Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.04.2024, Az.: 10 ME 75/24

Vorläufige Feststellung der teilweisen Zulässigkeit des Bürgerbegehrens (hier: Wiederherstellung des Bahnüberganges)

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.04.2024
Aktenzeichen
10 ME 75/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 15697
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0425.10ME75.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 12.03.2024 - AZ: 1 B 4/24

Amtlicher Leitsatz

Eine dem eigentlichen Planfeststellungsverfahren vorgelagerte politische Richtlinienentscheidung, die erst den Bedarf der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens auslösen oder entfallen lassen könnte, ist nicht vom Ausschlusstatbestand des § 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 NKomVG erfasst.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 1. Kammer - vom 12. März 2024 geändert und der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, für das von den Antragstellern angezeigte Bürgerbegehren in der Fassung vom 26. Oktober 2023 mit einer Vorabentscheidung das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 32 Abs. 2 und Abs. 3 Sätze 1 bis 3 NKomVG unverzüglich festzustellen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren 15.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen die Ablehnung des Antragsgegners, ihr angezeigtes Bürgerbegehren im Wege einer Vorabentscheidung für (teilweise) zulässig zu erklären.

Die Deutsche Bahn AG teilte der Stadt A-Stadt im Jahr 2021 den beabsichtigten Ersatz des Stellwerks im Bahnhof A-Stadt-I. und die in diesem Zusammenhang geplante Erneuerung des Bahnübergangs Grünewaldstraße mit. Der Ausschuss des Rates der Stadt A-Stadt für Mobilität, Tiefbau und Auftragsvergabe (im Folgenden: Mobilitätsausschuss) beauftragte daher die Verwaltung mit Beschluss vom 15. März 2022, die Planung eines Querungsbauwerks für den Fuß- und Radverkehr als Ersatz für den bisherigen Bahnübergang voranzutreiben und verschiedene Varianten zu entwickeln sowie zu bewerten. Nach einer Bürgerbeteiligung im Mai 2022 legte der Ausschuss mit weiterem Beschluss vom 21. Juni 2022 fünf zu untersuchende Varianten für eine Über- oder Unterführung fest und beauftragte die parallele Prüfung, ob die sogenannte Variante 0 in Form einer Wiederherstellung des Bahnübergangs so optimiert werden könne, dass die Schrankenschließzeiten auf ein akzeptables Maß reduziert werden könnten. Nach Anhörung der Bürgerinnen und Bürger sowie der betroffenen Stadtbezirksräte beschloss der Ausschuss am 28. September 2023, die Verwaltung der Stadt A-Stadt zu beauftragen, die Planung der Variante 1 - den Ersatz des Bahnübergangs Grünewaldstraße durch eine geradlinige Geh- und Radwegunterführung - als Vorzugsvariante der Stadt A-Stadt gemeinsam mit der Deutschen Bahn AG und dem Regionalverband Großraum A-Stadt weiter voranzutreiben. Die dem Ausschuss von der Verwaltung als Variante 0+ vorgelegte Alternative einer Wiederherstellung des Bahnübergangs mit zusätzlichen Signalen zur Optimierung der Schrankenschließzeiten wurde dabei verworfen.

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2023 zeigten die Antragsteller bei der Stadt A-Stadt ein Bürgerbegehren an und beantragten eine Vorabentscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 und Abs. 3 Sätze 1 bis 3 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG), mit folgender am 26. Oktober 2023 gefasster Fragestellung:

"Sind Sie dafür (ja/nein), dass der Beschluss des Mobilitätsausschusses vom 28.09.2023 (Ersatz des Bahnüberganges Grünewaldstraße durch eine Unterführung) aufgehoben und stattdessen die Verwaltung beauftragt wird, die Planung der Variante 0+ mit Wiederherstellung eines Bahnüberganges mit zusätzlichen Signalen zur Optimierung der Schrankenschließzeiten als Vorzugsvariante der Stadt A-Stadt gemeinsam mit der Deutschen Bahn AG und dem Regionalverband Großraum A-Stadt voranzutreiben"?

Der Antragsgegner stellte in seiner Sitzung vom 12. Dezember 2023 fest, dass das Bürgerbegehren nach § 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 NKomVG unzulässig sei, weil es eine Angelegenheit betreffe, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens zu entscheiden sei. Den Antragstellern teilte er dies mit Schreiben vom gleichen Tag mit.

Hiergegen haben die Antragsteller am 2. Januar 2024 Klage erhoben und das Verwaltungsgericht zugleich um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersucht, mit dem Antrag,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, unter vorläufiger Aufhebung des Beschlusses vom 12. Dezember 2023 das Bürgerbegehren mit den [folgenden] Anträgen vorläufig für zulässig zu erklären:

  1. a.

    Der Beschluss des Mobilitätsausschusses (AMTA) der Stadt A-Stadt vom 28.9.2023 (Ersatz des Bahnüberganges Grünewaldstraße durch eine Unterführung) wird aufgehoben.

  2. b.

    Die Verwaltung wird stattdessen beauftragt, die Planung der Variante 0+ mit Wiederherstellung eines Bahnüberganges mit zusätzlichen Signalen zur Optimierung der Schrankenschließzeiten als Vorzugsvariante der Stadt A-Stadt gemeinsam mit der Deutschen Bahn AG und dem Regionalverband Großraum A-Stadt voranzutreiben.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch Beschluss vom 12. März 2024 abgelehnt. Der Antrag sei unbegründet. Das Bestehen eines die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Anordnungsanspruch sei nicht zu erkennen. Denn der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens stehe der Ausschlusstatbestand des § 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 NKomVG entgegen.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 12. März 2024 hat Erfolg.

Aus den von den Antragstellern zur Begründung ihrer Beschwerde dargelegten Gründen, auf deren Prüfung der Senat sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht einen Anordnungsanspruch verneint hat. Da die Antragsteller vielmehr sowohl einen Anordnungsanspruch (dazu unter 1.) als auch einen Anordnungsgrund (dazu unter 2.) glaubhaft gemacht haben (§ 123 Abs. 1, Abs. 3 VwGO i.V.m. § 940 ZPO), war die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern. Dabei ist der Antrag der Antragsteller auf vorläufigen Rechtsschutz aufgrund des derzeitigen Stands des Bürgerbegehrens und unter Berücksichtigung ihrer Begründung sowie der Beschwerdeausführungen dahingehend zu verstehen (§§ 122 Abs. 1 i.V.m. 88 VwGO; vgl. zur Auslegung von Anträgen etwa Senatsbeschluss vom 6.10.2020 - 10 LA 275/19 -, juris Rn. 20), dass er sich nicht auf die Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens insgesamt (§ 32 Abs. 7 Satz 1 NKomVG) richtet, sondern auf die Feststellung der teilweisen Zulässigkeit nach § 32 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 Satz 3 NKomVG hinsichtlich der Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 und Abs. 3 Sätze 1 bis 3 NKomVG.

Die Obergerichte stellen an das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs bzw. eines Anordnungsgrunds für eine vorläufige Zulassung eines Bürgerbegehrens wegen der damit regelmäßig verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache hohe Anforderungen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg kommt eine vorläufige Feststellung der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens nur dann in Betracht, wenn die Zulässigkeit bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit solcher Wahrscheinlichkeit bejaht werden kann, dass eine gegenteilige Entscheidung im Hauptsacheverfahren praktisch ausgeschlossen werden kann und der mit dem Hauptsacheverfahren verbundene Zeitablauf voraussichtlich eine Erledigung des Bürgerbegehrens zur Folge hätte. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch müssen in einem das übliche Maß der Glaubhaftmachung übersteigenden deutlichen Grad von Offenkundigkeit auf der Hand liegen (VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 26.2.2024 - 1 S 1925/23 -, juris Rn. 96, und vom 19.12.2016 - 1 S 1883/16 -, juris Rn. 25 m.w.N.; ähnlich auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.4.2017 - 15 B 479/17 -, juris Rn. 17; Thüringer OVG, Beschluss vom 19.11.2015 - 3 EO 363/15 -, juris Rn. 22; Bayerischer VGH, Beschluss vom 13.12.2010 - 4 CE 10.2839 -, juris Rn. 26). Sei dagegen gänzlich ungewiss, ob das Bürgerbegehren zulässig sei, insbesondere ob die notwendige Anzahl von Unterschriften erreicht werde, fehle es danach bereits an einer Tatsachengrundlage, die eine - wenn auch nur vorläufige - gerichtliche Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens tragen könne (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6.12.2012 - 1 S 2408/12 -, juris Rn. 9). Der Senat lässt weiter (vgl. Senatsbeschluss vom 2.3.2021 - 10 ME 14/21 -, juris Rn. 23) offen, ob er diesen besonders strengen Maßstab auf die Rechtslage nach dem Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz anwendet (vgl. zum Maßstab auch Senatsbeschluss vom 24.3.2000 - 10 M 986/00 -, juris Rn. 5 f.). Denn auch die damit verbundenen Anforderungen sind für die hier vorliegende Konstellation erfüllt, in der es nicht um die vorläufige Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nach § 32 Abs. 7 Satz 1 NKomVG, sondern lediglich um die Entscheidung über die teilweise Zulässigkeit nach § 32 Abs. 4 Satz 3, Abs. 3 Satz 5 NKomVG geht.

1. Die Antragsteller haben einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 und Abs. 3 Sätze 1 bis 3 NKomVG nach § 32 Abs. 4 Satz 3, Abs. 3 Satz 5 NKomVG.

Der vorläufigen Feststellung der teilweisen Zulässigkeit des Bürgerbegehrens steht, anders als der Antragsgegner meint, im vorliegenden Fall nicht bereits entgegen, dass derzeit noch ungewiss ist, ob die für eine Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nach § 32 Abs. 5 NKomVG erforderliche Unterschriftenanzahl erreicht wird. Denn die von den Antragstellern beantragte einstweilige Anordnung ist lediglich auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 und Abs. 3 Sätze 1 bis 3 NKomVG gerichtet, so dass die Frage des Erreichens des Quorums (sowie des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 7 und Abs. 6 NKomVG) erst bei einer Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nach § 32 Abs. 7 Satz 1 NKomVG zu prüfen sein wird (§ 32 Abs. 7 Satz 2 NKomVG). Die vorliegend begehrte einstweilige Anordnung führt daher nicht zur Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nach § 32 Abs. 7 Satz 1 NKomVG mit der Folge der Sperrwirkung nach § 32 Abs. 8 NKomVG. Dementsprechend wirkt sich die Vorwegnahme der Hauptsache bei der Vorabprüfung der teilweisen Zulässigkeit des Bürgerbegehrens, entgegen der von dem Antragsgegner angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover vom 28. März 2019 (- 1 B 1368/19 -, juris Rn. 18), hier nicht zugleich auch als Vorwegnahme der endgültigen Zulässigkeitsprüfung aus. Auch ist mit der hier begehrten einstweiligen Anordnung nicht eine Sicherung des Bürgerbegehrens durch eine Untersagung weiterer Maßnahmen verbunden (vgl. dazu etwa VG Hannover, Beschluss vom 28.3.2019 - 1 B 1368/19 -, juris Rn. 21, und auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6.12.2012 - 1 S 2408/12 -, juris Rn. 9, 11, sowie Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Dezember 2023, § 32 Rn. 148 f.).

Das streitgegenständliche Bürgerbegehren bezeichnet ausreichend die begehrte Sachentscheidung und ist so formuliert, dass für das Begehren mit Ja und gegen das Begehren mit Nein gestimmt werden kann (§ 32 Abs. 3 Satz 1 NKomVG). Entgegen der Auffassung des Antragsgegners handelt es sich dabei auch um eine hinreichend konkrete Sachentscheidung. Mit der begehrten Entscheidung würde der Mobilitätsausschuss die Verwaltung beauftragen, statt der Planung der Variante 1 (Unterführung) die Planung der Variante 0+ mit der Wiederherstellung eines ebenerdigen Bahnübergangs als Vorzugsvariante der Stadt A-Stadt gemeinsam mit der Deutschen Bahn AG und dem Regionalverband Großraum A-Stadt voranzutreiben, mit der Folge, dass sich die Deutsche Bahn AG, nach den Angaben des Antragsgegners, als Vorhaben und Planungsträgerin der Empfehlung der Stadt A-Stadt anschließen würde (Bl. 36, 62 d.A., vgl. auch Bl. 72R, 109R d.A.). Im Ergebnis würde damit die Planung eines ebenerdigen Bahnübergangs statt einer Unterführung initiiert werden bzw., wie es die Verwaltung der Stadt A-Stadt formuliert, darüber entschieden, welcher Art der Querung (aus kommunaler Sicht) der Vorzug gegeben werden soll (Bl. 45 d.A.), auch wenn ein erfolgreiches Bürgerbegehren hier nicht ausschließen würde, dass sich der Vorhabenträger trotz des Einwirkens der Stadt A-Stadt im Sinne des Bürgerbegehrens, für die Planung einer anderen Variante entscheidet. Auch nach dem vom Antragsgegner für seine Auffassung angeführten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen kann eine abschließende (Sach-)Entscheidung darin gesehen werden, dass Vertreter der Stadt oder - wie hier - die Stadt auf die Aufgabe oder - wie hier - die Durchführung eines bestimmten Vorhabens hinwirkt (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.2.2009 - 15 A 3224/08 -, juris Rn. 6). Dementsprechend können auch Grundsatzentscheidungen zur Gemeindeentwicklung im Vorfeld eines bauplanungsrechtlichen Verfahrens zum Gegenstand eines Bürgerentscheids gemacht werden (vgl. Senatsbeschluss vom 2.3.2021 - 10 ME 14/21 -, juris Rn. 40).

Das vorliegende Bürgerbegehren betrifft auch einen nach § 32 Abs. 2 NKomVG zulässigen Gegenstand, insbesondere, wie auch vom Antragsgegner angenommen (Bl. 36 d.A.), eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 NKomVG), der auch die Festlegung der Haltung der Kommune zu einem planungsrechtlichen Vorhaben umfassen kann (vgl. Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Dezember 2023, § 32 Rn. 13 m.w.N.), für die sich die Vertretung nach § 58 Abs. 3 Satz 1 NKomVG die Beschlussfassung vorbehalten kann (vgl. dazu Senatsurteil vom 4.12.2019 - 10 LC 154/18 -, juris Rn. 51, 59 f.).

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners unterfällt der Gegenstand des Bürgerbegehrens nicht dem Ausschlusstatbestand des § 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 NKomVG. Nach dieser Regelung ist ein Bürgerbegehren über Angelegenheiten, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens, eines förmlichen Verwaltungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung oder eines abfallrechtlichen, immissionsschutzrechtlichen, wasserrechtlichen oder vergleichbaren Zulassungsverfahrens zu entscheiden sind, unzulässig. Der Gesetzgeber, der sich hinsichtlich der ausgeschlossenen Gegenstände an der entsprechenden nordrhein-westfälischen Regelung orientierte, bezweckte mit den Unzulässigkeitstatbeständen des § 32 Abs. 2 Satz 2 NKomVG nach dem Gesetzentwurf, eine zu große Zahl von Bürgerbegehren und -entscheiden zu vermeiden (LT-Drs. 13/1450, S. 104). Mit den Ausschlusstatbeständen des § 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 und Nr. 6 NKomVG sollten Angelegenheiten ausgenommen werden, in denen bereits eine umfassende Bürgerbeteiligung stattgefunden hat (LT-Drs. 13/1450, S. 104). Der diesbezügliche Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Ausschlusstatbestände des § 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 und Nr. 6 zu streichen, um in einem Planfeststellungsverfahren ein Bürgerbegehren insoweit zu ermöglichen, als in diesem ein Ratsbeschluss herbeigeführt werden könne, wobei das förmliche Genehmigungsverfahren vom Zugriff des Bürgerbegehrens unangetastet bleibe, weil der Rat nicht Genehmigungsbehörde sei, wurde von den Fraktionen von SPD und CDU abgelehnt (Schriftlicher Bericht zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts, LT-Drs. 13/2400, S. 6 f.). Die Vertreter der SPD-Fraktion, des Innenministeriums und das Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes waren der Auffassung, dass dies bereits nach dem Text des Regierungsentwurfs möglich sei, insbesondere Grundsatzbeschlüsse, in denen eine politische Handlungslinie vorgegeben würde, die aber außerhalb des Rahmens des Planfeststellungsverfahrens lägen, Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein könnten (LT-Drs. 13/2400, S. 6 f.).

Das streitgegenständliche Bürgerbegehren hat zum Ziel, dass die Verwaltung der Stadt A-Stadt durch den Mobilitätsausschuss nicht mit dem Vorantreiben einer Planung des Ersatzes des Bahnübergangs durch eine Unterführung, sondern mit dem Vorantreiben einer Planung der Wiederherstellung eines ebenerdigen beschrankten Bahnübergangs durch den Vorhabenträger beauftragt wird. Hierbei handelt es sich nicht um eine Angelegenheit, die im Sinne des § 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 NKomVG im Rahmen eines Planfeststellungsverfahren zu entscheiden ist, sondern vielmehr um eine einem möglicherweise durchzuführenden Planfeststellungsverfahren vorgelagerte politische Entscheidung des Mobilitätsausschusses, ohne dass hiervon Entscheidungen betroffen wären, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens (durch die Anhörungsbehörde, § 73 VwVfG, oder die Planfeststellungsbehörde, §§ 74, 69 VwVfG) zu treffen wären (in diesem Sinne auch bereits Senatsbeschluss vom 2.3.2021 - 10 ME 14/21 -, juris Rn. 42 zu § 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 NKomVG betreffend die Standortauswahl für den Neubau eines Klinikums). Das Bürgerbegehren bezieht sich lediglich auf das Hinwirken der Stadt A-Stadt auf die Planung einer bestimmten Variante des künftigen Bahnübergangs durch den Vorhabenträger, ohne dass hierdurch etwa bereits erst noch im gegebenenfalls durchzuführenden Planfeststellungsverfahren zu treffende Entscheidungen über die konkrete mögliche Umsetzung der Variante vorweggenommen würden, etwa die Behandlung von Einwendungen (vgl. Senatsbeschluss vom 2.3.2021 - 10 ME 14/21 -, juris Rn. 44). Eine solche, dem eigentlichen Planfeststellungsverfahren vorgelagerte politische Richtlinienentscheidung, die erst den Bedarf der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens (auf einen Antrag des Vorhabenträgers, § 73 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) auslösen (oder wie hier möglicherweise entfallen lassen) könnte, ist nicht vom Ausschlusstatbestand des § 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 NKomVG erfasst (so auch Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Dezember 2023, § 32 Rn. 38; Thiele, NKomVG, 2. Auflage 2017, § 32 Rn. 9; Ipsen, NKomVG, 2011, § 32 Rn. 17). Die Ausschlusstatbestände des § 32 Abs. 2 Satz 2 NKomVG sind eng auszulegen (Senatsbeschluss vom 2.3.2021 - 10 ME 14/21 -, juris Rn. 40; vgl. auch Wefelmeier in KVR Nds., a.a.O. Rn. 19). Dementsprechend ist § 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 NKomVG auch nicht so zu verstehen, dass, wie das Verwaltungsgericht meint, alle Sachentscheidungen erfasst sind, die auf ein planungs- oder zulassungsbedürftiges Vorhaben gerichtet sind (a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 7.10.2020 - 15 A 2927/18 -, juris Rn. 116, und vom 16.6.2020 - 15 A 4343/19 -, juris Rn. 8 m.w.N. zu § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 GO NRW) bzw. die inhaltlich ein planfeststellungsbedürftiges Vorhaben berühren. Auch wenn sich die Vorschrift auf "Angelegenheiten, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens [...] zu entscheiden sind" bezieht und nicht formuliert "die in Planfeststellungsverfahren zu entscheiden sind" mag dies den Tatbestand erweitern, etwa auf von einer im Planfeststellungsverfahren zu beteiligenden Kommune abzugebende Stellungnahmen (vgl. dazu Wefelmeier in KVR Nds., a.a.O. Rn. 34; Thiele, NKomVG, a.a.O. Rn. 9), jedoch nicht auf politische Entscheidungen einer Kommune im Vorfeld eines möglichen Planfeststellungsverfahrens, die eben gerade nicht "im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens" getroffen werden (in diesem Sinne auch Wefelmeier in KVR Nds., a.a.O. Rn. 38). Dass hinsichtlich der Optimierung der Schrankenschließzeiten bereits vertiefte Untersuchungen stattgefunden haben und bei der Auswahl zwischen den Varianten durch den Mobilitätsausschuss bereits eine Abwägung der verschiedenen Belange erfolgt ist, spricht, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, nicht gegen eine politische Grundsatzentscheidung außerhalb des Rahmens eines Planfeststellungsverfahrens und führt nach § 32 Abs. 2 Satz 2 NKomVG mangels Einschlägigkeit eines dort genannten Ausschlusstatbestandes auch nicht zur Unzulässigkeit des Vorhabens. Nach alledem kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob durch das Bürgerbegehren die Notwendigkeit eines Planfeststellungsverfahrens entfallen bzw. nach der Formulierung des Verwaltungsgerichts verhindert würde. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts betrifft dies gerade nicht den Entscheidungsinhalt eines etwaigen Planfeststellungsverfahrens. Insoweit unterscheidet sich die hier vorliegende Fallkonstellation auch von der, über die das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in der vom Verwaltungsgericht für seine Auffassung zugrunde gelegten Entscheidung zu befinden hatte. Denn dort betraf das für unzulässig erachtete Bürgerbegehren die konkrete bauliche Ausführung einer Straßenbahnhaltestelle, über die jedoch im Rahmen des dafür erforderlichen Planfeststellungsverfahren zu entscheiden war, und damit "den Entscheidungsinhalt eines (potentiellen) Planfeststellungsverfahrens" (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.6.2020 - 15 A 4343/19 -, juris Rn. 16). Durch das vorliegende Bürgerbegehren wird auch nicht, wie der Antragsgegner meint, die konkrete Ausführungsvariante für eine einzelne Eisenbahnkreuzung im Stadtgebiet festgelegt. Hierfür würde auch keine Zuständigkeit der Vertretung im Sinne des § 32 Abs. 2 Satz 1 NKomVG bestehen, sondern vielmehr der Planfeststellungsbehörde auf Antrag des Vorhabenträgers. Daher könnte ein Bürgerbegehren hierauf auch nicht in zulässiger Weise gerichtet werden. Die an den Mobilitätsausschuss, der weder Anhörungsbehörde noch Planfeststellungsbehörde im Sinne der §§ 73, 74 VwVfG sein würde, gerichtete Forderung des Bürgerbegehrens steht auch nicht einem durch ein konkretes (bereits eingeleitetes) Planfeststellungsverfahren verfolgten Planungsziel unvereinbar gegenüber, soweit dies im Hinblick auf § 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 NKomVG überhaupt zur Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens führen könnte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21.5.2021 - 10 LA 3/11 -, juris Rn. 24, und vom 17.12.2004 - 10 LA 84/04 -, juris Rn. 9 sowie Senatsbeschluss vom 2.3.2021 - 10 ME 14/21 -, juris Rn. 43 f. zu § 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 NKomVG).

Ein derartiges Verständnis entspricht auch dem oben dargestellten gesetzgeberischen Willen, der dem Ausschlusstatbestand zugrunde lag. Zudem widerspricht die Zulässigkeit eines solchen Bürgerbegehrens auch nicht dem Sinn und Zweck des § 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 NKomVG. Grund für den gesetzlichen Ausschlusstatbestand ist wie bei § 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 NKomVG (vgl. Senatsbeschluss vom 2.3.2021 - 10 ME 14/21 -, juris Rn. 40) einerseits, dass u.a. in den dort genannten Verfahren eine Bürgerbeteiligung in formalisierter Form vorgesehen ist, die nach Auffassung des Gesetzgebers einer Erweiterung durch andere Partizipationsformen nicht zugänglich sein soll (vgl. LT-Dr. 13/2400, S. 6, LT-Drs. 13/1450, S. 104). Andererseits verfolgt der Ausschlusstatbestand das Ziel, zu verhindern, dass es infolge des Nebeneinanders der dort genannten Verfahren und des Bürgerbegehrens/Bürgerentscheids und der damit verbundenen Gefahr einander widersprechender Ergebnisse zu einer nicht vertretbaren Verzögerung des geplanten Vorhabens kommt (Senatsbeschluss vom 2.3.2021 - 10 ME 14/21 -, juris Rn. 40 m.w.N.). Insbesondere soll Entscheidungen, die nach umfänglicher Öffentlichkeitsbeteiligung zu treffen sind, keine durch Einschaltung der Bürgerinnen und Bürger getroffene Entscheidung entgegengestellt werden können (Thiele, NKomVG, 2. Auflage 2017, § 32 Rn. 9). In der vorliegenden Konstellation ist hinsichtlich der Entscheidung darüber, welche künftige Variante des Bahnübergangs als Vorzugsvariante der Stadt A-Stadt gemeinsam mit der Deutschen Bahn AG und dem Regionalverband Großraum A-Stadt vorangetrieben werden soll, ein förmliches Beteiligungsverfahren, wie etwa im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens nach § 73 VwVfG, nicht gesetzlich vorgesehen, wenngleich die Bürgerinnen und Bürger vor der Festlegung der verschiedenen möglichen Varianten durch den Mobilitätsausschuss beteiligt worden waren und ihnen vor einer Entscheidung über die Vorzugsvariante Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden war. Die Auswahl der Vorzugsvariante ist auch, wie oben bereits ausgeführt, kein Teil eines Planfeststellungsverfahrens, so dass es insoweit nicht, wie etwa bei der Frage der konkreten Ausgestaltung der ausgewählten Variante, zu sich widersprechenden Ergebnissen kommen kann. Dass die Entscheidung über die Vorzugsvariante, wie das Verwaltungsgericht anführt, Auswirkungen auf die Allgemeinheit und erhebliche Bedeutung für den Vorhabenträger haben kann sowie einer Abwägung verschiedener Gesichtspunkte bedarf, sind nach der Regelung der Ausschlusstatbestände in § 32 Abs. 2 Satz 2 NKomVG keine Umstände, die zur Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens führen (vgl. dazu auch Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Dezember 2023, § 32 Rn. 33).

Zudem ist nicht ersichtlich, dass das Ziel des Bürgerbegehrens auf ein rechtlich oder tatsächlich nicht (mehr) erreichbares bzw. unmögliches Ziel gerichtet wäre, was dessen Unzulässigkeit zur Folge hätte (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 2.3.2021 - 10 ME 14/21 -, juris Rn. 46). Insbesondere handelt es sich bei der von den Antragstellern des Bürgerbegehrens bevorzugten Variante des Bahnübergangs um eine Option, die auch von der Verwaltung und vom Mobilitätsausschuss in Betracht gezogen, wenngleich nicht für vorzugswürdig erachtet wurde (vgl. etwa Bl. 63R, 65, 130R d.A.).

2. Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Die Voraussetzung für den Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung nach dem oben dargestellten Maßstab, dass eine gegenteilige Entscheidung im Hauptsacheverfahren praktisch ausgeschlossen werden kann, ist nach dem oben Gesagten erfüllt, wobei dahingestellt bleiben kann, ob diese Voraussetzung im Rahmen des Anordnungsgrunds (nochmals) zu prüfen ist.

Auch hätte der mit dem Hauptsacheverfahren verbundene Zeitablauf voraussichtlich eine Erledigung des Bürgerbegehrens zur Folge. Die Planungen der Deutschen Bahn AG zu der Maßnahme "Bahnübergang Grünewald" laufen weiter (Bl. 45 d.A.). Ende 2024 soll das elektronische Stellwerk am Bahnhof I. in Betrieb genommen und der Bahnübergang bis zu dessen Erneuerung geschlossen werden. Im Anschluss soll mit der Planung der streitgegenständlichen Eisenbahnkreuzung begonnen werden (Bl. 57 d.A.). Für die Planung bis zur Realisierung einer Unterführung inklusive der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens setzte die Deutsche Bahn AG nach der Beschlussvorlage 21-17455 vom 17. Januar 2022 einen Zeitraum von mindestens 5 Jahren an, so dass mit einer Fertigstellung der Unterführung frühestens 2027 zu rechnen sei (Bl. 64R d.A.). Zuletzt wurde eine Realisierung in 2028 in Aussicht gestellt (Bl. 69R d.A.). Bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache wird daher die Planung der bislang für vorzugswürdig erklärten Variante einer Unterführung deutlich vorangetrieben worden sein. Je weiter aber (aufwändige) Vorbereitungsmaßnahmen fortgeschritten sind, desto weniger werden sich die abstimmungsberechtigten Bürgerinnen und Bürger dem Argument verschließen können, dass bei einer Entscheidung im Sinne des Bürgerbegehrens bereits getätigte Aufwendungen nutzlos würden. Der mit dem Hauptsacheverfahren verbundene Zeitablauf hätte daher voraussichtlich eine faktische Erledigung des Bürgerbegehrens in dem Sinne zur Folge, dass dessen Durchführung wegen offensichtlich fehlender Erfolgsaussichten sinnlos wäre (vgl. auch bereits Senatsbeschluss vom 2.3.2021 - 10 ME 14/21 -, juris Rn. 56).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 und Nr. 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11). Wegen der voraussichtlichen Vorwegnahme der Hauptsache durch diesen Beschluss sieht der Senat keinen Anlass, im Rahmen des ihm eröffneten Ermessens einen niedrigeren Gebührenstreitwert als für die Hauptsache festzusetzen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).