Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.04.2024, Az.: 1 LB 41/23

Erteilung eines Bauvorbescheids hinsichtlich der planungsrechtlichen Zulässigkeit der Umnutzung einer Speisegaststätte in eine Spielhalle mit 8 Spielgeräten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.04.2024
Aktenzeichen
1 LB 41/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 13918
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0417.1LB41.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 07.10.2021 - AZ: 2 A 443/19

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Eine Grundstücksgrenze kann auch ohne weitere trennende Elemente ausnahmsweise die Grenze zwischen zwei faktischen Baugebieten i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB bilden. Das setzt aber voraus, dass dort - auch äußerlich erkennbar - zwei in sich homogene, aber voneinander in der Nutzungsstruktur klar abgegrenzte Bebauungszusammenhänge aufeinandertreffen.

  2. 2.

    Eine Spielhalle mit einer Nutzfläche von 101 qm ist kerngebietstypisch i.S.v. § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, wenn die in der gebotenen Gesamtschau zu betrachtenden weiteren Merkmale - hier Verbundstandort mit Gaststättenbetrieb, Ausstattung mit acht Geldspielgeräten, großzügige Öffnungszeiten, verkehrsgünstige Lage an überörtlicher Hauptverkehrsstraße - nicht ausnahmsweise ein anderes Bild ergeben.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer - vom 7. Oktober 2021 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in der Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheids hinsichtlich der planungsrechtlichen Zulässigkeit der Umnutzung (von Teilen) einer Speisegaststätte in eine Spielhalle mit 8 Spielgeräten.

Bei dem Vorhabengrundstück G. H. 2 (Flurstück 41, Flur 5, Gemarkung A-Stadt) handelt es sich um das 1.219 qm große, nordöstliche Eckgrundstück eines Straßengevierts, begrenzt durch die I. straße im Nordwesten, die G. H. im Nordosten, die J. straße im Südosten und die K. -Straße im Südwesten. Ein Bebauungsplan besteht nicht. Das Vorhabengrundstück ist nahezu vollständig bebaut. Neben einem zweigeschossigen Gebäude mit ausgebautem Dachgeschoss und zusätzlichen Lagerflächen im Erdgeschoss bestehen zwei von der I. straße her erschlossene Garagen. In dem auch zum Wohnen genutzten Gebäude wurde im Erdgeschoss bis Ende 2017 eine Gaststätte mit Speisesaal und Kegelbahn betrieben. Die von dem Kläger für einen Teil dieser im Erdgeschoss befindlichen Räumlichkeiten (3 Räume mit einer Grundfläche von insgesamt 101 qm, von der der Kläger 4,24 qm als Fläche des neu zu errichtenden Spielaufsichtstresens in Abzug brachte) beantragte Feststellung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit einer Umnutzung in eine Spielhalle für 8 Geldspielgeräte mit einem eigenen zur G. H. ausgerichteten Haupteingang lehnte die Beklagte unter Verweis auf die Lage im faktischen allgemeinen Wohngebiet mit Bescheid vom 17. Dezember 2018 und Widerspruchsbescheid vom 4. März 2019 ab.

Auf die vom Kläger erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte mit Urteil vom 7. Oktober 2021 verpflichtet, den Bauvorbescheid antragsgemäß zu erteilen. Nach dem bei der Ortsbesichtigung gewonnenen Eindruck stelle sich die nähere Umgebung als faktisches Mischgebiet dar. Bei dem Vorhabengrundstück handele es sich - je nach Perspektive - um den Anfang bzw. das Ende der weit überwiegend gewerblichen Nutzung entlang der L. straße, die von der Nordostspitze des Friedhofs nicht unterbrochen werde. Gegenüber der sich südlich und südöstlich anschließenden reinen Wohnbebauung hebe es sich deutlich ab. Das Vorhaben sei nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO zulässig, weil es in einem Bereich verwirklicht werden solle, der überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sei. Dieser Bewertung stehe auch nicht entgegen, dass die geplante Spielhalle hinsichtlich ihrer Grundfläche die von der Rechtsprechung entwickelte 100qm-Grenze leicht überschreite; dies könne im nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren noch korrigiert werden.

Mit ihrer vom Senat mit Beschluss vom 3. März 2023 zugelassenen Berufung bekräftigt die Beklagte ihren bereits im Verwaltungsverfahren eingenommenen Rechtsstandpunkt. Das Vorhaben liege in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet, weil es Bestandteil der das Straßengeviert prägenden Wohnbebauung sei. Die L. straße zähle nicht zur näheren Umgebung. Vielmehr hätten der Friedhof mit seiner Mauer und der "Vorplatz" im Einmündungsbereich der I. straße in die G. H. trennende Wirkung, sodass das Vorhaben nicht als Abschluss bzw. Auftakt des vermeintlich gewerblich dominierten Bereichs der L. straße angesehen werden könne. Im Übrigen könne auch die L. straße in ihrem östlichen Bereich nicht als Mischgebiet eingeordnet werden, denn auch dort dominiere eher die Wohnnutzung; jedenfalls sei der Bereich nicht überwiegend gewerblich geprägt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer - vom 7. Oktober 2021, Az. , aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Selbst wenn man die nähere Umgebung nicht als überwiegend gewerblich geprägtes Mischgebiet ansehen wolle, komme eine Zulassung gemäß § 6 Abs. 3 BauNVO in Betracht. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen eine Zulassung nach dieser Vorschrift versagt werden könne. Es handele sich trotz der 100 qm geringfügig übersteigenden Nutzfläche auch nicht um eine kerngebietstypische Spielhalle; davon sei die Beklagte selbst ausgegangen. Insofern komme es nicht entscheidend auf die Fläche, sondern auf die Zahl der Spielgeräte an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger einen Bauvorbescheid über die planungsrechtliche Zulässigkeit der Umnutzung von Teilen des Gaststättengebäudes in eine Spielhalle zu erteilen. Das Vorhabengrundstück liegt in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet, sodass die Errichtung einer Spielhalle gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO unzulässig ist (dazu unter I.). Die geplante Spielhalle weist zudem einen Umfang auf, der ihre Errichtung gemäß § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO nur in einem Kerngebiet allgemein gestattet (dazu unter II.).

I.

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO. Das Baugrundstück liegt - wie die Beklagte im Verwaltungsverfahren zutreffend ausgeführt hat - in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist maßstabsbildend die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Die für die Abgrenzung der "näheren Umgebung" maßgebliche wechselseitige Prägung ergibt sich dabei allein aus den in § 34 Abs. 1 BauGB genannten städtebaulichen Merkmalen. Diese Merkmale prägen - vom Vorhaben aus gesehen - im Sinne einer Vorbildwirkung nur einen begrenzten Bereich. Umgekehrt wird das Grundstück, auf dem das Vorhaben verwirklicht werden soll, in diesen Merkmalen nur von anderen Nutzungen in einem begrenzten räumlichen Umfeld geprägt. Dabei lassen sich die Grenzen der näheren Umgebung nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2019 - 4 B 27.19 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 225 = juris Rn. 8 m.w.N.).

Als nähere, das Baugrundstück städtebaulich prägende Umgebung ist nach dem Eindruck, den der Senat aufgrund des Vortrags der Beteiligten sowie der Inaugenscheinnahme der bei google maps verfügbaren Luftaufnahmen sowie der Straßenaufnahmen bei google street view gewonnen hat, zumindest das von der I. straße, der G. H., der J. straße und der K. -Straße begrenzte Straßengeviert des nördlichen J. anzusehen, das mit Ausnahme der ehemaligen Gastwirtschaft auf dem Vorhabengrundstück und einer Büronutzung ausschließlich von Wohnbebauung geprägt wird. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das Vorhabengrundstück setze sich von der Wohnbebauung des J. so deutlich ab, dass diese keine prägende Wirkung mehr entfalte, ist dagegen fernliegend. Das Vorhabengrundstück grenzt ohne jede Trennung an die Wohnbebauung des J. an. Zwar kann eine bloße Grundstücksgrenze ausnahmsweise die Grenze zwischen zwei faktischen Baugebieten bilden. Das setzt aber voraus, dass dort - auch äußerlich erkennbar - zwei in sich homogene, aber voneinander in der Nutzungsstruktur klar abgegrenzte Bebauungszusammenhänge aufeinandertreffen. Davon kann hier keine Rede sein. Das Vorhaben ist von der Bebauung, der es das Verwaltungsgericht zuordnet, räumlich abgesetzt; im Übrigen umfasst diese selbst Wohngebäude, was eine klare Trennung der Gebiete erschweren würde. Baustruktur des Hauptgebäudes und Ausrichtung zur G. H. entsprechen der Nachbarbebauung. Für die Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht vor diesem Hintergrund nichts.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung argumentiert hat, dass die auf dem Vorhabengrundstück bis 2017 betriebene Gastwirtschaft mit umfangreicher Kegelbahn den Rahmen sprenge, den § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO für die Zulässigkeit von Schank- und Speisewirtschaften setze, und dies Auswirkungen auf den Gebietscharakter habe, folgt der Senat dem nicht. Dabei unterstellt er zugunsten des Klägers, dass die Gastwirtschaft, die aufgrund der weiterhin vorhandenen Beschilderung nach wie vor als solche erkennbar ist, trotz der nun schon mehr als 6 Jahre zurückliegenden Betriebsaufgabe weiterhin gebietsprägende Wirkung entfaltet. Maßgeblich für die nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO erforderliche Qualifizierung als gebietsbezogene Anlage sind indes objektive Kriterien, wie insbesondere die Größe und sonstige Beschaffenheit der Anlage, die daraus sich ergebenden Erfordernisse einer wirtschaftlich tragfähigen Ausnutzung, die örtlichen Gegebenheiten und die - möglicherweise regional unterschiedlichen - typischen Verhaltensweisen in der Bevölkerung. In Bezug zu setzen sind danach - vereinfacht ausgedrückt - die Kapazität der Gaststätte und die im Gebiet zu generierende Nachfrage (vgl. Senatsbeschl. v. 18.6.2021 - 1 LA 85/21 -, BauR 2021, 1429 = juris Rn. 6 m.w.N.). Danach überschreitet der Vorgängerbetrieb die Grenzen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO nicht.

Die dem Senat vorliegenden Bauvorlagen zeigen, dass die Gastwirtschaft aus einem knapp 60 qm großen Gastraum mit Tresen, einem etwa 85 qm großen Saal und einer Küche mit einer Fläche von knapp 35 qm bestand. Diese Dimensionen gehen nicht über das hinaus, was der Nachfrage aus dem mit überwiegend Geschosswohnungsbau dicht bebauten und insgesamt in fußläufiger Entfernung liegenden Stadtteil J. mit mehr als 1.000 Wohneinheiten entspricht. Weder der Gastraum, der Platz für etwa 30 Gäste bietet, noch der Saal weisen Dimensionen auf, die auf eine übergebietliche Orientierung hinweisen; gleiches gilt für die knapp bemessene Küche. Dabei berücksichtigt der Senat ergänzend, dass es sich bei dem Stadtteil J. um ein ehemaliges Arbeiterquartier handelt. In derartigen Quartieren war der abendliche Besuch in einer Gastwirtschaft in früheren Zeiten vielfach üblich, sodass Wohngebiete im Vergleich zu heute großzügig dimensionierte Gastwirtschaften aufweisen konnten.

Auch die Bundeskegelbahn - nach dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung mit 7 Bahnen ausgestattet - rechtfertigt keine andere Betrachtung. Eine Kegelbahn war in früherer Zeit eine häufig anzutreffende Ausstattung einer größeren Gastwirtschaft in einem Arbeiterquartier. Auf eine in erheblichem Maße übergebietliche Nutzung deutet in diesem Fall nichts hin. Weder verfügt die Gastwirtschaft über einen Parkplatz, noch weisen die Dimensionierung von Gastraum und Saal darauf hin, dass der Betrieb auf ein größeres übergebietliches Publikum ausgerichtet war. Nach alledem handelt es sich um eine Schank- und Speisewirtschaft i.S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO. Dass sich diese aufgrund einer Änderung der Verhältnisse und deshalb zurückgegangener Nachfrage möglicherweise nicht mehr wirtschaftlich betreiben lässt, ändert daran nichts; es zeigt vielmehr, dass der Betrieb eine übergebietliche Nachfrage nicht in dem zur Kompensation der geringeren gebietsbezogenen Nachfrage erforderlichen Umfang generieren kann.

Offenbleiben kann, ob über das oben bezeichnete Straßengeviert hinaus die weitere Wohnbebauung des J. südwestlich der K. -Straße sowie die Bebauung auf der gegenüberliegenden Seite der G. H. in die Betrachtung einzubeziehen sind. Denn auch in diesen Bereichen finden sich mit weiterer Wohnbebauung in erheblichem Umfang, einer Grundschule, einem Kindergarten und einem kleinen Imbiss ausschließlich Nutzungen, die in einem allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig sind und ein solches ausmachen.

Offenlassen kann der Senat auch, ob die nördliche Bebauung im Einmündungsbereich der L. straße in die G. H. in die Betrachtung einbezogen werden muss. Auch dort überwiegt Wohnbebauung; vereinzelt findet sich nicht störendes, im allgemeinen Wohngebiet zulässiges Gewerbe, sodass auch dieser Bereich als faktisches allgemeines Wohngebiet anzusehen ist. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung seinen Vortrag vertieft hat, dass es sich bei dem auf dem Eckgrundstück L. straße/G. H. befindlichen Restaurant um einen Betrieb handele, der aufgrund seines Geschäftsmodells - Lieferung von Speisen bis ins Umland von A-Stadt - über die Grenzen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO hinausgehe, überzeugt das den Senat nicht. Richtig ist zwar, dass der Betrieb eine derartige Belieferung anbietet. Die weiteren Umstände zeigen indes, dass der Betrieb nicht übergebietlich ausgerichtet ist. Das eingeschossige Betriebsgebäude verfügt über eine Grundfläche von lediglich 100 qm. Davon entfällt - wie die Bilder von google street view belegen - ein wesentlicher Teil auf den mit Tischen und Stühlen versehenen Gastraum, der sich auf etwa zwei Drittel der Länge des Gebäudes erstreckt. Dementsprechend wenig Raum steht für die übrigen Räume - Küche, Lager, Kühlzelle, Personalraum, Toiletten - zur Verfügung; hier läge indes bei einem überwiegend auf das übergebietliche Liefergeschäft bezogenen Betrieb der Schwerpunkt. Zudem stehen auf dem Bürgersteig vor dem Gastraum Tische und Stühle. Parkmöglichkeiten gibt es hingegen nur in eingeschränktem Umfang. Das alles zeigt, dass der Betrieb auf Laufkundschaft aus der näheren Umgebung bezogen und damit gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO zulässig ist.

Nur ergänzend merkt der Senat in diesem Zusammenhang an, dass sich die Rechtslage für den Kläger nicht günstiger darstellen würde, wenn man die ehemalige Gastwirtschaft auf dem Vorhabengrundstück und das Restaurant auf dem Eckgrundstück L. straße/G. H. als nicht mehr wohngebietsverträgliche Schank- und Speisewirtschaften einstufen wollte. Denn auch dann wäre die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks nicht annähernd gleichwertig durch Wohnen und Gewerbe geprägt, wie dies dem Charakter eines Mischgebiets gemäß § 6 Abs. 1 BauNVO entspricht. Die nähere Umgebung wäre vielmehr als von Wohnbebauung dominierte Gemengelage anzusehen, in der sich bislang keine Vergnügungsstätte als Vorbild für das klägerische Vorhaben findet. Dieses wäre mithin auch dann gemäß § 34 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig.

Nicht zur näheren Umgebung zählt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und des Klägers die (auch) gewerbliche Nutzung entlang des weiteren westlichen Verlaufs der L. straße, die auf der Südseite mit dem Grabmal-/Steinmetzbetrieb am Westende des Friedhofs beginnt. Vom Vorhabengrundstück ist diese Bebauung mehr als 90 m entfernt. Dazwischen liegen der mit einer mannshohen Mauer umgebene Friedhof sowie der Einmündungsbereich der I. straße in die G. H., die - wie sowohl die Luftbilder als auch die Straßenansichten deutlich zeigen - eine städtebauliche Zäsur bewirken und den zu Marktplatz und Kirche orientierten Kern des Stadtteils M. von der Wohnbebauung im Stadtteil J. abgrenzen. Das städtebauliche Gewicht der gewerblichen Nutzungen ist nach ihrer Ausdehnung und ihrer Störintensität bei weitem zu gering, um Friedhof und Einmündungsbereich zu überbrücken.

II.

Selbst wenn man die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks als faktisches Mischgebiet ansehen wollte, könnte das Vorhaben nicht zugelassen werden. Im Mischgebiet sind gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 8 oder Abs. 3 BauNVO ausschließlich Vergnügungsstätten zulässig, die nicht i.S.v. § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO nach Zweckbestimmung oder Umfang als kerngebietstypisch einzustufen sind. Typisch für ein Kerngebiet ist eine Vergnügungsstätte und damit eine Spielhalle dann, wenn sie als zentraler Dienstleistungsbetrieb einen größeren Einzugsbereich besitzt und für ein größeres und allgemeines Publikum erreichbar ist oder jedenfalls erreichbar sein soll. Für diese Beurteilung wird in erster Linie die Größe des Betriebes maßgeblich sein. Dies wird bei einer Spielhalle vor allem durch die Fläche (Raumgröße), die Zahl und die Art der Spielgeräte und die Besucherplätze bestimmt werden. Darüber hinaus lässt sich die Frage, ob eine mit dem Charakter eines allgemeinen Wohngebietes unverträgliche, nur im Kerngebiet zulässige Vergnügungsstätte vorliegt, allerdings nicht generell, sondern nur nach den Verhältnissen des Einzelfalles beantworten (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.5.1990 - 4 C 49.89 -, BauR 1990, 582 = BRS 50 Nr. 166 = juris Rn. 25). Liegt die Nutzfläche der Spielhalle oberhalb eines Schwellenwertes von 100 qm, ist dies ein wesentlicher Anhaltspunkt für eine kerngebietstypische Nutzung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.10.1992 - 4 B 103.92 -, NVwZ-RR 1993, 287 = BRS 54 Nr. 49 = juris Rn. 4).

Gemessen daran ist die vom Kläger geplante Spielhalle schon als kerngebietstypisch einzustufen. Ihre Nutzfläche überschreitet - wenn auch knapp - den Schwellenwert von 100 qm. In die Flächenberechnung ist neben der Fläche, die dem Aufstellen der Spielgeräte dient, auch der Tresenbereich einzubeziehen. Dieser ist vom Spielraum nicht weiter abgegrenzt und aufgrund der ausweislich der Bauvorlagen vorgesehenen Ausstattung mit Sitzgelegenheiten für die Kunden nutzbar. Insgesamt ergibt sich eine Nutzfläche von 101 qm.

Die weiteren betrieblichen Merkmale sprechen in der Gesamtschau ebenfalls gegen die Annahme, die Spielhalle diene nur der Entspannung und Freizeitbetätigung in einem begrenzten Stadtteil, und für eine Kerngebietstypik. Ins Gewicht fällt dabei erstens, dass der Kläger einen Verbundstandort, bestehend aus einer Gastwirtschaft und einer Spielhalle, plant. Das steigert die Attraktivität. Die Öffnungszeiten sind großzügig; an sieben Tagen pro Woche soll von 8-24 Uhr ohne Unterbrechung geöffnet sein. Mit acht Geldspielgeräten wird die flächenbezogene Höchstgrenze des § 3 Abs. 2 SpielV vollständig und die absolute Höchstgrenze zu immerhin zwei Dritteln ausgeschöpft; die Spielhalle bewegt sich also im oberen Bereich des Möglichen. Hinzu kommt die verkehrsgünstige Lage an der G. H. (B 73) als einer von nur zwei zentralen Einfallstraßen in die A-Stadt Innenstadtbereich. Diese Lage macht die Spielhalle für einen überörtlichen Kundenkreis sicht- und erreichbar, wenngleich dieser Gesichtspunkt durch die recht geringe Zahl von nur sechs Stellplätzen in gewissem Umfang relativiert wird.

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Kerngebietstypik der Spielhalle stehe der Erteilung des Bauvorbescheids nicht entgegen, weil im folgenden Baugenehmigungsverfahren eine Korrektur erfolgen könne, ist dagegen rechtsfehlerhaft. Das Verwaltungsgericht hat verkannt, dass es zur Erteilung eines Bauvorbescheids für eine Spielhalle mit den zur Genehmigung gestellten Merkmalen, mithin einer kerngebietstypischen Spielhalle, verpflichtet hat. Auf die damit einhergehende Feststellungswirkung hinsichtlich der planungsrechtlichen Zulässigkeit könnte sich der Kläger in einem nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren berufen. Der Tenor des verwaltungsgerichtlichen Urteils ist mithin auf die Verpflichtung zum Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet, auf den der Kläger nach den eigenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts keinen Anspruch hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 60.000 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Prof. Dr. Lenz
Dr. Tepperwien
Glowienka