicht erhoben. Ihrem Argument, dass schon bei Überprüfungen in den Jahren 2013 und 2014 das Vorkommen des Großen Brachvogels auf dem Deponiegelände habe nicht mehr nachgewiesen werden können, ist entgegenzuhalten, dass sich die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit nicht allein aus dem Vorkommen bestimmter Vogelarten wie dem Brachvogel, sondern zu einem großen Teil aus den dort vorkommenden Biotoptypen, die Lebensraum für verschiedene Tierarten sind, ergibt. So kommen diverse nach § 30 BNatSchG geschützte Biotoptypen (Nasswiesen, Erlen-Eschen-Auwälder) vor, aber auch mesophile Grünlandflächen bzw. extensiv genutzte Grünlandflächen und auch weitere schützenswerte Wälder (z.B. bodensaure Buchenwälder). Die Kartierungen sind auch weiterhin aktuell. Ebenfalls eignet sich das Gebiet nach wie vor für Wiesenbrüter, sofern die Bewirtschaftung der Grünlandflächen entsprechend angepasst wird (vgl. hierzu Abwägung des Antragsgegners, Bl. 113 f. BA001).

Darüber hinaus kommt dem Verordnungsgeber bei der Abgrenzung von Natur- und Landschaftsschutzgebieten ein weites Gestaltungsermessen zu. Eine sachlich begründete, fachlich vertretbare Festlegung der flächenhaften Ausdehnung und Grenzziehung des Schutzgebietes hat sich hauptsächlich am jeweils angestrebten Schutzzweck und an den örtlichen Gegebenheiten zu orientieren. Dabei kommt es nicht auf eine isolierte Betrachtung einzelner Grundstücke, sondern auf den Gesamtcharakter des schützenswerten Landschaftsraumes an. Das Gebiet sollte ein geschlossenes Ganzes bilden und keinen unübersichtlichen Grenzverlauf aufweisen. In tatsächlicher Hinsicht sollte sich die Grenzziehung möglichst am Verlauf von Grundstücks- und Verwaltungsgrenzen sowie an etwaigen im Gelände sichtbaren Merkmalen, wie z.B. Straßen, Wegen, Böschungen oder Waldrändern orientieren (vgl. Senatsurt. v. 21.6.2022 - 4 KN 195/19 -, juris Rn. 78 m.w.N).

Hiervon ausgehend ist die Erstreckung des Geltungsbereiches der Verordnung vom 13. Dezember 2019 auf die Flurstücke 13/3, 20/1, 20/3, 20/11, 22/4, 6 und 13/2 der Flur 2 der Gemarkung Haaßel nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner war rechtlich nicht gehindert, die als Deponiefläche planfestgestellten Flurstücke 13/3, 20/1 und 20/3 erneut unter Schutz zu stellen. Die dafür anscheinend mit maßgebliche Erwägung, dass das Planergänzungsverfahren auch zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 28. Januar 2015 führen könne (Bl. 569 BA002), ist nicht sachwidrig. Auch ist die Laufzeit der Bodendeponie für mineralische Abfälle von vornherein zeitlich begrenzt, so dass sich die mit der Erklärung zum Naturschutzgebiet verfolgten Schutzzwecke jedenfalls in der weiteren Zukunft noch realisieren lassen. Konkreter Vortrag zur Einbeziehung der vier weiteren genannten Flurstücke, deren (Mit-)Nutzung für den Deponiebetrieb nach den Angaben der Antragsteller zusätzlich erforderlich ist bzw. werden könnte - Flurstück 20/11: Erschließungsstraße, ggfs. Verlegung einer Druckrohrleitung zur Ableitung von Sickerwasser zur Kläranlage der Samtgemeinde Selsingen, Flurstück 22/4: Verlegung einer Leitung zur Einleitung des gesammelten, unbelasteten Niederschlagswassers aus dem Regenrückhaltebecken in den Vorfluter, Flurstück 6 und Flurstück 13/2 (jeweils Oberflächenwasser-Monitoring) - ist nur hinsichtlich des Flurstücks 20/11 erfolgt. Dem Einwand der Antragsteller, die Schutzwürdigkeit des zu zwei Dritteln asphaltierten und im restlichen Drittel einen Schotterbelag aufweisenden Wegeflurstücks sei nicht ersichtlich, hat der in der mündlichen Verhandlung angehörte Leiter des Amtes für Naturschutz und Landschaftspflege des Antragsgegners aber überzeugend entgegengesetzt, dass das Flurstück deswegen ebenfalls unter Schutz gestellt sei, weil nach Beendigung des Deponiebetriebs seine Entsiegelung und naturfachliche Aufwertung geplant sei. Das von dem durch das Naturschutzgebiet führenden Weg abzweigende Flurstück 20/11 verlocke nämlich in seiner jetzigen Gestalt Besucher, dieses entgegen § 3 Abs. 2 NSG-VO außerhalb des Weges zu betreten, zu befahren oder auf sonstige Weise aufzusuchen.

bb) Die Erstreckung des Geltungsbereiches der Naturschutzgebietsverordnung auf die (planfestgestellten) Flurstücke 13/3, 20/1 und 20/3 sowie die (nach Angaben der Antragsteller unter Umständen für den Deponiebetrieb zusätzlich benötigten) Flurstücke 20/11, 22/4, 6 und 13/2 der Flur 2 der Gemarkung Haaßel beeinträchtigt die Antragsteller auch nicht unverhältnismäßig.

Angesichts der oben (unter 2.b)) bereits festgestellten Teilunwirksamkeit von § 4 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO ist zur Beurteilung des Ausmaßes der Beeinträchtigungen für die Antragsteller durch eine Einbeziehung der vorgenannten Grundstücke in das Naturschutzgebiet heranzuziehen eine Freistellungsklausel mit dem Wortlaut "Freigestellt ist der Bau und Betrieb einer Deponie der Klasse 1 gemäß dem Planfeststellungsbeschluss vom 28. Januar 2015 einschließlich möglicher Änderungen im Planergänzungsverfahren". Bei sachgerechtem Verständnis dieser Regelung reicht sie zur Wahrung der Interessen der Antragsteller als Vorhabenträger und Grundstückseigentümer aus.

Insoweit ist zunächst festzustellen, dass sich die Freistellung nicht auf die unter Schutz gestellte Deponiefläche beschränkt, sondern den "Bau und den Betrieb der Bodendeponie" umfasst. Von den Verboten des § 3 NSG-VO freigestellt sind demgemäß auch Handlungen auf anderen als den (planfestgestellten) Flurstücken 13/3, 20/1 und 20/3, wenn und soweit sie aufgrund des Planfeststellungsbeschlusses vom 28. Januar 2015 in der Gestalt, die er bei Abschluss des Planergänzungsverfahrens erhält, für den Bau und Betrieb der Deponie der Klasse I in Anspruch genommen werden müssen. Dies gilt beispielsweise für das Oberflächenwasser-Monitoring, das nach Angaben der Antragsteller im Rahmen der Planergänzung auf den Flurstücken 6 und 13/2 angeordnet werden soll. Auch die Befürchtung der Antragsteller, die Freistellungsklausel berücksichtige die Notwendigkeit wesentlicher Änderungen im laufenden Deponiebetrieb zur Erfüllung dynamischer Betreiberpflichten und zur Anpassung an geänderte (unter-)gesetzliche Vorgaben nicht, ist nicht gerechtfertigt. Gemäß der Nebenbestimmung III. A. Nr. 1 des Planfeststellungsbeschlusses vom 28. Januar 2015 sind bei der Errichtung und dem Betrieb der Deponie die einschlägigen Vorschriften wie zum Beispiel die Deponieverordnung (DepV) vom 27. April 2009 (BGBl. I. S. 900) und die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten und einzuhalten. Die Antragstellerin zu 1. hat daher die Änderungen dieser Regelwerke bzw. neue Regelwerke zu berücksichtigen und umzusetzen, soweit diese unmittelbar Rechte und Pflichten begründen. Etwaig erforderliche Betriebsanpassungen zur Erfüllung dynamischer Betreiberpflichten sind daher von der Freistellung des § 4 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO von "Bau und Betrieb einer Deponie der Klasse 1 gemäß dem Planfeststellungsbeschluss vom 28. Januar 2015 einschließlich möglicher Änderungen im Planergänzungsverfahren" erfasst. Im Übrigen sind gesetzlich erforderliche Anpassungen an den Deponiebetrieb auch dann von der Freistellungsregelung erfasst, wenn diese eine wesentliche Änderung im Sinne des § 35 Abs. 2 KrWG darstellen und daher einer (weiteren) Planfeststellung durch die zuständige Behörde bedürften. Bei der Freistellung des Betriebes der Bodendeponie gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 14 NSG-VO sind die Worte "für die Dauer der voraussichtlichen Laufzeit" mitzudenken, da anderenfalls der zeitlichen Vorrangigkeit der Deponieplanung gegenüber der Ausweisung als Naturschutzgebiet nicht hinreichend Rechnung getragen würde. Ändern sich daher etwa - wie die Antragsteller als Beispiel anführen - aufgrund einer Novelle der Deponieverordnung die gesetzlichen Vorgaben an den Deponiebetrieb, ist die erforderliche Anpassung auch dann freigestellt, wenn sich Art und Umfang des von der Planfeststellungsbehörde zugelassenen Deponiebetriebs nicht mehr abschließend aus dem Planfeststellungsbeschluss vom 28. Januar 2015 in der Gestalt, die er bei Abschluss des Planergänzungsverfahrens erhält, ergeben. Demgegenüber rechtfertigt die zeitliche Vorrangigkeit der Deponieplanung nicht, auch solche Änderungen im Deponiebetrieb freizustellen, die weder gesetzlich erforderlich noch technisch geboten sind, sondern, z.B. aus wirtschaftlichen Gründen, allein auf dem Entschluss des Betreibers beruhen. Die Ausrichtung der Freistellung an "dem Planfeststellungsbeschluss vom 28. Januar 2015 einschließlich möglicher Änderungen im Planergänzungsverfahren" beeinträchtigt die Antragsteller in ihrem Recht zur Errichtung und zum Betrieb der Deponie Haaßel als Deponie der Klasse I hiernach nicht unzumutbar, zumal sich etwaig ergebenden Härten durch die Erteilung von Befreiungen nach § 5 NSG-VO Rechnung getragen werden kann. Sofern wesentliche Änderungen der Errichtung und des Betriebs der Deponie gemäß § 35 Abs. 2 KrWG einer (weiteren) Planfeststellung bedürfen sollten, würden zur Vermeidung etwaiger unzumutbarer Belastungen der Antragsteller erforderliche Befreiungen von Verboten der NSG-VO gemäß § 67 BNatSchG von einer Genehmigung miterfasst (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Aufl., § 75 Rn. 13 und 15).

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 2 VwGO, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung, soweit diese nicht nach § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar ist, beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 analog, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.