Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.04.2024, Az.: 2 LB 69/18

Nachträgliche Ungültigkeitserklärung der Zweiten Juristischen Staatsprüfung infolge der Annahme eines Täuschungsversuchs; Weitgehende Übereinstimmung einer Klausur nach Formulierungen, Aufbau und Gedankenführung mit den nur für die Prüfer bestimmten Lösungshinweisen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.04.2024
Aktenzeichen
2 LB 69/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 17471
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0430.2LB69.18.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 08.12.2016 - AZ: 6 A 173/15

Tenor:

  1. 1.

    Nur, wenn eine weitgehende Übereinstimmung einer Klausur nach Formulierungen, Aufbau und Gedankenführung mit den nur für die Prüfer bestimmten Lösungshinweisen besteht, ist es gerechtfertigt, von einem Anscheinsbeweis für einen Täuschungsversuch auszugehen und die Darlegungs- und Beweislast für einen abweichenden Geschehensablauf im Wege einer Umkehr der Beweislast dem Prüfling aufzuerlegen.

  2. 2.

    Ist der Anscheinsbeweis nicht erbracht, muss der Beweis für die Täuschung im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung nach den allgemeinen Beweisregeln (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gewonnen werden. Dabei ist die Prüfungsbehörde, die sich auf die Täuschung beruft und daraus Rechtsfolgen herleitet, beweispflichtig. Sie trägt damit zugleich die Last der Nichterweislichkeit oder der non liquet-Situation.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 6. Kammer - vom 8. Dezember 2016 geändert.

Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2015 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2015, mit dem ihre Zweite Juristische Staatsprüfung infolge der Annahme eines Täuschungsversuchs nachträglich für nicht bestanden erklärt wird.

Im Januar 2011 bestand die Klägerin die Erste Juristische Staatsprüfung im zweiten Versuch in A-Stadt mit der Note "ausreichend" (4,68 Punkte). Im Juni 2011 begann sie ihr Referendariat im Bezirk des Oberlandesgerichts E.. Zwischen April 2012 und Januar 2013 nahm sie zur Vorbereitung auf die Zweite Juristische Staatsprüfung Einzelunterricht bei dem Zeugen D., der das Repetitorium "..." betreibt. Hierfür bezahlte die Klägerin 17.191,25 EUR. Die von ihr im Januar 2013 geschriebenen Examensklausuren wurden mit 14, 11, 6, 9, 12, 11, 12 und nochmals 12 Punkten bewertet. In der mündlichen Prüfung erhielt sie am 20. Juni 2013 für den Kurzvortrag 9 Punkte und für die weiteren mündlichen Prüfungsleistungen 10, 12, 12 und 13 Punkte. Sie bestand die Zweite Juristische Staatsprüfung mit der Gesamtnote "vollbefriedigend" (10,89 Punkte).

Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er beabsichtige, die von ihr abgelegte Zweite Juristische Staatsprüfung für nicht bestanden zu erklären. Es bestehe der Verdacht, dass sie einen schweren Täuschungsversuch begangen habe. Aufgrund zahlreicher Indizien bestehe der dringende Verdacht, dass der Richter am Amtsgericht F., der seit September 2011 an das Niedersächsische Landesjustizprüfungsamt abgeordnet und dort als Ausbildungsleiter PA I eingesetzt gewesen sei, in mehreren Fällen Referendaren einige Zeit vor der jeweiligen Staatsprüfung Aufgabentexte von Klausuren und/oder Vortragsakten mit den ausschließlich für die Prüfer bestimmten Prüfvermerken zur Verfügung gestellt habe. Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sei zutage getreten, dass Herr F. ca. zehn Jahre mit dem Zeugen D. zusammengearbeitet habe und für diesen ebenfalls als Repetitor tätig gewesen sei. Es bestehe der Verdacht, dass Herr F. dem Zeugen D. Lösungsskizzen zur Verfügung gestellt habe, die der Zeuge an interessierte Prüflinge weitergegeben habe, unter anderem auch an die Klägerin. Die vor der Zweiten Juristischen Staatsprüfung von der Klägerin erbrachten Leistungen seien allenfalls durchschnittlich. Dagegen habe sie 2013 im Zweiten Juristischen Staatsexamen in fünf von acht Klausuren außerordentlich gute Leistungen erbracht, die mit zweistelligen Punktzahlen bewertet worden seien. Im Jahr 2013 hätten lediglich 1,38 Prozent der Kandidatinnen und Kandidaten die Note "gut" und 5,66 Prozent die Note "vollbefriedigend" in den schriftlichen Prüfungen erreicht. In vier von der Klägerin angefertigten Klausuren bestünden zudem erhebliche Übereinstimmungen zwischen ihrer Bearbeitung und dem jeweiligen amtlichen Prüfvermerk, was der Beklagte im Einzelnen näher begründete. Die Klägerin trat dem Vorwurf entgegen.

Mit Bescheid vom 21. April 2015 erklärte der Beklagte die von der Klägerin abgelegte Zweite Juristische Staatsprüfung für nicht bestanden (1.) und forderte sie auf, das ausgefertigte Zeugnis zurückzugeben (2.). Zudem wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 200 EUR angedroht (3.) und die sofortige Vollziehung zu Nrn. 1. und 2. angeordnet (4.). Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid Bezug genommen (Sonderheft "§ 15 Abs. 2 NJAG", Beiakte Heft 3, Bl. 69 ff.).

Gegen den Bescheid hat die Klägerin am 19. Mai 2015 Klage () erhoben und zugleich einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (6 B 51/15) gestellt. Sie hat vorgetragen, die vom Beklagten genannten Anknüpfungstatsachen genügten nicht für die Annahme eines Täuschungsversuchs. Ihre Verbesserungen im Vergleich zum Ersten Staatsexamen seien auf den intensiven Einzelunterricht zurückzuführen, den sie sich dank der Unterstützung ihrer Eltern habe leisten können. Der Einzelunterricht sei auch nicht nur vom Zeugen D., sondern von zwei weiteren Repetitoren von "..." durchgeführt worden. Im gegen den Zeugen D. gerichteten Strafverfahren habe Herr F., der im Übrigen alle gegen ihn gerichteten Vorwürfe eingeräumt habe, erklärt, dass er dem Zeugen D. nur angeboten habe, ihm einzelne Klausuren bzw. Lösungsskizzen/Prüfvermerke zu geben. Von einem Verkauf bzw. einer tatsächlichen Übergabe von Klausurlösungen sei nicht die Rede gewesen. Die statistischen Zahlen des Beklagten über durchschnittliche Noten in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung in Niedersachsen seien nicht geeignet, konkrete Schlüsse auf ihren Einzelfall zuzulassen. Ferner hat die Klägerin zu den vier Klausuren und dem Vorwurf der Täuschung über ihre Prüfungsleistung vorgetragen.

Mit Beschluss vom 3. Juni 2015 (6 B 51/15) hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt und zur Begründung zusammenfassend ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei voraussichtlich rechtmäßig. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin durch ihren Kontakt zu dem Repetitor D., der nach Aussagen anderer Referendarinnen diesen Examensklausuren angeboten habe, die Möglichkeit zur Tatbegehung gehabt habe. Die Klägerin habe nach den sichergestellten Buchhaltungsunterlagen mit großem Abstand die höchsten Beträge an "..." gezahlt und wegen ihrer nur knapp bestandenen Ersten Juristischen Staatsprüfung unter Leistungsdruck gestanden. Nach den Regeln des Anscheinsbeweises könne - auch ohne Klärung der Frage, wie Musterlösungen beschafft worden seien - ein Täuschungsversuch nachgewiesen werden, wenn die Prüfungsarbeit mit dem allein zur Verwendung durch die Prüfungskommission bestimmten Lösungsmuster teilweise wörtlich und im Übrigen in Gliederung und Gedankenführung übereinstimme. Dem Beklagten sei dieser Anscheinsbeweis gelungen, denn bei vier Klausuren gebe es derartig weitgehende Übereinstimmungen mit dem amtlichen Prüfvermerk, dass davon auszugehen sei, dass die Klägerin die Prüfungsvermerke vor der Prüfung gekannt habe.

Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin Beschwerde (2 ME 213/15) eingelegt, die sie allerdings zurückgenommen hat. Hierzu hat sie mitgeteilt, es sei für die Beschwerdebegründung ihre tatsächliche Einlassung zur Sache erforderlich; insoweit bestünde allerdings Abstimmungsbedarf mit dem Vorgehen in dem gegen sie geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Dort habe sie allerdings noch keine Akteneinsicht erhalten.

Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2015 hat die Klägerin in dem gegen sie gerichteten Strafverfahren ausgeführt, es bestehe kein hinreichender Tatverdacht gegen sie. Herr F. habe nicht erklärt, Klausurlösungen an den Zeugen D. übergeben zu haben. Auch sei eine Weitergabe entsprechender Unterlagen durch den Zeugen D. an sie nicht bestätigt worden. Es sei nicht verboten, viel Geld für ein Repetitorium auszugeben. Sie habe das gute Examensergebnis durch ihre eigene intensive Vorbereitung erzielt. Der Umstand, dass sie am 23. November 2012 von ihrem Konto 32.000 EUR abgehoben und sich am selben Tag mit dem Zeugen D. getroffen habe, belege für sich genommen noch keine Übergabe des Geldes an den Zeugen D.. Auch sei nicht bewiesen, dass die Abhebung des Geldes vor dem Treffen mit dem Zeugen erfolgt sei. Mit Verfügung vom 3. Dezember 2015 hat die Staatsanwaltschaft Verden das Strafverfahren gegen die Klägerin nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Mit der Klage hat die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2015 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat seine Begründung aus dem angefochtenen Bescheid vertieft.

Das Verwaltungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2016 durch Vernehmung der Zeugen F. und D. Beweis erhoben über die Frage, ob die Klägerin sich Kenntnis von Examensklausuren und Prüfervermerken verschafft hat. Hinsichtlich der Bekundungen der Zeugen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zusammenfassend ausgeführt, der angefochtene Bescheid, der auf der Regelung des § 15 Abs. 1 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausbildung der Juristinnen und Juristen (NJAG) beruhe, sei rechtmäßig. Nach § 15 Abs. 1 NJAG sei die betroffene Prüfungsleistung in der Regel mit der Note "ungenügend" zu bewerten, wenn ein Prüfling versuche, das Ergebnis der Staatsprüfung durch Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel, unzulässiger Hilfe Dritter oder sonstige Täuschung zu beeinflussen. In leichten Fällen könne Nachsicht gewährt werden. Im Fall eines schweren Täuschungsversuchs sei die gesamte Staatsprüfung für nicht bestanden zu erklären; der wiederholte Täuschungsversuch stehe in der Regel einem schweren Täuschungsversuch gleich. Grundsätzlich trage die Prüfungsbehörde die materielle Beweislast für die von ihr angenommenen Voraussetzungen einer Täuschung. Die Voraussetzungen eines schweren Täuschungsversuchs lägen vor, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Kammer davon überzeugt, dass die Klägerin sich vor ihren Klausurterminen Kenntnis von der Aufgabenstellung und der Musterlösung mehrerer von ihr zu schreibender Klausuren verschafft habe. Der Zeuge F. habe glaubhaft angegeben, dem Zeugen D. auf dessen gezielte Nachfrage im Oktober 2012 Grobentwürfe der beiden Strafrechtsklausuren sowie einer zivil- und einer öffentlich-rechtlichen Klausur schriftlich ausgehändigt und ihm zudem mündlich die Inhalte der anderen Klausuren beschrieben zu haben. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin von dem Zeugen D. die Musterlösungen erworben habe. Nach den Regeln des Anscheinsbeweises könne zudem - auch ohne Klärung der Frage, wie Musterlösungen beschafft worden seien - ein Täuschungsversuch durch den Beweis des ersten Anscheins nachgewiesen werden, wenn die Prüfungsarbeit und das vom Prüfer erarbeitete, allein zur Verwendung durch die Prüfungskommission bestimmte Lösungsmuster teilweise wörtlich und im Übrigen in Gliederung und Gedankenführung übereinstimmten. Diese Voraussetzungen lägen vor. Dem Beklagten sei der Beweis des ersten Anscheins gelungen. Bei den vier von ihm benannten Klausuren gebe es derart weitgehende Übereinstimmungen mit dem jeweiligen amtlichen Prüfvermerk - wobei die Klägerin auch teilweise Fehler oder Ungenauigkeiten der Vermerke übernommen habe -, dass das Gericht davon ausgehe, dass sie diese Prüfvermerke vor der Prüfung gekannt haben müsse. Der Klägerin sei es auch nicht gelungen, den Anschein zu widerlegen, sodass der Beklagte zu Recht von einem Täuschungsversuch ausgegangen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 9 bis 20 des amtlichen Entscheidungsabdrucks) verwiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei der Anscheinsbeweis für eine Täuschung von dem Beklagten nicht geführt worden. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Anscheinsbeweis finde im Prüfungsrecht nur dann Anwendung, wenn die Prüfungsarbeit in erheblichem Umfang wörtliche und im Übrigen sinngemäße Wiedergaben aus dem amtlichen Lösungsmuster enthalte. Das sei bei den streitgegenständlichen Klausuren nicht der Fall.

Bei der VR-Klausur sei die sinngemäße Übereinstimmung nicht verwunderlich, weil sich sowohl der Verfasser des Prüfvermerks als auch sie, die Klägerin, bei der Kostenentscheidung an § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG orientiert hätten. Sie sei aus Zeitmangel und/oder wegen mangelnder Fähigkeiten nicht zu einer sinnvollen Kostenquote gekommen. Hier sei nur für einen Verwaltungsrechtsroutinier erkennbar, welche Kostenquote lösungsangemessen sei. Gleiches gelte für das gewählte Zwangsmittel (Zwangsgeld), das nur ihre Unkenntnis von den üblichen Zwangsgeldhöhen belege. Soweit der Beklagte ihr vorhalte, sie habe Fehler des Prüfvermerks übernommen, spreche das nicht gegen ihr Vorbringen, dass sie den Prüfvermerk nicht gekannt habe. Denn es sei davon auszugehen, dass der Zeuge D., der auf das Verwaltungsrecht spezialisiert sei, die Fehler in dem Prüfvermerk erkannt und dafür Sorge getragen hätte, dass sie diese Fehler in der Prüfung nicht mache.

Zur Prüfung der Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage in der verwaltungsrechtlichen VA-Klausur führt die Klägerin aus, auch die Rechtsprechung nehme ohne weitere Begründung die entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Fortsetzungsfeststellungsklage für den Fall der Erledigung des Verwaltungsakts vor Klageerhebung an. Im Übrigen habe der Zeuge F. lediglich angegeben, im Herbst Grobentwürfe für zwei Strafrechtsklausuren, eine öffentlich-rechtliche und eine zivilrechtliche Klausur an den Zeugen D. übergeben zu haben. Es sei unklar, für welche Klausur der Grobentwurf geliefert worden sei. Schon vor diesem Hintergrund sei kein für den Beweis des ersten Anscheins erforderlicher typischer und bewiesener Sachverhalt für einen Erfahrungssatz zu erkennen, dass sie Kenntnis von den Lösungen für beide Verwaltungsrechtsklausuren gehabt habe. Da sich die von ihr gewählte Prüfungsreihenfolge aus der im Aktenauszug geschilderten Chronologie und aufgrund der dort erwähnten einzelnen Maßnahmen aufgedrängt habe, sei die starke Übereinstimmung ihrer Prüfungsarbeit mit den Überschriften, Prüfungsschritten und Ergebnissen der Lösungsskizze nicht verwunderlich. Im Übrigen wichen die Überschriften der einzelnen Prüfungsschritte und auch die inhaltlichen Prüfungen zu einzelnen Sachverhaltskomplexen ihrer Klausur vom Lösungsmuster ab. Allein die Überprüfung der Ermächtigungsgrundlage unter Rückgriff auf § 1 BORA verbleibe als Übereinstimmung. Die Wahl der einzelnen Ermächtigungsnormen als Überschriften sei so gängig, dass schon nicht ersichtlich sei, warum aus diesem Umstand ein Täuschungsversuch konstruiert werde. Dass sie ohne nähere Ausführungen die Polizeidirektion als richtige Beklagte nenne, sei dem Rat in den Arbeitsgemeinschaften geschuldet, sich nicht lange mit der Suche nach oft versteckt liegenden Zuständigkeitsnormen aufzuhalten.

Zur SR-Klausur trägt die Klägerin vor, dass ihre identische Gliederung mit der Lösungsskizze die Annahme eines Anscheinsbeweises nicht rechtfertige. Der Beklagte führe in seiner Handreichung zum Referendariat aus, ein Geschehen, das aus mehreren, historisch abgeschlossenen untrennbaren Abschnitten bestehe, solle abschnittsweise begutachtet werden. So habe auch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz festgehalten, dass bei Verwendung eines anerkannten Aufbaus und der Erörterung von Rechtsproblemen, die überwiegend in der Akte angesprochen seien, zwangsläufig eine Nähe zur Lösungsskizze entstehe (Urt. v. 3.2.2012 - 10 A 11083/11 -, juris Rn. 30). Der erste Beurteiler habe Auffälligkeiten bei ihrer Klausur nicht festgestellt, sondern sogar darauf hingewiesen, dass die zu behandelnden Problemstellungen geläufig sein sollten. Dass in ihrer Bearbeitung eine vertiefende Prüfung und Subsumtion fehle, belege, dass sie keine Kenntnis von der Klausurlösung gehabt habe. Andernfalls hätte sie sich das lückenlose Wissen rechtzeitig angeeignet. Die mangelnde Tiefe ihrer Klausur liege an ihrem Zeitproblem im Klausurtermin. Soweit sie ähnliche Fachbegriffe bzw. Schlagwörter benutze wie in der Lösungsskizze, lasse auch dies keinen Rückschluss auf eine Täuschung zu. Ein Kandidat, der die Lösung der Klausur kenne und dort entsprechende Schlagworte finde, habe auch die Zeit, diese Schlagworte vor der Prüfung mit Leben zu füllen. Im Übrigen sei sie in Bezug auf den Exzess zu einem anderen Ergebnis gekommen als die Lösungsskizze.

Ähnliches gelte für die Schlagworte, die sie in der WSR-Klausur verwendet habe. Die Unterteilung der Prüfung - wie im Prüfvermerk - in zwei Abschnitte (und nicht in drei) sei hier schon deshalb nicht auffällig, weil sich das Tatgeschehen nach der Klausuraufgabe auf zwei Kalendertage verteilt habe. Auch im Übrigen prüfe sie chronologisch, sodass sich eine Kenntnis des Prüfervermerks nicht daraus folgern lasse, dass sie im zweiten Tatkomplex zunächst die Körperverletzung zum Nachteil der C und erst anschließend das schwerere Delikt des versuchten Totschlags zum Nachteil des B geprüft habe. Das Verwaltungsgericht ignoriere zudem, dass sie zu Beginn der Klausur von der Prüfungsreihenfolge des Prüfvermerks abgewichen sei. Sie prüfe etwa nicht die in der Lösungsskizze erwähnte "Aussetzung mit Todesfolge zum Nachteil des D, § 221 Abs. 1, 3 StGB".

Im Ganzen gebe es keine objektiven Tatsachen, die darauf hinwiesen, dass sie Kontakt zu einer illegalen Quelle gehabt und sich aus dieser Lösungsmuster verschafft habe. Der Zeuge F. habe angegeben, sie nicht zu kennen. Der Zeuge D. habe die Aussage verweigert. Für sie spreche außerdem, dass sie - wie sich auch aus dem Ermittlungsbericht des Landeskriminalamts Niedersachsen vom 24. März 2015 ergebe - zwischen Oktober und Dezember 2012 und im Mai und Juni 2013 viele Einzelunterrichtsstunden bei dem Zeugen D. gebucht habe. Hätte sie die Klausurlösungen gekauft, wäre das überflüssig gewesen. Es sei tatsächlich so, dass ihre gute Vorbereitung zu den guten Ergebnissen geführt habe. Im Übrigen bestreite sie die Ausführungen des Beklagten, dass im Klausurtermin Januar 2013 nur bei ihr Auffälligkeiten festgestellt worden seien, mit Nichtwissen.

Insgesamt habe sich das Verwaltungsgericht nur die Tatsachen herausgesucht, die für einen schweren Täuschungsversuch sprächen. Ihre gute Bekanntschaft mit dem Zeugen D. und ihre gute finanzielle Situation ließen nicht den Schluss zu, dass sich ihre Examensvorbereitung durch die mangelnde Fähigkeit, Angebote des Repetitoriums abzulehnen, ausgezeichnet habe. Es sei üblich, dass Examenskandidaten ein Repetitorium besuchten, weil - auch bei guten Kandidatinnen und Kandidaten - Unsicherheit hinsichtlich der Beherrschung des examensrelevanten Prüfungsstoffes bestehe. Zudem ergebe sich aus der Aussage des Zeugen F. nicht, dass ihr die Lösungsskizzen und Klausuraufgaben über den Zeugen D. zugeleitet worden seien. Hinzu komme, dass der Zeuge F. nach seiner damaligen Aussage keine kompletten Lösungsskizzen, sondern allein einzelne grobe Entwürfe in Schriftform und mündlich weitergegeben habe. Außerdem habe die Staatsanwaltschaft Verden das gegen sie geführte Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zur Bestechung mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 8. Dezember 2016 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2015 zu dem Aktenzeichen aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, das Urteil des Verwaltungsgerichts stütze sich zutreffend auf die anerkannten Regeln des Anscheinsbeweises. Die in dem Urteil angeführten Übereinstimmungen der VA-, VR-, SR- und WSR-Klausur mit dem jeweiligen Prüfvermerk ließen nur den Schluss zu, dass die Klägerin den Inhalt dieser Vermerke gekannt habe. Angesichts der Deutlichkeit der aufgezeigten Übereinstimmungen komme es nicht auf eine wörtliche Wiedergabe des jeweiligen Prüfvermerks an. Dass die Staatsanwaltschaft Verden das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingestellt habe, sei unerheblich. Das Verwaltungsgericht führe zutreffend aus, dass der Nachweis eines Täuschungsversuchs nach den Regeln des Anscheinsbeweises ohne Klärung der dem Ermittlungsverfahren zugrundeliegenden Frage, wie sie sich die Prüfvermerke verschafft habe, erfolgen könne und stütze sich dementsprechend auf die Übereinstimmungen der Klausuren und der Prüfvermerke. Andere hinreichende Erklärungen für die Übereinstimmungen trage die Klägerin nicht vor. Daher sei allein die Schlussfolgerung zwingend, dass sie eine Täuschungshandlung begangen habe.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen D.. Hinsichtlich der Einzelheiten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts ist zu ändern und der angefochtene Bescheid ist aufzuheben, denn der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts liegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 NJAG nicht vor. Hiernach kann die betroffene Staatsprüfung innerhalb einer Frist von fünf Jahren seit dem Tag der mündlichen Prüfung für nicht bestanden erklärt werden, wenn ein schwerer Täuschungsversuch nach der Verkündung der Prüfungsgesamtnote bekannt wird. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass die Klägerin - wie der Beklagte meint - im Zuge der Ablegung der Zweiten Juristischen Staatsprüfung im Jahre 2013 (mindestens) vier schwere Täuschungsversuche begangen hat. Eine Täuschungshandlung setzt voraus, dass ein Prüfling eine selbständige und reguläre Prüfungsleistung vorspiegelt, obwohl er sich bei - oder ggf. auch im Nachgang - dieser Prüfung in Wahrheit unerlaubte Vorteile verschafft oder unerlaubter Hilfe bedient hat (vgl. Jeremias, in: Fischer/Jeremias/Dieterich Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 229). Das wäre der Fall, wenn der Klägerin vor der Ablegung der Zweiten Juristischen Staatsprüfung die Klausuren und/oder Prüfvermerke bzw. Lösungsskizzen bekannt waren und sie auf dieser Grundlage die Klausuren angefertigt hat. Es verbleiben jedoch letztlich durchgreifende Zweifel, ob das der Fall war (dazu unter 1.). Diese Zweifel gehen zu Lasten des Beklagten, weil dieser den Beweis für das Vorliegen eines schweren Täuschungsversuchs zu erbringen hat (dazu unter 2.).

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Eine Täuschungshandlung der Klägerin ist nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises bewiesen.

Zum Anscheinsbeweis im Prüfungswesen hat das Bundesverwaltungsgericht zuletzt im Beschluss vom 23. Januar 2018 - 6 B 67.17 -, juris Rn. 7 - 9 ausgeführt:

"Davon ausgehend ist auch geklärt, dass nach den Regeln des Anscheinsbeweises nachgewiesen werden kann, dass ein Prüfungsteilnehmer über die Eigenständigkeit seiner schriftlichen Prüfungsleistung getäuscht hat. Stimmt die Bearbeitung nach Formulierungen, Aufbau und Gedankenführung weitgehend mit den nur für die Prüfer bestimmten Lösungshinweisen überein, berechtigt dieser Sachverhalt typischerweise zu dem Schluss, der Prüfungsteilnehmer habe die Lösungshinweise gekannt und seiner Bearbeitung zugrunde gelegt. Für die Aufklärung, ob eine andere Ursache für die weitgehende Übereinstimmung in Betracht kommt, bedarf es der Mitwirkung des Prüfungsteilnehmers. Nur er kann eine plausible andere Erklärung für die Übereinstimmung beibringen. Ergibt die Sachaufklärung keine Anhaltspunkte, die eine andere Ursache als die Kenntnis der Lösungshinweise nachvollziehbar erscheinen lassen, steht fest, dass der Prüfungsteilnehmer keine eigenständige Prüfungsleistung erbracht, sondern dies vorgespiegelt hat. Eine solche Bearbeitung ist von vornherein ungeeignet, eine Aussage über die Kenntnisse und Fähigkeiten zu treffen, deren Nachweis die Prüfung dient (BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 1984 - 7 B 109.83 - NVwZ 1985, 191; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 237 mit Nachweisen zur Rechtsprechung).

Auch für den Beweis des ersten Anscheins gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach ist es Aufgabe der Tatsachengerichte, aufgrund einer Sachverhalts- und Beweiswürdigung des gesamten Prozessstoffes darüber zu entscheiden, ob eine Tatsache nach den Regeln des Anscheinsbeweises erwiesen ist. Hierfür müssen sie zu der Überzeugung gelangen, dass ein Sachverhalt feststeht, der typischerweise auf das Vorliegen der nachzuweisenden Tatsache schließen lässt. Ist dies der Fall, müssen sie sich darüber klar werden, ob im Einzelfall ein atypisches Geschehen ernsthaft möglich erscheint (BVerwG, Urteil vom 24. August 1999 - 8 C 24.98 - NVwZ-RR 2000, 256).

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO enthält keine generellen Maßstäbe für den Aussage- und Beweiswert einzelner Beweismittel, Erklärungen und Indizien. Insbesondere besteht keine Rangordnung dieser Erkenntnisse; sie sind grundsätzlich gleichwertig. Die Tatsachengerichte müssen Bedeutung und Gewicht der verschiedenen Bestandteile des Prozessstoffes nach der inneren Überzeugungskraft der Gesamtheit der in Betracht kommenden Erwägungen bestimmen. Dabei sind sie ausschließlich an Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze gebunden und müssen gedankliche Brüche und Widersprüche vermeiden (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteile vom 18. Juli 1986 - 4 C 40 - 45.82 - NVwZ 1987, 217 und vom 3. Mai 2007 - 2 C 30.05 - NVwZ 2007, 1196 Rn. 16). Nach diesen Regeln haben die Tatsachengerichte zu beurteilen, ob Formulierungen, Aufbau und Gedankenführung einer schriftlichen Prüfungsleistung so weitgehend mit den nur für die Prüfer bestimmten Lösungshinweisen übereinstimmen, dass der Schluss berechtigt ist, der Prüfungsteilnehmer habe ihr die Lösungshinweise zugrunde gelegt. Sind die Tatsachengerichte von der weitgehenden Übereinstimmung überzeugt, haben sie die Regeln der Beweiswürdigung auch für die sich anschließende Beurteilung anzuwenden, ob eine andere Erklärung für die Übereinstimmung als die Kenntnis der Lösungshinweise ernsthaft möglich ist."

Von diesen Maßgaben ausgehend, kommt die Annahme eines Anscheinsbeweises nicht bereits in Betracht, wenn sich Bearbeitung und Lösungsskizze in einzelnen Punkten ähneln, wenn es bei einzelnen Schlagworten wörtliche Übereinstimmungen gibt oder wenn es einem Prüfling gelingt, sämtliche in der Lösungsskizze genannten Probleme eines Falles in seiner Bearbeitung - ggf. auch nur oberflächlich - aufzugreifen. Letzteres gilt auch, wenn der Prüfling in der Vergangenheit eher mäßige Prüfungsleistungen erbracht hat. Zu Recht fordert das Bundesverwaltungsgericht - in Abgrenzung zu diesen Fällen - eine "weitgehende" Übereinstimmung der Bearbeitung "nach Formulierungen, Aufbau und Gedankenführung" mit den nur für die Prüfer bestimmten Lösungshinweisen. Denn nur in diesen Fällen ist es gerechtfertigt, von einem typischen Geschehensablauf auszugehen, mithin Einzelheiten des entscheidungsrelevanten Geschehens zugunsten einer typisierenden Betrachtung offen zu lassen und die Darlegungs- und Beweislast für einen abweichenden Geschehensablauf im Wege einer Umkehr der Beweislast dem Prüfling aufzuerlegen. Dies zugrunde gelegt wird ein Anscheinsbeweis vor allem bei weitgehend wörtlichen Übereinstimmungen zwischen Lösungsskizze und Bearbeitung in Betracht kommen. Daneben sind aber auch Fälle denkbar, in denen die Übereinstimmungen "nach Formulierungen, Aufbau und Gedankenführung" so zahlreich bzw. aus anderen Gründen so prägnant sind, dass typischerweise der Schluss gerechtfertigt ist, der Prüfungsteilnehmer habe die Lösungshinweise gekannt und seiner Bearbeitung zugrunde gelegt. Hinsichtlich der Klausuren der Klägerin lassen sich diese Voraussetzungen jedoch nicht feststellen.

Der Senat folgt dem Beklagten und dem Verwaltungsgericht in der Annahme, dass einzelne auffällige Übereinstimmungen zwischen den Klausuren der Klägerin und den für die Prüfer erstellten Lösungsskizzen bestehen. Es lässt sich aber nach den zuvor dargelegten Maßgaben nicht mit der erforderlichen Überzeugung feststellen, dass die Klausurbearbeitungen nach Formulierungen, Aufbau und Gedankenführung "weitgehend" mit den nur für die Prüfer bestimmten Lösungshinweisen übereinstimmen und mithin von einem Täuschungsversuch auszugehen ist.

In diese Betrachtung stellt der Senat zunächst ein, dass sich die vom Beklagten genannten Auffälligkeiten, aufgrund derer er von einer Täuschung der Klägerin ausgeht, auf einzelne Aspekte bei vier von acht Klausuren beschränken. Dass die Klägerin die Lösungshinweise bei der Anfertigung dieser vier Klausuren gänzlich kopiert bzw. wiedergegeben hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Klägerin wird an verschiedenen Stellen vorgeworfen, bestimmte markante Schlagworte nicht begründet oder bei der Begründung ihrer Ergebnisse oberflächlich gearbeitet zu haben, vor allem, wenn auch die Lösungsskizzen nur knappe Ausführungen enthalten hätten. Dies gilt etwa bei der Prüfung der Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage und der Zuständigkeit der Polizeidirektion B-Stadt in der VA-Klausur, bei der Behandlung der formellen Baurechtswidrigkeit in der VR-Klausur und bei der Erörterung bestimmter Fachbegriffe in der SR-Klausur. Das allein genügt aber nicht, um von einem Anscheinsbeweis für eine Täuschung auszugehen. In juristischen Klausuren ist es, wie dem Senat aus eigener Anschauung bekannt ist, ein gängiges Phänomen, dass Prüfungskandidaten im Urteilsstil arbeiten und ihre Ausführungen Ungenauigkeiten enthalten, obwohl eine nähere Auseinandersetzung mit Problemen und Fragestellungen erwartet wird. Das wiederum liegt häufig an mangelndem Problembewusstsein, Unwissenheit oder an einer unzureichenden Einteilung der Bearbeitungszeit. Anders ausgedrückt liegt hierin oft der entscheidende Unterschied zwischen dem besonders guten und einem "nur" guten bzw. durchschnittlichen Examenskandidaten. Es verhält sich auch nicht etwa so, dass sämtliche Klausuren der Klägerin auffällig viele solcher Ungenauigkeiten enthalten. Die Vorwürfe des Beklagten beschränken sich auf einige wenige Punkte pro Klausur. Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Beklagte der Klägerin nur bei vier von acht Klausuren eine Täuschung vorwirft. Die Klägerin hat aber nicht nur bei diesen Klausuren gute Noten erzielt. Das Gegenteil ist der Fall, denn bei den Klausuren ZU, ZG, A1 und A2 hat sie ebenso zweistellige Punktzahlen (11, 11, 12 und 14 Punkte) erreicht. Bemerkenswert ist schließlich, dass bei der erstmaligen Korrektur der Klausuren der Klägerin im Jahr 2013, d.h. vor Bekanntwerden der Weitergabe von Klausurlösungen durch Herrn F. und möglicherweise durch den Zeugen D., seitens der Prüfer (Erstprüfer und Zweitprüfer) überhaupt keine Auffälligkeiten festgestellt wurden, obgleich den Prüfern die Lösungshinweise vorlagen. Auch dieser Umstand könnte hier eher gegen eine "auffällige" und nicht erklärbare Übereinstimmung zwischen den Klausuren und den Lösungshinweisen und damit zugleich dagegen sprechen, dass die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis vorliegen.

Nicht vernachlässigt werden darf demgegenüber der Vermerk des Sonderprüfers der Klausuren ZU, ZG, A1 und A2 der Klägerin vom 28. Mai 2014 (siehe Sonderheft "Vorprüfung", Beiakte Heft 5). Ausweislich seiner Einzelvoten zu den Klausuren hält er es zwar für "unwahrscheinlich (...), dass der Bearbeiterin die Musterlösung vor Anfertigung der Klausuren bekannt war". In dem vorgenannten Vermerk führt er aber aus, dass sich die Klausurbearbeitung der Klägerin in auffälliger Weise an den Lösungsskizzen orientiere und alle wesentlichen Aspekte geprüft bzw. erwähnt würden, die inhaltliche Auseinandersetzung allerdings deutlich zurückbleibe. Allein auf dieser Grundlage kann jedoch - nach den genannten Maßgaben - nicht von einer vorherigen Kenntnis der Lösungsskizze ausgegangen werden. Dementsprechend hält es auch der Sonderprüfer für "unwahrscheinlich (...), dass der Bearbeiterin die Musterlösung (...) bekannt war." Von einem guten Examens- bzw. Prüfungskandidaten wird im Übrigen gerade erwartet, dass er die wesentlichen Probleme der Klausur erkennt und anspricht und seine Ausführungen der Klausurlösung nahekommen. Ein Rechtfertigungsbedürfnis bzw. das Erfordernis, eine im Raum stehende Täuschung aufgrund von Ähnlichkeiten zur Musterlösung widerlegen zu müssen, darf daraus allein nicht erwachsen. Andernfalls wäre die Erstellung einer Klausurlösung nicht zielführend. In welcher Tiefe die erkannten Probleme einer Prüfungsklausur aufgeworfen, erörtert und dargestellt werden, hängt wesentlich von den individuellen Kenntnissen und darstellerischen Fähigkeiten des Prüflings ab. Schließlich ist in Rechnung zu stellen, dass den Sonderprüfern im zweiten Prüfungsdurchgang - wie der Vermerk des Sonderprüfers vom 28. Mai 2014 zeigt - die Noten der Prüflinge aus den Arbeitsgemeinschaften und der mündlichen Prüfung sowie die Note des Aktenvortrags bekannt waren. Dies könnte im Fall der Klägerin in gesteigertem Maße Anlass gegeben haben, bei der Prüfung der Klausuren "besonders genau" hinzuschauen und so auch ausschlaggebend für die Abfassung des vorgenannten Vermerks des Sonderprüfers gewesen sein. Jedenfalls kann dieser Umstand bei der Gewichtung seiner Ausführungen nicht unberücksichtigt bleiben.

Auch bei individueller Betrachtung der vier Klausuren, lassen sich die erforderlichen "weitgehenden" Übereinstimmungen nach Formulierungen, Aufbau und Gedankenführung mit den Lösungshinweisen nicht feststellen.

Bei der VA-Klausur wird der Klägerin vom Beklagten vorgehalten, sie prüfe (nur) alle Aspekte, die auch im Prüfvermerk genannt worden seien. Sie benutze weitestgehend dieselben Überschriften, zum Teil in geänderter Reihenfolge. Die Klägerin führt hierzu aus, bei der Bearbeitung seien nur wenige Rechtsgrundlagen in Betracht gekommen und die Prüfungsreihenfolge habe sich aus der im Aktenauszug geschilderten Chronologie und den dort erwähnten Maßnahmen ergeben; die Überschriften und auch die inhaltliche Prüfung wichen voneinander ab. Die Ausführungen der Klägerin sind plausibel. Im Aktenvermerk auf Blatt 6 der Aufgabenstellung wird ausdrücklich zwischen "Maßnahmen am äußeren Ring" und "Maßnahmen am inneren Ring" unterschieden. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass die Klägerin in ihrer Prüfung - wie auch die Lösungsskizze - zwischen diesen Maßnahmen unterschieden hat. Hinzu kommt, dass auf zu prüfende Paragraphen bezogene Überschriften zwangsläufig Ähnlichkeiten aufweisen.

Soweit der Beklagte ausführt, die Klägerin prüfe die fernliegende Regelung des § 1 BORA und komme ohne überzeugende Prüfung zum selben Ergebnis wie der Prüfvermerk, handelt es sich hierbei nur um einen einzelnen Gesichtspunkt der Klausurlösung, sodass allein darin keine wesentliche Übereinstimmung zwischen Klausur und Lösungsvorschlag liegt. Die Klägerin führt in der Klausur aus, bei der Berufsordnung für Rechtsanwälte handele es sich um reines anwaltliches Standesrecht, die Ordnung regele nur die Rechte und Pflichten innerhalb des (anwaltlichen) Berufs. Unklar bleibt, welche näheren Ausführungen der Beklagte hier noch erwartet hat. Zum anderen scheint der Beklagte - nach dem Lösungshinweis - auch in Betracht zu ziehen, dass Prüflinge diese Norm sehen und diskutieren, sodass der Vorhalt insoweit nicht überzeugt. Nur ergänzend sei angemerkt, dass die Klägerin diese Norm an anderer Stelle als die Lösungsskizze prüft, sodass auch eine Übereinstimmung des Aufbaus fehlt. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin außerdem vorgetragen, ihr seien die Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Berufsordnung für Rechtsanwälte bekannt gewesen, weil sie sich in ihrer Anwaltsstation mit diesen Regelungen intensiv auseinandergesetzt habe. Ihr Ausbilder habe sie animiert, in diese Gesetze für den anwaltlichen Berufsstand hineinzuschauen und sich damit zu befassen. Auch der Leiter der Arbeitsgemeinschaft während der Anwaltsstation habe sie animiert, sich mit diesen Regelungen auseinanderzusetzen. Das ist eine plausible Begründung dafür, dass sie § 1 BORA in der Klausur geprüft hat; ihr Vorbringen lässt sich nicht widerlegen.

Soweit der Beklagte die Ausführungen der Klägerin zur Fortsetzungsfeststellungsklage und zur Feststellung der Zuständigkeit der Polizeidirektion B-Stadt beanstandet, weil eine nähere Prüfung bzw. Begründung fehlten, dringt er auch damit nicht durch. Hierbei handelt es sich weniger um eine "auffällige Übereinstimmung" mit den Lösungshinweisen, die sich nicht anders erklären lässt, sondern um einen Beleg für das flüchtige bzw. wenig gründliche Arbeiten der Klägerin in ihrer Klausur. Es liegt außerdem nicht gänzlich fern, dass die Klägerin, hätte ihr der Lösungshinweis vor der Klausur vorgelegen, die Gelegenheit genutzt hätte, um sich näher auf die Frage der Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage vorzubereiten.

Bei der VR-Klausur geht der Beklagte von einer Täuschung aus, weil die Klägerin in dem zu entwerfenden Widerspruchsbescheid dieselbe Tenorierung wie der Prüfvermerk wähle, in dem die Kostenquote fehle. Außerdem übernehme die Klägerin den Vorschlag aus dem Prüfvermerk, den angefochtenen Bescheid in Bezug auf die Zwangsmittelandrohung zu ändern und statt der Versiegelung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR anzuordnen, ohne die Höhe des Zwangsgeldes und den Sinneswandel zu begründen. Auch § 89 Abs. 4 Satz 2 NBauO a.F. werde außer Acht gelassen. Hierin sieht auch der Senat eine besondere Auffälligkeit, die Anhaltspunkte dafür liefert, dass die Lösung der Klägerin vor Anfertigung der Klausur bekannt war. Allerdings besteht gleichwohl die Möglichkeit, dass diese (nur punktuelle) Übereinstimmung mit dem Prüfvermerk zufällig ist. Die Klägerin trägt hierzu vor, sie habe sich bei der Tenorierung an § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG orientiert, wobei sie auf ihr vertraute Zwangsmittel zurückgegriffen habe. Dies kann nicht ohne weiteres als unglaubhafte Schutzbehauptung angesehen werden; ebenso kann die identische Höhe des Zwangsgeldes Zufall sein bzw. hätte bei Kenntnis des Prüfvermerks eher nahegelegen, eine andere Summe festzusetzen. Auch kann es nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass ein Prüfling - ebenso wie der Ersteller des Prüfvermerks - unkonzentriert arbeitet bzw. zu unzutreffenden Ergebnissen gelangt und deshalb etwa versäumt, die Kostenquotelung in den Tenor aufzunehmen. Zweifellos kommt bei der Prüfung, ob eine "weitgehende Übereinstimmung" zwischen Lösungshinweis und der Bearbeitung vorliegt, der Übernahme eines "Fehlers" des Lösungshinweises in der Bearbeitung ein besonderes Gewicht zu. Handelt es sich jedoch - wie hier - nur um einzelne Aspekte einer juristischen Prüfung und Begründung, ist dieses Gewicht deutlich geringer als etwa bei der Übernahme eines Druckfehlers. Denn nicht zuletzt ist bereits ein anderer Jurist - der Ersteller des Prüfvermerks - zu einem solchen Ergebnis gelangt. Dies zugrunde gelegt, vermag der Senat die für die Annahme eines Anscheinsbeweises erforderliche weitgehende Übereinstimmung zwischen Lösungsmuster und Bearbeitung bei der VR-Klausur auch in Ansehung dessen (noch) nicht festzustellen. Obgleich es sich bei dem besagten Abschnitt der Klausur um einen wichtigen Teil handelt, fehlt es aus Sicht des Senats für die Annahme einer "weitgehenden Übereinstimmung" insbesondere an weiteren prägnanten Übereinstimmungen in anderen Teilen der Klausur.

Die Prüfungsaufgabe verlangte von den Kandidatinnen und Kandidaten die Erstellung eines Widerspruchsbescheids. Der Aufbau eines solchen Bescheids bzw. die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Widerspruchs folgt einem gängigen Muster. So sind die Zulässigkeit und Begründetheit des Widerspruchs zu prüfen. Letztere Prüfung gliedert sich in die Prüfung der einschlägigen Ermächtigungsgrundlage und der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheids. Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Klausur und Lösungsskizze in Bezug auf Überschriften und Gliederung wird zwangsläufig vorliegen und wird - wie bereits dargestellt - von den Prüfern auch erwartet. Zwar sind die weiteren vom Beklagten vorgetragenen Ähnlichkeiten zwischen der Klausur der Klägerin und dem Lösungsentwurf (fehlende Bezeichnung einer Rechtsgrundlage, knappe Behandlung der formellen Baurechtswidrigkeit und der Ausführungen zur Sperrbezirksverordnung unter dem Stichwort "Bauordnungsrecht") auch nach Ansicht des Senats auffällig. Derartige Unzulänglichkeiten können allerdings - wie ausgeführt - auch auf die oft knapp bemessene und unzureichend eingeteilte Bearbeitungszeit bzw. schlichte Unkenntnis zurückzuführen sein. Widerlegen lässt sich das ohne weiteres jedenfalls nicht; es fehlt angesichts dessen an gravierenden Ähnlichkeiten zwischen Bearbeitung und Lösungshinweis, die den Schluss rechtfertigen, dass der Klägerin der Lösungshinweis vor der Bearbeitung der Klausur bekannt war.

Bei der SR-Klausur wird der Klägerin vorgehalten, sie habe das Handlungsgeschehen wie im Prüfvermerk in drei Tatkomplexe aufgeteilt, nur die Straftatbestände geprüft, die auch im Lösungsvermerk genannt worden seien und es sei nur an zwei Stellen zu einer Abweichung von der Prüfungsreihenfolge in der Musterlösung gekommen. Hierbei handelt es sich nach Ansicht des Senats ebenfalls nicht um Umstände, die die Annahme einer Täuschung nach den Regeln des Anscheinsbeweises rechtfertigen. Auch bei der Anfertigung von Strafrechtsklausuren sind die Prüflinge gehalten, strukturiert vorzugehen und eine nachvollziehbare Reihenfolge einzuhalten. Insoweit lässt sich nicht ausschließen, dass die Klägerin - wie sie vorträgt - ihr Gutachten in drei Abschnitte eingeteilt hat, weil der Sachverhalt dafür Anhaltspunkte gegeben hat (1. Abschnitt: Mitnahme der Butterpäckchen, 2. Abschnitt: Bereitstellen der in der Tragetasche deponierten Lebensmittel, 3. Abschnitt: Mitnahme und Werfen der Kokosnüsse). Das Lösungsmuster wurde offenbar in diese Komplexe unterteilt, was - wie bereits bei den anderen Klausuren erwähnt - suggeriert, dass ein entsprechender Aufbau von den Kandidatinnen und Kandidaten erwartet wurde. Es ist auch nicht abwegig, dass sich ein Prüfling diesen Aufbau selbst erschließt und ihn umsetzt. Soweit der Klägerin auch hier vorgehalten wird, bestimmte Schlagwörter aus dem Prüfvermerk verwendet, diese aber nicht verständlich geprüft zu haben, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Dass die Klägerin bestimmte Schlagwörter bedient, "ohne deren inhaltliche Bedeutung zu kennen" (vgl. angefochtenes Urteil, S. 16), lässt nach Auffassung des Senats gerade in einem Fall wie dem vorliegenden im Übrigen nicht zwingend den Schluss auf eine Kenntnis der Prüfvermerke zu. Denn die Klägerin soll nach den von dem Beklagten zugrunde gelegten Geschehensabläufen im Vorfeld der Klausuren bereits über einen geraumen Zeitraum über die Prüfvermerke bzw. Lösungsskizzen verfügt haben. Nichts hätte - auch bei einer nur durchschnittlichen juristischen Befähigung - näher gelegen, als sich intensiv zur Vorbereitung auf die Klausuren mit der Bedeutung solcher Schlagwörter vertraut zu machen.

Bei der WSR-Klausur wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe das Gutachten - wie im Prüfvermerk - in nur zwei und nicht drei Abschnitte (nach der Zahl der Geschädigten) unterteilt. Die Klägerin entgegnet hierzu, die Gliederung habe sich daraus ergeben, dass sich die Tatkomplexe auf zwei Tage verteilt hätten; sie habe die Prüfung insgesamt chronologisch gegliedert. Auch dies ist plausibel, lässt sich nicht widerlegen und liegt im Bereich des Möglichen. In Bezug auf die der Klägerin in dieser Klausur ebenfalls vorgeworfenen Ungenauigkeiten, oberflächlichen Ausführungen und mit dem Prüfvermerk identischen Prüfergebnisse wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Es liegt im Übrigen wohl eher fern, einem Prüfling vorzuhalten, er sei bei der Prüfung der Straftatbestände exakt zu denselben Ergebnissen wie der Prüfvermerk gekommen, obwohl im Prüfervermerk an mehreren Stellen ein anderes Ergebnis für vertretbar gehalten wird. Die von dem Beklagten in Bezug auf das B-Gutachten herausgearbeiteten Unstimmigkeiten zur Regelung des § 74 GVG hält der Senat ebenfalls nicht für derart gewichtig, dass sie den eindeutigen Schluss auf eine Kenntnis des Prüfvermerks zulassen.

Schlussendlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass Ähnlichkeiten zwischen den von der Klägerin geschriebenen Klausuren und den amtlichen Lösungsskizzen vorliegen, die darauf hindeuten, dass ihr die Sachverhalte und Lösungen im Vorhinein bekannt gewesen sein könnten und sie keine hinreichende eigene Prüfungsleistung erbracht und mithin getäuscht haben könnte. Es liegen demgegenüber aber auch Tatsachen vor, die eine andere Erklärung für die weitgehende Übereinstimmung von Lösungsmuster und Prüfungsarbeit als möglich erscheinen lassen. Der Senat sieht daher in einer Gesamtschau und unter Abwägung aller maßgeblichen Umstände keine ausreichend gewichtigen (markanten) Auffälligkeiten und Übereinstimmungen der Prüfungsleistungen mit der jeweiligen Lösungsskizze, die sich typischerweise nur durch eine Täuschungshandlung erklären lassen und mithin die Annahme eines Anscheinsbeweises begründen.

2. Ist der Anscheinsbeweis nicht erbracht, muss der Beweis für die Täuschung im Sinne des § 15 Abs. 2 NJAG im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung nach den allgemeinen Beweisregeln (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gewonnen werden. Als Prüfungsbehörde, die sich auf die Täuschung beruft und daraus Rechtsfolgen herleitet, ist der Beklagte beweispflichtig (vgl. OVG RP, Urt. v. 3.2.2012 - 10 A 11083/11 -, juris Rn. 23; Jeremias, in: Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 236). Er trägt damit zugleich die Last der Nichterweislichkeit oder der "non liquet-Situation", in der nach den Grundsätzen der Beweislast zugunsten der Klägerin zu entscheiden ist.

Davon ausgehend hat der Beklagte den erforderlichen Vollbeweis des Täuschungsversuchs - auch unter Berücksichtigung des den Verwaltungsprozess prägenden Untersuchungs- und Aufklärungsgrundsatzes und der sich daraus ergebenden Verpflichtungen des Berufungsgerichts (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO) - nicht zu führen vermocht. Zwar liegen gewichtige Anhaltspunkte vor, die den Schluss auf eine Täuschungshandlung der Klägerin zulassen könnten. Angesichts der diesbezüglichen Einlassungen der Klägerin (hierzu unter a.) und dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte der Senat indes nicht die erforderliche volle Überzeugung gewinnen, dass die Klägerin bei der Anfertigung ihrer Examensklausuren im Sinne des § 15 Abs. 2 NJAG getäuscht hat (dazu unter b). Ist eine Täuschung der Klägerin nicht erweislich, so geht dies nach den allgemeinen Regeln der Beweislast zu Lasten des Beklagten, mit der Folge, dass zugunsten der Klägerin zu entscheiden ist (hierzu unter c.).

a. Dafür, dass die Klägerin keine eigenständige Prüfungsleistung erbracht hat, sprechen gewichtige Anhaltspunkte (Indizien). Zunächst ist der erhebliche Notensprung zwischen den Ergebnissen des Ersten und des Zweiten Juristischen Staatsexamens auffällig. Im Ersten Examen erzielte die Klägerin 4,68 Punkte, im Zweiten Examen 10,89 Punkte. Dieser Notensprung ist nicht ohne Weiteres ausschließlich durch den von der Klägerin bei "..." in Anspruch genommenen Privatunterricht zu erklären. Auffällig ist, dass die Klägerin in ihren Arbeitsgemeinschaftsklausuren während des Referendariats nur sehr wenige Male zweistellige Punktzahlen und mithin vollbefriedigende bzw. gute Leistungen erzielte. Meistens lagen ihre Leistungen im befriedigenden oder ausreichenden Bereich. In ihrer Zweiten Juristischen Staatsprüfung ist es ihr hingegen überraschend gelungen, in sechs von acht Klausuren zweitstellige Ergebnisse zu erzielen. Hier wäre im Grundsatz zu erwarten gewesen, dass sich ein solcher Notensprung bereits im Referendariat zumindest während der Anwaltsstation abzeichnet. Den Einzelunterricht begann die Klägerin im April 2012, die Anwaltsstation im Mai 2012.

Auffällig ist zudem, dass die Klägerin Einzelunterricht beim Zeugen D. genommen hat, der wiederum eng mit Herrn F. zusammengearbeitet hat. Dafür, dass der Zeuge D. von Herrn F. künftige Examensklausuren mit Lösungen erhalten hat, sprechen ebenfalls gewichtige Anhaltspunkte. So hat der Zeuge D. in der mündlichen Verhandlung ausgesagt, Herr F. habe ihm einmal solche Klausuren übergeben.

Zudem wurden bei vier Klausuren auffällige Übereinstimmungen mit den für die Prüfer bestimmten Lösungsvorschlägen festgestellt. Dies genügt zwar - wie oben dargelegt - nicht, um einen Anscheinsbeweis für eine Täuschung anzunehmen, Rückschlüsse auf das tatsächliche Geschehen lässt dies aber gleichwohl zu. Die Klägerin verfügt außerdem über erhebliche finanzielle Mittel, die ihr einen Ankauf der Klausuren ermöglicht hätten. Insoweit ist auffällig, dass die Klägerin am 23. November 2012 - gut sechs Wochen vor Beginn der schriftlichen Prüfungsarbeiten - einen Geldbetrag von 32.000 EUR von ihrem Girokonto in A-Stadt - nur 400 Meter von den Unterrichtsräumen des Zeugen D. entfernt - abgehoben hat, obwohl Barabhebungen bei ihr sonst kaum zu verzeichnen waren. Am 23. November 2012 fand zudem eine Unterrichtseinheit mit dem Zeugen D. statt. Etwa einen Monat vor der mündlichen Prüfung kam es zu weiteren Barabhebungen, nämlich am 14. Mai 2013 (6.000 EUR) und am 25. Mai 2013 (2.000 EUR). Insgesamt hat die Klägerin damit 40.000 EUR abgehoben. Eben solche Summen soll Herr F. wiederholt für alle acht Klausuren verlangt haben (vgl. Seite 29 des Berichts des Landeskriminalamts Niedersachsen "Bericht Fallakte 22 / A." vom 24. März 2015, Bl. 29 der Strafakte "Fallakte 22 Band 2", Beiakte Heft 33).

Auffällig sind schließlich auch bestimmte Kontaktaufnahmen bzw. Versuche von Kontaktaufnahmen zwischen der Klägerin und dem Zeugen D. im April 2014. Herr F. wurde am 31. März 2014 in Italien verhaftet und am 1. April 2014 begann die Presseberichterstattung darüber. Ebenfalls am 1. April 2014 - weit nach dem Ende des Privatunterrichts und dem Abschluss der Zweiten Juristischen Staatsprüfung der Klägerin -, ist es zu wiederholten Telefonaten bzw. Anwahlversuchen zwischen der Klägerin und dem Zeugen D. gekommen (vgl. hierzu Seite 12 des Berichts des Landeskriminalamts Niedersachsen "Bericht Fallakte 22 / A." vom 24. März 2015, Bl. 12 der Strafakte "Fallakte 22 Band 2", Beiakte Heft 33).

Nicht nachvollziehen kann der Senat des Weiteren trotz eingehender Erörterung dieses Gesichtspunkts in der mündlichen Verhandlung nach wie vor, dass die Klägerin auf der Hand liegende entlastende Angaben, etwa zur angeblichen Verwendung der Barabhebung von 32.000 Euro für Möbelkäufe bei IKEA und die Ausstattung eines Hauses auf der Nordseeinsel Sylt, nicht bereits in einem deutlich früheren Verfahrensstadium, sondern erst im Termin der mündlichen Verhandlung gemacht hat. Ein solches Vorgehen erschließt sich auch unter Berücksichtigung der Rechte eines Beschuldigten und von prozesstaktischen Erwägungen nicht gänzlich.

Nicht vernachlässigt werden dürfen hingegen die Anhaltspunkte, die gegen eine Täuschung durch die Klägerin sprechen bzw. die Erklärungen der Klägerin zu den gegen sie sprechenden Umständen, die nicht widerlegt werden können.

Hinsichtlich des im Zweiten Examen festzustellenden "Notensprungs" hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt, welche persönliche Entwicklung sie zwischen dem Ersten Examen und dem Zweiten Examen durchlaufen hat. Hiervon ausgehend erscheint es zumindest nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Klägerin bei der Vorbereitung und Ablegung des Zweiten Examens deutlich motivierter und daher auch erfolgreicher war als beim Ersten Examen. Diese Angaben vermochte auch der Beklagte nicht zu widerlegen.

Für den Senat steht auch fest, dass die Klägerin zur Vorbereitung auf das Zweite Examen tatsächlich in erheblichem, weit überdurchschnittlichem Umfang bei "..." Einzelunterricht genommen hat. Dafür sprechen die im Zuge des gegen die Klägerin geführten Ermittlungsverfahrens aufgefundenen Abrechnungen für die Monate April 2012 bis Juni 2013 und das Anmeldeformular zum Einzelunterricht, unterzeichnet am 22. Februar 2012. Hieraus folgt, dass die Klägerin in diesem Zeitraum insgesamt 202,5 Stunden Einzelunterricht gebucht und dafür insgesamt 17.191,25 EUR ausgegeben hat (vgl. Stellungnahme der Klägerin gegenüber der Staatsanwaltschaft vom 15. Oktober 2015, Bl. 2 FA 22 Bd. XV, Beiakte Heft 24). Auch fanden sich im ausgewerteten SMS- und Chat-Verlauf zwischen der Klägerin, dem Zeugen D. und den beiden weiteren Dozenten Herrn Dr. G. und Herrn H. zahlreiche Nachrichten, in denen Uhrzeit und Themen der einzelnen Unterrichtsstunden abgesprochen wurden. Dafür, dass es sich hierbei um einen gefälschten Chat-Verlauf handelt, ist nichts ersichtlich. Dass sich die fachlichen Leistungen der Klägerin und insbesondere ihre Fähigkeit, in Klausuren bessere Leistungen zu zeigen, im Zuge dieser massiven Unterrichtung erheblich verbessert haben könnten, ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Da ein besonderer Schwerpunkt des Unterrichts in dem Zeitraum Herbst/Winter 2012 lag, mag es auch plausibel sein, dass sich ihr intensiver Unterricht und Wissenszuwachs noch nicht auf ihre Klausurergebnisse in den einzelnen Arbeitsgemeinschaften ausgewirkt haben kann. Ebenso hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung sinngemäß darauf hingewiesen, die Klausuren in der Arbeitsgemeinschaft eher vernachlässigt zu haben, weil ihnen aus ihrer Sicht ein weniger großes Gewicht zukam als der Examensvorbereitung. Auch das ist nicht zu widerlegen.

Soweit es die Bargeldabhebungen betrifft, hat die Klägerin zu den 32.000 EUR, die sie im November 2012 in A-Stadt abgehoben hat, ausgeführt, sie habe davon Möbel und andere Einrichtungsgegenstände bei IKEA gekauft, mit denen sie das von ihrer Mutter zu dieser Zeit auf Sylt erworbene Ferienhaus eingerichtet habe; Rechnungen zu dem Kauf der Möbel könne sie jedoch nicht (mehr) vorlegen. Außerdem habe sie von dem Geld (ohne geordnete Rechnungen zu verlangen) einen Handwerker in bar bezahlt, der die Möbel auf Sylt aufgebaut und andere Arbeiten verrichtet habe. IKEA habe seinerzeit nur gegen Barzahlung auf die deutschen Inseln geliefert. Dass letzteres zutreffend ist, ergibt sich aus einem im Internet abrufbaren IKEA-Katalog aus dem Jahr 2012 (https://www.yumpu.com/de/ document/read/12699/ikeahauptkatalog-2012, dort Seite 382). Die Barzahlung an den Handwerker lässt sich nicht widerlegen. Wie bereits hervorgehoben, kann der Senat nicht nachvollziehen, weshalb die Klägerin diese Umstände nicht bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt vorgetragen hat, insbesondere in ihrer abschließenden Stellungnahme vom 15. Oktober 2015 in dem gegen sie geführten Ermittlungsverfahren, wo sie nur schmal ausgeführt hat, es sei nicht nachgewiesen, dass die Abhebung des Barbetrages vor dem Unterricht mit dem Zeugen D. stattgefunden habe. In dieser Stellungnahme folgte sodann eine eher nebulös anmutende Fragestellung (Wer wolle ausschließen, dass sie den Zeugen D. nicht auch an anderen Tagen getroffen habe?), ohne dass Genaueres zum Verbleib des Geldes mitgeteilt wurde. Hier hätte es auf der Hand gelegen, zum Verwendungszweck des Geldes vorzutragen, denn die Einstellung des Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO lag seinerzeit nicht nahe. Daher muss sich die Klägerin vorhalten lassen, dass ihre Ausführungen in der mündlichen Verhandlung durchaus konstruiert wirken, von ihr durch nichts belegt werden und eine Überprüfung aufgrund des Zeitablaufs aller Voraussicht nach nicht mehr zielführend wäre. Über Belege verfügt die Klägerin laut eigener Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht (mehr). Auffällig sind ebenfalls die Barabhebungen im Mai 2013 in Höhe von insgesamt 8.000 EUR, zu denen die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bekundet hat, sie habe das Geld auf Sylt ausgegeben, unter anderem für Restaurantbesuche, was in ihren Kreisen durchaus gängig sei. Ein solches Konsumverhalten mag ihrem ganz persönlichen Lebensstil entsprochen haben; gleichwohl erscheint dieser Vortrag als plakativ und ist doch eine geradezu perfekte Erklärung für den Verbleib der hohen Geldsumme. Allerdings ist ihr Vorbringen nicht frei von Ungereimtheiten, da die Klägerin nach eigenen Angaben für gewöhnlich Ausgaben des "täglichen Konsums" nicht in bar zu tätigen pflegt. Im Übrigen erschließt sich auch hier nicht, weshalb die Klägerin im Ermittlungsverfahren hierzu nichts vorgetragen hat. Widerlegen lassen sie die Angaben zur Bargeldabhebung jedoch nicht und auch der Beklagte vermochte die Einlassungen der Klägerin nicht zu erschüttern.

Zu dem Vorhalt, dass die Klägerin augenscheinlich bestimmte SMS-Nachrichten und E-Mails gelöscht habe (so findet sich kein E-Mail-Verkehr zwischen der Klägerin und "...", obwohl Unterlagen per Mail übersandt wurden; ebenfalls fehlen Hinweise auf das vom Zeugen D. erstellte Lernprogramm "...", vgl. hierzu Seite 13 f. des Berichts des Landeskriminalamts Niedersachsen "Bericht Fallakte 22 / A." vom 24. März 2015, Bl. 29 der Strafakte "Fallakte 22 Band 2", Beiakte Heft 33"; auch der Nachrichten- und SMS-Verkehr ist unvollständig und wurde wohl teilweise gelöscht, vgl. Seite 16 ff. des LKA-Berichts vom 24. März 2015), hat die Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung erklärt, sie habe die Mails und Nachrichten gelöscht bzw. die im Examensklausurenkurs und bei "..." geschriebene Probeklausuren vernichtet, weil dieser Lebensabschnitt für sie abgeschlossen gewesen sei. Hier erschließt sich nicht, weshalb sie dann nicht alle Klausuren und Nachrichten gelöscht, sondern sich auf bestimmte Inhalte beschränkt hat, die zudem Aufschlüsse für das vorliegende Verfahren geben könnten. Mit Verfügung vom 12. April 2024 hat der Berichterstatter die Klägerin gebeten, Probeklausuren - soweit noch vorhanden - vorzulegen, um den Notensprung zwischen dem Ersten und Zweiten Staatsexamen bzw. eine durch den Privatunterricht erzielte Leistungssteigerung nachvollziehen zu können. Daraufhin hat die Klägerin nur die von ihr in den Referendararbeitsgemeinschaften verfassten Klausuren vorgelegt, deren Ergebnisse dem Senat - wie die Klägerin weiß - allerdings aus ihrer Personalakte bereits bekannt waren.

Obwohl danach eine Reihe von Auffälligkeiten bzw. Ungereimtheiten verbleiben, ist der Klägerin auf dieser Grundlage allein keine Täuschungshandlung nachzuweisen.

b. Auch durch die Aussage des Zeugen D. kann der Beweis für eine Täuschungshandlung der Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht geführt werden. Aus der Zeugenaussage lässt sich allerdings auch nicht zweifelsfrei folgern, die Klägerin habe von dem Zeugen Klausuren und Lösungsskizzen nicht erhalten. Vielmehr lässt sich die Möglichkeit einer Übergabe der Klausuren und Lösungsskizzen an die Klägerin (nach wie vor) nicht ausschließen, weil erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Zeugenaussage bestehen. Dazu im Einzelnen:

Der Zeuge hat ausdrücklich erklärt, dass er selbst der Klägerin keine Klausuren und Lösungsskizzen gegeben habe. Er hat zwar bekundet, Herr F. habe ihm im Jahr 2013 ein einziges Mal Sachverhalte und Lösungen künftiger Examensklausuren übergeben ("scharfe Klausuren"). Diese habe er jedoch, nachdem ihm aufgefallen sei, dass es sich nicht wie sonst um "unscharfe" Klausuren aus vergangenen Prüfungsterminen, sondern um aktuelle "scharfe" Klausuren gehandelt habe, noch am selben Abend vernichtet. Er habe die Klausuren und Lösungen zerschnitten und in mehreren Altpapiercontainern in I-Stadt entsorgt. Weder der Klägerin noch sonst jemandem habe er "scharfe" Examensklausuren für künftige Prüfungstermine übergeben.

In diesem Punkt allerdings hat der Senat erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussage. Sie ergeben sich zunächst aus dem Aussageverhalten des Zeugen, insbesondere seinem unterschiedlichen Erinnerungsvermögen. So hat der Zeuge - wie ihm in der mündlichen Verhandlung vorgehalten wurde - einerseits sehr detailreich seine Beziehung zur Klägerin geschildert (so etwa, dass sie eine finanziell sehr lukrative Kundin gewesen sei, viel Einzelunterricht genommen habe, viele Klausuren von "..." erhalten habe, in jedem Fall ein gutes Examen habe ablegen wollen und eine sichtbare Leistungssteigerung gezeigt habe). Andererseits hat sich der Zeuge aber bei entscheidenden Fragen zu den Ereignissen nach Bekanntwerden des Klausurenskandals an auffällig wenige oder keine Details erinnert. Auf den diesbezüglichen Vorhalt hat der Zeuge D. nur geantwortet, er könne sich stets sehr gut an Einzelheiten der Ausbildung seiner Kundinnen und Kunden erinnern, nicht jedoch an andere Sachen aus dieser Zeit. Er sei damals sehr mit der Bewältigung der mit dem Klausurenskandal zusammenhängenden Krise seines Repetitoriums "..." beschäftigt gewesen und könne sich deshalb auch nicht mehr daran erinnern, ob es nach Bekanntwerden des Skandals noch weiteren Kontakt zur Klägerin gegeben habe. Diese Unterschiede beim Erinnerungsvermögen erschließen sich dem Senat schon deshalb nicht, weil nach allgemeiner Lebenserfahrung gerade solche Krisen wie der Skandal um die Prüfungsklausuren, der sich zudem besonders stark auf das Geschäftsmodell des Zeugen auswirkte, gut in Erinnerung bleiben. Außerdem war die Klägerin aus Sicht des Zeugen eine exponierte Kundin, die in einem besonders hohen Maße Geld in die Examensvorbereitung durch sein Unternehmen investiert hatte.

Wenig glaubhaft erscheint ferner die Aussage des Zeugen zu den ihm vorgehaltenen Inhalten der Nachrichten, die er über das Short Message System (SMS) von Herrn F. bekommen hatte (siehe Seite 24 f. der Anklageschrift gegen den Zeugen D. vom 22. Februar 2019, Az. , Bl. 101 f., Beiakte 24). Auf den Vorhalt der folgenden Nachrichten

22.9.2012, 18:34:03 Uhr: Gibt es schon eine Zusage oder Interesse? Oder ist die Info noch nicht transportiert?
22.9.2012, 19:38:20 Uhr; Ok, bin gespannt. Gib alles.
26.9.2012, 17:17:29 Uhr: Schade. Dann beim nächsten Mal.

hat der Zeuge bekundet, er wisse nicht mehr genau, worum es seinerzeit gegangen sei. Er vermute, dass Herr F. am Schicksal von "..." Anteil genommen und sich gewünscht habe, dass er lukrative Verträge mit potenziellen Kunden abschließe. Es erschließt sich bereits nicht, weshalb Herr F. an dem Schicksal von "..." im Jahr 2012 noch ein derart gesteigertes Interesse gehabt haben soll. Seinerzeit war er bereits im Landesjustizprüfungsamt tätig und hatte aus diesem Grund im Jahr 2011 seine Tätigkeit bei "..." beendet. Zudem hatte Herr F. im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung am 17. Juni 2015 angegeben, er und der Zeuge D. hätten 2012 eine grundsätzliche Vereinbarung getroffen, dass Prüfungsgegenstände in geeigneten Fällen preisgegeben werden. Auf eine solche Abrede deutet auch die folgende Nachricht (SMS) von Herrn F. an den Zeugen D. hin (vgl. Seite 15 der Anklageschrift gegen den Zeugen D.), die am 10. Dezember 2012 verschickt wurde:

"Widerspruch hat eine kleine Aussicht auf Erfolg, weil schon 3 Klausuren bestanden. Was ist für mich drin, wenn ich die Punkte besorge? Sie müsste dann noch den Vortrag kaufen, damit sie nicht doch noch in der Mündlichen durchfällt."

Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die Nachricht (SMS) der ehemaligen Kundin des Repetitoriums "...", Frau J., die dem Zeugen D. ausweislich des Inhalts der gegen ihn gerichteten Anklageschrift vom 22. Februar 2019 (Seite der 20) am 21. September 2013 geschrieben hatte:

"Du hast mich echt in eine blöde Situation gebracht. Ich habe mich an Dich gewandt, um eine gute Examensvorbereitung zu bekommen und habe dafür auch viel Geld bezahlt und jetzt bin ich in einer Situation, in der Du wohlmöglich noch mit meiner Examensangst Geld verdient hättest und ich mich mit dem Gedanken plage, das melden zu müssen, damit mir kein Nachteil zu anderen entsteht, die auf das Angebot eingegangen sein könnten. Ich bin echt abgelenkt und sauer, dass Du mich damit belastet hast, auch wenn aus vermeintlich gutem Willen. Ein Unding, dass da jemand mit sowas Geschäfte macht! Ich muss mich sammeln und rausholen, was zu holen ist."

Hierzu hat der Zeuge D. bekundet, Frau J. sei vor dem Examen besonders verzweifelt gewesen und habe gefragt, ob er irgendetwas über das kommende Examen wisse, zum Beispiel Insiderwissen habe. Er habe ihr geantwortet, dass er eventuell etwas machen könne; er sei sich aber nicht sicher und müsse nochmal nachdenken. Er wisse nicht, ob es einen Weg gebe und auch nicht den Preis. Er müsse nochmal darüber schlafen. Die Angaben des Zeugen sind nach den von ihm geschilderten Umständen denklogisch wenig nachvollziehbar. So erschließt sich schon nicht, weshalb Frau J. dem Zeugen eine derart erboste SMS schicken sollte, wenn sie doch selbst initiativ geworden und es selbst gewesen sein soll, die ihn um Insiderinformationen gebeten hatte. Zudem will der Zeuge laut seinen eigenen Angaben kein konkretes Verkaufsangebot gemacht haben; ein solches spricht Frau J. in ihrer Nachricht aber gerade an.

Diese dargelegten Zweifel haben jedoch nicht zur Folge, dass eine Täuschungshandlung der Klägerin bewiesen ist. Selbst wenn der Zeuge gelogen hat, ergibt sich daraus allein oder in Verbindung mit sonstigen Umständen nicht das wahre Geschehen. Eine Übergabe der Examensklausuren bzw. der Lösungsskizzen durch den Zeugen D. an die Klägerin für den Prüfungstermin Januar 2013 lässt sich auf der Grundlage seiner Aussage nicht nachweisen. Die bloße Möglichkeit, dass die Klägerin vom Zeugen D. Klausuren und Lösungshinweise erhalten hat, reicht für eine hinreichende Beweisführung nicht aus.

c. Eine weitere Beweiserhebung wurde weder vom Beklagten beantragt noch war sie vom Senat ernsthaft in Betracht zu ziehen. Einzig in Frage gekommen wäre eine erneute Vernehmung von Herrn F., der vor dem Verwaltungsgericht noch ausgesagt hatte, dass er dem Zeugen D. auf dessen gezielte Nachfrage im Oktober 2012 Grobentwürfe der beiden Strafrechtsklausuren sowie einer zivil- und einer öffentlich-rechtlichen Klausur schriftlich ausgehändigt und ihm mündlich die Inhalte der anderen Klausuren beschrieben habe. Von einer solchen Vernehmung hat der Senat allerdings Abstand genommen. Herr F. hat zwischenzeitlich im Oktober und November 2021 vor dem Amtsgericht I-Stadt im Strafverfahren gegen den Zeugen D. ausgesagt, dass sich der Zeuge D. auf das Angebot von ihm, künftige Examensklausuren zu verkaufen, nicht zurückgemeldet habe. Er wisse nicht, ob er dem Zeugen künftige Examensklausuren übergeben habe. Ausschließen könne er es auch nicht. Selbst wenn Herr F. - entgegen diesem jüngsten Aussageverhalten - vor dem Senat erneut bestätigen würde, Klausuren für den streitgegenständlichen Prüfungsdurchgang an den Zeugen D. übergeben zu haben, wäre damit nicht bewiesen, dass die Klägerin in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung getäuscht hat. Es bliebe eine Lücke in der Beweisführung, denn anhand der bislang von Herrn F. getätigten Aussagen ist ersichtlich, dass er über eine weitere Verwendung der Klausuren durch den Zeugen nichts weiß; Herr F. hat bekundet, er kenne die Klägerin nicht. Hiervon ist offensichtlich auch der Beklagte ausgegangen, der in mündlichen Verhandlung keine Anregungen zur erneuten Vernehmung von Herrn F. gemacht hat.

Weil sich die Anordnung des Beklagten unter 1. des angefochtenen Bescheides damit als rechtswidrig erweist, sind die damit verbundenen Anordnungen unter 2. (Verpflichtung zur Rückgabe des Zeugnisses über das Bestehen der Zweiten Juristischen Staatsprüfung) und 3. (Zwangsgeldandrohung) ebenso rechtswidrig und aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.