Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.04.2024, Az.: 1 MN 29/24

Vorläufige Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans zur Erweiterung des Gewerbe- und Industriegebietes im bisherigen Außenbereich wegen der Beeinträchtigung der nahegelegene Gutsanlage des Antragstellers in ihrem Denkmalwert

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.04.2024
Aktenzeichen
1 MN 29/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 13046
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0408.1MN29.24.00

Amtlicher Leitsatz

Eigene" Belange kann der Denkmaleigentümer erst dann im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO als verletzt bezeichnen, wenn die Planung den mit der Unterschutzstellung des Denkmals angestrebten Zweck erheblich beeinträchtigen und die vom Denkmaleigentümer in Erfüllung der ihm auferlegten Erhaltungspflicht getätigten Investitionen in die Denkmalsubstanz nachträglich entwerten kann (Anschluss an BVerwG, Beschl. v. 12.1.2016 - 4 BN 11.15 -, ZfBR 2016, 263 = juris Rn. 10). Der Umgebungsschutz eines im Außenbereich gelegenen Vorhabens ist nicht gleichsam eine Sperre für moderne Bebauung in dessen Sichtfeld. Von einem Erdrücken, Verdrängen oder Übertönen kann selbst bei ästhetisch mit dem Denkmal unvereinbaren Bauten erst dann die Rede sein, wenn die heranrückende Bebauung einen wesentlichen Teil des Umfeldes prägt oder aber das Denkmal in besonderem Maße auf einen bestimmten, von störender Bebauung freien Blickkontext angewiesen ist.

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf 25.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans Nr. 68 "Erweiterung des Gewerbe- und Industriegebietes Venne - B 218" der Antragsgegnerin, da die durch diesen ermöglichten Gewerbebauten im bisherigen Außenbereich seine nahegelegene Gutsanlage insbesondere in ihrem Denkmalwert beeinträchtigten.

Der Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans liegt im Außenbereich der Antragsgegnerin, südlich der Bundesstraße .... Auf der Grundlage eines 2017 in Kraft getretenen Bebauungsplans ist dort auf einem ca. 350 x 700 m großen Areal das Werk eines Küchenherstellers entstanden. Um weitere Gewerbeflächen bereitzustellen, hat die Antragsgegnerin nunmehr die das Werksgelände L-förmig im Süden und Osten umgebenden Flächen überplant. Der am 20. Juli 2021 als Satzung beschlossene und am 30. Juni 2022 bekanntgemachte Bebauungsplan setzt neben Verkehrsflächen zur Binnenerschließung im Wesentlichen Gewerbegebiete mit einer Grundflächenzahl von 0,8, einer Baumassenzahl von 6,0 und abweichender Bauweise - Gebäudekörper über 50 m zulässig - fest. Die Gebäudehöhen sind regelhaft auf 70 bis 74 m üNN im Osten und 76 m üNN im Südwesten (entspricht jeweils ca. 15-16 m über Geländehöhe) beschränkt; nach der textlichen Festsetzung Nr. 1.3 b) sind hiervon Ausnahmen für einzelne, funktionsgebundene Anlagen eines Betriebes (z.B. Aufzüge, Klimatechnik, Schornsteine o.ä.) möglich. Ferner ist für das gesamte Plangebiet eine Lärmemissionskontingentierung nach der DIN 45691 vorgenommen. Die textliche Festsetzung Nr. 1.6 c) sieht vor, dass für die Außenbeleuchtung einschließlich beleuchteter Werbeträger ausschließlich insekten- bzw. fledermausfreundliche Leuchtmittel mit einer Farbtemperatur kleiner/gleich 4.000 Kelvin zu verwenden, Lichtkegel nach unten auszurichten und Blendwirkungen durch geschlossene Gehäuse zu minimieren sind. Beleuchtungsanlagen mit wechselndem oder bewegtem Licht oder wechselnden Farben sind unzulässig.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Gutes F., eines Gebäudekomplexes mit Gutshaus und Nebengebäuden; ersteres steht als Einzeldenkmal nach § 3 Abs. 2 NDSchG, der Gebäudekomplex insgesamt als Gruppe baulicher Anlagen nach § 3 Abs. 3 NDSchG unter Denkmalschutz. Die westlichen Nebengebäude sind ca. 370 m von den vorgesehenen Gewerbeflächen entfernt. Er hat am 30. Juni 2023 einen Normenkontrollantrag (Az. 1 KN 83/23) und am 6. März 2024 den vorliegenden Normenkontrolleilantrag gestellt. Zu dessen Begründung führt er aus:

Er sei antragsbefugt, weil der Anspruch auf Umgebungsschutz seines Baudenkmals, auf den er sich von Verfassungsrechts wegen berufen könne, in erheblicher Weise verletzt werde, weil sein Grundstück abwägungserheblichen planbedingten Lärm- und Lichtimmissionen ausgesetzt werde und weil Erweiterungsabsichten hinsichtlich seines landwirtschaftlichen Betriebs durch die Planung behindert werden könnten. Der Antrag sei auch begründet, da der Bebauungsplan unwirksam sei. Der Hinweis auf vorliegende umweltbezogene Informationen in der Auslegungsbekanntmachung genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Schlussbekanntmachung sei fehlerhaft, weil die Hauptsatzung der Antragsgegnerin rechtswidrig keine Internetadresse für das Verkündungsblatt angegeben habe. Die Lärmkontingentierung sei fehlerbehaftet, da keine für unbeschränkte Emissionen geeignete Fläche in diese einbezogen sei. Die Ausnahmeregelung hinsichtlich der Gebäudehöhe sei fehlerhaft. Die denkmalrechtlichen Belange seien unzureichend ermittelt worden. Die Lärmprognose berücksichtige nicht das Antragstellergrundstück; der Schutzanspruch anderer Immissionsorte sei unterschätzt worden. Die Auswirkungen planbedingten Verkehrslärms auf die Umgebung seien nicht untersucht worden. Die artenschutzrechtlichen Ermittlungen seien defizitär. Interessen des Antragstellers und die Eingriffe in Natur und Landschaft seien nicht richtig abgewogen worden. Die Planung sei nicht erforderlich, da sie eine für das Grundstück G. -Straße 2/2a rücksichtslose Bebauung ermögliche.

Der Antragsteller beantragt,

den Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. 68 "Venner Esch" durch einstweilige Anordnung gem. § 47 Abs. 6 VwGO außer Vollzug zu setzen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hält den Antrag für unzulässig, da dem Antragsteller die Antragsbefugnis fehle. Eine Beeinträchtigung seines landwirtschaftlichen Betriebs habe der Antragsteller nicht dargelegt. Zudem könne er sich auf eine solche nicht berufen, da er selbst im Tauschwege Flächen im Plangebiet bereitgestellt habe; der angestrebte Nutzungszweck der Grundstücke als Gewerbeflächen sei im Vertrag vereinbart worden. Der Denkmalwert der Gutsanlage werde durch die planbedingten Nutzungen nicht beeinträchtigt. Relevanten Immissionsbelastungen werde der Antragsteller nicht ausgesetzt. Jedenfalls sei der Normenkontrollantrag unbegründet.

II.

Der Normenkontrolleilantrag hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig.

1.

Dem Antragsteller fehlt jedenfalls die Antragsbefugnis. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontroll(eil)verfahren eine Person nur antragsbefugt, wenn sie geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ist ein Antragsteller Eigentümer oder Nutzer von Grundstücken außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans, kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Das dort normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot gewährt ein subjektives Recht. Der Betroffene kann verlangen, dass seine eigenen Belange in der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht "abgearbeitet" werden. Ein Antragsteller kann sich daher im Normenkontrollverfahren darauf berufen, dass seine abwägungserheblichen privaten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. In diesem Fall obliegt es ihm, einen eigenen Belang als verletzt zu bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschl. v. 28.10.2020 - 4 BN 44.20 -, juris Rn. 7 m.w.N.). Gemessen hieran sind abwägungserhebliche Belange des Antragstellers nicht ersichtlich.

a)

Dies gilt zunächst hinsichtlich seines Interesses am denkmalrechtlichen Umgebungsschutz des Gutes F.. Denkmalschutzbelange sind in erster Linie öffentliche Belange; eine unmittelbare Zuordnung dieser Belange zu dem Denkmaleigentümer kennt weder das niedersächsische Denkmalrecht (vgl. zusammenfassend Senatsurt. v. 28.1.2015 - 1 KN 165/13 -, BauR 2015, 1645 = juris Rn. 54) noch das Baugesetzbuch (BVerwG, Beschl. v. 12.1.2016 - 4 BN 11.15 -, ZfBR 2016, 263 = juris Rn. 10). Der Denkmaleigentümer kann sich auf sie lediglich mittelbar, über sein aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitetes Interesse, die Lasten, die ihm im Interesse des Denkmalschutzes auferlegt werden, nicht frustriert zu sehen, berufen. Aus dieser Herleitung folgt gleichzeitig eine Begrenzung der Subjektivierung von Denkmalbelangen. "Eigene" Belange kann der Denkmaleigentümer erst dann im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO als verletzt bezeichnen, wenn die Planung den mit der Unterschutzstellung des Denkmals angestrebten Zweck erheblich beeinträchtigen und die vom Denkmaleigentümer in Erfüllung der ihm auferlegten Erhaltungspflicht getätigten Investitionen in die Denkmalsubstanz nachträglich entwerten kann (BVerwG, Beschl. v. 12.1.2016 - 4 BN 11.15 -, ZfBR 2016, 263 = juris Rn. 10).

Bestehen die Auswirkungen der Planung, wie hier, nicht in einem zu erwartenden Eingriff in die Denkmalsubstanz, sondern steht allenfalls eine Verletzung des denkmalrechtlichen Umgebungsschutzes i.S.d. § 8 NDSchG in Rede, so kommen die gegenüber dem Substanzschutz gesteigerten Anforderungen hinzu, die erfüllt sein müssen, damit überhaupt der Anwendungsbereich dieser Norm eröffnet ist: § 8 Satz 1 NDSchG schützt das Erscheinungsbild eines Baudenkmals, also die Wirkung des Baudenkmals in seiner Umgebung und die Bezüge zwischen dem Baudenkmal und seiner Umgebung. Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn die jeweilige besondere Wirkung des Baudenkmals, die es als Kunstwerk, als Zeuge der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element auf den Beschauer ausübt, geschmälert wird. Hinzutretende bauliche Anlagen müssen sich an dem Maßstab messen lassen, den das Denkmal gesetzt hat, und dürfen es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen, übertönen oder die gebotene Achtung gegenüber den Werten außer Acht lassen, welche dieses Denkmal verkörpert (Senatsbeschl. v. 6.4.2020 - 1 LA 114/18 -, BauR 2020, 1163 = BRS 88 Nr. 135 = juris Rn. 10).

Gemessen hieran ist eine abwägungserhebliche Beeinträchtigung des Denkmalswerts des Gutes F., geschweige denn eine Beeinträchtigung mit einem die Erhaltungspflicht des Antragstellers entwertenden Gewicht, nicht ansatzweise erkennbar. Der Umgebungsschutz eines im Außenbereich gelegenen Vorhabens ist nicht gleichsam eine Sperre für moderne Bebauung in dessen Sichtfeld. Von einem Erdrücken, Verdrängen oder Übertönen kann selbst bei ästhetisch mit dem Denkmal unvereinbaren Bauten erst dann die Rede sein, wenn - entweder - die heranrückende Bebauung einen wesentlichen Teil des Umfeldes prägt oder aber das Denkmal in besonderem Maße auf einen bestimmten, von störender Bebauung freien Blickkontext angewiesen ist. Je weiter die Bebauung vom Denkmal abgerückt ist, desto ferner liegt ein solches Verdrängen. Vorliegend zeigt, darauf weist die Antragsgegnerin zutreffend hin, die im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange eingegangenen Stellungnahme des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege vom 7. Mai 2021 keine denkmalwertkonstituierenden Merkmale der Gutsanlage auf, die sich gerade aus ihrer Lage in einem von jeglichen Gewerbebauten freien Umfeld ergeben; auf Fernwirkung, zumal von Ost nach West, ist das Denkmal ersichtlich nicht ausgelegt. Allenfalls mag noch von Bedeutung sein, dass der agrarische Kontext, mithin die Lage im Außenbereich, klar erkennbar bleibt. Vor diesem Hintergrund kämen allenfalls großräumige Überlagerungen des "Denkmalhintergrundes" als Beeinträchtigungen in Betracht. Davon kann hier keine Rede sein. Angesichts der Entfernung von 370 m zwischen Denkmal und Baugebiet würde letzteres ungeachtet seiner "Breite" von fast 350 m und einer zulässigen Gebäudehöhe von ca. 15 m selbst bei freier Sicht nur einen Ausschnitt des Blickfelds vom Denkmal aus nach Westen verstellen; der bei google streetview abrufbare Blick von der B 218 auf Höhe des Gebäudes G. -Straße 2 auf die von dort gleichfalls rd. 370 m entfernte fertiggestellte Möbelfabrik, die in der Dimensionierung der im Plangebiet zulässigen Bebauung ähnelt, zeigt dies anschaulich. Beim Blick auf das Denkmal von Osten, der ja aus noch größerer Entfernung erfolgen müsste, wäre dieser Ausschnitt noch kleiner. Hinzu kommt, dass der Blick vom Denkmal auf das Baugebiet keineswegs frei ist, sondern durch zwei im Abstand von 200 m hintereinander gestaffelte Baumreihen und verschiedene Gebäude unterbrochen wird. Selbst nach dem Laubfall werden diese die Wirkung der planbedingten Bebauung weiter abmildern. Beim Blick von Süden bzw. Norden (G. -Straße bzw. F. -Straße) gilt Ähnliches; selbst ohne Berücksichtigung des umfangreichen Baumbestandes der Umgebung müssten Baugebiet und Denkmal aus beachtlicher Entfernung betrachtet werden, um überhaupt gleichzeitig wahrgenommen zu werden; die denkmalkonstituierenden Eigenschaften des Gutes wären aus einer solchen Entfernung ohnehin nicht erkennbar.

b)

Inwieweit das Baugebiet eine landwirtschaftliche Nutzung des Antragstellers erschweren sollte, legt dieser - hierauf weist die Antragsgegnerin zu Recht hin - nicht dar; ohne entsprechende Darlegungen sind solche Erschwerungen, soweit städtebaulich überhaupt relevant, nicht ersichtlich.

c)

Abwägungserhebliche Licht- oder Lärmimmissionen sowie Erschütterungen, die auf das Vorhaben einwirken könnten, sind auszuschließen.

Mit Blick auf Lichtimmissionen wird dies bereits durch die erhebliche Entfernung zwischen Baugebiet und Wohnhaus des Antragstellers, das zudem teilweise durch dessen Wirtschaftsgebäude nach Westen hin abgeschirmt ist, indiziert. Hinzu tritt, dass angesichts der textlichen Festsetzung Nr. 1.6 c) eine erhebliche Lichtabstrahlung zur Seite hin nicht zu erwarten ist. Das Plangebiet mag vom Wohnhaus des Antragstellers aus als erleuchtet wahrnehmbar sein. Dies für sich genommen ist jedoch keine die Bagatellschwelle überschreitende Belästigung. Auch im Außenbereich besteht kein Recht auf eine unbeleuchtete Umgebung. Was für Lärm- und Geruchsbelastungen gilt, gilt vergleichbar für Lichtimmissionen: Das Bauplanungsrecht erkennt dem Außenbereich nicht den Charakter eines Wohngebiets mit gegenüber dem Innenbereich noch gesteigertem Anspruch auf "ländliche Idylle" zu.

Abwägungserheblichen Gewerbelärmimmissionen wird durch die vorgenommene Lärmkontingentierung vorgebeugt. Angesichts der Tatsache, dass nach den der Planung zugrundeliegenden Schallgutachten selbst an den dem Plangebiet unmittelbar östlich benachbarten Immissionsorten - namentlich dem Immissionsort 7, G. -Straße 2 - die Außenbereichslärmwerte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts eingehalten werden, lag auch ohne die von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 22. März 2024 vorgelegte ergänzende Berechnung auf der Hand, dass der Lärmbeitrag des Plangebiets am mehrere hundert Meter entfernten Wohnhaus des Antragstellers diese Werte um mehr als 10 dB(A) unterschritte. Die erwähnte Berechnung, die zu einer Unterschreitung um 18,5 dB(A) tags und 19,5 dB(A) nachts kommt, bestätigt dies eindrücklich.

Auch die planbedingten Verkehrslärmimmissionen begründen keine Antragsbefugnis. Das Interesse des Eigentümers eines Grundstücks außerhalb des Plangebiets, von einer Lärmzunahme aufgrund des Zu- und Abfahrtsverkehrs zum Plangebiet verschont zu bleiben, kann nach den Umständen des Einzelfalls einen abwägungserheblichen Belang darstellen, wenn sich der durch die Planung ausgelöste Verkehr innerhalb eines räumlich überschaubaren Bereichs bewegt und vom übrigen Straßenverkehr unterscheidbar ist. In diesem Fall gehört eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms auch unterhalb der Grenzwerte zum Abwägungsmaterial. Ist der Lärmzuwachs allerdings nur geringfügig, geht er mithin über die Bagatellgrenze nicht hinaus oder wirkt er sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück aus, so muss er nicht in die Abwägung eingestellt werden (Senatsurt. v. 6.10.2022 - 1 KN 165/20 -, juris Rn. 26; v. 4.5.2023 - 1 KN 105/21 -, BauR 2023, 1513 = juris Rn. 13 m.w.N.). An diesen Voraussetzungen fehlt es. Fraglich ist bereits, ob der Verkehr sich noch in einem räumlich überschaubaren Bereich zum Plangebiet bewegt, was der Senat in Anlehnung an Nr. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm bis zu einer Entfernung von 500 m annimmt. Diese Entfernung wäre nur unterschritten, wenn man auf die Grenzen der überplanten Gewerbegrundstücke abstellte. Stellt man hingegen, was näherliegt, auf die Ausfahrtsstelle aus dem Plangebiet ab, so betrüge die Entfernung zur Hofanlage des Antragstellers knapp 650 m. Jedenfalls aber fehlt es an einer Unterscheidbarkeit des planbedingten vom sonstigen Verkehr. Die B 218 weist ausweislich der schalltechnischen Beurteilung vom 11. Juni 2020 im Prognosefall täglich rd. 6.900 Kfz-Bewegungen auf, von denen nur 1.167, mithin etwa 17 Prozent, planbedingt sind; selbst dieser Anteil wird voraussichtlich nicht vollständig nach Osten, d.h. am Grundstück des Antragstellers vorbei, verkehren. Der Senat hat selbst bei einer deutlich höheren Verkehrszunahme eine Unterscheidbarkeit verneint (Senatsurt. v. 4.5.2023 - 1 KN 105/21 -, BauR 2023, 1513 = juris Rn. 23). Dass die Lärmzunahme dem Lärmgutachten (S. 27) zufolge mit 0,7 dB(A) unterhalb der Wahrnehmbarkeitsschwelle liegt, kommt hinzu.

Aus den gleichen Gründen scheidet eine abwägungserhebliche Betroffenheit des Antragstellers infolge mehrverkehrsbedingter Erschütterungen auf seinem Grundstück aus; auch insoweit gilt, dass die Auswirkungen nicht vom Bestandsverkehr unterscheidbaren Mehrverkehrs auf öffentlichen Straßen im Rahmen der Abwägung nicht betrachtet werden müssen.

2.

Ergänzend merkt der Senat an, dass beachtliche Gründe für eine Rechtsmissbräuchlichkeit des Normenkontroll(eil)antrags sprechen. Der Antragsteller hat durch Vertrag vom 21. Juni 2019 mit der Antragsgegnerin und der offenbar in deren Interesse handelnden Niedersächsischen Landgesellschaft ein in seinem Eigentum stehendes, landwirtschaftlich genutztes Grundstück von 4,4 ha Größe im Plangebiet gegen drei landwirtschaftlich nutzbare Grundstücke in einer Nachbargemarkung mit einer Gesamtgröße von 11,3 ha getauscht. Zusätzlich erhielt der Antragsteller die Kaufoption für eine weitere landwirtschaftliche Fläche zur Größe von 1,3 ha sowie Hilfe der Antragsgegnerin bei der Abschirmung der Gutsanlage gegen Verkehrslärm von der B 218 (§ 11 des Vertrags). Die beabsichtigte Nutzung des bisherigen Antragstellergrundstücks als Gewerbefläche war nicht nur im Tauschvertrag angegeben; vielmehr war das Inkrafttreten eines Bebauungsplans für das Grundstück bzw. eine Ausnutzbarkeit über die §§ 33, 36 BauGB nach § 8 des Vertrags aufschiebende Bedingung für dessen Wirksamkeit. Die Befugnis der Niedersächsischen Landgesellschaft, einen mit dem Antragsteller geschlossenen Zwischenpachtvertrag für dessen frühere Eigentumsfläche zu kündigen, war ebenfalls an eine Verwendung der Fläche für den vorgesehenen gewerblichen Nutzungszweck geknüpft (§ 4 Abs. 2 des Vertrags). Vor diesem Hintergrund spricht einiges für die Treuwidrigkeit eines Verhaltens, das darauf hinausläuft, durch einen Normenkontroll(eil)antrag zu versuchen, den ausdrücklich als Geschäftszweck vereinbarten Nutzungswunsch der Vertragspartner zu vereiteln, zumal zu einem Zeitpunkt, zu dem dem Antragsteller die Vorteile des für ihn angesichts des o.g. Flächenverhältnisses mutmaßlich günstigen Vertrags bereits zugeflossen waren.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nrn. 8 c), 7 d), e) der Streitwertannahmen der Bau- und Immissionsschutzsenate des Nds. Oberverwaltungsgerichts für ab dem 1. Juni 2021 eingegangene Verfahren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).