Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.04.2024, Az.: 1 KN 184/21

Normenkotrollverfahren gegen die Änderung eines Bebauungsplans mit der Ermöglichung der Errichtung eines Wohnhauses anstelle eines Regenrückhaltebeckens neben den Wohngrundstücken der Antragsteller

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.04.2024
Aktenzeichen
1 KN 184/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 22700
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0417.1KN184.21.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    § 13 Abs. 1 Satz 4 BauGB erfasst auch Pläne, die zwar nicht die rechtliche Zulässigkeit einer UVP-pflichtigen Maßnahme begründen, den Rechtsrahmen jedoch so verändern, dass die Realisierung der Maßnahme faktisch erstmals in den Bereich des Möglichen rückt.

  2. 2.

    Begründet ein Bebauungsplan die Zulässigkeit eines vorprüfungspflichtigen Vorhabens, so muss, sollen die §§ 13-13a BauGB Anwendung finden, prognostiziert werden können, dass die Vorprüfung negativ ausgehen wird. In der Sache erfordert das eine Vorverlagerung der Vorprüfung in das Planaufstellungsverfahren.

Tenor:

Die vom Rat der Antragsgegnerin am 9. August 2021 als Satzung beschlossene 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 58 "Brinkstraße" ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsteller zuvor Sicherheit in der Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Antragsteller wenden sich gegen die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 58 "Brinkstraße" der Antragsgegnerin, die die Errichtung eines Wohnhauses anstelle eines Regenrückhaltebeckens neben ihren Wohngrundstücken ermöglicht.

Die Antragsteller sind Eigentümer der jeweils mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücke B-Straße 1 bzw. 3 (Flurstücke H. bzw. I. der FlurJ., Gemarkung Lastrup). Beide liegen im Geltungsbereich der 2004 in Kraft getretenen Urfassung des nunmehr geänderten Bebauungsplans, der sie als Mischgebiet festsetzt. Unmittelbar südlich an beide Grundstücke grenzt das aus den ehemaligen Flurstücken K. im Norden und L. im Süden bestehende Änderungsplangebiet an, das der Ursprungsplan als 1.321 m2 messende Fläche für die Wasserwirtschaft, den Hochwasserschutz und die Regelung des Wasserabflusses festsetzte und in dessen Norden ein Regenrückhaltebecken für das Plangebiet angelegt ist. Das westlich an das Flurstück L. anschließende, sich im Westen hammerförmig erweiternde Flurstück M. liegt weder im Ursprungs- noch im Änderungsplangebiet, steht im Eigentum des Vaters des Beigeladenen und wurde bisher als Damwildgehege genutzt. Südlich an die Flurstücke L. und M. grenzt die hier in West-Ost-Richtung fließende Ruhr - ein Gewässer II. Ordnung - an. Südlich der Ruhr liegt der Gewerbebetrieb des Beigeladenen.

Anlass für die streitgegenständliche Planänderung war die Absicht des Beigeladenen, die zunächst im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden Flurstücke K. und L., heute vereinigt zu Flurstück N., zu erwerben und dort sein Betriebsleiterwohnhaus zu errichten. Am 27. Januar 2021 schlossen er und sein Vater mit der Antragsgegnerin einen städtebaulichen Vertrag, in dem erstere sich verpflichteten, als Ersatz für das bestehende Regenrückhaltebecken ein neues Becken im Westen des Flurstücks M. herzustellen. § 7 des Vertrags regelt die Unterhaltungskosten. Nach § 10 sollen die vertraglichen Pflichten durch eine Grunddienstbarkeit gesichert werden. Mit weiterer Vereinbarung, ebenfalls vom 27. Januar 2021, zwischen der Antragsgegnerin, dem Antragsteller und seinem Vater übertrug die erstere die Gewässerunterhaltung in dem an das Flurstück L. angrenzenden Abschnitt der Ruhr auf die letzteren.

Mit Aufstellungsbeschluss vom 22. März 2021 leitete die Antragsgegnerin das als beschleunigtes Verfahren nach § 13a BauGB durchgeführte Planänderungsverfahren ein. Öffentliche Auslegungen fanden vom 1. April bis 3. Mai 2021 und erneut vom 11. Juni bis 12. Juli 2021 statt. Am 9. August 2021 entschied der Rat der Antragsgegnerin über die eingegangenen Stellungnahmen und beschloss den Bebauungsplan als Satzung. Nach Ausfertigung des Plans durch den Bürgermeister am 12. August 2021 machte die Gemeinde den Satzungsbeschluss in der Münsterländischen Tageszeitung vom 19. August 2021 bekannt.

Die Planänderung setzt die ehemaligen Flurstücke K. und L. im Wesentlichen als Mischgebiet mit einer Grundflächenzahl von 0,6, maximal zwei Vollgeschossen, offener Bauweise, einer Traufhöhe von maximal 6,50 m und einer Firsthöhe von maximal 10 m fest. Nach der textlichen Festsetzung (TF) 1 sind Gartenbaubetriebe, Tankstellen und Vergnügungsstätten nicht zulässig. TF 2 begrenzt die Zahl der Wohneinheiten auf zwei je Wohngebäude, bei Doppelhäusern auf eine je Doppelhaushälfte, TF 4 schließt Hausgruppen aus. Ein fünf Meter breiter Streifen am Südrand des Mischgebiets ist als nicht überbaubare Grundstücksfläche "Gewässerräumstreifen" festgesetzt, der nach TF 6 von Bebauung, Bepflanzungen, Bodenaufschüttungen und -abgrabungen sowie von Ablagerungen dauerhaft freizuhalten ist.

Am 26. August 2021 erteilte der Landkreis Cloppenburg der Antragsgegnerin eine Plangenehmigung zur Verlegung des Regenrückhaltebeckens. Das Ersatzbecken ist inzwischen hergestellt. Das Betriebsleiterwohnhaus des Beigeladenen ist ebenfalls errichtet. Die Antragsteller haben gegen die dem Beigeladenen hierfür am 14. September 2021 erteilte Baugenehmigung Widerspruch und nachfolgend Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben (Az. 4 A 1403/22), über die noch nicht entschieden ist.

Die Antragsteller haben am 23. Dezember 2021 den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung führen sie aus, die Antragsgegnerin habe den Antragstellern ihre Baugrundstücke mit einem Preisaufschlag für einen unverbaubaren Blick verkauft; dadurch habe sie sich hinsichtlich einer etwaigen Überplanung des Regenrückhaltebeckens gebunden. Der Bebauungsplan sei nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht, da der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller eine Akteneinsicht in ihren Kanzleiräumen verwehrt worden sei. Alle Unterschriften der Verfahrensvermerke lauteten auf das gleiche Datum; lediglich das Datum des Vermerks zum Inkrafttreten sei nachträglich korrigiert worden. Die Angabe der Art der Planbekanntmachung fehle ebenso wie eine elektronische Bekanntmachung. Die Voraussetzungen des § 13a BauGB lägen nicht vor, da keine Nachverdichtung erfolge und das Plangebiet bisher Außenbereich gewesen sei. Zudem erfordere die Verlegung des Regenrückhaltebeckens eine Plangenehmigung und damit eine "Umweltverträglichkeits(vor)prüfung". Die Festsetzung eines Mischgebiets decke sich nicht mit den weiteren, allein auf Wohngebäude bezogenen Festsetzungen. Es werde versäumt, das neue Regenrückhaltebecken auch planerisch festzusetzen. Die Kompensationsberechnung sei fehlerhaft; das jetzige Regenrückhaltebecken werde mit der Wertstufe 1, das neue hingegen mit der Wertstufe 2 eingestellt; ein Unterschied sei nicht erkennbar und werde auch nicht begründet. Das Damwildgehege habe nach Auffassung des Landkreises Cloppenburg mit der Wertstufe 2 statt 1 bewertet werden müssen. Der 5 m breite Biotopvernetzungsstreifen [am Rand der Ruhr] sei nicht als solcher festgesetzt, obgleich der Landkreis auf die ortsbildprägende Qualität des dortigen Baumbestandes hingewiesen habe. Die Kostenregelung des städtebaulichen Vertrages sei unklar. Die Auswirkungen der Planung auf die Ruhr seien nicht abgewogen worden. Die Antragsteller seien an dem Plangenehmigungsverfahren zur Verlegung des Regenrückhaltebeckens nicht beteiligt worden, was ihre Verfahrensrechte aus § 4 UmwRG verletze.

Die Antragsteller beantragen,

festzustellen, dass die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 58 "Brinkstraße" der Antragsgegnerin rechtswidrig bzw. nichtig ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie meint, den Antragstellern fehle die Antragsbefugnis. Ein Zuschlag für die "Lagegunst" am Regenrückhaltebecken sei ihnen bei Erwerb ihrer Grundstücke nicht abverlangt worden; der Zuschlag sei durch die Lage in der Ortsmitte bedingt gewesen. Allgemein sei ein unverbaubarer Blick kein abwägungserheblicher Belang. Ferner fehle den Antragstellern das Rechtsschutzbedürfnis, da die Planfestsetzungen im Wesentlichen ausgenutzt seien. Der Normenkontrollantrag sei jedenfalls unbegründet. Die Datumskorrektur bei den Verfahrensvermerken führe nicht zur Unwirksamkeit. Der Plan sei ortsüblich bekanntgemacht worden; eine elektronische Bekanntmachung verlange die Hauptsatzung nicht. Die Mischgebietsfestsetzung widerspreche nicht der planerischen Intention und den übrigen Festsetzungen. Der Plan verfolge eine städtebauliche Nachverdichtung, die auch in der Auffüllung von Freiflächen bestehen könne; das entspreche dem Grundsatz der Flächensparsamkeit. Die Ausnutzbarkeit durch nur einen Planbegünstigten stelle die städtebauliche Zielsetzung nicht in Frage. Hinsichtlich der Kompensation bestehe kein Abwägungsdefizit. Auf den Ausgleich auf dem Flurstück M. werde im Hinweis Nr. 4 hingewiesen. Die Kostenverteilung im städtebaulichen Vertrag sei eindeutig. Die Gewässerrandunterhaltung werde vertraglich sichergestellt. Das beschleunigte Verfahren sei zu Recht genutzt worden. Das Plangebiet sei Innenbereich. Eine UVP-Vorprüfung sei hier nicht nötig gewesen, da der Plan weniger als 20.000 m2 Grundfläche vorsehe. Rechte der Antragsteller aus § 4 UmwRG würden nicht verletzt; maßgeblich sei hier der nicht drittschützende § 2 Abs. 4 Satz 1 BauGB.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

I.

Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

Die Antragsteller sind antragsbefugt. Zwar ist der Erhalt des Blicks auf eine Freifläche, auf den sich die Antragsteller berufen, in der Regel kein abwägungserheblicher Belang und daher nicht geeignet, eine Antragsbefugnis zu begründen. Das gilt uneingeschränkt jedoch nur, wenn die bisherige Freiheit der Fläche von Bebauung nicht auf einer planerischen Festsetzung beruhte. Denn die Interessen der Nachbarn an der Beibehaltung der geltenden Festsetzungen eines Bebauungsplans gehören grundsätzlich zum notwendigen Abwägungsmaterial, wenn die Änderung eines Bebauungsplans dazu führt, dass Nachbargrundstücke in anderer Weise als bisher genutzt werden dürfen. Zwar gewährt das Baugesetzbuch keinen Anspruch auf Fortbestand eines Bebauungsplans und schließt auch Änderungen des Plans nicht aus. Die ortsrechtlichen Festsetzungen begründen aber regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass Veränderungen, die sich für die Nachbarn nachteilig auswirken können, nur unter Berücksichtigung ihrer Interessen vorgenommen werden. Dies gilt nicht bei geringfügigen Änderungen sowie bei solchen Änderungen die sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück auswirken können (Senatsurt. v. 5.10.2023 - 1 KN 16/21 -, BauR 2024, 237 = juris Rn. 18; Senatsurt. v. 4.5.2023 - 1 KN 27/21 -, juris Rn. 17; BVerwG, Beschl. v. 27.9.2021 - 4 BN 17.21 -, ZfBR 2022, 69 = NVwZ 2022, 73 = juris Rn. 9 m.w.N.; v. 28.9.2022 - 4 BN 6.22 -, BauR 2023, 21 = ZfBR 2023, 166 = juris Rn.14). Vorliegend führt die Planänderung dazu, dass die südlich an die Antragstellergrundstücke angrenzende Fläche nicht mehr, wie bisher als Regenrückhaltebecken, von Bebauung freigehalten werden muss, sondern bis auf einen Abstand von 4,5 m zur Grundstücksgrenze bei einer Traufhöhe von 6,5 m und einer Firsthöhe von 10 m bebaut werden kann; bereits die damit einhergehende Verschattung der Antragstellergärten ist zwar zumutbar (s.u.), überschreitet aber durchaus die Geringfügigkeitsschwelle.

2.

Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller ist nicht deshalb entfallen, weil dem Beigeladenen für die weitgehende Planausnutzung eine Baugenehmigung erteilt worden ist. Auch die Antragsgegnerin bestreitet nicht, dass diese Baugenehmigung noch nicht rechtskräftig geworden ist. Die Drittanfechtungsklage der Antragsteller dürfte zwar keine großen Erfolgsaussichten haben, da auch auf der Grundlage des Ursprungsplans eine Verletzung von Nachbarrechten eher fernliegt. In einer Weise offenkundig, dass den Antragstellern von vornherein jedes Interesse an der Beseitigung des Bebauungsplans abgesprochen werden könnte, ist dies jedoch nicht.

II.

Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.

1.

Der Bebauungsplan ist verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil die Antragsgegnerin die Voraussetzungen des § 13a BauGB verkannt und in der Folge zu Unrecht auf eine Umweltprüfung verzichtet hat.

Zwar handelt es sich bei der Planung entgegen der Auffassung der Antragsteller um eine Nachverdichtung als Maßnahme der Innenentwicklung. Dass die Fläche einer Innenentwicklung zugänglich ist, ergibt sich zwar nicht bereits daraus, dass sie (als Fläche für die Wasserwirtschaft) überplant ist; entscheidend sind nicht die planerischen, sondern die tatsächlichen Verhältnisse (BVerwG, Urt. v. 25.6.2020 - 4 CN 5.18 -, BVerwGE 169, 29 = juris Rn. 24). Allerdings ist die Fläche, auch in Verbindung mit der auf dem Nachbarflurstück M. vorhandenen Freifläche, eindeutig noch dem Siedlungsbereich i.S.d. § 13a BauGB (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 25.4.2023 - 4 CN 5.21 -, NVwZ 2023, 1498 = juris Rn. 15 ff.) zuzuordnen. Die Überplanung einer Fläche für die Wasserwirtschaft als Baufläche ist auch qualitativ offenkundig Innenentwicklung in Gestalt der Nachverdichtung.

Die Antragsgegnerin hat jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, dass das beschleunigte Verfahren nach § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB ausgeschlossen ist, wenn durch den Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben begründet wird, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegen. Zwar greift diese Norm nicht in jedem Fall, in dem ein Angebotsbebauungsplan neben vielen anderen Vorhaben auch UVP-pflichtige Vorhaben zulässt - z.B. durch Festsetzung eines Kerngebiets -, sondern nur, wenn der Plan konkret auf die Verwirklichung eines solchen Vorhabens abzielt (Krautzberger/Kerkmann, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand d. Bearb.: Februar 2019, § 13a Rn. 58; Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 13 Rn. 7; OVG Koblenz, Urt. v. 8.6.2011 - 1 C 11239/10 -, juris Rn. 27), also zumindest ein projektbezogener Angebotsbebauungsplan vorliegt; nur dann können die Auswirkungen des Vorhabens bereits auf der Ebene der Bauleitplanung sinnvoll auf ihre Umweltverträglichkeit geprüft werden. Das ist hier aber der Fall. Schon die Ausnutzung des Plans mit einem (allerdings als solches nicht UVP- oder vorprüfungspflichtigen) Betriebsleiterwohnhaus war bei Planaufstellung hinreichend konkret vorhersehbar und auch Planungsziel. Erst recht gilt dies - und das ist entscheidend - für die mit jeder denkbaren Planausnutzung notwendig verbundene Beseitigung des Regenrückhaltebeckens. Die Beseitigung eines Regenrückhaltebeckens ist ein Gewässerausbau i.S.d. § 68 WHG, der nach Nr. 13.18.1 der Anlage 1 zum UVPG i.V.m. § 7 Abs. 1 UVPG UVP-pflichtig nach Maßgabe einer Allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls ist.

Zwar ist die Beseitigung des Beckens schon bisher zulässig; da auch der Ursprungsplan ein Angebotsbebauungsplan war, hätte das Rückhaltebecken theoretisch auch auf der Grundlage des Ursprungsplans wieder beseitigt und gegen ein an anderer Stelle errichtetes Becken ausgetauscht werden können. Bezüglich der Frage, ob ein Plan, "die Zulässigkeit" UVP-pflichtiger Vorhaben "begründet", verbietet sich jedoch eine solch enge Sichtweise. Vielmehr ist darauf abzustellen, dass nach bisheriger Rechtslage eine Beseitigung des Beckens faktisch ausgeschlossen war, da die Festsetzungen des Ursprungsplans eine anderweitige Nachnutzung der Fläche verhinderten. Wann die Zulässigkeit der Beseitigung i.S.d. § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB "begründet" wird, ist in Orientierung an der Zielsetzung der Norm zu bestimmen. Mit § 13a BauGB macht der nationale Gesetzgeber von der ihm in Art. 3 Abs. 3 PlanUP-Richtlinie (RL 2001/42/EG v. 27.6.2001) Gebrauch, aus der Menge der unter Art. 3 Abs. 2 fallenden und daher im Ansatz UP-pflichtigen Pläne und Programme diejenigen Pläne für die Nutzung kleiner Gebiete auf lokaler Ebene herauszunehmen, die nach seiner Einschätzung voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen haben. Hierfür musste der Gesetzgeber nach Art. 3 Abs. 5 Satz 2 PlanUP-RL "sicherstellen, dass Pläne, "die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, von dieser Richtlinie erfasst werden". Da die PlanUP-Richtlinie "Pläne und Programme", also nicht stets bindende Rechtsnormen, erfasst, kann der dort verwendete Begriff der Pläne mit erheblichen Umweltauswirkungen nicht auf solche Pläne beschränkt sein, die streng rechtlich Voraussetzung für umweltrelevante Maßnahmen sind. § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB ist eine der nationalrechtlichen Vorkehrungen, um dies sicherzustellen (vgl. zur entsprechenden Negativvoraussetzung in § 13 Abs. 1 Nr. 1 BauGB Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand d. Bearb. August 2017, § 13 Rn. 31). Diesem Zweck wird die Norm nur gerecht, wenn sie auch Pläne erfasst, die zwar nicht erstmals die rein rechtliche Zulässigkeit einer Maßnahme begründen, den Rechtsrahmen jedoch so verändern, dass die Realisierung der Maßnahme faktisch erstmals in den Bereich des Möglichen rückt.

Begründet der Plan mithin die Zulässigkeit eines vorprüfungspflichtigen Vorhabens, so muss, soll die §§ 13-13a BauGB Anwendung finden können, prognostiziert werden können, dass diese Vorprüfung negativ ausgehen wird. In der Sache erfordert das eine Vorverlagerung der Vorprüfung in das Planaufstellungsverfahren (vgl. OVG NRW, Urt. v. 8.3.2017 - 10 D 12/16.NE -, BauR 2017, 1307 = juris Rn. 33 f.; BayVGH, Urt. v. 14.9.2011 - 9 N 10.2275 -, BayVBl. 2013, 278 = juris Rn. 31; Mitschang, BauR 2016, 1699 [1711]; Scharmer, in: Brügelmann, BauGB, Stand d. Bearb. August Juli 2019, § 13 Rn. 76). Dass die Antragsgegnerin eine solche Vorprüfung vorgenommen hätte, ist weder der Abwägungstabelle noch der Planbegründung zu entnehmen. Auch bei den am Ende des Planaufstellungsvorgangs angehängten Unterlagen zum Plangenehmigungsverfahren des Landkreises G-Stadt ist eine Vorprüfung, die sich die Antragsgegnerin dann sinngemäß zu eigen gemacht haben könnte, nicht dokumentiert. Eine Vorprüfung hätte zudem vorausgesetzt, dass der Antragstellerin (bzw. dem Landkreis als Plangenehmigungsbehörde) die zur Beurteilung der Möglichkeit erheblicher Umweltauswirkungen erforderlichen Informationen vorgelegen hätten (BVerwG v. 25.1.2024 - 7 VR 1.24 -, juris Rn. 20). Das ist nicht der Fall. So enthielt der wasserrechtliche Genehmiguingsantrag keine Angaben, die eine Beurteilung der naturschutz-, namentlich artenschutzrechtlichen Auswirkungen des Vorhabens ermöglichen würde.

Auch die Planbegründung selbst genügt nicht den Anforderungen an eine plausible negative Vorprüfung, die mit dem Ergebnis schließen müsste, dass erhebliche Umweltauswirkungen der Beseitigung des Rückhaltebeckens am Altstandort mit Sicherheit auszuschließen sind. So werden etwa auf S. 6 der Planbegründung eine Reihe artenschutzrechtlicher Vermeidungsmaßnahmen vorgeschlagen; anschließend heißt es: "Unter Berücksichtigung der o.g. Vermeidungsmaßnahmen sind nach derzeitigem Kenntnisstand die Verbotstatbestände nach § 44 BNatSchG nicht einschlägig." [Hervorhebung d.d. Senat]. Das impliziert die Möglichkeit, dass ein erweiterter Kenntnisstand, wie er in der UVP gewonnen werden könnte, die Einschlägigkeit ergeben könnte. Angesichts dessen ist der aus der Anwendung des § 13a BauGB folgende Verfahrensfehler einer unterbliebenen Umweltprüfung nach § 214 Abs. 2a Nr. 4 UVPG beachtlich, da die Vorprüfung schon nicht erfolgt, jedenfalls aber nicht plausibel ist. Der Verfahrensfehler ist auch nicht nach § 215 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BauGB unbeachtlich geworden, da die Antragsteller ihn innerhalb der Frist des § 215 Abs. 1 BauGB geltend gemacht haben.

2.

Der Bebauungsplan verstößt zudem gegen § 1a Abs. 3 BauGB, da die Antragsgegnerin den mit der Planung verbundenen Eingriff in die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts nicht in einer dem Abwägungsgebot entsprechenden Weise behandelt hat. Das ist in der Regel nur dann der Fall, wenn Eingriffe in Natur und Landschaft gleichwertig ausgeglichen werden; anderes gilt nur, wenn die planende Gemeinde tragfähige Gründe dafür anführen kann, dass einem gleichwertigen Ausgleich im Einzelfall überwiegende öffentliche oder private Belange entgegenstehen. Ein solcher Ausnahmefall steht hier nicht im Raum. Bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit hat die Gemeinde einen relativ breiten Einschätzungsspielraum; ihre Bewertung muss allerdings nachvollziehbar sein. Hier hat sich die Antragsgegnerin nach eigenem Bekunden am Bilanzierungsmodell des Niedersächsischen Städtetags orientiert. Sie ist in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass sich die Wertstufe erheblicher Teile des Plangebiets von 1 im Ist- auf Null im Planzustand verringern; dabei hat sie zu Recht angenommen, dass etwa der Verlust des Buchengehölzes bereits im Ursprungsbebauungsplan bilanziert und ausgeglichen worden war. Die Berechnung des daraus entstehenden Kompensationsdefizits im Plangebiet ist nicht zu beanstanden. Die Annahme der Antragsgegnerin, dieses werde dadurch ausgeglichen, dass in Teilen des Damwildgeheges westlich des Plangebiets das neue Regenrückhaltebecken angelegt werde, überschreitet jedoch den ihr zustehenden Bewertungsspielraum. Die Zuordnung des Damwildgeheges zur Wertstufe 1 hält der Senat für vertretbar; dieser Wertstufe entspricht im Bilanzierungsmodell des Niedersächsischen Städtetags etwa das Biotop 12.10 (Zoo/Tierpark bzw. Tiergehege). Nicht mehr vertretbar ist jedoch, dem Regenrückhaltebecken im Planzustand die Wertstufe 2 zuzumessen. Eine solche Bewertung kommt möglicherweise dann in Betracht, wenn Sorge für eine naturnahe Ausgestaltung getroffen wird. Im Städtetagsmodell dürfte der Biotoptyp 4.22.9 "Sonstiges naturfernes Stillgewässer" einschlägig sein; dort ist ihm die Wertstufe 1(2) zugeschrieben, was bedeuten dürfte, dass regelmäßig Wertstufe 1, in begründeten Ausnahmefällen Wertstufe 2 angemessen ist. Für einen solchen Ausnahmefall ist hier aber nichts ersichtlich; namentlich kann die Antragsgegnerin die Ausgestaltung des vom Beigeladenen bzw. seinem Vater nach Maßgabe des mit der Antragsgegnerin geschlossenen städtebaulichen Vertrags anzulegenden Regenrückhaltebeckens nicht steuern. Der Vertrag verhält sich zu einer naturnahen Ausgestaltung des Beckens nicht und verlangt nur, dass das Becken den wasserwirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechen muss.

III.

Die übrigen Rügen der Antragsteller hätten demgegenüber nicht durchgegriffen. Nur ergänzend merkt der Senat dazu Folgendes an:

1.

Die Festsetzung eines Mischgebiets ist kein "Etikettenschwindel". Zwar kann im Änderungsplangebiet selbst aufgrund seiner Größe eine gemischte Nutzung nur schwer verwirklicht werden. Abzustellen ist aber auf das Ursprungsplangebiet, ggf. in Verbindung mit weiteren festgesetzten unmittelbar angrenzenden Mischgebieten. Diese lassen den gebietsprägenden Nutzungsmix durchaus zu; dieser besteht sogar gegenwärtig, da zum Baugebiet auch Flächen östlich der Brinkstraße gehören, die gewerblich genutzt werden. Angesichts dessen kommt es auch nicht darauf an, dass Planungsanlass der Wunsch nach einer - im Übrigen betriebsbezogenen - Wohnnutzung im Plangebiet war, die unzulässig wäre, wenn dadurch ein "Kippen" des Mischgebiets hin zu einem Wohngebiet drohte. Die textlichen Festsetzungen schließen eine gewerbliche Nutzung im Plangebiet entgegen der Auffassung der Antragsteller ebenfalls nicht schlechthin aus; ausgeschlossen sind lediglich einzelne Nutzungen, was zulässig ist. Die textliche Festsetzung Nr. 2 (maximal 2 Wohnungen je Wohngebäude) bedeutet lediglich, dass dann, wenn ein Wohngebäude errichtet wird, dieses maximal 2 Wohnungen enthalten darf.

2.

Die Belange der Antragsteller sind ordnungsgemäß abgewogen worden. Mit der Wirkung der Bebauung (Geschossigkeit, Höhe etc.) hat sich die Antragsgegnerin im Lauf des Planaufstellungsprozesses ausführlich befasst und die Festsetzungen reduziert. Eine Abwägungsdisproportionalität liegt ebenfalls nicht vor; die planbedingten Beeinträchtigungen sind den Antragstellern zumutbar. Grundsätzlich besteht in Ortslagen kein schutzwürdiger Anspruch auf eine Freiheit von Nachbarbebauung. Dass die Festsetzung eines Regenrückhaltebeckens den Antragstellern eine besondere Lagegunst verschaffen sollte, ist der Begründung des Ursprungsplans nicht zu entnehmen; vielmehr ist davon auszugehen, dass diese von einer objektiv städtebaulich oder wasserwirtschaftlich motivierten Verortung des Rückhaltebeckens reflexhaft profitiert haben. Dass die Antragsteller für die Nähe des Beckens bei der Grundstücksvergabe einen Aufpreis gezahlt hätten, lässt sich dem zur Gerichtsakte gereichten Kaufvertrag nicht entnehmen.

3.

Die Auswirkungen der Verlegung des Regenrückhaltebeckens auf den Gewässerhaushalt der Ruhr sind bzw. waren Gegenstand des wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens. Die Antragsgegnerin musste nicht davon ausgehen, dass diese dort nicht würden bewältigt werden können. Das gilt insbesondere für die nach dem Vortrag der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung neu aufgetretene Entwässerungsproblematik auf ihren Grundstücken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 50.000 EUR festgesetzt, wovon auf jeden der Antragsteller 25.000 EUR entfallen (§ 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 8 c, 7 a, 1 a der auf der Homepage des Gerichts abrufbaren Streitwertannahmen des Senats für ab dem 1.6.2021 eingegangene Verfahren)

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Prof. Dr. Lenz
Dr. Tepperwien
Glowienka