Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.04.2024, Az.: 5 LC 48/21

Streit um die Gewährung eines finanziellen Ausgleichs für Besatzungsmitglieder eines Zollbootes während Seestreifen; Abgrenzung der unionsrechtlichen Begriffe "Arbeitszeit" und "Ruhezeit"; Unionsrechtlicher Haftungsanspruch

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.04.2024
Aktenzeichen
5 LC 48/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 14921
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0416.5LC48.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 27.01.2021 - AZ: 3 A 1882/15

Amtlicher Leitsatz

Zur Abgrenzung der unionsrechtlichen Begriffe "Arbeitszeit" und "Ruhezeit", wenn sich Besatzungsmitglieder an vollen Seetagen einer Seestreife auf Zollbooten (SWATH-Schiff) in der Phase "Frei an Bord" (Arbeitszeitmodell bis 2015) bzw. der "Ruhezeit" (Arbeitszeitmodell seit 2016) befinden

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 3. Kammer - vom 27. Januar 2021 - Az. - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung von Freizeitausgleich für bislang nicht anerkannte Zeiten der Phase "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" während seiner Seestreifen auf einem Einsatzschiff der I. in den Jahren 2011 bis 2017.

Der Kläger steht im Statusamt eines Regierungsamtsinspektors (Besoldungsgruppe A 9) im Dienste der Beklagten und ist als 3. Nautischer Offizier auf dem Einsatzschiff "J." - einem K. -Schiff - der I. tätig. Sein Einsatz auf einer Seestreife erstrecke sich in der Regel über acht Tage: am ersten Tag war Besatzungswechsel (Dienstbeginn: dienstags 12.00 Uhr), dann folgten ein Auslauftag, in der Regel vier volle Seetage, ein Einlauftag (üblicherweise montags) und wiederum ein Tag, an dem die Besatzung wechselte (Dienstende: dienstags 12.00 Uhr). Ein Verlassen des Schiffs war für den Kläger während einer Seestreife im Regelfall für insgesamt 168 Stunden nicht möglich. Im Anschluss an die Seestreife hatte er zwei Wochen dienstfrei. Anschließend begann für ihn die nächste Seestreife.

Bis zum ... 2015 versah der Kläger seinen Dienst an Bord des Einsatzschiffs nach einem festgelegten seemännisch organisierten Drei-Wachen-System, wobei sich die einzelnen Wachabschnitte im selben Turnus wiederholten. Er hatte vier Stunden Wache ("Schiffsbetrieb"/"Seewache"/"Volldienst"), dann vier Stunden Bereitschaftszeit ("Freiwache") und danach vier Stunden Ruhezeit ("Frei an Bord").

Seit dem 1. Januar 2016 gilt ein neues Arbeitszeitmodell. Die Besatzungsmitglieder werden weiterhin der 1. Wache, 2. Wache oder 3. Wache zugeordnet. Jede Wache hat während der vollen Seetage nächtlich durchgehend acht Stunden "Ruhezeit", nämlich die 1. Wache von 16.00 Uhr bis 24.00 Uhr, die 2. Wache von 20.00 Uhr bis 4.00 Uhr und die 3. Wache von 0.00 Uhr bis 8.00 Uhr. Im Zeitfenster von 20.00 Uhr bis 4.00 Uhr hat eine Wache "Seewache", während die beiden anderen Wachen "Ruhezeit" haben. Einen Bereitschaftsdienst wie die sogenannte "Freiwache" gibt es während der nächtlichen "Ruhezeit" nicht mehr. Während der Auslauf-, See- und Einlauftage teilt der I-Kapitän für die 1. Wache im Zeitfenster vom 4.00 Uhr bis 12.00 Uhr, für die 2. Wache im Zeitfenster von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr und für die 3. Wache im Zeitfenster von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr nach seinem Ermessen vier Stunden "Boarding/Arbeitsdienst", drei Stunden "Ruhe" und eine Stunde "Notfallbereitschaft" ein. Am ersten Wechseltag haben alle drei Wachen von 12.00 Uhr bis 16.00 Uhr und am zweiten Wechseltag von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr Sonderdienst (Sport, Schießen, HVT).

An den (tideabhängigen) Ab- und Anlegemanövern nehmen alle Besatzungsmitglieder teil. Den Besatzungsmitgliedern wird an den Auslauf-, See- und Einlauftagen Verpflegung zur Verfügung gestellt. Die Essenszeiten an Bord werden eigenverantwortlich durch den I-kapitän festgelegt. An Bord des Einsatzschiffs "J." fand das Abendessen ab 17.30 Uhr statt.

Dem Kläger wurden entsprechend der "Arbeitszeitregelungen für die Besatzungen der K.-Schiffe und ergänzende[n] organisatorische[n] Maßnahmen für den Betrieb der K.-Schiffe" des E. F.-Stadt vom 29. Juni 2010 (O 1525 B - A 202) für jeweils 24 Stunden Streifenfahrt auf See (volle Seetage) pauschal 17 Stunden Dienstzeit von der Beklagten angerechnet. Darüber hinaus wurden ihm jeweils neun Stunden für die beiden Wechseltage, 15 Stunden für den Auslauftag und 17 Stunden für den Einlauftag als Arbeitszeit angerecht. Insgesamt wurden für ihn bei einer regulären achttätigen Seestreife 118 Stunden als Dienst (bei 168 Stunden Anwesenheit an Bord) berücksichtigt.

Der Kläger nahm in den Jahren 2015 bis 2017 an folgenden Seestreifen teil und wurde dabei während der Phase "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" wie folgt dienstlich in Anspruch genommen:

2015

Dauer der SeestreifeDauer der Inanspruchnahme während der Phase "Frei an Bord" in StundenGrund der Inanspruchnahme
13.1.2015 bis 20.1.2015116.1.2015 Auslaufmanöver
219.1.2015 Einlaufmanöver
3.2.2015 bis 10.2.20153 4.2.2015 Auslaufmanöver und Helikopter-Übung
15.2.2015 Seezielschießen
16.2.2015 Seezielschießen
28.2.2015 Einlaufmanöver
24.2.2015 bis 3.3.2015
10.3.2015 bis 24.3.20150,511.3.2015 Auslaufmanöver
223.3.2015 Einlaufmanöver
7.4.2015 bis 14.4.201518.4.2015 Auslaufmanöver
28.4.2015 bis 5.5.201524.5.2015 Einlaufmanöver
9.6.2015 bis 16.6.2015
30.6.2015 bis 7.7.20151,56.7.2015 Einlaufmanöver
21.7.2015 bis 28.7.2015
1.9.2015 bis 8.9.20151,52.9.2015 Auslaufmanöver
22.9.2015 bis 29.9.2015226.9.2015 Auslaufmanöver
13.10.2015 bis 20.10.20150,515.10.2015 Auslaufmanöver
3.11.2015 bis 10.11.201515.11.2015 Feuerlöschmanöver
19.11.2015 Einlaufmanöver
24.11.2015 bis 1.12.2015225.11.2015 Auslaufmanöver
1,529.11.2015 Einlaufmanöver
bei von der Beklagten anerkannten 62 vollen Seetagen26,5

2016

Dauer der SeestreifeDauer der Inanspruchnahme während der "Ruhezeit" in StundenGrund der Inanspruchnahme
5.1.2016 bis 12.1.2016
10.3.2016 bis 17.3.2016
21.6.2016 bis 28.6.2016
2.8.2016 bis 9.8.2016
23.8.2016 bis 30.8.2016
13.9.2016 bis 20.9.2016
25.10.2016 bis 1.11.2016
11.11.2016 bis 22.11.2016216.11.2016 Auslaufmanöver
6.12.2016 bis 13.12.2016
27.12.2016 bis 31.12.2016
bei von der Beklagten anerkannten 39 vollen Seetagen2

2017

Dauer der SeestreifeDauer der Inanspruchnahme während der "Ruhezeit" in StundenGrund der Inanspruchnahme
1.1.2017 bis 3.1.2017
7.2.2017 bis 14.2.2017
28.2.2017 bis 7.3.2017
14.3.2017 bis 28.3.2017215.3.2017 Einlaufmanöver
11.4.2017 bis 18.4.2017
23.5.2017 bis 30.5.2017224.5.2017 Einlaufmanöver
6.6.2017 bis 20.6.20172212.6.2017 Einlaufmanöver 19.6.2017 Einlaufmanöver
4.7.2017 bis 11.7.201725.7.2017 Einlaufmanöver
15.8.2017 bis 22.8.2017
29.8.2017 bis 12.9.20172 230.8.2017 Einlaufmanöver 6.9.2017 Einlaufmanöver
26.9.2017 bis 3.10.2017
7.11.2017 bis 14.11.2017
28.11.2017 bis 5.12.2017
19.12.2017 bis 26.12.2017
bei von der Beklagten anerkannten 72 vollen Seetagen14

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2014, eingegangen am selben Tag beim E. F.-Stadt , beantragte der Kläger unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Januar 2009 (- BVerwG 2 C 90.07 -, juris) und das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 8. Mai 2014 (- 12 A 139/12 -, juris),

"das Stundenmaß bei einem vollen Seetag auf 24 Stunden anzuheben und die Gewährung von Dienst zu ungünstigen Zeiten analog anzuwenden. Für die ab dem Jahr 2009 von [ihm] geleisteten Dienste, die [ihm] bei der Anrechnung auf die Arbeitszeit vorenthalten wurden, beantrage [er] Freizeitausgleich 1:1. Sollte ein solcher Freizeitausgleich nicht oder nicht vollumfänglich möglich sein, beantrage [er] Ausgleich in Geld."

Mit Bescheid des E. F.-Stadt vom 1. April 2015 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, die in Bezug genommenen Urteile bezögen sich auf den Zwei-Wachen-Betrieb - innerhalb von 24 Stunden je zwei sechsstündige Seestreifen und zwei sechsstündige Freiwachen - auf einem Schiff der L. und hätten für diesen Fall die Freiwachen als Bereitschaftsdienst anerkannt. Diese Rechtsprechung sei nicht auf den Drei-Wachen-Betrieb - vier Stunden Schiffsdienst, vier Stunden Freiwache (Kontroll-/Arbeitsdienst) und vier Stunden "Frei an Bord" - auf einem K.-Schiff übertragbar. Während der Freiwachen könnten die Besatzungsmitglieder eines K.-Schiffs zwar anlassbezogen zu Dienstleistungen herangezogen werden. Anders als auf Einsatzschiffen der L. dienten die Zeiten "Frei an Bord" auf dem K.-Schiff grundsätzlich der Erholung. Erfahrungsgemäß sei mit einer Inanspruchnahme der Besatzungsmitglieder in diesen Zeiten nicht zu rechnen. Erfolge in diesen Zeiten dennoch eine Heranziehung zur Dienstausübung, liege eine extreme Notfallsituation vor. Diese Ausnahmesituationen gäben den "Frei-Phasen" nicht den Charakter eines Bereitschaftsdienstes und seien somit nicht auf das Dienstmaß anzurechnen.

Dagegen legte der Kläger am 16. April 2015 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass die Unterscheidung zwischen dem Zwei-Wachen-Betrieb bei der L. und dem Drei-Wachen-Betrieb auf einem K.Schiff des I. im Ergebnis unerheblich sei, da auch er während der Freiwache - ebenso wie die Kollegen der L. - keine Freizeit in Anspruch nehmen könne und nicht in der Lage sei, diese Freizeit mit üblichen Freizeitaktivitäten im Kreise der Familie oder der Freunde zu begehen. Zudem seien an Bord gemischte Besatzungen von L. und I.. Es sei nicht ersichtlich, warum Kollegen der L. anders behandelt würden als er.

DasE. F.-Stadt teilte dem Kläger mit Schreiben vom 27. August 2015 mit, dem Widerspruch werde nicht abgeholfen. Der Widerspruch werde der N. zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schreiben vom 28. September 2015 wies der Kläger die N. darauf hin, dass er die Erhebung einer Klage vorbereitete, nachdem sein Widerspruch fünf Monate unbearbeitet geblieben sei.

Der Kläger hat am 29. Oktober 2015 beim Verwaltungsgericht Stade Klage erhoben und zunächst beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger im Zeitraum von 2011 bis 2014 den beantragten Freizeitausgleich für Bereitschaftsdienstzeiten zu gewähren, und zwar im Umfang 1:1, wobei die Beklagte in dem Gesamtzeitraum 2.771 Stunden zu wenig berechnet habe,

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Vergütung für die Bereitschaftsdienstzeiten im Zeitraum von 2011 bis 2014 nach den Grundsätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte zu gewähren, und zwar im Umfang von 2.771 Stunden.

Mit Widerspruchsbescheid der N. vom 21. Dezember 2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, ein Ausgleichsanspruch nach Art. 6 Buchst. b) der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003, §§ 3, 13 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes (AZV) bestehe nur, wenn die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden in einem Bezugsraum vom zwölf Monaten überschreite. Daran fehle es hier. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Januar 2009 (- BVerwG 2 C 90.07 -, juris) und des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 8. Mai 2014 (- 12 A 139/12 -, juris), denn diese beträfen die Dienstverrichtung im Zwei-Wachen-Betrieb auf einem Einsatzschiff der L. und seien deshalb nicht auf das 3-Wachen-System auf K.-Schiffen des I. übertragbar. Es würde nicht nur die Schicht "Volldienst" (Schiffbetrieb) mit vier Stunden, sondern auch die Schicht "Kontroll-/Arbeitsdienst", in der die Besatzungsmitglieder anlassbezogen zu Dienstleistungen herangezogen würden, voll angerechnet. Die Schicht "Frei an Bord" diene dagegen grundsätzlich der Erholung. Erfahrungsgemäß sei während dieser Schicht nicht mit einer Inanspruchnahme zu rechnen. Nur wenn eine extreme Notlage vorliege, erfolge eine Heranziehung zur Dienstverrichtung in diesen Zeiten. Dies habe die zuständige Dienststelle auf Nachfrage bestätigt. Zwar machten bestimmte Ereignisse an Bord des K.-Schiffs die Anwesenheit aller Besatzungsmitglieder auf den entsprechenden Stationen erforderlich, so zum Beispiel beim An- und Ablegemanöver (Zeitansatz 2,5 Stunden), bei Bordübungen oder Kontrollen. Jedoch seien zum Beispiel Fischereikontrollen auf dem Einsatzschiff des Klägers "J." im Jahr 2013 nur viermal durchgeführt worden, im Jahr 2014 dagegen gar nicht. Kontrollen zum Schutz der sozialen Sicherungssysteme seien in den Jahren 2013 und 2014 nicht durchgeführt worden. Im Jahr 2013 habe es auf dem Einsatzschiff des Klägers nur einen Einsatz wegen eines Seenotfalles gegeben und im Jahr 2014 sei es zu drei Einsätzen dieser Art gekommen. Eine Unterweisung in Erster Hilfe finde alle zwei Jahre statt. Eine regelmäßige Heranziehung zum Dienst in den Freiphasen finde demnach nicht statt, zumal sich bei den oben beschriebenen und sporadisch auftretenden Tätigkeiten nicht alle Besatzungsmitglieder in der Freiphase befänden. Nach Aussage des I.-Kapitäns würden alle Übungseinsätze bis auf den Helikopter-Transfer bei Tag durchgeführt. Aus dessen Äußerung "Nachts ist Ruhe an Bord" dürfe der Rückschluss gezogen werden, dass sich unterbrochene Freiphasen lediglich in die Nachtstunden verschoben hätten, so dass auch das betroffene Besatzungsmitglied auf jeden Fall seine Ruhezeiten zugesprochen bekommen habe. Es ergebe sich aus der Natur einer Seestreife, dass die getroffenen Schichtregelungen sporadisch lageangepasst verschoben werden müssten. Freiphasen würden hierbei jedoch eingehalten. Die während der Kieler Woche angefallenen Stunden würden mit dem üblichen Stundensatz während einer Seestreife angerechnet. Der Kläger halte sich in den Freiphasen nicht an Bord auf, um jederzeit seine Arbeitsleistung erbringen zu können, sondern weil ein Verlassen des Schiffes einsatzbedingt nicht möglich sei. Etwas anderes ergebe sich nicht aus der angeführten Verordnung über die Arbeitszeit von Soldatinnen und Soldaten, denn für Beamte der I. gelte die die Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes (Arbeitszeitverordnung - AZV). Eine Ungleichbehandlung sei insofern nicht ersichtlich. Zudem gelte - nach dem Umsetzungskonzept zur Bildung gemischter Besatzungen auf maritimen Einheiten der L. und des I. - für alle Beschäftigten auf demselben Schiff jeweils das Arbeitsmodell der aufnehmenden Behörde, so dass auch aus diesem Grund eine Ungleichbehandlung ausscheide.

Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage die Ansicht vertreten, er habe regelmäßig Zuvielarbeit geleistet, so dass ihm sowohl ein unionsrechtlicher als auch ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch zustehe. Bei den "Frei an Bord"-Zeiten handele es sich um Bereitschaftsdienst, da er über die Nutzung seiner Zeit nicht habe frei verfügen können. Eine planbare oder nicht planbare Freizeit existiere ab Dienstbeginn am Dienstag um 12.00 Uhr an Bord nicht mehr. Er sei zu 100 % in der Wahl seines Aufenthaltsortes eingeschränkt, da er durch die Anweisung seines Dienstherrn verpflichtet sei, am Arbeitsplatz zu verbleiben. Ihm sei untersagt, an Bord Alkohol zu trinken. Er könne diese Zeit nicht mit seinen Familienangehörigen verbringen und aufgrund dessen, dass sich das Schiff außerhalb der Handyreichweite befinde, nicht einmal mit ihnen telefonieren. Zudem könne er jederzeit zum Dienst auch während der vorgesehenen Ruhezeiten aufgefordert werden. Bei Manövern würden regelmäßig sämtliche Besatzungsangehörige auf Manöverstation befohlen. Dies betreffe beispielsweise das tideabhängige An- und Ablegen, den Helikopter-Transfer, Eigensicherheitsübungen, Arbeitsschutzbelehrungen, Sicherheitskontrollen wie Leck- und Brandabwehr (Feuerlöschübungen), die Kontrolle von anderen Schiffen, Sonderdienste wie Mann-über-Bord-Manöver sowie Seenotfälle. Auch bei Sturmfahrten sei ein erhöhter Personalbedarf erforderlich. Während der Seestreifen fänden die Ausbildung in Erster Hilfe und Teile der Schießausbildung (Seezielschießen) statt. Darüber hinaus habe er sich - wie einige Kollegen - bei der Wahrnehmung der Aufgaben auf Teilgebiete spezialisiert. Er werde immer bei der Bordung von Fischereifahrzeugen und der anschließenden Kontrolle herangezogen. Die rechtlichen Erwägungen des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 8. Mai 2014 (- 12 A 139/12 -, juris) seien auf den Einsatz auf K.-Schiffen zu übertragen, weil die Tätigkeit im Drei-Wachen-System im Ergebnis den Bereitschaftsdiensten an Bord eines Zwei-Wachen-Schiffs entspreche. Zudem zeige ein Vergleich mit § 2 Ziffer 4 der Soldatenarbeitszeitverordnung vom 16. November 2015 - wonach "Bereitschaftsdienst" die Zeit sei, in der der Soldat verpflichtet sei, sich an einem von dem Vorgesetzten bestimmten Ort außerhalb seines häuslichen Bereichs aufzuhalten, um bei Bedarf den Dienst aufzunehmen, wenn dabei Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen würden -, dass Bereitschaftsdienst Arbeitszeit sei. Das neu eingeführte Arbeitszeitmodell ändere im Ergebnis nichts daran, dass die Beklagte die Bereitschaft zur jederzeitigen Dienstverrichtung unentgeltlich entgegennehmen wolle, was nicht zulässig sei.

Der Kläger hat seine Klage am 26. April 2017 (Bl. 55/GA), am 4. Januar 2018 (Bl. 77/GA) und am 6. März 2018 (Bl. 82/GA) erweitert und sodann beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 1. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2015 zu verpflichten, ihm im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014 Freizeitausgleich für 2.771 Stunden, im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2015 für 420 Stunden, im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 für 322 Stunden und im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2017 für 448 Stunden im Umfang 1:1 zu gewähren,

hilfsweise,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2015 zu verpflichten, ihm eine Vergütung für die Zeiten im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014 für 2.771 Stunden, für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2015 für 420 Stunden, vom 1. Januar 2016 bis zum 31.Dezember 2016 für 322 Stunden und vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2017 für 448 Stunden zu gewähren und die Vergütung mit 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, strittig sei nur die Anrechnung von Arbeitszeit an vollen Seetagen. Die Zeiten "Frei an Bord" dienten grundsätzlich der Erholung. Der Kläger halte sich in den Frei-Phasen nicht an Bord auf, um seine Arbeitsleistung jederzeit zum Beispiel bei Einsätzen erbringen zu können, sondern weil ein Verlassen des Schiffes einsatzbedingt nicht möglich sei. Nur in extremen Notfallsituationen erfolge eine Heranziehung zur Dienstverrichtung. Zwar würden bestimmte Ereignisse an Bord der K.-Schiffe des I. die Anwesenheit aller Besatzungsmitglieder auf den Stationen erforderlich machen, so zum Beispiel bei An- und Ablegemanöver (Zeiteinsatz 2,5 Stunden) und bei Kontrollen. Jedoch seien zum Beispiel Fischereikontrollen auf dem Einsatzschiff des Klägers im Jahr 2013 nur viermal durchgeführt worden, in den Jahren 2014 und 2015 dagegen gar nicht. Im Jahr 2013 habe es auf dem Einsatzschiff des Klägers nur einen Einsatz wegen eines Seenotfalles gegeben, im Jahr 2014 sei es zu drei Einsätzen und im Jahr 2015 zu keinem Einsatz dieser Art gekommen. Eine Überschreitung der durchschnittlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit in Höhe von 48 Stunden sei nicht feststellbar, sodass ein Ausgleichsanspruch nach Art. 6 der Richtlinie 2003/88/EG nicht bestehe. Zudem habe der Dienstherr nur die rechtswidrige Zuvielarbeit auszugleichen, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet werde mit der Folge, dass ein etwaiger Anspruch des Klägers erst ab Januar 2015 bestehen könnte.

Das Verwaltungsgericht Stade hat mit Urteil vom 27. Januar 2021, zugestellt am 8. März 2021, die Klage abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch des Klägers auf Freizeitausgleich bzw. finanziellen Ausgleich gemäß § 88 Sätze 2 und 4 BBG, weil die noch nicht ausgeglichenen Zeiten "Frei an Bord" keine angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit seien, sondern Bestandteil der regulären bzw. regelmäßigen Arbeitszeit des Klägers. Es fehle an einer Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit durch den Dienstherrn. Die Anordnung von Mehrarbeit folge nicht aus der Aufstellung und Praktizierung von Dienstplänen, denn diese seien die Festsetzung der regulären Arbeitszeit. Es fehle zudem an einer für die Annahme von Mehrarbeit erforderlichen Ermessensentscheidung der Beklagten über die dienstliche Notwendigkeit der Anordnung von über die reguläre Arbeitszeit hinausgehender Mehrarbeit im Einzelfall und welchem Beamten die Mehrarbeit übertragen werden soll.

Der Kläger habe auch aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch und aus dem nationalen beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf weiteren Freizeitausgleich. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2014 stehe einem solchen Anspruch bereits die nicht zeitnahe Geltendmachung entgegen. Der Kläger habe erstmalig mit Schreiben vom 17. Dezember 2014 einen Ausgleich für geleistete Zuvielarbeit an vollen Seetagen von der Beklagten verlangt, so dass ein Ausgleichsanspruch allenfalls ab dem 1. Januar 2015 in Betracht käme.

Der Kläger habe auch für den weiteren von ihm geltend gemachten Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2017 keinen Anspruch auf Freizeitausgleich. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch und der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch (§ 242 BGB) setzten "Zuvielarbeit" voraus. Die Arbeitszeit sei in § 87 Abs. 3 Satz 1 BBG in Verbindung mit der Arbeitszeitverordnung für Beamte des Bundes geregelt. Nach § 13 Abs. 1 AZV könne bei Bereitschaftsdienst die regelmäßige tägliche Arbeitszeit und die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit entsprechend den dienstlichen Bedürfnissen angemessen verlängert werden (Satz 1). Hierbei dürfe in einem Bezugszeitraum von zwölf Monaten die durchschnittliche Arbeitszeit 48 Stunden im Siebentageszeitraum nicht überschreiten (Satz 2). Eine vergleichbare Regelung treffe Art. 6 Buchst. b) der Richtlinie 2003/88/EG.

Ob der Kläger für die Jahre 2015 bis 2017 in seiner wöchentlichen durchschnittlichen Arbeitszeit die Grenze von 48 Stunden überschritten habe, könne dahinstehen, denn selbst unter Einbeziehung der vom Kläger geltend gemachten zusätzlichen sieben Stunden Arbeitszeit an einem vollen Seetag während der Einsatzfahrt und der unterstellten Annahme, dass die Grenze von 48 Stunden in den Jahren 2015 bis 2017 jeweils überschritten worden sei, seien die Voraussetzungen für einen beamtenrechtlichen bzw. unionsrechtlichen Ausgleichsanspruch nicht erfüllt. Die vom Kläger geltend gemachten weiteren sieben Stunden für jeden im Dienst verbrachten vollen Seetag seien nämlich nicht als Arbeitszeit zu werten, sondern als nicht ausgleichspflichtige Ruhezeit.

Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger während der Zeit, die er nach der unmittelbaren Arbeitsleistung bzw. nach dem Bereitschaftsdienst als "Frei an Bord" verbringe, ausnahmsweise in bestimmten Notfällen zur Dienstverrichtung herangezogen werden könne, sei diese Zeit "Frei an Bord" nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht als ausgleichspflichtiger Bereitschaftsdienst zu werten. Bereitschaftsdienst liege danach vor, wenn sich der Beamte an einem vom Dienstherrn bestimmten Bereich außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten habe und erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen sei. Während der Zeit "Frei an Bord" sei erfahrungsgemäß nicht mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen, sondern nach dem Vortrag der Beklagten nur in absoluten Ausnahmefällen, wenn zum Beispiel Notfälle vorlägen wie etwa eine Seenotrettung. Diesen Vortrag habe der Kläger bislang nicht substantiiert in Frage gestellt. Es sei deshalb davon auszugehen, dass es für die Besatzungsmitglieder in den Zeiten "Frei an Bord" nicht typischerweise oder regelmäßig zu Einsätzen komme. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 11. März 2020 (- 5 LB 48/18 -, juris) komme es nunmehr für die Einstufung von Dienst als Arbeitszeit maßgeblich darauf an, ob sich der Beamte während des Dienstes an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen müsse, um gegebenenfalls sofort die geeigneten Leistungen erbringen zu können. Die Kammer komme aufgrund der im Fall des Klägers vorliegenden Umstände zu der Überzeugung, dass die an Bord des Seeschiffs verbrachte Zeit "Frei an Bord" als "Ruhezeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG und nicht als "Arbeitszeit" einzustufen sei. Für die Zeit "Frei an Bord" habe die Beklagte gerade nicht die Weisung ausgegeben, dass sich der Kläger während dieses Zeitraums jederzeit bereitzuhalten habe, denn für dieses "Sich-Bereit-Halten" sei während der Zeit "Frei an Bord" der parallel bestehende und angeordnete "Bereitschaftsdienst" durch andere Mitarbeiter in der dienstlichen Pflicht. Auch habe der Dienstherr in einer dienstlichen Weisung den Aufenthalt des Klägers für die Zeit "Frei an Bord" nicht auf einen bestimmten Ort beschränkt. Vielmehr ergebe sich die örtliche Aufenthaltsbeschränkung des Klägers für den Zeitraum "Frei an Bord" aus der faktischen Situationsgebundenheit des Einsatzschiffs auf hoher See. Dass die faktische Aufenthaltsbeschränkung auf das Einsatzschiff letztlich darauf zurückgehe, dass der Dienstherr für den Kläger einen Dienst im Rahmen der Seestreife zu Beginn der Seestreife angeordnet habe, reiche insoweit als Indiz für die Annahme einer ausgleichspflichtigen Arbeitszeit nicht aus, weil es nichts an der örtlich bedingten Aufenthaltsbeschränkung aufgrund des Einsatzes auf hoher See ändere. Andererseits stünden die Beamten faktisch für eine jederzeitige dienstliche Inanspruchnahme zur Verfügung, weil sie den dienstlichen Bereich nicht verlassen und sich aus diesem Grund dem Zugriff des Dienstherrn nicht entziehen könnten. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass für Vorkommnisse, die vom regulären "Volldienst" an Bord nicht bewältigt werden könnten, die einen parallelen Dienst verrichtenden Beamten der Schicht "Bereitschaftsdienst" zuständig seien. Erst in absoluten Ausnahmefällen werde zusätzlich neben den Beamten im "Volldienst" und im "Bereitschaftsdienst" auf die Beamten der Schicht "Frei an Bord" gleichsam als Notreserve zurückgegriffen. Es handele sich dabei um eher unvorhergesehene Ereignisse wie eine Seenotrettung oder andere Gefahrenlagen, die jedenfalls den üblichen Dienstbetrieb, für den der "Bereitschaftsdienst" zur Verfügung stehe, überstiegen und aufgrund des Ausnahmecharakters den Dienstherrn zur Abwehr einer Gefahr für die Besatzung und das Schiff dazu veranlassten, auf die Einsatzreserve mit den in der Schicht "Frei an Bord" befindenden Beamten zurückzugreifen. Diese Heranziehung erweise sich insoweit eher als Ausdruck der seemännischen Gefahrengemeinschaft und nicht vorrangig aufgrund einer regelmäßig Anwendung findenden dienstlichen Weisung zur Ausgestaltung des mehr oder minder regelmäßigen Dienstbetriebs. Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er an Bord die ihm in der Schicht "Frei an Bord" zur Verfügung stehende Freizeit nicht so umfänglich ausgestalten könne, wie wenn er seine Freizeit zu Hause verbringen würde. Denn die Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Klägers selbst ergebe sich nicht aus der dienstlichen Anweisung für die Zeit "Frei an Bord", sondern aus dem Umstand, dass der Kläger aufgrund der faktischen Gegebenheiten das Einsatzschiff während der ihm zur Verfügung gestellten freien Zeit nicht verlassen könne. Die Qualität der verbrachten freien Zeit als Kriterium für die Zuordnung eines Dienstes zur "Arbeitszeit" oder zur "Ruhezeit" stehe abgesehen von einer subjektiven Einschätzung auch nicht mit der teleologischen Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG im Einklang. Denn Ziel des Unionsrechts sei es, zu verhindern, dass die Beschränkungen eines Dienstes, bei dem er sich bereitzuhalten habe, für Arbeitnehmer derart einschneidend seien, dass sie dem Arbeitnehmer keine tatsächliche Ruhezeit ermöglichten. Dies sei indes in der vorliegenden Konstellation bei der Zeit "Frei an Bord" gerade nicht der Fall, weil die Beamten während dieser Schicht ganz überwiegend bis auf wenige selten vorkommende Einzelereignisse die Zeit als freie Zeit für sich in Anspruch nehmen könnten. Zudem werde dem unionsrechtlichen Ansatz dadurch Rechnung getragen, dass die Beamten nach Ableistung des "Volldienstes" und des "Bereitschaftsdienstes" und der damit verbundenen zeitlichen Inanspruchnahme sich in der dann noch verbleibenden Zeit des Tages "Frei an Bord" ausruhen und schlafen sollten, um den Anforderungen des sich danach wieder anschließenden Dienstes ausgeruht gerecht werden zu können, so dass der Gestaltungsspielraum für eine individueller Freizeitgestaltung ohnehin aufgrund der Notwendigkeit ausreichender Schlafzeiten weitgehend reduziert sei.

Am 29. März 2021 hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zugelassene Berufung eingelegt und verfolgt mit dieser sein Begehren weiter.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, die Anordnung von Mehrarbeit folge aus dem Erstellen der Dienstpläne für die Seestreifen. Auch die Dienstzeit "Frei an Bord" sei ausgleichspflichtige Arbeitszeit, weil er regelmäßig zur Dienstverrichtung herangezogen worden sei. Es bestehe die Sondersituation, dass er auf Weisung des Dienstherrn seine Dienstzeit gerade an Bord des Einsatzschiffs verbringen müsse. Der Dienstherr habe für die Zeit "Frei an Bord" den Aufenthalt des Klägers auf das Einsatzschiff beschränkt. Es handele sich dabei um eine konkrete dienstliche Weisung ähnlich wie in den Fällen einer Weisung an L.-Vollzugsbeamte, sich während eines Demonstrationseinsatzes in einem Hotel aufzuhalten, während des Aufenthaltes ihre Waffe zu führen und jederzeit abrufbar zu sein. Seine Möglichkeiten, sich während der Zeiten des "Sich-Bereit-Haltens" seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, seien auf Null reduziert, weil er jederzeit durch den Kommandanten des Einsatzschiffs abrufbar sei und auch tatsächlich abgerufen werde. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs komme es nicht darauf an, ob es zu einer ausdrücklichen Weisung komme, sondern maßgeblich sei, dass der Dienstherr den Aufenthalt des Beschäftigten und seine Bereitschaft von vornherein voraussetze. Er sei in der Dienstzeit "Frei an Bord" nicht nur in absoluten Ausnahmesituationen in Anspruch genommen worden. Sämtliche Besatzungsmitglieder würden beim An- und Ablegen des Schiffs in A-Stadt herangezogen, da es aufgrund der Bauform des Schiffs nur ca. zwei Stunden vor bis zwei Stunden nach dem Niedrigwasser gefahrlos möglich sei, durch die Schleuse des Hafens zu fahren. Die Durchführung bestimmter Notrollenübungen sei bei jeder Seestreife vorgeschrieben. Regelmäßig fänden Feuerlöschübungen statt, bei denen jedem Besatzungsmitglied eine bestimmte Tätigkeit zugewiesen sei. Auch der weitere Rollendienst und die Mann-über-Bord-Manöver fänden regelmäßig mit erheblichem Zeitaufwand (Klarmachen der Rettungsmittel, Bereitmachen und Abfieren des Beiboots für die Aufnahme, Besetzung des Beiboots, Vorbereitung der sanitätsdienstlichen Versorgung) statt. Darüber hinaus sei regelmäßig ohne Rücksicht darauf, ob sich jemand "Frei an Bord" befunden habe, mit den Handwaffen das Seezielschießen durchgeführt worden. Regelmäßig werde auch ein Winschmanöver mit einem Hubschrauber geübt. Sämtliche vorgenannten Rollenmanöver würden direkt von dem Kommandanten als Dienstvorgesetzten angeordnet. Auch nach dem neuen Arbeitszeitmodell habe er als 1. Wache ("Schiffsbetrieb/Seewache" von 0.00 Uhr bis 4.00 Uhr und von 12.00 Uhr bis 16.00 Uhr) keine ununterbrochene Ruhezeit, weil diese jedenfalls durch das Abendessen um 17.30 Uhr unterbrochen werde. Da die Pausenzeit des Kochs von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr festgelegt worden sei und dieser erst danach mit der Vorbereitung des Abendessens beginnen könne, sei es organisatorisch nicht möglich, für die vierköpfige Brückenwache ein vorzeitiges Abendessen vorzubereiten. Von Erholung während der Ruhephasen könne überhaupt keine Rede sein, weil aufgrund des Dienstbetriebs und der Lärmbelästigung - die Wände seien kaum schallisoliert - kein richtiges Schlafen möglich sei. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 9. September 2021 (- C-107/19 [Dopravni podnik hl. M. Prahy] -, juris) sei auf seinen Fall übertragbar, weil auch ihm ein Standortwechsel untersagt sei und er nicht innerhalb von zwei Minuten, sondern sofort einsatzbereit sein müsse.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 3. Kammer - vom 27. Januar 2021 -

  • zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, ihm Freizeitausgleich zu gewähren

    für das Jahr 2011 im Umfang von 710 Stunden,

    für das Jahr 2012 im Umfang von 768 Stunden,

    für das Jahr 2013 im Umfang von 608 Stunden,

    für das Jahr 2014 im Umfang von 685 Stunden,

    für das Jahr 2015 im Umfang von 420 Stunden,

    für das Jahr 2016 im Umfang von 322 Stunden und

    für das Jahr 2017 im Umfang von 448 Stunden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass kein Anspruch des Klägers nach § 88 Satz 2 bzw. Satz 4 BBG bestehe, weil er seinen Dienst nur nach festgelegten Dienstplänen versehen habe. Sie habe im Rahmen ihres Ermessens entschieden, dass keine dienstliche Notwendigkeit einer Anordnung bzw. Genehmigung von über die reguläre Arbeitszeit hinausgehender Mehrarbeit vorgelegen habe. Es handele sich bei den nicht als Dienstzeit angerechneten sieben Stunden je vollem Seetag nicht um Arbeitszeit. Nur in sehr seltenen Ausnahmefällen sei der Kläger während seiner dienstfreien Zeit auf dem Einsatzschiff dienstlich in Anspruch genommen worden. Dies sei jeweils nicht vorab geplant und nach der ausgewerteten Dokumentation so selten gewesen, dass diese Zeiten nicht als Arbeitszeit zu qualifizieren seien. Auslauf- und Einlaufmanöver fänden regelmäßig für alle Besatzungsmitglieder statt und seien bei der Bewertung der Anrechnung der Arbeitszeit und des Schichtmodells fest eingeplant. Die von dem Kläger benannten Manöver fänden tagsüber während des regulären Dienstbetriebs statt und würden nicht erst kurzfristig vom verantwortlichen I.-Kapitän geplant. Nachts sei Ruhe an Bord. Für bloße Anwesenheitszeiten, in denen - wie hier - keine Verpflichtung bestehe, sich im Bedarfsfall zur Dienstleistung bereitzuhalten, bestehe kein Anspruch auf Freizeitausgleich. Abgesehen von diesen Ausnahmefällen sei dem Kläger aufgrund des Arbeitszeitmodells für Beschäftigte auf K.-Schiffen des I. die Einhaltung von Ruhezeiten möglich gewesen. Er habe sich während der Ruhezeiten nur an Bord aufgehalten, weil ein Verlassen des Schiffes einsatzbedingt nicht möglich gewesen sei. Es habe keine dienstliche Weisung gegeben, das Einsatzschiff während der gesamten Zeit der Seestreife nicht zu verlassen und dem Dienstherrn während der gesamten Zeit der Seestreife sofort - innerhalb einer besonders kurzen Reaktionszeit ohne vorherige Planbarkeit - zur Verfügung zu stehen. Die möglichen Einschränkungen des Klägers, während seiner dienstfreien Zeit an Bord persönlichen und sozialen Interessen nachzugehen, seien als gering zu bewerten. Nach angerechneten 17 Stunden Arbeitszeit sei davon auszugehen, dass die übrigen sieben Stunden überwiegend durch die erforderliche Nachtruhe verbracht würden. Den Besatzungsmitgliedern werde während der Seestreife Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung gestellt. Die Essenszeiten im Bordbetrieb lege der Kapitän eigenverantwortlich fest. Die Einnahme eines um 17.30 Uhr angebotenen Abendessens sei freiwillig. Darüber hinaus seien die K.-Schiffe mit deutlich überdurchschnittlichen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung wie zum Beispiel einem hochwertigen Fitnessraum und einer Sauna ausgestattet. Die Einzelkabinen entsprächen dem "gehobenen deutschen Handelsschiffstandard" (schallgedämpfte Außenkabinen mit eigener Dusche und eigenem WC) und verfügten über die Möglichkeit zur kostenlosen Internetnutzung über einen WLAN-Zugang. Jede Einzelkabine sei mit einem Fernsehgerät, das über eine an Bord vorhandene Satellitenanlage den Empfang einer Vielzahl von Fernsehprogrammen ermögliche, ausgestattet. Aufgrund negativer Erfahrungen in der Vergangenheit sei für die Beschäftigten der gesamten I.-Bootflotte der Konsum von Alkohol verboten, da die Einsatzfähigkeit und die Sicherheit des Einsatzmittels und der übrigen Beschäftigten nicht gefährdet werden dürfe. Ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch bestehe nur, wenn die höchstzulässige wöchentliche Arbeitszeit überschritten werde. Dies sei nicht der Fall. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit des Klägers habe 40,41 Stunden im Jahr 2015, 34,63 Stunden im Jahr 2016 und 48,07 Stunden im Jahr 2017 betragen. Im Übrigen seien dem Kläger nicht nur zwölf Stunden Tagesdienst, sondern darüber hinaus unabhängig vom Einsatzgeschehen fünf Stunden Arbeitszeit pauschal angerechnet worden. Sie habe die Rufbereitschaft damit bereits in einer Höhe abgegolten, die weit über den Ausgleich nach § 12 Satz 2 AZV hinausgehe. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 9. September 2021 (- C-107/19 [Dopravni podnik hl. M. Prahy] -, juris) sei nicht übertragbar, denn der Kläger sei nur durch die fehlende Möglichkeit, das Einsatzschiff zu verlassen, eingeschränkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der jeweils beigezogenen Beiakten der gemeinsam mündlich verhandelten Berufungsverfahren verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

A. Die mit der Berufung des Klägers weiterverfolgte Klage ist zulässig.

I. Die allgemeine Leistungsklage ist die statthafte Klageart.

Dies folgt aus der eigentlichen Zielrichtung des Anspruchs auf Gewährung von Freizeitausgleich wegen Zuvielarbeit oder Mehrarbeit. Dass der Dienstherr eine Entscheidung über die Gewährung eines Ausgleichs für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit bzw. Mehrarbeit zu treffen hat, begründet allein nicht das Vorliegen eines Verwaltungsakts im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG. Der Anspruch ist auf Ausgleich in Freizeit gerichtet und wird durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung erfüllt. Damit betrifft der Ausgleich von Zuvielarbeit bzw. Mehrarbeit vorrangig nicht die dienstrechtliche Stellung des Beamten, sondern mit der Gestaltung der Dienstpläne den Dienstbetrieb. Die Regelung der internen Abläufe, die Gestaltung der Dienstpläne, erfolgt aber nicht in Form eines Verwaltungsaktes gegenüber dem einzelnen Beamten (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.6.2020 - BVerwG 2 C 20.19 -, juris Rn. 9 ff.).

II. Der Kläger ist rechtsschutzbedürftig, insbesondere fehlt es nicht an der Stellung eines entsprechenden vorherigen Antrags.

Bei beamtenrechtlichen Fallgestaltungen, bei denen für den Dienstherrn keine Veranlassung besteht, von sich aus ohne Antrag des betroffenen Beamten tätig zu werden - wie für den Anspruch auf Ausgleich von unionsrechtswidriger Zuvielarbeit durch Freizeitausgleich oder hilfsweise durch Geldzahlung - muss der Beamte das Verwaltungsverfahren erst durch einen beim Dienstherrn gestellten Antrag in Gang setzen (BVerwG, Urteil vom 16.6.2020 - BVerwG 2 C 20.19 -, juris Rn. 35). In diesen Fällen stellt der vor Erhebung der Klage beim Dienstherrn zu stellende Antrag nicht lediglich eine im Prozess nachholbare Sachurteilsvoraussetzung, sondern eine nicht nachholbare Klagevoraussetzung dar. Sein Fehlen macht die Klage unzulässig (BVerwG, Urteil vom 16.6.2020 - BVerwG 2 C 20.19 -, juris Rn. 38 m. w. N.). Fehlt es an einem Antrag für bestimmte Zeiträume, so ist eine darüber hinausgehende Klage bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (vgl. VG Schl.-H., Urteil vom 11.12.2023 - 12 A 190/20 -, juris Rn. 16).

Klarzustellen ist vorab, dass sich der Klageantrag für den Zeitraum von 2011 bis 2014 auf sämtliche während einer Seestreife an Bord verbrachte Zeiten bezieht, dagegen für den Zeitraum von 2015 bis 2017 auf bislang nicht anerkannte Zeiten an vollen Seetagen beschränkt ist. Dies folgt aus den vom Kläger vorgelegten Auflistungen der bislang "nicht berechnete(n) Stunden". Für den Zeitraum von 2011 bis 2014 hat er maßgeblich 50 Stunden pro Seestreife geltend gemacht (vgl. Anlage zur Klageschrift vom 28.10.2015, Bl. 5 ff./GA). Es handelt sich dabei um die Differenz der während einer achttägigen Seestreife an Bord verbrachten 168 Stunden und der ihm für eine solche Seestreife anerkannten 118 Stunden Arbeitszeit. Für den Zeitraum von 2015 bis 2017 hat er hingegen Auflistungen mit 28 anzuerkennenden Stunden je Seestreife vorgelegt (vgl. Bl. 79/GA für das Jahr 2015, Bl. 60/GA für das Jahr 2016 und Bl. 85/GA für das Jahr 2017). Diese Stundenzahl ergibt sich aus der Multiplikation der an den vier vollen Seetagen, d. h. an den vollständig auf See verbrachten Tagen, bislang nicht als Arbeitszeit anerkannten sieben Stunden.

Hinsichtlich dieses Klageantrags ist der Kläger in vollem Umfang rechtsschutzbedürftig, denn er hat zuvor einen entsprechenden Antrag gestellt. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2014 hat der Kläger bei der Beklagten unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Januar 2009 (- BVerwG 2 C 90.07 -, juris) und das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 8. Mai 2014 (- 12 A 139/12 -, juris) beantragt,

"das Stundenmaß bei einem vollen Seetag auf 24 Stunden anzuheben und die Gewährung von Dienst zu ungünstigen Zeiten analog anzuwenden. Für die ab dem Jahr 2009 von [ihm] geleisteten Dienste, die [ihm] bei der Anrechnung auf die Arbeitszeit vorenthalten wurden, beantrage [er] Freizeitausgleich 1:1. Sollte ein solcher Freizeitausgleich nicht oder nicht vollumfänglich möglich sein, beantrage [er] Ausgleich in Geld."

Zwar bezieht sich der erste Satz nur auf den Ausgleich voller Seetage, d. h. vollständig auf See verbrachter Tage. Indes hat der Kläger im zweiten Satz beantragt, für alle von ihm ab 2009 geleisteten Dienste, die ihm bislang nicht als Arbeitszeit angerechnet worden seien, einen Freizeitausgleich zu gewähren. Bei verständiger Würdigung seines Vorbringens hat der Kläger demnach die Anerkennung aller an Bord des Einsatzschiffs ab 2009 verbrachten Zeiten - also nicht nur der vollen Seetage, sondern auch der Wechseltage und des Auslauf- und Einlauftages - als Arbeitszeit beantragt.

B. Indes ist die der Berufung zugrunde liegende Klage unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freizeitausgleich für das Jahr 2011 im Umfang von 710 Stunden, für das Jahr 2012 im Umfang von 768 Stunden, für das Jahr 2013 im Umfang von 608 Stunden, für das Jahr 2014 im Umfang von 685 Stunden, für das Jahr 2015 im Umfang von 420 Stunden (= 7 x 60 volle Seetage), für das Jahr 2016 im Umfang von 322 Stunden (= 7 x 46 volle Seetage) und für das Jahr 2017 im Umfang von 448 Stunden (7 x 64 volle Seetage), d. h. für insgesamt 3.961 weitere an Bord des Einsatzschiffs verbrachte Stunden.

Im maßgeblichen Zeitpunkt der streitgegenständlichen Diensteinsätze (vgl. BVerwG, Urteile vom 29.4.2021 - BVerwG 2 C 18.20 -, juris Rn. 16 und - BVerwG 2 C 33.20 -, juris Rn. 12 m. w. N; OVG NRW, Urteil vom 15.9.2020 - 6 A 2634/18 -, juris Rn. 36; Thür. OVG, Urteil vom 28.4.2022 - 2 KO 814/20 -, juris Rn. 62) haben hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten zusätzlichen Arbeitszeiten im Umfang der vorgenannten Stunden nicht die Voraussetzungen des Anspruchs wegen angeordneter/genehmigter Mehrarbeit gemäß § 88 Satz 2 BBG (dazu unter I.), des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs (dazu unter II.) und des aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) hergeleiteten beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs (dazu unter III.) vorgelegen.

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freizeitausgleich im Umfang von 3.961 Stunden gemäß § 88 Satz 2 BBG.

Nach § 88 Satz 1 BBG sind Beamte verpflichtet, ohne Vergütung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Werden sie durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, ist ihnen innerhalb eines Jahres für die Mehrarbeit, die sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisten, entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren (§ 88 Satz 2 BBG). Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, können Beamte in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern eine Vergütung erhalten (§ 88 Satz 4 BBG).

Da es sich dabei um einen gesetzlichen Anspruch handelt, die Gewährung des Freizeitausgleichs also durch den Dienstherrn von Amts wegen zu erfolgen hat, bedarf es insofern keiner vorherigen Geltendmachung. Die in § 88 Satz 2 BBG aufgeführte Jahresfrist konkretisiert den Anspruch des Beamten, stellt aber keine Ausschlussfrist dar, die zur Folge hätte, dass der Anspruch des Beamten nach ihrem Ablauf verfiele. Denn es liefe dem Treueverhältnis zuwider, wenn der Anspruch auf Freizeitausgleich nach Fristablauf entfallen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 10.13 -, juris Rn. 56; Urteil vom 6.4.2017 - BVerwG 2 C 12.16 -, juris Rn. 40 [zu Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 2 AGG]; Urteil vom 4.5.2017 - BVerwG 2 C 60.16 -, juris Rn. 16 [zu Besoldungsansprüchen unmittelbar aus Gesetz]; Nds. OVG, Beschluss vom 19.06.2019 - 5 LA 7/18 -; Sächs. OVG, Urteil vom 23.3.2022 - 2 A 637/20 -, juris Rn. 18 m. w. N.).

Unabhängig davon, ob es sich bei den streitigen Zeiten der Phase "Frei an Bord" (Arbeitszeitmodell bis zum 31.12.2015) und der "Ruhezeit" (Arbeitszeitmodell seit dem 1.1.2016) um Mehrarbeit im Sinne des § 88 Satz 2 BBG handelt, besteht schon deshalb kein Anspruch des Klägers auf Freizeitausgleich nach dieser Vorschrift, weil es diesbezüglich an der Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit seitens des Dienstherrn fehlt.

Eine solche Anordnung oder Genehmigung unterliegt zwar keinem Schriftformerfordernis, muss sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber auf konkrete und zeitlich abgegrenzte Mehrarbeitstatbestände beziehen. Nicht erforderlich ist, dass im Zeitpunkt der Anordnung oder Genehmigung die Anzahl der zu leistenden oder bereits geleisteten Mehrarbeitsstunden bereits bekannt ist. Der Dienstherr entscheidet über die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit nach Ermessen. Dabei hat er insbesondere zu prüfen, ob nach dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll. Hieran fehlt es zum Beispiel bei der schlichten Festlegung von Arbeitszeiten in Dienst- oder Schichtplänen. Diese Festlegungen führen mangels einer Anordnung, die auf § 88 BBG Bezug nimmt, nicht zu Mehrarbeit, sondern lediglich zu regelmäßiger Arbeitszeit oder - bei rechtswidriger Höhe - zu Zuvielarbeit. Der Annahme, dass Mehrarbeit angeordnet wurde, steht es nicht entgegen, wenn ein Dienstherr bei einem bestimmten Anlass sein Ermessen nicht für einen einzelnen Beamten, sondern für eine Mehrzahl von Beamten ausübt und die Mehrarbeit in einer sie alle umfassenden Weisung - wie bei einem Einsatzbefehl - anordnet. Wenn der Dienstherr bei der Ausübung seines Ermessens zu dem Ergebnis kommt, dass eine Gruppe oder gar alle der bei dem Anlass einzusetzenden Beamten wegen der Bedeutung oder des Umfangs des Anlasses erforderlichenfalls Mehrarbeit leisten müssen, so ist es nicht erforderlich, dass der Dienstherr dies gegenüber jedem Beamten einzeln entscheidet und anordnet. Hat der Dienstherr Mehrarbeit - zutreffend oder unzutreffend - angeordnet, kommt es nicht darauf an, ob sie auch angeordnet oder genehmigt werden durfte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2.4.2019 - BVerwG 2 B 43.18 -, juris Rn. 9-11; Urteil vom 29.4.2021 - BVerwG 2 C 18.20 -, juris Rn. 33 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 18.6.2019 - 5 LA 6/18 -; Urteil vom 10.3.2020 - 5 LB 49/18 -, juris Rn. 54; Urteil vom 12.6.2020 - 5 LC 2/18 -, juris Rn. 67; Beschluss vom 20.7.2020 - 5 LA 81/18 -).

Eine Anordnung oder Genehmigung der bis Ende 2015 in der Schicht "Frei an Bord" und der in den Jahren 2016 und 2017 in der sogenannten "Ruhezeit" verbrachten weiteren Zeiten durch den Dienstherrn liegt denklogisch schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte diese streitigen Zeiten gerade nicht als über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Inanspruchnahme ansah und weiterhin auch nicht ansieht und dementsprechend keine Mehrarbeit im Sinne des § 88 BBG angeordnet oder im Nachhinein genehmigt hat. Diese Zeiten finden sich nur in den jeweiligen Dienst- und Schichtplänen, die - wie ausgeführt - keine Anordnung von Mehrarbeit im Sinne des § 88 Satz 2 BBG darstellen. Das Bundesverwaltungsgericht hat entsprechend schon 2009 im Fall des Zwei-Wachen-Systems der L. -boote festgestellt, es bestehe die Besonderheit, dass der Aufenthalt an Bord, d. h. im räumlichen Machtbereich des Dienstherrn, während der Zeiten der Freiwachen nicht ausdrücklich als Einsatzbereitschaft angeordnet worden sei (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.1.2009 - BVerwG 2 C 90.07 -, juris Rn. 17). Die hiesige Fallkonstellation ist insoweit nicht vergleichbar mit den im Jahr 2020 vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fällen betreffend den Freizeitausgleich von L.-Vollzugsbeamten während des G7-Gipfels in Schloss Elmau (Bayern) im Jahr 2015, denn für die L.-Vollzugsbeamten war per Einsatzbefehl die erforderliche Mehrarbeit angeordnet worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.4.2021 - BVerwG 2 C 32.20 -, juris Rn. 16; vorhergehend Nds. OVG, Urteil vom 12.6.2020 - 5 LC 2/18 -, juris Rn. 66 ff.).

II. Dem Kläger steht nicht ein Anspruch auf Freizeitausgleich im Umfang von 3.961 Stunden aufgrund des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs zu.

1. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2014 hat der Kläger einen unionsrechtlichen Haftungsanspruch bereits nicht rechtzeitig geltend gemacht.

Ansprüche aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, deren Festsetzung und Zahlung sich - wie beim unionsrechtlichen Haftungsanspruch - nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen einer vorherigen Geltendmachung. Denn hier ist eine vorgängige Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich. Für Ansprüche wegen rechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Für den Beamten folgt aus der beamtenrechtlichen Treuepflicht die Obliegenheit, seinen Dienstherrn mit einem auf eine solche Behauptung gestützten Anspruch alsbald zu konfrontieren, um ihm die Möglichkeit zu geben, zu reagieren. Dadurch ist in Fallgestaltungen wie der Vorliegenden zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Eine Hinweispflicht des Dienstherrn in Bezug auf die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Zuvielarbeit scheidet dagegen denklogisch bereits deshalb aus, weil der an Recht und Gesetz gebundene Dienstherr grundsätzlich davon ausgeht, dass seine Arbeitszeitgestaltung rechtmäßig ist und deshalb keine Zuvielarbeit vorliegt. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteil vom 17.9.2015 - BVerwG 2 C 26.14 -, juris Rn. 25 ff.; Urteil vom 20.7.2017 - BVerwG 2 C 31.16 -, juris Rn. 43 ff.; Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 24.21 -, juris Rn. 30 m. w. N.; Nds. OVG, Urteil vom 10.3.2020 - 5 LB 49/18 -, juris Rn. 56).

Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der schriftlichen Äußerung ergibt, dass der Beamte mit der jeweiligen Situation - hier dem Umfang der Arbeitszeit - nicht einverstanden ist. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden. Der Beamte kann dem Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung in jeder beliebigen Textform gerecht werden, etwa auch per E-Mail (BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2022 - BVerwG 2 C 5.21 -, juris Rn. 25; Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 24.21 -, juris Rn. 31 m. w. N.).

Dieser Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung begegnet keinen unionsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 24.21 -, juris Rn. 34 ff.). Zwar hat der Europäische Gerichtshof für die Verpflichtung auf Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit aus Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88/EG im Urteil vom 25. November 2010 (- C-429/09 [Fuß] -, juris Rn. 86) ausgeführt, dass einem Arbeitnehmer, dem durch den Verstoß seines Arbeitgebers ein Schaden entstanden sei, nicht zugemutet werden könne, zuvor einen Antrag bei diesem Arbeitgeber zu stellen, um einen Anspruch auf Ersatz dieses Schadens geltend zu machen. Denn die Verpflichtung des Arbeitgebers bestehe unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer zuvor die Einhaltung dieser Bestimmungen beantragt habe. Diese Ausführungen waren indes auf den dortigen Sonderfall bezogen, in dem bereits die Einforderung der Rechte unmittelbar Nachteile auf das Arbeitsverhältnis bewirkt hat. Denn der Arbeitgeber des dortigen Ausgangsverfahrens hatte vorab angekündigt und nachfolgend auch umgesetzt, jeden Arbeitnehmer, der die Einhaltung seiner Rechte geltend mache, in eine andere Dienststelle umzusetzen. In einer derartigen Situation, in der mit der Geltendmachung der bestehenden Rechte eine Sanktion des Arbeitgebers verbunden ist, verstößt es gegen den Effektivitätsgrundsatz, nachträgliche Schadensersatzforderungen von einem vorherigen Antrag abhängig zu machen. Abgesehen von dieser Sondersituation ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt, dass der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung für Ansprüche von Beamten auf Geldleistungen - oder wie hier auf Freizeitausgleich -, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, weder gegen den Äquivalenzgrundsatz noch gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt (vgl. EuGH, Urteile vom 19.6.2014 - C-501/12 [Specht] -, juris Rn. 115 und vom 9.9.2015 - C-20/13 [Unland] -, juris Rn. 72). Es ist vielmehr Sache der Mitgliedstaaten, für nationale Regelungen, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, Fristen festzulegen, die insbesondere der Bedeutung der zu treffenden Entscheidungen für die Betroffenen, der Komplexität der Verfahren und der anzuwendenden Rechtsvorschriften, der Zahl der potenziell Betroffenen und den anderen zu berücksichtigenden öffentlichen oder privaten Belangen entsprechen (EuGH, Urteil vom 8.7.2010 - C-246/09 [Bulicke] -, juris Rn. 36 m. w. N.).

Folglich kommt der unionsrechtliche Haftungsanspruch nur für die rechtswidrige Zuvielarbeit in Betracht, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet wurde (BVerwG, Urteil vom 29.9.2011 - BVerwG 2 C 32.10 -, juris Rn. 19 f.; Urteil vom 17.9.2015 - BVerwG 2 C 26.14 -, juris Rn. 25 ff.; Urteil vom 20.7.2017 - BVerwG 2 C 31.16 -, juris Rn. 43 ff.; Beschluss vom 2.7.2019 - BVerwG 2 B 78.18 -, juris Rn. 12; Nds. OVG, Urteil vom 10.3.2020 - 5 LB 49/18 -, juris Rn. 56). Diese Voraussetzungen sind erst ab Januar 2015 erfüllt. Denn der Kläger hat erstmals mit Schreiben vom 17. Dezember 2014, eingegangen am selben Tag beim E. F.-Stadt, beantragt, für die ab dem Jahr 2009 von ihm geleisteten Dienste, die ihm bislang bei der Anrechnung auf die Arbeitszeit vorenthalten worden seien, einen Freizeitausgleich 1:1 oder hilfsweise einen Ausgleich in Geld zu gewähren.

2. Auch für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2017 steht dem Kläger nicht ein Anspruch auf Freizeitausgleich für die bislang nicht anerkannten sieben Stunden je vollem Seetag der Schicht "Frei an Bord" bzw. der "Ruhezeit" aufgrund des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs zu.

Insofern hat er zwar den Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung gewahrt, es liegen jedoch nicht die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs vor.

a) Der unionsrechtliche Haftungsanspruch für Schäden, die dem Einzelnen durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht entstanden sind, setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs voraus, dass die verletzte Rechtsnorm bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 19.11.1991 - C-6/90 [Francovich] -, Leitsatz 4, juris; Urteil vom 25.11.2010 - C-429/09 [Fuß] -, juris Rn. 45 ff.; BVerwG, Urteil vom 26.7.2012 - BVerwG 2 C 29.11 -, juris Rn. 15; Urteil vom 17.9.2015 - BVerwG 2 C 26.14 -, juris Rn. 10; Urteil vom 17.11.2016 - BVerwG 2 C 23.15 -, juris Rn. 26; Urteil vom 20.7.2017 - BVerwG 2 C 36.16 -, juris Rn. 10; Urteil vom 19.4.2018 - BVerwG 2 C 40.17 -, juris Rn. 30; Nds. OVG, Urteil vom 10.3.2020 - 5 LB 49/18 -, juris Rn. 55).

Im vorliegenden Fall kommt allein ein Verstoß gegen Art. 6 Buchst. b) der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299 vom 18.11.2003 S. 9) in Betracht. Danach treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Damit wird ein Mindeststandard festgelegt, wobei die Mitgliedstaaten auch ein höheres Schutzniveau vorsehen können. Bereits bei einer Überschreitung dieser Obergrenze liegt ein Verstoß vor, ohne dass darüber hinaus nachzuweisen ist, dass dem betroffenen Arbeitnehmer ein spezifischer Nachteil entstanden ist (EuGH, Urteil vom 14.10.2010 - C-243/09 [Fuß] -, juris Rn. 53). Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen demnach ein subjektives Recht, das er unmittelbar mit dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (BVerwG, Urteil vom 20.7.2017 - BVerwG 2 C 31.16 -, juris Rn. 11; Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 7.21 -, juris Rn. 11).

Sieht der betreffende Mitgliedsstaat nach Art. 16 ff. der Richtlinie 2003/88/EG einen Bezugszeitraum vor, bleiben bei der Berechnung des Durchschnitts der Arbeitszeit gemäß Art. 16 Buchst. b) Unterabs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG die nach Artikel 7 gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten unberücksichtigt oder neutral. Diese Vorgabe des Unionsrechts verlangt, dass ungeachtet der Frage der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch eine Rechtsnorm die betreffenden Tage bei der Berechnung mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit anzusetzen sind. Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG). Auch der darüberhinausgehende, im nationalen Recht begründete Mehrurlaub ist indes mit der Soll-Arbeitszeit anzusetzen. Denn Art. 15 der Richtlinie 2003/88/EG lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Dies umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Kläger am Urlaubstag von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist und auch der Mehrurlaub der Erholung des Klägers dient, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum herangezogen werden (BVerwG, Urteil vom 20.7.2017 - BVerwG 2 C 31.16 -, juris Rn. 57 f.). Auch Feiertage, die auf Wochentage fallen, sind mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit einzubeziehen und damit grundsätzlich zu neutralisieren. Soweit der Kläger an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet war, können solche Tage nicht zum Ausgleich einer etwaigen Überschreitung der Höchstarbeitszeit herangezogen werden. Demgegenüber sind Zeiten, in denen dem Kläger ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde, keine Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (BVerwG, Urteil vom 20.7.2017 - BVerwG 2 C 31.16 -, juris Rn. 59).

Wie in Art. 6 Buchst. b) der Richtlinie 2003/88/EG festgelegt, kann die wöchentliche Arbeitszeit, die zur Überprüfung der Einhaltung der Obergrenze herangezogen wird, als Durchschnittswert im Bezugszeitraum berechnet werden. Der durch die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit bezweckte Schutz ist umso intensiver, je kürzer der für den Durchschnitt maßgebliche Bezugszeitraum ist. Besonders intensiv ist er, wenn der Bezugszeitraum mangels abweichender Regelung nur eine Woche (Siebentages-Zeitraum) beträgt, weil es dann unmöglich ist, eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit einer Woche durch geringere Arbeitszeiten anderer Wochen "wegzurechnen" (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 20.7.2017 - BVerwG 2 C 31.16 -, juris Rn. 31). Nach Art. 16 Buchst. b) Unterabs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG können die Mitgliedstaaten für die Anwendung des Art. 6 (wöchentliche Höchstarbeitszeit) einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten vorsehen. Ausnahmsweise kann der Bezugszeitraum in bestimmten Fällen gemäß Art. 17 Abs. 3 (Besondere Tätigkeiten) und 18 (Tarifverträge) der Richtlinie noch weiter verlängert werden. Gemäß Art. 19 der Richtlinie darf die in Artikel 17 Absatz 3 und in Artikel 18 vorgesehene Möglichkeit der Abweichung von Artikel 16 Buchst. b) nicht die Festlegung eines Bezugszeitraums zur Folge haben, der länger ist als sechs Monate, höchstmöglich als zwölf Monate. Der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, dass der Bezugszeitraum auf keinen Fall zwölf Monate überschreiten darf (vgl. EuGH, Urteil vom 3.10.2000 - C-303/98 [Simap] -, juris Rn. 69). Für Bundesbeamte wie den Kläger ist in § 87 Abs. 3 Satz 1 BBG in Verbindung mit § 2 Nr. 1 AZV vorgesehen, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die innerhalb von zwölf Monaten durchschnittlich zu erbringende wöchentliche Arbeitszeit ist. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 AZV darf in einem Bezugszeitraum von zwölf Monaten die durchschnittliche Arbeitszeit 48 Stunden im Siebentageszeitraum nicht überschreiten. Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob diese nationalen Regelungen im Einklang mit der Richtlinie 2003/88/EG stehen (vgl. zur spezifischen Landesregelung in Nordrhein-Westfalen: BVerwG, Urteil vom 17.2.2022 - BVerwG 2 C 5.21 -, juris Rn. 10 ff.; zu brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen im Jahr 2007: BVerwG, Urteil vom 20.7.2017 - BVerwG 2 C 31.16 -, juris Rn. 53 ff.), denn die Frage des Bezugszeitraums stellte sich nur, wenn die bislang nicht anerkannten Stunden der Schicht "Frei an Bord" bzw. der "Ruhezeit" Arbeitszeit wären. Daran fehlt es hier.

b) Bei den vom Kläger geltend gemachten 420 Stunden im Jahr 2015, 322 Stunden im Jahr 2016 und 448 Stunden im Jahr 2017 handelt es sich nicht um "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG, sondern um "Ruhezeit". Diese von dem Kläger an vollen Seetagen an Bord des I.-Schiffs während der Schicht "Frei an Bord" bzw. der "Ruhezeit" verbrachten Stunden haben nicht seine durchschnittliche Arbeitszeit erhöht mit der Folge, dass diese Zeiten nicht einen Anspruch auf Freizeitausgleich wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit begründen.

aa) Unter Arbeitszeit ist nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG jede Zeitspanne zu verstehen, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Ruhezeit ist jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit (Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2003/88/EG). Beide Begriffe schließen einander aus (EuGH, Urteil vom 3.10.2000 - C-303/98 [Simap] -, juris Rn. 47; Urteil vom 9.9.2003 - C-151/02 [Jaeger] -, juris Rn. 48; Urteil vom 1.12.2005 - C-14/04 [Dellas] -, juris Rn. 42; Urteil vom 21.2.2018 - C-518/15 [Matzak] -, juris Rn. 55). Hieraus folgt, dass Zeiten des "Sich-Bereit-Haltens", die ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner für den Arbeitgeber erbrachten Tätigkeiten verbringt, entweder als "Arbeitszeit" oder als "Ruhezeit" im Sinne der oben genannten Richtlinie einzuordnen sind (EuGH, Urteil vom 21.2.2018 - C-518/15 [Matzak] -, juris Rn. 55). Eine "Zwischenkategorie" zwischen "Arbeitszeit" und "Ruhezeit" sieht die Richtlinie also nicht vor (EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-580/19 [Stadt Offenbach am Main] -, juris Rn. 30; Urteil vom 11.11.2021 - C-214/20 [Dublin City Council] -, juris Rn. 35; Nds. OVG, Urteil vom 10.3.2020 - 5 LB 49/18 -, juris Rn. 83).

Der Europäische Gerichtshof hat sich mit der Abgrenzung der "Arbeitszeit" von der "Ruhezeit" wiederholt auseinandergesetzt. Er hat dabei betont, dass die Mitgliedstaaten den Inhalt dieser Begriffe nicht einseitig festlegen könnten, sondern dass diese Begriffe unionsrechtliche Begriffe darstellten, welche anhand objektiver Merkmale unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des Zwecks der Richtlinie - nämlich, Mindestvorschriften zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer aufzustellen - zu bestimmen seien; nur so werde die volle Wirksamkeit der Richtlinie und eine einheitliche Anwendung der Begriffe "Arbeitszeit" und "Ruhezeit" in sämtlichen Mitgliedstaaten sichergestellt (EuGH, Urteil vom 9.9.2003 - C-151/02 [Jaeger] -, juris Rn. 58; Urteil vom 1.12.2005 - C-14/04 [Dellas] -, juris Rn. 44; Urteil vom 10.9.2015 - C-266/14 [Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras] -, juris Rn. 27; Urteil vom 21.2.2018 - C-518/15 [Matzak] -, juris Rn. 62; Urteil vom 9.3.2021 - C-580/19 [Stadt Offenbach am Main] -, juris Rn. 31 f.).

Zunächst hat der Europäische Gerichtshof in Bezug auf Bereitschaftszeiten an Arbeitsplätzen, die sich nicht in der Wohnung des Arbeitnehmers befanden, festgestellt, dass es für das Vorliegen der charakteristischen Merkmale des Begriffs "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG entscheidend sei, dass der Arbeitnehmer persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend sein und ihm zur Verfügung stehen müsse, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können. Auch wenn die Arbeitsleistungen tatsächlich nicht in Anspruch genommen würden oder den Betreffenden ein Raum zum Ruhen oder Schlafen zur Verfügung gestellt werde, könnten diese aufgrund des festgelegten Arbeitsplatzes wenig über ihre freie Zeit verfügen und müssten sich außerhalb ihres familiären und sozialen Umfeldes aufhalten. Das Ziel, die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, in dem ihnen Mindestruhezeiten sowie angemessene Ruhepausen zugestanden würden, würde ernsthaft gefährdet, wenn der Bereitschaftsdienst in Form persönliche Anwesenheit nicht als Arbeitszeit zu werten wäre (EuGH, Urteil vom 3.10.2000 - C-303/98 [Simap] -, juris Rn. 48 f.; Urteil vom 9.9.2003 - C-151/02 [Jaeger] -, juris Rn. 60 ff. m. w. N.).

In seinem Matzak-Urteil aus dem Jahr 2018 hat der Europäische Gerichtshof dann klargestellt, dass der Arbeitsplatz des Betreffenden nicht der einzige "vom Arbeitgeber bestimmte Ort" zur Arbeitserbringung sei, sondern es sich dabei auch um andere Orte, insbesondere den Wohnsitz des Betreffenden - also dessen Privatbereich - handeln könne. Als Arbeitsplatz sei demnach jeder Ort zu verstehen, an dem der Arbeitnehmer nach Weisung seines Arbeitgebers eine Tätigkeit auszuüben habe, auch wenn es sich nicht um den Ort handele, an dem er seine berufliche Tätigkeit gewöhnlich ausübe (so später auch EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-580/19 [Stadt Offenbach am Main] -, juris Rn. 35). Da im Falle der Verpflichtung, an einem Arbeitsplatz zu bleiben, der mit der Wohnung des Betreffenden identisch sei oder diese zumindest einschließe, nicht zwangsläufig die Möglichkeiten beeinträchtigt seien, die Zeit, in der zwar auf Anrufe des Dienstherrn zu reagieren sei, aber der Betreffende nicht zu beruflichen Leistungen in Anspruch genommen werde, frei zu gestalten, sei die Einstufung als "Arbeitszeit" und "Ruhezeit" in einem solchen Fall von der Intensität der Einschränkung abhängig. Eine Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft sei insgesamt "Arbeitszeit", auch wenn der Arbeitnehmer während dieser Zeit nicht an seinem Arbeitsplatz bleiben müsse, sofern sie sich angesichts der objektiv vorhandenen und ganz erheblichen Auswirkungen der dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen auf seine Möglichkeiten, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, von einem Zeitraum unterscheide, in dem der Arbeitnehmer lediglich für seinen Arbeitgeber erreichbar sein müsse (vgl. EuGH, Urteil vom 21.2.2018 - C-518/15 [Matzak] -, juris Rn. 61 ff., vgl. auch Nds. OVG, Urteil vom 10.3.2020 - 5 LB 49/18 -, juris Rn. 89 ff.).

Das Kriterium der "ganz erheblichen Einschränkungen" hat der Europäische Gerichtshof dann fortentwickelt. Er hat festgestellt, dass unter den Begriff "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG sämtliche Bereitschaftszeiten einschließlich Rufbereitschaften fielen, während derer dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt würden, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigten. Umgekehrt stelle, wenn die dem Arbeitnehmer während einer bestimmten Bereitschaftszeit auferlegten Einschränkungen keinen solchen Intensitätsgrad erreichten und es ihm erlaubten, über seine Zeit zu verfügen und sich ohne größere Einschränkungen seinen eigenen Interessen zu widmen, nur die Zeit, die auf die gegebenenfalls während eines solchen Zeitraums tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung entfiele, "Arbeitszeit" für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie 2003/88/EG dar (EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-344/19 [Radiotelevizija Slovenija] -, juris Rn. 37 f. m. w. N. und Urteil vom 9.3.2021 - C-580/19 [Stadt Offenbach am Main] -, juris Rn. 38 f.; Urteil vom 11.11.2021 - C-214/20 [Dublin City Council] -, juris Rn. 38).

Klarzustellen ist, dass dabei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur solche Einschränkungen zu berücksichtigen sind, die dem Arbeitnehmer durch Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats, durch einen Tarifvertrag oder durch seinen Arbeitgeber - insbesondere aufgrund des Arbeitsvertrags, der Arbeitsordnung oder des Bereitschaftsdienstplans - auferlegt werden. Dies ist weit zu verstehen, so dass davon auch Einzelanweisungen des Dienstvorgesetzten erfasst sind. Organisatorische Schwierigkeiten, die eine Bereitschaftszeit für den Arbeitnehmer mit sich bringen können und die sich nicht aus solchen Einschränkungen ergeben, sondern zum Beispiel die Folge natürlicher Gegebenheiten oder der freien Entscheidung des Arbeitnehmers sind, können dagegen nicht berücksichtigt werden (EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-344/19 [Radiotelevizija Slovenija] -, juris Rn. 39 f.; Urteil vom 11.11.2021 - C-214/20 [Dublin City Council] -, juris Rn. 45). Deshalb ist für die Einstufung der Bereitschaftszeit als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG nicht relevant, dass es in dem Gebiet, das der Arbeitnehmer während einer Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft in der Praxis nicht verlassen kann, wenig Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten gibt und dass sein Arbeitsplatz schwer zugänglich ist (vgl. EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-344/19 [Radiotelevizija Slovenija] -, juris Rn. 42). Hinzuzufügen ist, dass in einem Fall, in dem der Arbeitnehmer schon aufgrund der Art des Arbeitsorts in der Praxis keine realistische Möglichkeit hat, diesen Ort am Ende der Arbeitszeit zu verlassen, nur Zeiträume, in denen er weiterhin objektiv gesehen ganz erheblichen Einschränkungen unterliegt, etwa der Verpflichtung, seinem Arbeitgeber sofort zur Verfügung zu stehen, automatisch als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG einzustufen sind, nicht aber Zeiträume, in denen sich die Unmöglichkeit, den Arbeitsort zu verlassen, nicht aus einer solchen Verpflichtung ergibt, sondern allein aus der besonderen Art dieses Ortes (vgl. EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-344/19 [Radiotelevizija Slovenija] -, juris Rn. 44).

Der Europäische Gerichtshof hat eine Vielzahl von Hinweisen gegeben, welche Einschränkungen und Erleichterungen im Rahmen der Gesamtbetrachtung von den nationalen Gerichten zu berücksichtigen sind, wenn wegen des Fehlens einer Verpflichtung, am Arbeitsplatz zu bleiben, eine Bereitschaftszeit nicht automatisch als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG eingestuft werden kann. Dazu im Einzelnen:

Es sei insbesondere zu berücksichtigen, über wie viel Zeit der Arbeitnehmer während seines Bereitschaftsdienstes verfüge, um seine beruflichen Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Aufforderung durch seinen Arbeitgeber aufzunehmen. Insoweit sei hervorzuheben, dass eine Bereitschaftszeit, in der ein Arbeitnehmer in Anbetracht der ihm eingeräumten sachgerechten Frist für die Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeiten seine persönlichen und sozialen Aktivitäten planen könne, a priori keine "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG sei. Umgekehrt sei eine Bereitschaftszeit, in der die dem Arbeitnehmer auferlegte Frist für die Aufnahme seiner Arbeit nur wenige Minuten betrage, grundsätzlich in vollem Umfang als "Arbeitszeit" im Sinne dieser Richtlinie anzusehen, da der Arbeitnehmer in diesem Fall in der Praxis weitgehend davon abgehalten werde, irgendeine auch nur kurzzeitige Freizeitaktivität zu planen. Gleichwohl sei die Auswirkung einer solchen Reaktionsfrist im Anschluss an eine konkrete Würdigung zu beurteilen, bei der gegebenenfalls die übrigen dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen sowie die ihm während seiner Bereitschaftszeit gewährten Erleichterungen zu berücksichtigen seien (vgl. EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-344/19 [Radiotelevizija Slovenija] -, juris Rn. 45 ff.; Urteil vom 9.9.2021 - C-107/19 [Dopravni podnik hl. M. Prahy] -, juris Rn. 35 f.; Urteil vom 11.11.2021 - C-214/20 [Dublin City Council] -, juris Rn. 40 ff.).

Von den nationalen Gerichten könne daneben berücksichtigt werden, wie oft der Arbeitnehmer im Durchschnitt während seiner Bereitschaftszeiten normalerweise tatsächlich Leistungen zu erbringen habe, wenn insoweit eine objektive Schätzung möglich sei. Ein Arbeitnehmer, der während einer Bereitschaftszeit im Durchschnitt zahlreiche Einsätze zu leisten habe, verfüge nämlich über einen geringeren Spielraum, um seine Zeit während der Perioden der Inaktivität frei zu gestalten, weil diese häufig unterbrochen werde. Dies gelte umso mehr, wenn die Einsätze, die dem Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeit normalerweise abverlangt würden, von nicht unerheblicher Dauer seien. Folglich handele es sich, wenn der Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeiten im Durchschnitt häufig zur Erbringung von Leistungen herangezogen werde, und diese Leistungen in der Regel nicht von kurzer Dauer seien, bei den Bereitschaftszeiten grundsätzlich insgesamt um "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeiten im Durchschnitt nur selten in Anspruch genommen werde, könne jedoch nicht dazu führen, dass sie als "Ruhezeiten" im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2003/88/EG anzusehen seien, wenn die dem Arbeitnehmer für die Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit auferlegte Frist hinreichende Auswirkungen habe, um seine Möglichkeit zur freien Gestaltung der Zeit, in der während der Bereitschaftszeiten seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen würden, objektiv gesehen ganz erheblich einzuschränken (vgl. EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-344/19 [Radiotelevizija Slovenija] -, juris Rn. 45 ff.).

Der Umstand, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wegen der besonderen Art des Arbeitsorts eine Dienstunterkunft zur Verfügung stelle, die sich an diesem Ort oder in dessen unmittelbarer Nähe befinde, sei als solcher kein ausschlaggebender Gesichtspunkt für die Einstufung von Bereitschaftszeiten, die in Form von Rufbereitschaft geleistet würden, als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG, sofern der Arbeitnehmer während dieser Zeiträume keinen Einschränkungen von solcher Art unterliege, dass seine Möglichkeit, sich seinen privaten Interessen zu widmen, dadurch objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigt werde.

Zu den zu berücksichtigenden Einschränkungen könnten Sanktionen wegen Überschreitung der Reaktionszeit oder die Verpflichtung zum Mitführen einer Spezialausrüstung zählen (EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-580/19 [Stadt Offenbach am Main] -, juris Rn. 49, 54).

Bei der Gesamtbeurteilung seien auch erleichternde Umstände zu berücksichtigen, wie etwa, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet sei, an allen von seiner Dienstwache aus durchgeführten Einsätzen teilzunehmen, oder die Möglichkeit habe, daneben eine andere berufliche Tätigkeit auszuüben (vgl. EuGH, Urteil vom 11.11.2021 - C-214/20 [Dublin City Council] -, juris Rn. 48). Ebenso sei in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen, ob der Arbeitnehmer ein Dienstfahrzeug, mit dem Sonderrechte im Straßenverkehr in Anspruch genommen werden könnten, zur Verfügung stehe oder ob er die Möglichkeit habe, der Inanspruchnahme durch seinen Arbeitgeber ohne Ortsveränderung nachzukommen (vgl. EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-580/19 [Stadt Offenbach am Main] -, juris Rn. 49).

Dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich gefolgt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.4.2021 - BVerwG 2 C 18.20 -, juris Rn. 30; Urteil vom 7.4.2022 - BVerwG 2 B 8.21 -, juris Rn. 10 ff.; Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 7.21 -, juris Rn. 10 und vom selben Tag - BVerwG 2 C 24.21 -, juris Rn. 12). Es hat entsprechend festgestellt, dass zu den zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalls:

- die Auswirkung der Reaktionsfrist,

- die Häufigkeit möglicher Unterbrechungen der Ruhepausen und

- die Unvorhersehbarkeit möglicher Unterbrechungen der Ruhepausen, die eine zusätzliche beschränkende Wirkung auf die Möglichkeit des Arbeitnehmers haben könne, die Zeit frei zu gestalten ("Daueralarmbereitschaft"),

gehörten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 7.21 -, juris Rn. 10). Hingegen seien der Grad der Verantwortung des Arbeitnehmers und die von ihm konkret zu erledigenden Aufgaben nicht von Bedeutung (vgl. BVerwG Urteil vom 7.4.2022 - BVerwG 2 B 8.21 -, juris Rn. 22).

Zusammenfassend ist festzustellen, dass grundsätzlich "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG vorliegt, wenn der Arbeitnehmer persönlich an seinem Arbeitsplatz oder einem anderen vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend sein und ihm zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können, oder ein solcher Ort zwar nicht bestimmt ist, die dem Arbeitnehmer auferlegte Frist für die Aufnahme seiner Arbeit aber nur wenige Minuten beträgt oder der Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeiten im Durchschnitt häufig zur Erbringung von Leistungen herangezogen wird und diese Leistungen in der Regel nicht von kurzer Dauer sind. Ausnahmen davon sind möglich, wenn die dem Arbeitnehmer gewährten Erleichterungen und/oder Handlungsspielräume es diesem ermöglichen, die Zeit für eigene Interessen zu nutzen. Unabhängig von den vorgenannten Elementen fallen unter den Begriff "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG sämtliche Bereitschaftszeiten, während derer dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen, also ein bestimmter Intensitätsgrad erreicht wird, der für eine Art Daueralarmbereitschaft spricht.

bb) Unter Zugrundlegung dieser Maßstäbe, denen der erkennende Senat folgt, stellen weder die vom Kläger an Bord verbrachten streitigen Zeiten in der Phase "Frei an Bord" im Jahr 2015 noch die streitigen Zeiten während der "Ruhezeit" in den Jahren 2016 und 2017 "Arbeitszeit" im Sinne von Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 2003/88/EG dar mit der Folge, dass diese Zeiten nicht bei der Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit zu berücksichtigen sind und insoweit keine unionsrechtswidrige Zuvielarbeit vorliegt.

(1) Der Kläger musste sich während der Phase "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" nicht an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort - dem Einsatzschiff - aufhalten und diesem dort auch nicht zur Verfügung stehen, um gegebenenfalls sofort Leistungen erbringen zu können. Die Vertreter der C. haben in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, dass es weder eine Anweisung gegeben habe, dass der Kläger das Einsatzschiff während dieser Zeiten nicht verlassen dürfe, noch, dass er dem Dienstherrn sofort zur Verfügung zu stehen habe. Dem Kläger werde nur Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung gestellt, weil er sich nicht am Wohnort aufhalte. Bereits zuvor hatten sie auf die gerichtliche Verfügung vom 3. Januar 2024 hin mit der Berufungserwiderung vom 19. Januar 2024 mitgeteilt, es habe keine Anweisungen des Dienstherrn gegeben, dass der Kläger das Einsatzschiff während der gesamten Zeit der Seestreife nicht haben verlassen dürfen und er dem Dienstherrn auch während der gesamten Zeit der Seestreife sofort (d. h. innerhalb einer besonders kurzen Reaktionsfrist ohne vorherige Planung) zur Verfügung habe stehen müssen (vgl. Bl. 280/GA). Der Kläger hat zwar behauptet, er sei zu 100 % in der Wahl seines Aufenthaltsortes eingeschränkt gewesen, weil er seine Ruhezeiten aufgrund einer konkreten dienstlichen Weisung an Bord des Einsatzschiffs habe verbringen müssen. Dies sei vergleichbar mit einem L.-Beamten, der sich auf Weisung seines Dienstherrn in einem Hotel aufhalten müsse (vgl. Berufungsbegründung - BB - vom 6.5.2021, S. 2 f. [Bl. 168 f./GA]). Diese pauschale Behauptung hat er aber in keiner Weise belegt. In der mündlichen Verhandlung hat er insoweit nur erneut auf die Dienstpläne und die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Einsatz von L.-Vollzugsbeamten bei Demonstrationen verwiesen. Aus den Schicht- und Dienstplänen bzw. den Arbeitszeitmodellen ergibt sich indes nur, wann der Kläger regelmäßig die Schicht "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" hatte, nicht aber, dass er diese an Bord des Einsatzschiffs hätten verbringen müssen. Der Kläger hat auch keinen entsprechenden Einsatzbefehl - wie in der von ihm in Bezug genommenen Rechtsprechung zu L.-Vollzugsbeamten (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29.4.2021 - BVerwG 2 C 32.20 -, juris Rn. 16; Nds. OVG, Urteil vom 12.6.2020 - 5 LC 2/18 -, juris Rn. 66 ff.) - vorgelegt. Darüber hinaus hat er auch nicht dargelegt, dass während der Zeiten "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" - neben der behaupteten Ortsgebundenheit - ausdrücklich seine Einsatzbereitschaft angeordnet worden war.

Allerdings hat der Kläger zutreffend darauf hingewiesen, dass er für eine jederzeitige dienstliche Inanspruchnahme zur Verfügung gestanden habe, weil er den dienstlichen Bereich nicht verlassen und sich aus diesem Grund dem Zugriff des Dienstherrn nicht habe entziehen können. Diese örtliche Aufenthaltsbeschränkung des Klägers für den Zeitraum "Frei an Bord" bzw. "Ruhezeit" ergab sich aus der faktischen Situationsgebundenheit des Einsatzschiffs auf hoher See. Der Kläger war mithin aufgrund faktischer Gegebenheiten daran gebunden, diese Zeiten an Bord des Einsatzschiffs zu verbringen. Nach der oben dargelegten Rechtsprechung sind solche organisatorischen Schwierigkeiten, die die Folge natürlicher Gegebenheiten sind, nicht als Einschränkungen des Arbeitnehmers berücksichtigungsfähig. Hat der Arbeitnehmer - wie der Kläger - schon aufgrund der Art des Arbeitsortes in der Praxis keine realistische Möglichkeit, diesen Ort am Ende der Arbeitszeit zu verlassen, sind nur Zeiträume, in denen er weiterhin objektiv gesehen ganz erheblichen Einschränkungen unterliegt, als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG einzustufen, nicht aber Zeiträume, in denen sich die Unmöglichkeit, den Arbeitsort zu verlassen, nicht aus einer Verpflichtung des Arbeitgebers/Dienstherrn ergibt, sondern allein aus der besonderen Art dieses Ortes. Folglich sind in den Fällen, in denen der Betreffende seine Ruhezeiten nur aufgrund der örtlichen Gegebenheiten - Betreuung einer Sendeanlage in unwegsamen Gelände (vgl. EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-344/19 [Radiotelevizija Slovenija] -, juris Rn. 39 f.) oder Dienst an Bord eines Schiffs - am Arbeitsort verbringen muss, diese Ruhezeiten nicht automatisch "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG, sondern es bedarf einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls.

(2) Während der Schicht "Frei an Bord" im Jahr 2015 und der "Ruhezeit" in den Jahren 2016 und 2017 war dem Kläger nach Überzeugung des Senats keine Frist für die Aufnahme seines Dienstes innerhalb von nur wenigen Minuten auferlegt mit der Folge, dass die geltend gemachten Zeiten nicht wegen des Kriteriums "sehr kurze Reaktionszeit" als "Arbeitszeit" im Sinne der der Richtlinie 2003/88/EG zu berücksichtigen sind.

Der Kläger hat zwar vorgetragen, bei den "Frei an Bord"-Zeiten handele es sich um Bereitschaftsdienst, da er über die Nutzung seiner Zeit nicht habe frei verfügen können. Eine planbare oder nicht planbare Freizeit habe ab Dienstbeginn am Dienstag um 12.00 Uhr an Bord nicht mehr existiert. Zudem habe er jederzeit zum Dienst auch in den vorgesehenen Ruhezeiten aufgefordert werden können. Seine Möglichkeiten, sich während der Zeiten des "Sich-Bereit-Haltens" seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, seien auf Null reduziert gewesen, weil er jederzeit durch den Kommandanten des Einsatzschiffs abrufbar gewesen sei und auch tatsächlich abgerufen worden sei. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 9. September 2021 (- C-107/19 [Dopravni podnik hl. M. Prahy] -, juris) sei auf seinen Fall übertragbar, weil auch ihm ein Standortwechsel untersagt gewesen sei und er nicht innerhalb von zwei Minuten, sondern sofort einsatzbereit habe sein müssen. Diesem Vorbringen folgt der Senat nicht.

Der Kläger versah seinen Dienst nach festgelegten Dienstplänen, in welchen im Jahr 2015 die Schicht "Frei an Bord" und in den Jahren 2016 und 2017 die "Ruhezeit" vorgesehen war. Wie bereits ausgeführt, hat die C. versichert, dass es keine Anweisung gegeben habe, dass der Kläger dem Dienstherrn während der gesamten Zeit der Seestreife, insbesondere während der streitigen Zeiten, sofort, d. h. innerhalb einer besonders kurzen Reaktionsfrist ohne vorherige Planbarkeit, zur Verfügung habe stehen müssen. Diese Aussage ist auch glaubhaft, denn die Beklagte sah diese Zeiten weder als Zeiten des Bereitschaftsdienstes noch als Zeiten der Rufbereitschaft an und machte schon deshalb keine Vorgaben im Hinblick auf Reaktionsfristen des Klägers. Letztlich bestand auch insoweit die Sondersituation, dass der Kläger die streitigen Zeiten "Frei an Bord" und "Ruhezeit" aufgrund dessen, dass sich das Einsatzschiff auf See befand, an Bord verbringen musste und sich aus diesem Grund dem Zugriff des Dienstherrn nicht entziehen konnte. Nur aufgrund der örtlichen Gegebenheiten war er sofort, d. h. innerhalb einer an sich außergewöhnlich kurzen Reaktionszeit, "greifbar" und damit auch während eigentlicher Ruhezeiten einsatzbereit. Wie oben dargelegt, sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur solche Einschränkungen zu berücksichtigen, die dem Arbeitnehmer durch Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats, durch einen Tarifvertrag oder durch seinen Arbeitgeber - insbesondere aufgrund des Arbeitsvertrags, der Arbeitsordnung oder des Bereitschaftsdienstplans - auferlegt worden sind. Der Dienstherr legte dem Kläger im hier streitgegenständlichen Zeitraum aber keinerlei Reaktionsfrist innerhalb der Phase "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" auf, so dass sich daraus auch keine "ganz erheblichen Einschränkungen" für die Nutzung dieser Zeiten durch den Kläger ergeben können. Gegen die Anordnung einer kurzen Reaktionsfrist im Minutenbereich spricht auch die Schilderung des Klägers im Parallelverfahren mit dem Aktenzeichen 5 LC 35/21. Dieser ist in der mündlichen Verhandlung als ehemaliger Kapitän des Einsatzschiffs informatorisch angehört worden und hat sich dahin gehend geäußert, dass die Zeiten für Manöver wie Ein- und Auslaufmanöver am ersten Wechseltag bekanntgegeben worden seien. Spontane Inanspruchnahmen der Besatzungsmitglieder für Manöver beträfen Seenotfälle oder Helikoptereinsätze. Letztere seien indes von der Marine mit einer Vorlaufzeit von einmal 24 Stunden, einmal zwei bis drei Stunden angekündigt worden.

(3) Der Kläger wurde während der Schicht "Frei an Bord" im Jahr 2015 und der "Ruhezeit" in den Jahren 2016 und 2017 im Durchschnitt nicht häufig zur Erbringung von Leistungen, die nicht nur von kurzer Dauer waren, herangezogen mit der Folge, dass nicht etwa wegen der Häufigkeit der Unterbrechung dieser Zeiten diese insgesamt als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG anzusehen sind.

(a) Ein häufiger Einsatz des Klägers während der streitgegenständlichen Zeiten an vollen Seetagen ergibt sich nicht aus den festgelegten seemännisch organisierten Wachsystemen an Bord des Einsatzschiffs und den Arbeitszeitregelungen der Beklagten.

Nach dem bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Arbeitszeitmodell waren die Zeiten in der Schicht "Frei an Bord" nicht zur Dienstverrichtung eingeplant, sondern dienten der Erholung und stellten damit "Ruhezeit" im Sinne der Richtlinie dar. Nach diesem Modell hatte der Kläger an vollen Seetagen vier Stunden Wache ("Schiffsbetrieb"/"Seewache"/"Volldienst"), dann vier Stunden Bereitschaftszeit ("Freiwache") und danach vier Stunden Ruhezeit ("Frei an Bord"); wobei sich die einzelnen Wachabschnitte im selben Turnus wiederholten (vgl. "Arbeitszeitregelungen für die Besatzungen der K.-Schiffe und ergänzende organisatorische Maßnahmen für den Betrieb der K.-Schiffe" des E. F.-Stadt vom 29.6.2010 - O 1525 B-A 202, S. 1; Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 1.2.2024 [Bl. 305 ff./GA]). Bei diesem Drei-Wachen-System waren alle Posten durch drei Wachen besetzt: Während der Schicht, in der die 1. Wache als diensthabende "Seewache" ihren regulären Dienst versah, war die 2. Wache zum Bereitschaftsdienst, der sog. "Freiwache", eingeteilt und die Besatzungsmitglieder der 3. Wache befanden sich in der Phase "Frei an Bord". Ein solches Drei-Wachen-System spricht gegen eine übermäßige Inanspruchnahme des Klägers während der Schicht "Frei an Bord". Denn den eigentlichen Dienst verrichtete zu dieser Zeit die jeweilige "Seewache". Bei Bedarf zusätzlicher Arbeiten erfolgte zunächst der Rückgriff auf den Bereitschaftsdienst, die sog. "Freiwache". Erst wenn darüber hinaus im absoluten Ausnahmefall ein weiterer Bedarf bestand, wurden die Besatzungsmitglieder, die sich in der Schicht "Frei an Bord" befanden, zum Dienst herangezogen. Diese Besatzungsmitglieder waren während der Schicht "Frei an Bord" demnach durch zwei andere Wachen vor einer Heranziehung zum Dienst "doppelt abgesichert". Insofern unterscheidet sich das Drei-Wachen-System maßgeblich von einem Zwei-Wachen-System (vgl. zum Zwei-Wachen-System: BVerwG, Urteil vom 22.1.2009 - BVerwG 2 C 90.07 -, juris), bei dem es nur die Schichten "Seewache" und "Freiwache" gibt.

Zudem war in 2.1.3.1 der vorgenannten Arbeitszeitregelungen festgelegt, dass die Arbeitszeit von 17 Stunden an vollen Seetagen nur überschritten werden darf - also eine Heranziehung zum Dienst in den zwei mal vier Stunden "Frei an Bord" erfolgen darf -, wenn die Aufgaben es zwingend erforderten (zum Beispiel Nacheile, Begleiten eines aufgebrachten Schiffes, Hilfeleistung in Seenotfällen) bzw. nach 2.1.3.2. dieser Regelung in den Fällen höherer Gewalt (zum Beispiel Unwetter, Eisgang, plötzlich auftretende Schäden an Schiff und Maschine). Diese Regelungen sprechen dafür, dass Besatzungsmitglieder während der Phase "Frei an Bord" nur in absoluten Ausnahmefällen zum Dienst heranzuziehen waren.

Auch aus dem zum 1. Januar 2016 eingeführten Arbeitszeitmodell folgt nicht die objektive Möglichkeit einer häufigen Inanspruchnahme des Klägers während seiner "Ruhezeit". Dieses Modell sieht an vollen Seetagen für jede der drei Wachen durchgehend acht Stunden "Ruhezeit" vor, nämlich für die 1. Wache von 16.00 Uhr bis 24.00 Uhr, für die 2. Wache von 20.00 Uhr bis 4.00 Uhr und für die 3. Wache von 0.00 Uhr bis 8.00 Uhr. Im Zeitraum von 20.00 Uhr bis 4.00 Uhr hat eine Wache "Seewache", während die beiden anderen Wachen "Ruhezeit" haben. Für die 1. Wache betrifft das vier Stunden "Ruhezeit (von 20.00 Uhr bis 24.00 Uhr), für die 2. Wache acht Stunden "Ruhezeit" (von 20.00 Uhr bis 4.00 Uhr) und für die 3. Wache vier Stunden "Ruhezeit" (von 0.00 Uhr bis 4.00 Uhr). Einen Bereitschaftsdienst wie die sogenannte "Freiwache" gibt es während der nächtlichen "Ruhezeit" nicht mehr. Die Beklagte hat demnach zwar die Organisationsgrundentscheidung getroffen, die frühere "Freiwache" in der Zeit von 20.00 Uhr bis 4.00 Uhr abzuschaffen. Ziel war dabei vor allem, für alle drei Wachen eine möglichst störungsfreie durchgehende nächtliche "Ruhezeit" von acht Stunden einzuführen. Auch wenn es aufgrund dieser Organisationsgrundentscheidung nunmehr kein nächtliches Drei-Wachen-System mehr gibt, folgt daraus dennoch nicht die objektive Möglichkeit einer häufigen Inanspruchnahme der Besatzungsmitglieder während ihrer nächtlichen "Ruhezeit". Denn insoweit ist zu beachten, dass sich die Anzahl der Besatzungsmitglieder nicht verringert hat. Das neue Arbeitszeitmodell sieht vor, dass - sollte die eigentliche "Seewache" nicht ausreichen - ein Rückgriff auf die Besatzungsmitglieder zweier Wachen, die sich in ihrer nächtlichen "Ruhezeit" befinden, möglich ist. Der Pool möglicher Noteinsatzkräfte aus der Schicht "Ruhezeit" nach dem neuen Arbeitszeitmodell hat sich gegenüber dem Pool der Besatzungsmitglieder in der Phase "Frei an Bord" nach dem bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Arbeitszeitmodell damit verdoppelt. Stehen Besatzungsmitglieder zweier Wachen gleichrangig als "Notreserve" zur Verfügung, sinkt für das einzelne Besatzungsmitglied die Wahrscheinlichkeit, ergänzend zur "Seewache" zum Dienst während seiner nächtlichen "Ruhezeit" herangezogen zu werden. Aus dem zum 1. Januar 2016 eingeführten Arbeitszeitmodel ergibt sich auch deshalb nicht per se eine häufige Inanspruchnahme des Klägers während seiner "Ruhezeit", weil der I.-Kapitän danach an vollen Seetagen für die 1. Wache im Zeitraum vom 4.00 Uhr bis 12.00 Uhr, für die 2. Wache im Zeitraum von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr und für die 3. Wache im Zeitraum von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr nach seinem Ermessen vier Stunden "Boarding/Arbeitsdienst", drei Stunden "Ruhe" und eine Stunde "Notfallbereitschaft" einteilt. Folglich kann der I.-Kapitän während dieser Zeiträume eine "doppelten Sicherung" für die Besatzungsmitglieder in "Ruhezeit"/"Ruhe" vor einer Heranziehung zum Dienst gewährleisten, indem er neben der "Seewache" die dritte verbleibende Wache zu insgesamt vier Stunden "Boarding/Arbeitsdienst" und einer Stunde "Notfallbereitschaft" heranzieht.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte für einen vollen Seetag 17 Stunden als Arbeitszeit anerkannt hat, mithin teilweise auch Zeiten der Phase "Frei an Bord" und der "Ruhezeit". Denn nach dem bis zum Jahr 2015 geltenden Arbeitszeitmodell musste der Kläger insgesamt 16 Stunden "Seewache"/"Freiwache" und damit Arbeitszeit leisten. Ihm wurde demnach an vollen Seetagen pauschal eine der acht Stunden "Frei an Bord" als Arbeitszeit angerechnet. Nach dem seit 2016 geltenden Arbeitszeitmodell, das acht Stunden nächtliche "Ruhezeit" zuzüglich drei Stunden "Ruhe" tagsüber, also insgesamt elf Stunden "Ruhezeit" vorsieht, werden davon vier Stunden "Ruhezeit" als Arbeitszeit an vollen Seetagen anerkannt. Diese bereits anerkannten Zeiten könnten nicht erneut als Arbeitszeit berücksichtigt werden, selbst wenn der Kläger während dieser Zeiten tatsächlich zum Dienst herangezogen worden wäre. Der Kläger müsste folglich je vollem Seetag im Jahr 2015 mehr als eine Stunde der Schicht "Frei an Bord" und in den Jahren 2016 und 2017 mehr als vier Stunden während der "Ruhezeit" in Anspruch genommen worden sein. Insbesondere die großzügige Anerkennung von vier Stunden "Ruhezeit" als Arbeitszeit seit dem Jahr 2016 spricht gegen eine Inanspruchnahme des Klägers während der bislang nicht anerkannten Zeiten im Umfang von sieben Stunden "Frei an Bord"/ "Ruhezeit" je vollem Seetag.

(b) Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass er entgegen dieser Arbeitszeitmodelle - die gesicherte Ruhezeiten während der vollen Seetage vorsehen (s. o.) - im Jahr 2015 in der Phase "Frei an Bord" und in den Jahren 2016 und 2017 in der nächtlichen "Ruhezeit" normalerweise im Durchschnitt häufig zum Dienst herangezogen wurde und diese Leistungen in der Regel nicht von kurzer Dauer waren.

Soweit die Beteiligten übereinstimmend erklärt haben, bei Auslauf- und Einlaufmanövern sei die Anwesenheit aller Besatzungsmitglieder auf den Stationen erforderlich und dies könne zur Unterbrechung der Phase "Frei an Bord" bzw. der "Ruhezeit" führen, ist darauf hinzuweisen, dass streitgegenständlich für die rechtzeitig geltend gemachten Ansprüche der Jahre 2015 bis 2017 nur die nicht berücksichtigten Zeiten im Umfang von sieben Stunden der Phase "Frei an Bord" bzw. der "Ruhezeit" während der vier vollen Seetage sind. Volle Seetage sind indes solche Tage, die vollständig auf See verbracht werden. An solchen Tagen finden keine Auslauf- und Einlaufmanöver statt, die als Unterbrechung der Phase "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" zu berücksichtigen wären.

Der Kläger hat behauptet, bestimmte Rollenmanöver seien bei jeder Seestreife vorgeschrieben. Bei verschiedenen Manövern und Übungen seien regelmäßig sämtliche Besatzungsangehörige vom I.-Kapitän auf Manöverstation befohlen worden. Regelmäßig fänden Sicherheitskontrollen wie Feuerlöschübungen (Leck- und Brandabwehr) statt, bei denen jedem Besatzungsmitglied eine bestimmte Tätigkeit zugewiesen sei. Auch der weitere Rollendienst und die Mann-über-Bord-Manöver (sog. Eigensicherheitsübungen) fänden regelmäßig mit erheblichem Zeitaufwand (Klarmachen der Rettungsmittel, Bereitmachen und Abfieren des Beiboots für die Aufnahme, Besetzung des Beiboots, Vorbereitung der sanitätsdienstlichen Versorgung) statt. Darüber hinaus werde regelmäßig mit den Handwaffen das Seezielschießen durchgeführt. Regelmäßig werde auch ein Winschmanöver mit einem Hubschrauber geübt (Helikopter-Transfer). Während der Seestreifen fänden die Ausbildung in Erster Hilfe und Arbeitsschutzbelehrungen statt. Dieses Vorbringen ist glaubhaft, denn die Beklagte hat dem nicht widersprochen und aus den von ihr vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass beispielsweise am 14. Januar 2015 die gesamte Mannschaft in Arbeitssicherheit unterwiesen wurde, am 5./6. Februar 2015 ein Seezielschießen der kompletten Besatzung stattfand und am 28. Februar 2015 die gesamte Besatzung an einer HVT-Übung teilnahm (vgl. Anlage 2 zur BE vom 1.2.2024 [Bl. 304/GA]). Zudem hat auch der Kläger im Parallelverfahrens mit dem Aktenzeichen 5 LC 35/21, der als ehemaliger Kapitän des Einsatzschiffs in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden ist, sich dahingehend geäußert, dass alle Besatzungsmitglieder bei der Helikopter-Übung an Bord sein müssten.

Allein daraus, dass alle Besatzungsmitglieder zu den vorgenannten Manövern herangezogen worden sind, folgt indes nicht, dass der Kläger während der streitigen Zeiten "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" tatsächlich regelmäßig für die vorgenannten Manöver, Schulungen und Belehrungen in Anspruch genommen worden ist. Der insoweit darlegungspflichtige Kläger hat bereits nicht konkret datiert, wann diese Manöver in welchem zeitlichen Umfang stattgefunden haben und dass er sich während dieser Manöver in seiner Phase "Frei an Bord" im Jahr 2015 bzw. seiner "Ruhezeit" in den Jahren 2016 und 2017 während voller Seetage befunden hat.

Dagegen hat die Beklagte glaubhaft versichert, dass die von dem Kläger benannten "Aktivitäten" tagsüber während des regulären Dienstbetriebs stattgefunden hätten und nicht erst kurzfristig vom verantwortlichen I.-Kapitän geplant worden seien. Planbare Aktivitäten seien - bis auf die Helikopter-Übung - nicht in die Nachtzeit gelegt worden, um die Ruhezeiten der dienstfreien Besatzungsmitglieder nicht zu unterbrechen (vgl. BE vom 19.1.2024, S. 5 und BE vom 1.2.2024, S. 6 [Bl. 280, 296/GA]). Schon in dem Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2015 hat die Beklagte ausgeführt, der I.-Kapitän habe ausgesagt: "Nachts ist Ruhe an Bord" sowie darauf hingewiesen, dass eine Unterweisung in Erster Hilfe nur aller zwei Jahre einmal stattfinde. Die Beklagte hat darüber hinaus mitgeteilt, der I.-Kapitän sei dafür verantwortlich, Übungen wie zum Beispiel Feuerlöschübungen und Mensch-über-Bord-Manöver monatlich - also je monatlicher Seestreife - durchzuführen (vgl. BE vom 1.2.2014, S. 6). Dies hat der Kläger nicht in Abrede gestellt. Der Senat geht deshalb davon aus, dass solche "Aktivitäten" nur in größeren Abständen vom I.-Kapitän und zwar nicht kurzfristig und grundsätzlich nicht für die Nacht an vollen Seetagen in den Jahren 2015 bis 2017 angeordnet worden sind. Die durchgehende nächtliche Ruhezeit nach dem seit 2016 geltenden Arbeitszeitmodell wurde demnach gewahrt.

Darüber hinaus hat die Beklagte konkret datiert und im Umfang beziffert, wann und wie lange der Kläger während seiner Phase "Frei an Bord" im Jahr 2015 und seiner "Ruhezeit" in den Jahren 2016 und 2017 zum Dienst herangezogen worden ist. Für das Jahr 2015 hat sie als konkrete Unterbrechungen der Phase "Frei an Bord" des Klägers an vollen Seetagen das jeweils einstündige Seezielschießen am 5. und 6. Februar 2015 und das einstündige Feuerlöschmanöver am 5. November 2015 benannt. In den Jahren 2016 und 2017 hat sie dagegen keine Teilnahme des Klägers an anderen Manövern während der "Ruhezeit" der vollen Seetage dokumentiert. Diese Auflistungen der konkreten Inanspruchnahme des Klägers in den streitgegenständlichen Jahren 2015 bis 2017 lässt damit nur auf eine äußerst seltene und zeitlich sehr überschaubare Heranziehung des Klägers zu sonstigen Manövern, Schulungen und Belehrungen während seiner Phase "Frei an Bord" im Jahr 2015 und keinerlei Inanspruchnahme während der "Ruhezeit" in den Jahren 2016 bis 2017 schließen und nicht auf einen tatsächlichen häufigen Abruf durch den Kommandanten des Einsatzschiffs während der Phase "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" an vollen Seetagen.

Weiter hat der Kläger behauptet, er werde immer bei der Bordung von Fischereifahrzeugen und der anschließenden Kontrolle herangezogen, weil er sich bei der Wahrnehmung der Aufgaben auf dieses Teilgebiet spezialisiert habe. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten, so dass der Senat davon ausgeht, dass der Kläger immer an solchen Schiffskontrollen teilgenommen hat. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Kläger sich für diese Spezialisierung frei entschieden hat und nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs organisatorische Schwierigkeiten, die sich nicht aus rechtlichen Einschränkungen, sondern aus der freien Entscheidung des jeweiligen Arbeitnehmers ergeben, schon nicht zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-344/19 [Radiotelevizija Slovenija] -, juris Rn. 40). Darüber hinaus hat der Kläger auch nicht dazu vorgetragen, wann und wie häufig solche Kontrollen während seiner Phase "Frei an Bord" im Jahr 2015 und seiner "Ruhezeit" in den Jahren 2016 bis 2017 stattgefunden haben. Stattdessen hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, Fischereikontrollen seien auf dem Einsatzschiff des Klägers im Jahr 2013 nur viermal durchgeführt worden, in den Jahren 2014 und 2015 dagegen gar nicht. Auch für die Jahre 2016 und 2017 - in denen zudem die nächtliche "Ruhezeit" galt - sind keine Kontrollen in den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen dokumentiert. Der Senat geht deshalb davon aus, dass eine Inanspruchnahme des Klägers während der bislang nicht anerkannten Zeiten "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" während der vollen Seetage in den Jahren 2015 bis 2017 für die Bordung von Fischereifahrzeugen und der anschließenden Kontrolle nicht erfolgt ist.

Soweit der Kläger auf Sonderdienste wie Seenotrettungen und auf den erhöhten Personalbedarf bei Sturmfahrten verwiesen hat, hat die Beklagte eingeräumt, dass der Kläger in extremen Notfallsituationen zur Dienstverrichtung herangezogen worden sei, obwohl er sich gerade in der Phase "Frei an Bord" und in der "Ruhezeit" befunden habe, zugleich aber klargestellt, dass dies nur in absoluten Ausnahmefällen vorgekommen sei. Solche absoluten Ausnahmefälle sind extreme Notfälle aufgrund höherer Gewalt wie Unwetter, Eisgang oder plötzlich auftretende Schäden an Schiff und Maschine sowie Sonderfälle wie die Nacheile, das Begleiten eines aufgebrachten Schiffes oder die Hilfeleistung in Seenotfällen (vgl. so 2.1.3. der "Arbeitszeitregelungen für die Besatzungen der K.-Schiffe und ergänzende[n] organisatorische[n] Maßnahmen für den Betrieb der K.-Schiffe"). Der Kläger hat nur pauschal auf solche Sonderdienste verwiesen, ohne darzulegen, dass während der streitgegenständlichen Zeiten in den Jahren 2015 bis 2017 überhaupt - und erst recht nicht normalerweise - Sturmfahren stattgefunden oder Schäden an Schiff und Maschine eingetreten wären. Die Beklagte hat vorgetragen, im Jahr 2013 habe es auf dem Einsatzschiff des Klägers nur einen Einsatz wegen eines Seenotfalles gegeben, im Jahr 2014 sei es zu drei Einsätzen und im Jahr 2015 zu keinem Einsatz dieser Art gekommen (vgl. auch Widerspruchsbescheid vom 21.12.2015, S. 7). Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten. Für die Jahre 2016 bis 2017 sind keine konkreten Seenotfälle bekannt. Zusammenfassend ist festzustellen, dass weder dokumentiert noch substantiiert vorgetragen ist, dass es in den bislang nicht anerkannten Zeiten der Phase "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" des Klägers in den Jahren 2015 bis 2017 zu solchen Notfallsituationen gekommen ist.

Ferner hat der Kläger darauf hingewiesen, dass nach dem seit 2016 geltenden Arbeitszeitmodell seine Ruhezeit als 1. Wache von 16.00 Uhr bis 24.00 Uhr jedenfalls durch das Abendessen um 17.30 Uhr unterbrochen werde. Aufgrund des Beteiligtenvorbringens geht der Senat zwar davon aus, dass der I.-Kapitän in den Jahren 2015 bis 2017 die Zeit für das Abendessen auf 17.30 Uhr festlegte. Zu dieser Uhrzeit hatte nach dem alten Arbeitszeitmodell die 3. Wache die Phase "Frei an Bord" (16.00 Uhr bis 20.00 Uhr, vgl. BE vom 19.1.2024, S. 3) und in den Jahren 2016 und 2017 nach dem neuen Arbeitszeitmodell die 1. Wache "Ruhezeit" (16.00 Uhr bis 24.00 Uhr). Zur Einnahme des Abendessens mussten die Besatzungsmitglieder dieser Wachen ihre Ruhezeiten folglich unterbrechen. Bei dem Abendessen handelte es sich indes schon nicht um eine tatsächliche Heranziehung zu dienstlichen Leistungen aufgrund einer Dienstanweisung, sondern um ein freiwilliges Angebot. Insofern kann dahinstehen, welche Pausenzeiten der Koch hatte und ob die Vorbereitung und Einnahme des Abendessens zu anderen Zeiten möglich gewesen wäre.

(4) Unabhängig von den vorgenannten Elementen fallen unter den Begriff "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG sämtliche Bereitschaftszeiten, während deren dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen, also ein bestimmter Intensitätsgrad erreicht wird, der für eine Art Daueralarmbereitschaft bzw. eine Dauerbelastung spricht. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Der Kläger hat ausgeführt, eine planbare oder nicht planbare Freizeit existiere ab Dienstbeginn am Dienstag um 12.00 Uhr an Bord des I.-Schiffs nicht mehr. Während der Zeiten "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" könne er nicht über die Nutzung seiner Zeit frei verfügen. Seine Möglichkeiten, sich während dieser Zeiten seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, seien auf Null reduziert, weil er jederzeit durch den Kommandanten des Einsatzschiffs abrufbar sei und auch tatsächlich abgerufen werde. Ihm sei untersagt, an Bord Alkohol zu trinken. Er könne diese Zeiten nicht mit seinen Familienangehörigen verbringen und aufgrund dessen, dass sich das Schiff außerhalb der Handyreichweite befinde, nicht einmal mit ihnen telefonieren. Nach dem seit 2016 geltenden Arbeitszeitmodell habe er als 1. Wache keine ununterbrochene "Ruhezeit", weil diese jedenfalls durch das Abendessen um 17.30 Uhr unterbrochen werde. Von Erholung während der streitigen Zeiten könne überhaupt keine Rede sein, weil aufgrund des Dienstbetriebs und der Lärmbelästigung - die Wände seien kaum schallisoliert - kein richtiges Schlafen möglich sei.

Mit diesem Vorbringen hat der Kläger nicht einen Intensitätsgrad der gesamten ihm auferlegten Einschränkungen während seiner bislang noch nicht berücksichtigten Zeiten der Phase "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" an vollen Seetagen in den Jahren 2015 bis 2017 dargelegt, der für eine "Daueralarmbereitschaft"/"Dauerbelastung" während dieser Zeiten spricht. Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten ist der Senat der Überzeugung, dass der Kläger die Möglichkeit hatte, die streitgegenständlichen Zeiten im Rahmen der örtlichen Möglichkeiten frei zu gestalten und sich in ihnen seinen eigenen Interessen zu widmen. Dies hat zur Folge, dass diese Zeiten nicht als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG zu berücksichtigen sind.

Soweit der Kläger geltend gemacht hat, seine Möglichkeiten, sich während der streitigen Zeiten seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, seien auf Null reduziert, so könne er diese Zeit nicht mit seinen Familienangehörigen verbringen und aufgrund dessen, dass sich das Schiff außerhalb der Handyreichweite befinde, nicht einmal mit ihnen telefonieren, handelt es sich dabei nach der oben dargelegten Rechtsprechung nicht um berücksichtigungsfähige Einschränkungen. Denn danach sind nur solche Einschränkungen zu berücksichtigen, die dem Kläger durch Rechtsvorschriften oder seinen Dienstherrn auferlegt worden sind, nicht aber Einschränkungen, die sich allein aus der besonderen Art des Aufenthaltsortes ergeben. Diese von dem Kläger geschilderten Einschränkungen sind nur Folge der natürlichen Gegebenheiten, hängen also mit dem Dienst an Bord eines Schiffs auf See zusammen. Deshalb ist für die Einstufung der streitigen Zeiten als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG nicht relevant, dass es auf dem Einsatzschiff, das der Kläger während der vollen Seetage de facto nicht verlassen kann, wenig Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten gibt. Nur ergänzend wird deshalb darauf hingewiesen, dass die Beklagte mögliche Freizeitaktivitäten an Bord des I.-Schiffs aufgezeigt hat. Die K.-Schiffe des I. seien mit einem hochwertigen Fitnessraum und einer Sauna ausgestattet. Die Einzelkabinen verfügten über die Möglichkeit zur kostenlosen Internetnutzung über einen WLAN-Zugang. Jede Einzelkabine sei mit einem Fernsehgerät, das über eine an Bord vorhandene Satellitenanlage den Empfang einer Vielzahl von Fernsehprogrammen ermögliche, ausgestattet (vgl. BE vom 30.6.2021, S. 7 [Bl. 179/GA] und Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts Stade vom 27.1.2021 im Parallelverfahren 3 A 2428/15 bzw. 5 LC 35/21). Abgesehen davon dürften die Besatzungsmitglieder, die während eines vollen Seetags bislang nicht anerkannten sieben Stunden auch vornehmlich zur Deckung ihres Schlafbedürfnisses nutzen.

Soweit der Kläger gerügt hat, aufgrund des um 17.30 Uhr stattfindenden Abendessens werde seine Ruhezeit als 1. Wache unterbrochen, macht er der Sache nach eine Unterbrechung der für acht Stunden zusammenhängenden Mindestruhezeit geltend. Streitgegenständlich ist indes nicht die Frage von Mindestruhezeiten, sondern ob der Kläger während der streitgegenständlichen Stunden der Phase "Frei an Bord" im Jahr 2015 und der "Ruhezeit" an den vollen Seetagen in den Jahren 2016 und 2017 solchen Einschränkungen unterlag, dass sie seine Möglichkeiten, diese Zeiten seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigt hatten. Bei dem Abendessen handelte es sich - wie bereits ausgeführt - um ein freiwilliges Angebot. Es stellte sich auch nicht als eine durch den I.-Kapitän angeordnete berücksichtigungsfähige Einschränkung während der Phase "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" dar, sondern als etwas, das gerade der Stärkung und Regeneration diente, also eher dem Bereich der "Erleichterungen" zuzuordnen ist.

Hinsichtlich des vom Kläger angeführten Alkoholverbots ist klarzustellen, dass dieses auf allen Fahrzeugen des E. und für Waffenträger sowie Schiffsführer bei Dienstbeginn und während des Dienstes gilt. Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 SeeSchStrO in der Fassung vom 28. Juni 2006 darf ein Fahrzeug nicht führen oder als Mitglied der Schiffsbesatzung eine andere Tätigkeit des Brücken-, Decks- oder Maschinendienstes nicht ausüben, wer 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt. Gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 SeeSchStrO darf der Schiffsführer eines Fahrgastschiffs oder eines Fahrbeschränkungen und Fahrverboten nach § 30 Abs. 1 unterliegenden Fahrzeuges in der Dienstzeit während der Fahrt alkoholische Getränke nicht zu sich nehmen oder bei Dienstantritt nicht unter der Wirkung solcher Getränke stehen. In Ruhezeiten und sonstigen Erholungszeiten an Bord darf der Schiffsführer alkoholische Getränke zu sich nehmen, wenn sichergestellt ist, dass er bei der Übernahme sicherheitsrelevanter Aufgaben nicht mehr unter der Wirkung solcher Getränke steht (§ 3 Abs. 5 Satz 2 SeeSchStrO). Diese Vorschriften der Seeschifffahrtstraßenordnung hat die Beklagte für die Besatzung auf I.-Schiffen verschärft. Die N. hat mit Erlass vom 9. Februar 2011 (- P 1006 - 1/11 - RF 1320 -) angeordnet, dass allen Beschäftigten der N. der Konsum von alkoholischen und alkoholhaltigen Getränken während der Dienstzeit sowie in Dienstgebäuden und auf dem Dienstgelände untersagt ist. Von dieser Anordnung ist für Waffenträger und Teilnehmer am Aus- und Fortbildungsschießen keine Ausnahmeregelung möglich. Der Leiter des E. F.-Stadt hat mit Verfügung vom 26. September 2011 (- P 1006 B - A 105 -) den Konsum von Alkohol auf allen Grundstücken sowie in allen Räumen und Fahrzeugen des E. F.-Stadt verboten. Er hat ausdrücklich angeordnet, dass für Waffenträger, Dienst-Kfz- und Schiffsführer bei Dienstbeginn und während des Dienstes eine absolute Promillegrenze von 0,0 gilt. Demnach ergab sich das Alkoholverbot für den Kläger während seiner Schicht "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" an vollen Seetagen in den Jahren 2015 bis 2017 aufgrund seiner Anwesenheit an Bord des Einsatzschiffes, das er - wie bereits ausgeführt - aufgrund der natürlichen Gegebenheiten (und nicht aufgrund zu berücksichtigender dienstlicher Anordnung) nicht verlassen konnte. Das Alkoholverbot ist zudem eine Einschränkung mit geringem Gewicht, denn sie dient insbesondere dem Schutz des von ihm betroffenen Beamten. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren bestätigt, dass für die Beschäftigten der gesamten I.-Bootflotte der Konsum von Alkohol verboten sei, weil es in der Vergangenheit negative Erfahrungen mit Alkoholkonsum auf I-Booten gegeben habe und die Einsatzfähigkeit und die Sicherheit des Einsatzmittels und der übrigen Besatzungsmitglieder nicht durch Alkoholgenuss gefährden werden dürfe (vgl. BE vom 19.1.2024, S. 6 [Bl. 281/GA]). Das Alkoholverbot ist somit auch Ausdruck der Fürsorgepflicht des Dienstherrn.

Es ist nicht ersichtlich, dass Unterbrechungen der streitgegenständlichen Zeiten des Klägers in den Jahren 2015 bis 2017 so unvorhersehbar gewesen wären, dass sie eine zusätzliche beschränkende Wirkung auf die Möglichkeit des Klägers gehabt hätten, seine Zeit frei zu gestalten und zur Ruhe zu finden, so, dass er sich letztlich in einer Art "Daueralarmbereitschaft" befunden hätte. Soweit der Kläger behauptet hat, aufgrund des Dienstbetriebs und der Lärmbelästigung - die Wände seien kaum schallisoliert - sei kein richtiges Schlafen möglich, hat die Beklagte glaubhaft versichert, es handele sich um Einzelkabinen, die dem "gehobenen deutschen Handelsschiffstandard" entsprächen. Es handele sich demnach um schallgedämpfte Außenkabinen mit eigener Dusche und eigenem WC. Beim Bau des I.-Schiffs seien besondere Isolationsmaßnahmen ergriffen worden, um die Lärmbelästigung auf ein Minimum zu reduzieren. So seien etwa die Kammern und sonstigen Räumlichkeiten soweit isoliert worden, dass die Motorgeräusche dort nicht so wahrnehmbar seien wie auf anderen Schiffen (vgl. Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts Stade vom 27.1.2021 im Parallelverfahren 3 A 2428/15 bzw. 5 LC 35/21). Eine Dauerbelastung des Klägers, weil sämtliche Geräusche des Dienstbetriebs und Schiffs sehr laut zu hören gewesen wären, ist deshalb nicht anzunehmen. Im Übrigen ist nach der dargelegten Rechtsprechung der Umstand, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wegen der besonderen Art des Arbeitsorts eine Dienstunterkunft zur Verfügung stellt, die sich an diesem Ort oder in dessen unmittelbarer Nähe befindet, als solcher kein ausschlaggebender Gesichtspunkt für die Einstufung von Bereitschaftszeiten, die in Form von Rufbereitschaft geleistet werden, als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG. Soweit der Kläger eine dauerhafte Belastung wie bei Einsätzen der L. oder der Soldaten geltend gemacht hat, ist dem entgegenzuhalten, dass er weder verpflichtet war, eine Spezialausrüstung während der streitigen Ruhezeiten mit sich zuführen, noch eine kurze Reaktionszeit mit Sanktionen bei deren Überschreitung bestand. Der Kläger war zwar Waffenträger während der Schießübungen. Der Vertreter der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 27. Januar 2021 aber erklärt, während der Zeit "Frei an Bord" verblieben die Waffen in dem Waffenschrank bzw. in der Waffenkammer und würden nicht von den Bediensteten mitgeführt. Das hat der Kläger nicht in Abrede gestellt. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass zu befürchten war, dass der I.-Kapitän kurzfristig ohne jede "Vorwarnung" planbare Manöver oder Schulungen während der streitigen Zeiten ansetzen würde. Die Vertreter der Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung - entsprechend der im Widerspruchsbescheid zitierten Aussage des I.-Kapitäns: "Nachts ist Ruhe an Bord" - versichert, dass die nächtlichen Ruhezeiten gewahrt worden seien. Der informatorisch vernommene Kläger des Parallelverfahrens 5 LC 35/21 hat dies letztlich bestätigt, indem er erläutert hat, dass Inanspruchnahmen der Besatzungsmitglieder die abendlichen Helikopterübungen der Marine, die aber mindestens zwei Stunden vorher angekündigt würden, beträfen. Aufgrund der oben dargelegten geringen Häufigkeit von extremen Notfällen wie Seenotrettungen befand sich der Kläger auch nicht wegen solcher unvorhersehbaren und nicht planbarer Ereignisse in einer Art "Daueralarmbereitschaft". Dies gilt besonders für das Jahr 2015, indem aufgrund des damaligen konsequenten Drei-Wachen-Systems zunächst Besatzungsmitglieder im "Seedienst" und Bereitschaftsdienst/der "Freiwache" zur Dienstleistung herangezogen worden wären. Darüber hinaus sind die vom Kläger in Bezug genommenen Vorschriften für Soldaten schon nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, denn Soldaten leisten ihren Dienst unter deutlich anderen Einsatzbedingungen als Beamte, die wie der Kläger in der I. tätig sind (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 19.6.2019 - 5 LA 7/18 -).

Die nach der Rechtsprechung erforderliche Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls führt dazu, dass die von dem Kläger geltend gemachten Zeiten der Phase "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" an vollen Seetagen in den Jahren 2015 bis 2017 nicht als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG anzuerkennen sind. Der erkennende Senat ist der Überzeugung, dass der Kläger in diesen Zeiten nicht so großen Einschränkungen unterlag, dass sie seine Möglichkeit, diese Zeiten frei zu gestalten, objektiv ganz erheblich beeinträchtigten. Entgegen seiner Ansicht befand sich der Kläger insbesondere nicht in einer Art "Daueralarmbereitschaft". Während dieser Zeiten war ihm zwar ein Alkoholverbot als Einschränkung auferlegt. Allein ein solches Verbot führt indes nicht dazu, dass der für die Annahme einer "Arbeitszeit" erforderliche Intensitätsgrad der Einschränkungen erreicht ist.

c) Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass die streitigen bislang nicht anerkannten Zeiten der Phase "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" nicht einen Verstoß gegen Art. 6 Buchst. b) der Richtlinie 2003/88/EG wegen einer Überschreitung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden im Siebentageszeitraum in den Jahren 2015 bis 2017 begründen mit der Folge, dass der Kläger insoweit keinen Anspruch auf Freizeitausgleich wegen rechtswidriger Zuvielarbeit nach dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch hat.

III. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freizeitausgleich für die streitigen Zeiten der Phase "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" nach dem beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch.

Der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch für rechtswidrig geleistete Zuvielarbeit fußt auf dem auch im Beamtenrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und den gesetzlichen Vorschriften über den Ausgleich von Mehrarbeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.5.2003 - BVerwG 2 C 28.02 -, juris Rn. 19 f.). Er setzt voraus, dass der Beamte rechtswidrig Zuvielarbeit geleistet hat. Dies ist der Fall, wenn der Dienstherr den Beamten auf der Grundlage einer rechtswidrig zu hoch festgesetzten regelmäßigen Arbeitszeit zum Dienst herangezogen oder ihn über die rechtmäßig festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit hinaus in Anspruch genommen hat, ohne dass die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit erfüllt sind (BVerwG, Urteil vom 28.5.2003 - BVerwG 2 C 28.02 -, juris Rn. 20; Beschluss vom 10.6.2009 - BVerwG 2 B 26.09 -, juris Rn. 5; Urteil vom 29.9.2011 - BVerwG 2 C 32.10 -, juris Rn. 8; Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 24.21 -, juris Rn. 15). Klarzustellen ist, dass der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch und der unionsrechtliche Haftungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge zwar nicht gleichgerichtet sind, beide jedoch eine rechtswidrige Inanspruchnahme des Beamten über die höchstens zulässige Arbeitszeit hinaus ("Zuvielarbeit") voraussetzen, wobei allerdings die unionsrechtlich vorgegebene Obergrenze von 48 Stunden für die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit - bei Festlegung eines Bezugszeitraums (vgl. Art. 16 Buchst. b Richtlinie 2003/88/EG) bzw. für den Siebentageszeitraum (Art. 6 Buchst. b der Richtlinie) - nicht mit der nationalrechtlich vorgesehenen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit identisch ist (vgl. BVerwG; Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 7.21 -, juris Rn. 11). Zudem setzt der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch ebenso wie der unionsrechtliche Haftungsanspruch seine rechtzeitige Geltendmachung voraus. Beide Ansprüche entstehen mit Wirkung für die Zukunft erst, wenn der Beamte sie geltend macht (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.9.2011 - BVerwG 2 C 32.10 -, juris Rn. 8; Urteil vom 26.7.2012 - BVerwG 2 C 29.11 -, juris Rn. 26; Urteil vom 17.11.2016 - BVerwG 2 C 23.15 -, juris Rn. 25; Beschluss vom 2.4.2019 - BVerwG 2 B 43.18 -, juris Rn. 10 f.; Nds. OVG, Urteil vom 10.3.2020 - 5 LB 49/18 -, juris Rn. 56 m. w. N.).

Wie unter II. ausgeführt, fehlt es bereits an einer rechtzeitigen Geltendmachung der streitigen Zeiten im Zeitraum von 2011 bis 2014. Einen Freizeitausgleich für die streitigen Zeiten der Phase "Frei an Bord" und der "Ruhezeit" an den vollen Seetagen im Zeitraum 2015 bis 2017 hat der Kläger zwar rechtzeitig geltend gemacht, ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch scheidet insoweit jedoch ebenso aus wie der unionsrechtliche Haftungsanspruch, denn diese Zeiten sind - wie oben dargelegt - "Ruhezeit" und keine bei der Bemessung der zulässigen Höchstarbeitszeit zu berücksichtigende "Arbeitszeit".

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO, § 63 Abs. 3 BeamtStG und § 127 BRRG liegen nicht vor. Die Revision ist insbesondere nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, denn die Maßstäbe zur Abgrenzung von "Arbeitszeit" und "Ruhezeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG sind durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, insbesondere auch, was die Frage der "Daueralarmbereitschaft" betrifft. Streitgegenständlich war nur die Anwendung dieser feststehenden Grundsätze auf den vorliegenden Einzelfall.