Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.04.2024, Az.: 5 LC 35/21

Streit um die Gewährung eines finanziellen Ausgleichs für den Kapitän eines Zollbootes während Seestreifen; Abgrenzung der unionsrechtlichen Begriffe "Arbeitszeit" und "Ruhezeit"; Dienst außerhalb des festgelegten Wachen-Systems; Unionsrechtlicher Haftungsanspruch

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.04.2024
Aktenzeichen
5 LC 35/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 14920
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0416.5LC35.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 27.01.2021 - AZ: 3 A 2428/15

Amtlicher Leitsatz

Zur Abgrenzung der unionsrechtlichen Begriffe "Arbeitszeit" und "Ruhezeit", wenn sich der Kapitän eines Zollbootes (SWATH-Schiffs) auf einer Seestreife befindet und er seinen Dienst außerhalb des festgelegten Wachen-Systems versieht

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 3. Kammer - vom 27. Januar 2021 - Az. - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung eines finanziellen Ausgleichs für jede bislang nicht anerkannte Stunde, die er im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2020 während der Seestreifen an Bord eines Einsatzschiffs der G. verbracht hat.

Der Kläger, der mit Ablauf des 31. Dezember 2020 in den Ruhestand trat, hatte das Statusamt eines Regierungsamtsrates (Besoldungsgruppe A 12) inne und war als Kapitän auf dem Einsatzschiff "H." - I. -Schiff - der G. tätig. Sein Einsatz auf einer Seestreife erstreckte sich in der Regel über acht Tage: am ersten Tag war Besatzungswechsel (Dienstbeginn: dienstags 12.00 Uhr), dann folgten ein Auslauftag, in der Regel vier volle Seetage, ein Einlauftag (üblicherweise montags) und wiederum ein Tag, an dem die Besatzung wechselte (Dienstende: dienstags 12.00 Uhr). Ein Verlassen des Schiffs war für den Kläger während einer Seestreife im Regelfall für insgesamt 168 Stunden nicht möglich. Im Anschluss an die Seestreife hatte er zwei Wochen dienstfrei. Anschließend begann für ihn die nächste Seestreife.

Als Kapitän versah der Kläger seinen Dienst an Bord außerhalb des festgelegten seemännisch organisierten Schichtsystems unter Maßgabe der dienstlichen Obliegenheiten. Er war in seiner Diensteinteilung frei. Aufgrund seiner eigenen Entscheidung versah er seinen Dienst in der Zeit von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr, von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr und von 20.00 Uhr bis 24.00 Uhr (vgl. Sitzungsniederschrift vom 27.1.2021, S. 3 [Bl. 129/GA]). Als sein Vertreter war der 1. Nautische Offizier bestellt.

Die anderen Besatzungsmitglieder versahen ihren Dienst bis zum 31. Dezember 2015 nach einem Drei-Wachen-System, wobei sich die einzelnen Wachabschnitte im selben Turnus wiederholten. Sie hatten vier Stunden Wache ("Schiffsbetrieb"/"Seewache"/"Volldienst"), dann vier Stunden Bereitschaftszeit ("Freiwache") und danach vier Stunden Ruhezeit ("Frei an Bord"). Seit dem 1. Januar 2016 gilt ein neues Arbeitszeitmodell. Die Besatzungsmitglieder werden weiterhin der 1. Wache, 2. Wache oder 3. Wache zugeordnet. Jede Wache hat während der vollen Seetage nächtlich durchgehend acht Stunden "Ruhezeit", nämlich die 1. Wache von 16.00 Uhr bis 24.00 Uhr, die 2. Wache von 20.00 Uhr bis 4.00 Uhr und die 3. Wache von 0.00 Uhr bis 8.00 Uhr. Im Zeitfenster von 20.00 Uhr bis 4.00 Uhr hat eine Wache "Seewache" während die beiden anderen Wachen "Ruhezeit" haben. Einen Bereitschaftsdienst wie die sogenannte "Freiwache" gibt es während der nächtlichen "Ruhezeit" nicht mehr. Während der Auslauf-, See- und Einlauftage teilt der G. -Kapitän - also der Kläger - für die 1. Wache im Zeitfenster von 4.00 Uhr bis 12.00 Uhr, für die 2. Wache im Zeitfenster von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr und für die 3. Wache im Zeitfenster von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr nach seinem Ermessen vier Stunden "Boarding/Arbeitsdienst", drei Stunden "Ruhe" und eine Stunde "Notfallbereitschaft" ein. Am ersten Wechseltag haben alle drei Wachen von 12.00 Uhr bis 16.00 Uhr und am zweiten Wechseltag von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr Sonderdienst (Sport, Schießen, HVT).

An den (tideabhängigen) Ab- und Anlegemanövern nehmen alle Besatzungsmitglieder teil. Den Besatzungsmitgliedern wird an den Auslauf-, See- und Einlauftagen Verpflegung zur Verfügung gestellt. Die Essenszeiten an Bord werden eigenverantwortlich durch den G. -Kapitän - den Kläger - festgelegt. An Bord des Einsatzschiffs "H." fand das Abendessen ab 17.30 Uhr statt.

Dem Kläger wurden entsprechend der "Arbeitszeitregelungen für die Besatzungen der I. -Schiffe und ergänzende[n] organisatorische[n] Maßnahmen für den Betrieb der I. -Schiffe" des J. K. -Stadt vom 29. Juni 2010 (O 1525 B - A 202) für jeweils 24 Stunden Streifenfahrt auf See (volle Seetage) pauschal 17 Stunden Dienstzeit von der Beklagten angerechnet. Darüber hinaus wurden ihm jeweils neun Stunden für die beiden Wechseltage, 15 Stunden für den Auslauftag und 17 Stunden für den Einlauftag als Dienstzeit angerecht. Insgesamt wurden für ihn bei einer regulären achttätigen Seestreife 118 Stunden Dienst (bei 168 Stunden Anwesenheit an Bord) berücksichtigt. In den Jahren 2016 bis 2020 führte der Kläger unter Anrechnung einer zusätzlichen Stunde auf seine Arbeitszeit (18 statt 17 Stunden) teilweise an vollen Seetagen oder dem Einlauftag gesundheitsfördernde Maßnahmen durch.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2014, eingegangen am 17. Dezember 2014 beim J. K. -Stadt, beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Januar 2009 (- BVerwG 2 C 90.07 -, juris) und das Urteil des B-Stadt-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 8. Mai 2014 (- 12 A 139/12 -, juris),

"das Stundenmaß bei einem vollen Seetag auf 24 Stunden anzuheben und die Gewährung von Dienst zu ungünstigen Zeiten analog anzuwenden. Für die ab dem Jahr 2009 von [ihm] geleisteten Dienste, die [ihm] bei der Anrechnung auf die Arbeitszeit vorenthalten wurden, beantrage [er] Freizeitausgleich 1:1. Sollte ein solcher Freizeitausgleich nicht oder nicht vollumfänglich möglich sein, beantrage [er] Ausgleich in Geld."

Mit Bescheid des J. K. -Stadt vom 1. April 2015 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, die in Bezug genommenen Urteile bezögen sich auf den Zwei-Wachen-Betrieb - innerhalb von 24 Stunden je zwei sechsstündige Seestreifen und zwei sechsstündige Freiwachen - auf einem Schiff der L. und hätten für diesen Fall die Freiwachen als Bereitschaftsdienst anerkannt. Diese Rechtsprechung sei nicht auf den Drei-Wachen-Betrieb - vier Stunden Schiffsdienst, vier Stunden Freiwache (Kontroll-/Arbeitsdienst) und vier Stunden "Frei an Bord" - auf einem I. -Schiff des G. übertragbar. Während der Freiwachen könnten die Besatzungsmitglieder eines I. -Schiffs zwar anlassbezogen zu Dienstleistungen herangezogen werden. Anders als auf Einsatzschiffen der L. dienten die Zeiten "Frei an Bord" auf einem I. -Schiff des G. grundsätzlich der Erholung. Erfahrungsgemäß sei mit einer Inanspruchnahme der Besatzungsmitglieder in diesen Zeiten nicht zu rechnen. Erfolge in diesen Zeiten dennoch eine Heranziehung zur Dienstausübung, liege eine extreme Notfallsituation vor. Diese Ausnahmesituationen gäben den "Frei-Phasen" nicht den Charakter eines Bereitschaftsdienstes und seien somit auch nicht auf das Dienstmaß anzurechnen.

Dagegen legte der Kläger am 7. Mai 2015 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, es komme für die Abgrenzung des Bereitschaftsdienstes insbesondere von der Rufbereitschaft allein darauf an, ob der Beamte sich an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten habe, wenn erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen sei. Bereitschaftsdienst könne auch Ruhephasen einschließen. § 2 Nr. 12 der Arbeitszeitverordnung definiere den Bereitschaftsdienst als eine Pflicht, sich, ohne ständig zur Dienstleistung verpflichtet zu sein, an einer vom Dienstherrn bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall den Dienst aufzunehmen, wenn dabei Zeiten ohne Arbeitsleistung überwögen. So liege es in seinem Fall. Er stehe während der "Frei an Bord"-Zeiten jederzeit für eine dienstliche Inanspruchnahme zur Verfügung, da er den dienstlichen Bereich nicht verlassen und sich aus diesem Grunde dem Zugriff des Dienstherrn nicht entziehen könne. Diese Zeiten stellten Bereitschaftsdienst dar, da dienstliche Einsätze während dieser Zeiten zur Wahrnehmung regelmäßig anfallender dienstliche Aufgaben unabdingbar oder vom Dienstherrn eingeplant seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2015, zugestellt am 8. Dezember 2015, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, ein Ausgleichsanspruch nach Art. 6 Buchst. b) der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003, §§ 3, 13 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes (Arbeitszeitverordnung - AZV) bestehe nur, wenn die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden in einem Bezugsraum vom zwölf Monaten nicht überschreite. Daran fehle es hier. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Januar 2009 (- BVerwG 2 C 90.07 -, juris) und des B-Stadt-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 8. Mai 2014 (- 12 A 139/12 -, juris), denn diese beträfen die Dienstverrichtung im Zwei-Wachen-Betrieb auf einem Einsatzschiff der L. und sei deshalb nicht auf das Drei-Wachen-System auf I. -Schiffen des G. übertragbar. Daneben scheide ein Anspruch des Klägers aus, weil dieser in seiner Funktion als Kapitän gerade nicht an dem Schicht-System an Bord teilnehme. In seiner Funktion sei er - lageangepasst - in seiner Diensteinteilung frei. Der Kläger halte sich in den Frei-Phasen nicht an Bord auf, um jederzeit seine Arbeitsleistung erbringen zu können, sondern weil ein Verlassen des Schiffes einsatzbedingt nicht möglich sei. Die Frei-Phasen dienten grundsätzlich der Ruhe und Erholung. Etwaige Ansprüche des Klägers für den Zeitraum 2009 bis 2011 seien verjährt, denn Ausgleichsansprüche aus der sogenannten Zuvielarbeit unterlägen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.7.2012 - BVerwG 2 C 29.11 -, juris Rn. 41 ff.) der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren.

Der Kläger hat am 28. Dezember 2015 beim Verwaltungsgericht Stade Klage erhoben.

Er hat die Ansicht vertreten, er habe regelmäßig Zuvielarbeit geleistet, so dass ihm sowohl ein unionsrechtlicher als auch ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch zu stehe. Bei den "Frei an Bord"-Zeiten handele es sich um Bereitschaftsdienst, da er über die Nutzung seiner Zeit nicht frei verfügen könne. Eine planbare oder nicht planbare Freizeit existiere ab Dienstbeginn am Dienstag um 12.00 Uhr an Bord nicht mehr. Er sei zu 100 % in der Wahl seines Aufenthaltsortes eingeschränkt, da er durch die Anweisung seines Dienstherrn verpflichtet sei, am Arbeitsplatz zu verbleiben. Ihm sei untersagt, an Bord Alkohol zu trinken. Er könne diese Zeit nicht mit seinen Familienangehörigen verbringen und aufgrund dessen, dass sich das Schiff außerhalb der Handyreichweite befinde, nicht einmal mit ihnen telefonieren. Zudem könne er jederzeit zum Dienst auch in den vorgesehenen Ruhezeiten aufgefordert werden. Von Manövern seien regelmäßig sämtliche Besatzungsangehörige auf Manöverstation betroffen. Dies betreffe beispielsweise das tideabhängige An- und Ablegen, den Helikopter-Transfer, Eigensicherheitsübungen, Arbeitsschutzbelehrungen, Sicherheitskontrollen wie Leck- und Brandabwehr (Feuerlöschübungen), die Kontrolle von anderen Schiffen, Sonderdienste wie Mann-über-Bord-Manöver sowie Seenotfälle. Auch bei Sturmfahrten sei ein erhöhter Personalbedarf erforderlich. Während der Seestreifen fänden die Ausbildung in Erster Hilfe und Teile der Schießausbildung (Seezielschießen) statt. Selbst wenn die "Frei an Bord"-Zeiten nur als Rufbereitschaft angesehen werden würde, müsse aufgrund unionsrechtlicher Bestimmungen und soweit dieser Dienst über die wöchentlich zulässige Arbeitszeit hinausgehe, ein Ausgleich in vollem Umfang nach Art. 6 Buchst. b) der Richtlinie 2003/88/EG erfolgen. Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz sei grundsätzlich jede Stunde, die innerhalb eines Siebentagezeitraumes über 48 Stunden hinaus gearbeitet worden sei, auszugleichen. Zudem sei auf § 30c Abs. 2 Satz 2 des Soldatengesetzes hinzuweisen, wonach dem Soldaten, wenn er durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht werde, für diese Mehrarbeit innerhalb eines Jahres entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren sei. Dieser Grundsatz sei auf seinen Fall ohne Weiteres übertragbar. Zwar unterlägen Ansprüche wegen Zuvielarbeit grundsätzlich der regelmäßigen Verjährung. Aufgrund der Verhandlungen zwischen ihm und der Beklagten sei die Verjährung seiner Ansprüche aber gehemmt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 1. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, jede vom Kläger während der Seestreife nicht vergütete und an Bord verbrachte Stunde als Dienstzeit zu vergüten, und zwar für 2009 in Höhe von 300 Stunden, für 2010 in Höhe von 680 Stunden, für 2011 in Höhe von 749 Stunden, für 2012 in Höhe von 697 Stunden, für 2013 in Höhe von 660 Stunden, für 2014 in Höhe von 712 Stunden, für 2015 in Höhe von 738 Stunden, für 2016 in Höhe von 450 Stunden, für 2017 in Höhe von 650 Stunden, für 2018 in Höhe von 460 Stunden, für 2019 in Höhe von 750 Stunden und für 2020 in Höhe von 400 Stunden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, streitig sei nur die Anrechnung von Arbeitszeit an vollen Seetagen. Die Zeiten "Frei an Bord" dienten grundsätzlich der Erholung. Dies gelte insbesondere für einen Kapitän wie den Kläger, der in seiner Diensteinteilung lageangepasst frei sei und seinen Dienst - unter Maßgabe der dienstlichen Obliegenheiten - nach eigenem Ermessen außerhalb eines festgelegten seemännisch organisierten Wachsystems versehe. Der Kläger halte sich in den Frei-Phasen nicht an Bord auf, um seine Arbeitsleistung jederzeit zum Beispiel bei Einsätzen erbringen zu können, sondern weil ein Verlassen des Schiffes einsatzbedingt nicht möglich sei. Nur in extremen Notfallsituationen erfolge eine Heranziehung zur Dienstverrichtung. Zwar würden bestimmte Ereignisse an Bord der I. -Schiffe des G. die Anwesenheit aller Besatzungsmitglieder auf den Stationen erforderlich machen, so zum Beispiel beim An- und Ablegemanöver (Zeiteinsatz 2,5 Stunden) und bei Kontrollen. Jedoch seien zum Beispiel Fischereikontrollen auf dem Einsatzschiff des Klägers im Jahr 2013 nur viermal durchgeführt worden, in den Jahren 2014 und 2015 dagegen gar nicht. Im Jahr 2013 und im Jahr 2019 habe es auf dem Einsatzschiff des Klägers nur einen Einsatz wegen eines Seenotfalles gegeben, im Jahr 2014 sei es zu drei Einsätzen und im Jahr 2015 zu keinem Einsatz dieser Art gekommen. Zudem habe der Kläger während des nächtliches Einlaufens und Festmachens des Schiffes am 9. Oktober 2017 zwei Stunden Dienst geleistet. Eine Überschreitung der durchschnittlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit in Höhe von 48 Stunden sei nicht feststellbar, sodass ein Ausgleichsanspruch nach Art. 6 der Richtlinie 2003/88/EG nicht bestehe. Zudem habe der Dienstherr nur die rechtswidrige Zuvielarbeit auszugleichen, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet werde mit der Folge, dass ein etwaiger Anspruch des Klägers erst ab Januar 2015 bestehen könnte.

Das Verwaltungsgericht Stade hat mit Urteil vom 27. Januar 2021 die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit der Kläger von der Beklagten für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2020 nicht nur eine finanzielle Vergütung für die an vollen Seetagen verbrachte Zeit von weiteren sieben Stunden begehre, sondern darüber hinaus auch für die an Bord verbrachten und nicht vergüteten Stunden der weiteren Tage der Seestreife, mithin für die beiden Wechseltage sowie den Aus- und den Einlauftag. Denn insoweit mangele es dem Kläger an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil er zuvor keinen Antrag bei der zuständigen Behörde gestellt habe.

Die Klage sei im Übrigen unbegründet, denn der Kläger habe für den Zeitraum vom 1.Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2020 keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf finanzielle Vergütung für die an vollen Seetagen verbrachte Zeit von weiteren sieben Stunden.

Es bestehe kein Anspruch des Klägers auf finanziellen Ausgleich gemäß § 88 BBG, weil die noch nicht ausgeglichenen Zeiten "Frei an Bord" keine angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit seien, sondern Bestandteil der regulären bzw. regelmäßigen Arbeitszeit des Klägers. Es fehle an einer Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit durch den Dienstherrn. Die Anordnung von Mehrarbeit folge nicht aus der Aufstellung und Praktizierung von Dienstplänen, denn diese seien die Festsetzung der regulären Arbeitszeit. Es fehle zudem an einer für die Annahme von Mehrarbeit erforderlichen Ermessensentscheidung der Beklagten über die dienstliche Notwendigkeit der Anordnung von über die reguläre Arbeitszeit hinausgehender Mehrarbeit im Einzelfall und welchem Beamten die Mehrarbeit übertragen werden soll.

Der Kläger habe auch aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch und aus dem nationalen beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf finanziellen Ausgleich. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2014 stehe einem solchem Anspruch auf finanziellen Ausgleich bereits die nicht zeitnahe Geltendmachung entgegen. Der Kläger habe erstmalig mit Schreiben vom 12. Dezember 2014 einen Ausgleich für geleistete Zuvielarbeit von der Beklagten verlangt, so dass ein Ausgleichsanspruch danach allenfalls - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen hierfür vorlägen - ab dem 1. Januar 2015 in Betracht käme.

Der Kläger habe auch für den weiteren von ihm geltend gemachten Zeitraum vom 1.Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2020 keinen Anspruch auf finanzielle Vergütung für die an vollen Seetagen verbrachten, bisher nicht anerkannten Zeiten von weiteren sieben Stunden. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch und der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch (§ 242 BGB) setzten "Zuvielarbeit" voraus. Die Arbeitszeit sei in § 87 Abs. 3 Satz 1 BBG in Verbindung mit der Arbeitszeitverordnung für Beamte des Bundes geregelt. Nach § 13 Abs. 1 AZV könne bei Bereitschaftsdienst die regelmäßige tägliche Arbeitszeit und die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit entsprechend den dienstlichen Bedürfnissen angemessen verlängert werden (Satz 1). Hierbei dürfe in einem Bezugszeitraum von zwölf Monaten die durchschnittliche Arbeitszeit 48 Stunden im Siebentageszeitraum nicht überschreiten (Satz 2). Eine vergleichbare Regelung treffe Art. 6 Buchst. b) der Richtlinie 2003/88/EG.

Ob der Kläger für die Jahre 2015 bis 2020 in seiner wöchentlichen durchschnittlichen Arbeitszeit die Grenze von 48 Stunden überschritten habe, könne dahinstehen, denn selbst unter Einbeziehung der vom Kläger geltend gemachten zusätzlichen sieben Stunden Arbeitszeit an einem vollen Seetag während der Einsatzfahrt und der unterstellten Annahme, dass die Grenze von 48 Stunden in den Jahren 2015 bis 2020 jeweils überschritten worden sei, seien die Voraussetzungen für einen beamtenrechtlichen bzw. unionsrechtlichen Ausgleichsanspruch nicht erfüllt. Die vom Kläger geltend gemachten weiteren sieben Stunden für jeden im Dienst verbrachten vollen Seetag seien nämlich nicht als Arbeitszeit zu werten, sondern als nicht ausgleichspflichtige Ruhezeit.

Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger während der Zeit, die er nach der unmittelbaren Arbeitsleistung bzw. nach dem Bereitschaftsdienst als "Frei an Bord" verbringe, ausnahmsweise in bestimmten Notfällen zur Dienstverrichtung herangezogen werden könne, sei diese Zeit "Frei an Bord" nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht als ausgleichspflichtiger Bereitschaftsdienst zu werten. Bereitschaftsdienst liege danach vor, wenn sich der Beamte an einem vom Dienstherrn bestimmten Bereich außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten habe und erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen sei. Während der Zeit "Frei an Bord" sei erfahrungsgemäß nicht mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen, sondern nach dem Vortrag der Beklagten nur in absoluten Ausnahmefällen, wenn zum Beispiel Notfälle vorlägen wie etwa eine Seenotrettung. So habe der Kläger nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beklagten im gerichtlichen Verfahren während der vollen Seetage in den Jahren 2015 bis 2020 außerhalb des Tagesdienstes lediglich am 9. Oktober 2017 zwei Stunden Dienst in der Zeit von 0.00 Uhr bis 2.00 Uhr für das nächtliche Einlaufen und Festmachen des Schiffes sowie am 25./26. April 2019 fünf Stunden Dienst in der Zeit von 0.00 Uhr bis 5.00 Uhr im Rahmen eines Seenotrettungseinsatzes geleistet. Es sei davon auszugehen, dass es für diejenigen Besatzungsmitglieder in den Zeiten "Frei an Bord" nicht typischerweise oder regelmäßig zu Einsätzen komme.

Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 11. März 2020 (- 5 LB 48/18 -, juris) komme es nunmehr für die Einstufung von Dienst als Arbeitszeit maßgeblich darauf an, ob sich der Beamte während des Dienstes an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen müsse, um gegebenenfalls sofort die geeigneten Leistungen erbringen zu können. Die Kammer komme aufgrund der im Fall des Klägers vorliegenden Umstände zu der Überzeugung, dass die an Bord des Seeschiffs verbrachte Zeit "Frei an Bord" als "Ruhezeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG und nicht als "Arbeitszeit" einzustufen sei. Für die Zeit "Frei an Bord" habe die Beklagte gerade nicht die Weisung ausgegeben, dass sich der Kläger während dieses Zeitraums jederzeit bereit zu halten habe, denn für dieses "Sich-Bereit-Halten" sei während der Zeit "Frei an Bord" der parallel bestehende und angeordnete "Bereitschaftsdienst" durch andere Mitarbeiter in der dienstlichen Pflicht. Auch habe der Dienstherr in einer dienstlichen Weisung den Aufenthalt des Klägers für die Zeit "Frei an Bord" nicht auf einen bestimmten Ort beschränkt. Vielmehr ergebe sich die örtliche Aufenthaltsbeschränkung des Klägers für den Zeitraum "Frei an Bord" aus der faktischen Situationsgebundenheit des Einsatzschiffs auf hoher See. Dass die faktische Aufenthaltsbeschränkung auf das Einsatzschiff letztlich darauf zurückgehe, dass der Dienstherr für den Kläger einen Dienst im Rahmen der Seestreife zu Beginn der Seestreife angeordnet habe, reiche insoweit als Indiz für die Annahme einer ausgleichspflichtigen Arbeitszeit nicht, weil es nichts an der örtlich bedingten Aufenthaltsbeschränkung aufgrund des Einsatzes auf hoher See ändere. Andererseits stünden die Beamten faktisch für eine jederzeitige dienstliche Inanspruchnahme zur Verfügung, weil sie den dienstlichen Bereich nicht verlassen und sich aus diesem Grund dem Zugriff des Dienstherrn nicht entziehen könnten. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass für Vorkommnisse, die vom regulären "Volldienst" an Bord nicht bewältigt werden könnten, die einen parallelen Dienst verrichtenden Beamten der Schicht "Bereitschaftsdienst" zuständig seien. Erst in absoluten Ausnahmefällen werde zusätzlich neben den Beamten im "Volldienst" und im "Bereitschaftsdienst" auf die Beamten der Schicht "Frei an Bord" gleichsam als Notreserve zurückgegriffen, was sich anhand der äußerst geringen Einsätze des Klägers in den Jahren 2015 bis 2020 zeige. Es handele sich dabei um eher unvorhergesehene Ereignisse wie eine Seenotrettung oder andere Gefahrenlagen, die jedenfalls den üblichen Dienstbetrieb, für den der "Bereitschaftsdienst" zur Verfügung stehe, überstiegen und aufgrund des Ausnahmecharakters den Dienstherrn zur Abwehr einer Gefahr für die Besatzung und das Schiff dazu veranlassen, auf die Einsatzreserve mit den in der Schicht "Frei an Bord" befindlichen Beamten zurückzugreifen. Diese Heranziehung erweise sich insoweit eher als Ausdruck der seemännischen Gefahrengemeinschaft und nicht vorrangig aufgrund einer regelmäßig Anwendung findenden dienstlichen Weisung zur Ausgestaltung des mehr oder minder regelmäßigen Dienstbetriebs. Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er an Bord die ihm zur Verfügung stehende Freizeit nicht so umfänglich ausgestalten könne, wie wenn er seine Freizeit zu Hause verbrächte. Denn die Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Klägers selbst ergebe sich nicht aus der dienstlichen Anweisung für die Zeit "Frei an Bord", sondern aus dem Umstand, dass der Kläger aufgrund der faktischen Gegebenheiten das Einsatzschiff während der ihm zur Verfügung gestellten freien Zeit nicht verlassen könne. Die Qualität der verbrachten freien Zeit als Kriterium für die Zuordnung eines Dienstes zur "Arbeitszeit" oder zur "Ruhezeit" stehe abgesehen von einer subjektiven Einschätzung auch nicht mit der teleologischen Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG im Einklang. Denn Ziel des Unionsrechts sei es, zu verhindern, dass die Beschränkungen eines Dienstes, bei dem er sich bereit zu halten habe, für Arbeitnehmer derart einschneidend seien, dass sie dem Arbeitnehmer keine tatsächliche "Ruhezeit" ermöglichten. Dies sei indes in der vorliegenden Konstellation bei der Zeit "Frei an Bord" gerade nicht der Fall, weil der Kläger ganz überwiegend bis auf wenige, selten vorkommende Einzelereignisse die Zeit als freie Zeit für sich in Anspruch nehmen könne.

Am 5. März 2021 hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zugelassene Berufung eingelegt und verfolgt mit dieser sein Begehren weiter.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, an Bord des Schiffs werde täglich ein Dienstbuch geführt. In diesem würden u. a. der vorgeschriebene Dienst, die Beamten und die Dienstzeiten geführt. An den beiden Wechseltagen sei danach die Dienstzeit von 12.00 Uhr bis 24.00 Uhr bzw. von 0.00 Uhr bis 12.00 Uhr und an den anderen Tagen jeweils von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr vorgegeben gewesen, also habe er in ständigem Einsatz gestanden. Auch im gesetzlich vorgeschriebenen Schiffstagebuch seien die Eintragungen von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr dokumentiert. Er habe als Kapitän die alleinige Verantwortung getragen und habe deshalb ununterbrochen an Bord erreichbar sein und sich bereithalten müssen, um jederzeit den Dienst antreten zu können. Das Schiff habe er auf Anweisung des Dienstherrn auch an den Wechsel-, Auslauf- und Einlauftagen nicht verlassen dürfen, obwohl an diesen Tagen - im Gegensatz zu den vollen Seetagen - ein Verlassen des Boots möglich gewesen wäre. Er sei an Bord "kaserniert" gewesen. Es sei nicht nur in außergewöhnlichen Notfallsituationen zu Tätigkeiten gekommen. An- und Ablegemanöver, vorgeschriebene Übungen (zum Beispiel Seezielschießen, Waffen- und Sportübungen, Hubschraubermanöver, Bootsmanöver, Feuerlöschmanöver, Notübungen mit dem Hochseeschlepper) seien unter Beteiligung aller Besatzungsmitglieder zu allen möglichen Zeiten durchgeführt worden. Havarien und Sucheinsätze hätten nicht nur zwischen 8.00 Uhr und 17.00 Uhr stattgefunden. Auch der Helikopter-Transfer der Marine habe in den Abendstunden stattgefunden und sei zwei bis 24 Stunden vorher angekündigt worden. Es habe an Bord keinerlei Möglichkeit bestanden, einer "individuellen qualifizierten Freizeitgestaltung" nachzugehen. "Frei an Bord" habe es nicht gegeben. Er habe aufgrund der Anweisungen der Beklagten nicht während der Fahrten über seine Zeit frei verfügen und seinen eigenen Interessen nachgehen können, weshalb er dem Dienstherrn zur Verfügung gestanden habe, um dessen Anweisungen "stets" Folge zu leisten. Er sei weisungsgebunden gegenüber dem Lagezentrum in M. -Stadt gewesen. Einsatzbefehle wie zum Beispiel die Aufklärung von Umweltverstößen, die Begleitung und Überwachung von des Rauschgiftschmuggels verdächtigen Schiffen, Kontrollen etc. hätten auch nachts stattgefunden und er habe daran (auf Abruf) teilzunehmen gehabt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C 580/19 -, juris) sei es nicht zwingend, die Zeit, in der der Arbeitnehmer nicht tätig werde, als "Ruhezeit" zu qualifizieren. Er habe sich "ständig auf Abruf" befunden, auch dann, wenn er sich schlafen gelegt habe. Bei dem Wachdienst bei der Bundeswehr sei es beispielhaft so, dass im Regelfall mehrere Soldaten Wache schöben und sich abwechselten, was das Schlafen angehe. Auch in der Zeit, in der sich der Beamte des Wachdienstes hinlege, stehe ihm die Vergütung zu. Selbst die Bundesmarine erkenne für die Soldaten an jedem Seetag 24 Stunden als Arbeitszeit an und auch Ein- und Auslauftagen gälten als voller Seetag. Warum dies nicht für ihn gelten solle, erschließe sich nicht und stelle eine Ungleichbehandlung dar. Es sei treuwidrig und rechtsmissbräuchlich, auf das Erfordernis der zeitnahen Geltendmachung des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs bzw. des beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs abzustellen. Er habe erst durch das "Musterblatt" im Jahr 2014 Kenntnis von seinen Ansprüchen erlangt, so dass die Einrede der Verjährung ausscheide. Zudem habe der Dienstherr seiner Pflicht, auf die streitigen Ansprüche hinzuweisen, nicht Genüge getan.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 3. Kammer - vom 27. Januar 2021 -

  • zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, dem Kläger als finanziellen Ausgleich für rechtswidrige Zuvielarbeit

    im Jahr 2009 für 300 Stunden,

    im Jahr 2010 für 680 Stunden,

    im Jahr 2011 für 749 Stunden,

    im Jahr 2012 für 697 Stunden,

    im Jahr 2013 für 660 Stunden,

    im Jahr 2014 für 712 Stunden,

    im Jahr 2015 für 738 Stunden,

    im Jahr 2016 für 450 Stunden,

    im Jahr 2017 für 650 Stunden,

    im Jahr 2018 für 460 Stunden,

    im Jahr 2019 für 750 Stunden und

    im Jahr 2020 für 400 Stunden

einen Betrag in Höhe von 138.711,57 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, streitgegenständlich sei nur die Arbeitszeitanrechnung an vollen Seetagen, d. h. an vollständig auf See verbrachten Tagen. Es bestehe kein Anspruch des Klägers auf finanziellen Ausgleich der streitigen, an vollen Seetagen an Bord verbrachten Stunden nach § 88 Satz 2 bzw. Satz 4 BBG, weil er seinen Dienst nur nach festgelegten Dienstplänen versehen habe. Sie habe im Rahmen ihres Ermessens entschieden, dass keine dienstliche Notwendigkeit einer Anordnung bzw. Genehmigung von über die reguläre Arbeitszeit hinausgehender Mehrarbeit vorgelegen habe. Es handele sich bei den nicht als Dienstzeit angerechneten sieben Stunden je vollem Seetag nicht um Arbeitszeit. Der Kläger sei als Kapitän wachfrei gewesen und habe sich seinen Dienst selbst eingeteilt. Jeder der drei an Bord eingesetzten nautischen Offiziere sei aufgrund seiner seemännischen Befähigung in der Lage, das Einsatzschiff eigenverantwortlich zu führen. Sofern sich der Kläger als Kapitän zusätzlich selbst in den Dienst versetzt habe, entspreche dies nicht den Vorgaben des Dienstherrn. Nur in sehr seltenen Ausnahmefällen sei der Kläger während seiner dienstfreien Zeit auf dem Einsatzschiff dienstlich in Anspruch genommen worden. Dies sei jeweils nicht vorab geplant und nach der ausgewerteten Dokumentation so selten gewesen, dass diese Zeiten nicht als Bereitschaftsdienst zu qualifizieren sei. Auslauf- und Einlaufmanöver fänden regelmäßig für alle Besatzungsmitglieder statt und seien bei der Bewertung der Anrechnung der Arbeitszeit und des Schichtmodells fest eingeplant worden. Die von dem Kläger benannten Manöver hätten tagsüber während des regulären Dienstbetriebs stattgefunden und seien nicht erst kurzfristig geplant worden. Abgesehen von den Ausnahmefällen sei dem Kläger durch sachgerechte Delegation die Einhaltung von Ruhezeiten möglich gewesen. Seine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit habe 41,09 Stunden im Jahr 2015, 41,07 Stunden im Jahr 2016, 41,19 Stunden im Jahr 2017, 39,28 Stunden im Jahr 2018, 39,4 Stunden im Jahr 2019 und 31,39 Stunden im Jahr 2020 betragen. Für bloße Anwesenheitszeiten, in denen - wie hier - keine Verpflichtung bestehe, sich im Bedarfsfall zur Dienstleistung bereitzuhalten, bestehe kein Anspruch auf finanziellen Ausgleich. Abgesehen von diesen Ausnahmefällen sei dem Kläger aufgrund des Dienstzeitmodells für Beschäftigte auf I. -Schiffen des G. die Einhaltung von Ruhezeiten möglich gewesen. Er habe sich während der Ruhezeiten nur an Bord aufgehalten, weil ein Verlassen des Schiffes einsatzbedingt nicht möglich gewesen sei. Es habe weder eine dienstliche Weisung gegeben, dass das Einsatzschiff während der gesamten Zeit der Seestreife nicht verlassen werden dürfe, noch, dem Dienstherrn während der gesamten Zeit der Seestreife sofort - innerhalb einer besonders kurzen Reaktionszeit ohne vorherige Planbarkeit - zur Verfügung zu stehen. Die möglichen Einschränkungen des Klägers während seiner dienstfreien Zeit an Bord persönlichen und sozialen Interessen nachzugehen, seien als gering zu bewerten. Nach angerechneten 17 Stunden Arbeitszeit sei davon auszugehen, dass die übrigen sieben Stunden an vollen Seetagen überwiegend durch die erforderliche Nachtruhe verbracht würden. Den Besatzungsmitgliedern werde während der Seestreife Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung gestellt. Die Essenszeiten im Bordbetrieb lege der Kapitän - also zur damaligen Zeit der Kläger - eigenverantwortlich fest. Die Einnahme eines um 17.30 Uhr angebotenen Abendessens sei freiwillig. Darüber hinaus seien die I. -Schiffe des G. mit deutlich überdurchschnittlichen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung wie zum Beispiel einem hochwertigen Fitnessraum und einer Sauna ausgestattet. Die Einzelkabinen entsprächen dem "gehobenen deutschen Handelsschiffstandard" (schallgedämpfte Außenkabinen mit eigener Dusche und eigenem WC) und verfügten über die Möglichkeit zur kostenlosen Internetnutzung über einen WLAN-Zugang. Jede Einzelkabine sei mit einem Fernsehgerät, das über eine an Bord vorhandene Satellitenanlage den Empfang einer Vielzahl von Fernsehprogrammen ermögliche, ausgestattet. Aufgrund negativer Erfahrungen in der Vergangenheit sei für die Beschäftigten der gesamten G.-Bootflotte der Konsum von Alkohol verboten, da die Einsatzfähigkeit und die Sicherheit des Einsatzmittels und der übrigen Beschäftigten nicht gefährdet werden dürfe. Ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch bestehe nur, wenn die höchstzulässige wöchentliche Arbeitszeit überschritten werde. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Im Übrigen seien dem Kläger nicht nur zwölf Stunden Tagesdienst, sondern darüber hinaus unabhängig vom Einsatzgeschehen fünf Stunden pauschal angerechnet worden. Sie habe die Rufbereitschaft damit bereits in einer Höhe abgegolten, die weit über den Ausgleich nach § 12 Satz 2 AZV hinausgehe. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 9. September 2021 (- C-107/19 [Dopravni podnik hl. M. Prahy] -, juris) sei nicht übertragbar, denn der Kläger sei nur durch die fehlende Möglichkeit, das Einsatzschiff zu verlassen, eingeschränkt gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Beiakten der gemeinsam mündlich verhandelten Berufsverfahren verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

A. Die mit der Berufung des Klägers weiterverfolgte Klage ist zulässig.

I. Die allgemeine Leistungsklage ist die statthafte Klageart.

Dies folgt aus der eigentlichen Zielrichtung des Anspruchs auf Gewährung von Freizeitausgleich bzw. finanziellen Ausgleich wegen Zuvielarbeit oder Mehrarbeit. Dass der Dienstherr eine Entscheidung über die Gewährung eines Ausgleichs für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit bzw. Mehrarbeit zu treffen hat, begründet allein nicht das Vorliegen eines Verwaltungsakts im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG. Der Anspruch ist grundsätzlich auf Ausgleich in Freizeit gerichtet und wird durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung erfüllt. Damit betrifft der Ausgleich von Zuvielarbeit bzw. Mehrarbeit vorrangig nicht die dienstrechtliche Stellung des Beamten, sondern mit der Gestaltung der Dienstpläne den Dienstbetrieb. Die Regelung der internen Abläufe, die Gestaltung der Dienstpläne, erfolgt aber nicht in Form eines Verwaltungsaktes gegenüber dem einzelnen Beamten (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.6.2020 - BVerwG 2 C 20.19 -, juris Rn. 9 ff.). Wandelt sich der Anspruch auf Freizeitausgleich in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich um - beispielsweise, wenn wie hier aufgrund der Pensionierung des Beamten eine Dienstbefreiung nicht mehr möglich ist -, richtet sich die allgemeine Leistungsklage auf die Auszahlung eines Geldbetrags (hier 138.711,57 EUR).

II. Der Kläger ist rechtsschutzbedürftig, insbesondere fehlt es nicht an der Stellung eines entsprechenden vorherigen Antrags.

Bei beamtenrechtlichen Fallgestaltungen, bei denen für den Dienstherrn keine Veranlassung besteht, von sich aus ohne Antrag des betroffenen Beamten tätig zu werden - wie für den Anspruch auf Ausgleich von unionsrechtswidriger Zuvielarbeit durch Freizeitausgleich oder durch Geldzahlung - muss der Beamte das Verwaltungsverfahren erst durch einen beim Dienstherrn gestellten Antrag in Gang setzen (BVerwG, Urteil vom 16.6.2020 - BVerwG 2 C 20.19 -, juris Rn. 35). In diesen Fällen stellt der vor Erhebung der Klage beim Dienstherrn zu stellende Antrag nicht lediglich eine im Prozess nachholbare Sachurteilsvoraussetzung, sondern eine nicht nachholbare Klagevoraussetzung dar. Sein Fehlen macht die Klage unzulässig (BVerwG, Urteil vom 16.6.2020 - BVerwG 2 C 20.19 -, juris Rn. 38 m. w. N.). Fehlt es an einem Antrag für bestimmte Zeiträume, so ist eine darüber hinausgehende Klage bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (vgl. VG Schl.-H., Urteil vom 11.12.2023 - 12 A 190/20 -, juris Rn. 16).

Klarzustellen ist vorab, dass sich der Klageantrag auf sämtliche während einer Seestreife an Bord verbrachte Zeiten in den Jahren 2009 bis 2020 bezieht. Der Kläger hat fortlaufend im gerichtlichen Verfahren beantragt, in diesem Zeitraum "jede vom Kläger während der Seestreife - nicht vergütete und an Bord verbrachte - Stunde als Dienstzeit zu vergüten" (vgl. zuletzt Berufungsbegründung - BB - vom 12. 4.2021, S. 1 [Bl. 264/GA]).

Hinsichtlich dieses Klageantrags ist der Kläger in vollem Umfang rechtsschutzbedürftig, denn er hat zuvor einen entsprechenden Antrag gestellt. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2014 hat der Kläger bei der Beklagten unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Januar 2009 (- BVerwG 2 C 90.07 -, juris) und das Urteil des B-Stadt-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 8. Mai 2014 (- 12 A 139/12 -, juris) beantragt,

"das Stundenmaß bei einem vollen Seetag auf 24 Stunden anzuheben und die Gewährung von Dienst zu ungünstigen Zeiten analog anzuwenden. Für die ab dem Jahr 2009 von [ihm] geleisteten Dienste, die [ihm] bei der Anrechnung auf die Arbeitszeit vorenthalten wurden, beantrage [er] Freizeitausgleich 1:1. Sollte ein solcher Freizeitausgleich nicht oder nicht vollumfänglich möglich sein, beantrage [er] Ausgleich in Geld."

Zwar bezieht sich der erste Satz nur auf den Ausgleich voller Seetage, d. h. vollständig auf See verbrachter Tage. Indes hat der Kläger im zweiten Satz beantragt, für alle von ihm ab 2009 geleisteten Dienste, die ihm bislang nicht als Arbeitszeit angerechnet worden seien, einen Freizeitausgleich zu gewähren. Bei verständiger Würdigung seines Vorbringens hat der Kläger demnach die Anerkennung aller an Bord des Einsatzschiffs ab 2009 verbrachten Zeiten - also nicht nur der vollen Seetage, sondern auch der Wechseltage und des Auslauf- und Einlauftages - als Arbeitszeit beantragt.

B. Der Kläger hat keinen Anspruch auf finanziellen Ausgleich in Höhe von insgesamt 138.711,57 EUR, den er zurückführt auf bislang nicht anerkannte 300 Stunden im Jahr 2009, 680 Stunden im Jahr 2010, 749 Stunden im Jahr 2011, 697 Stunden im Jahr 2012, 660 Stunden im Jahr 2013, 712 Stunden im Jahr 2014, 738 Stunden im Jahr 2015, 450 Stunden im Jahr 2016, 650 Stunden im Jahr 2017, 460 Stunden im Jahr 2018, 750 Stunden im Jahr 2019 und 400 Stunden im Jahr 2020, d. h. auf insgesamt 7.246 verbrachte Stunden an Bord des Einsatzschiffs "H.".

Im maßgeblichen Zeitpunkt der streitgegenständlichen Diensteinsätze (vgl. BVerwG, Urteile vom 29.4.2021 - BVerwG 2 C 18.20 -, juris Rn. 16 und - BVerwG 2 C 33.20 -, juris Rn. 12 m. w. N; OVG NRW, Urteil vom 15.9.2020 - 6 A 2634/18 -, juris Rn. 36; Thür. OVG, Urteil vom 28.4.2022 - 2 KO 814/20 -, juris Rn. 62) haben hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten zusätzlichen Arbeitszeiten im Umfang der vorgenannten Stunden nicht die Voraussetzungen des Anspruchs wegen angeordneter/genehmigter Mehrarbeit gemäß § 88 Satz 4 BBG (dazu unter I.), des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs (dazu unter II.) und des aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) hergeleiteten beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs (dazu unter III.) vorgelegen.

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf finanziellen Ausgleich für 7.246 Stunden gemäß § 88 Satz 4 BBG.

Nach § 88 Satz 1 BBG sind Beamte verpflichtet, ohne Vergütung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Werden sie durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, ist ihnen innerhalb eines Jahres für die Mehrarbeit, die sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisten, entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren (§ 88 Satz 2 BBG). Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, können Beamte in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern eine Vergütung erhalten (§ 88 Satz 4 BBG).

Da es sich dabei um einen gesetzlichen Anspruch handelt, die Gewährung des Freizeitausgleichs also durch den Dienstherrn von Amts wegen zu erfolgen hat, bedarf es insofern keiner vorherigen Geltendmachung. Die in § 88 Satz 2 BBG aufgeführte Jahresfrist konkretisiert den Anspruch des Beamten, stellt aber keine Ausschlussfrist dar, die zur Folge hätte, dass der Anspruch des Beamten nach ihrem Ablauf verfiele. Denn es liefe dem Treueverhältnis zuwider, wenn der Anspruch auf Freizeitausgleich nach Fristablauf entfallen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 10.13 -, juris Rn. 56; Urteil vom 6.4.2017 - BVerwG 2 C 12.16 -, juris Rn. 40 [zu Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 2 AGG]; Urteil vom 4.5.2017 - BVerwG 2 C 60.16 -, juris Rn. 16 [zu Besoldungsansprüchen unmittelbar aus Gesetz]; Nds. OVG, Beschluss vom 19.06.2019 - 5 LA 7/18 -; Sächs. OVG, Urteil vom 23.3.2022 - 2 A 637/20 -, juris Rn. 18 m. w. N.).

Unabhängig davon, dass der Kläger die streitigen Ruhezeiten nur auf das jeweilige Jahr bezogen beziffert hat und ob es sich bei den streitigen Zeiten überhaupt um Mehrarbeit im Sinne des § 88 Satz 2 BBG handelt, besteht schon deshalb kein Anspruch des Klägers auf finanziellen Ausgleich nach § 88 Satz 4 BBG, weil es diesbezüglich bereits an der Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit seitens des Dienstherrn fehlt.

Eine solche Anordnung oder Genehmigung unterliegt zwar keinem Schriftformerfordernis, muss sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber auf konkrete und zeitlich abgegrenzte Mehrarbeitstatbestände beziehen. Nicht erforderlich ist, dass im Zeitpunkt der Anordnung oder Genehmigung die Anzahl der zu leistenden oder bereits geleisteten Mehrarbeitsstunden bereits bekannt ist. Der Dienstherr entscheidet über die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit nach Ermessen. Dabei hat er insbesondere zu prüfen, ob nach dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll. Hieran fehlt es zum Beispiel bei der schlichten Festlegung von Arbeitszeiten in Dienst- oder Schichtplänen. Diese Festlegungen führen mangels einer Anordnung, die auf § 88 BBG Bezug nimmt, nicht zu Mehrarbeit, sondern lediglich zu regelmäßiger Arbeitszeit oder - bei rechtswidriger Höhe - zu Zuvielarbeit. Der Annahme, dass Mehrarbeit angeordnet wurde, steht es nicht entgegen, wenn ein Dienstherr bei einem bestimmten Anlass sein Ermessen nicht für einen einzelnen Beamten, sondern für eine Mehrzahl von Beamten ausübt und die Mehrarbeit in einer sie alle umfassenden Weisung - wie bei einem Einsatzbefehl - anordnet. Wenn der Dienstherr bei der Ausübung seines Ermessens zu dem Ergebnis kommt, dass eine Gruppe oder gar alle der bei dem Anlass einzusetzenden Beamten wegen der Bedeutung oder des Umfangs des Anlasses erforderlichenfalls Mehrarbeit leisten müssen, so ist es nicht erforderlich, dass der Dienstherr dies gegenüber jedem Beamten einzeln entscheidet und anordnet. Hat der Dienstherr Mehrarbeit - zutreffend oder unzutreffend - angeordnet, kommt es nicht darauf an, ob sie auch angeordnet oder genehmigt werden durfte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2.4.2019 - BVerwG 2 B 43.18 -, juris Rn. 9 - 11; Urteil vom 29.4.2021 - BVerwG 2 C 18.20 -, juris Rn. 33 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 18.6.2019 - 5 LA 6/18 -; Urteil vom 10.3.2020 - 5 LB 49/18 -, juris Rn. 54; Urteil vom 12.6.2020 - 5 LC 2/18 -, juris Rn. 67; Beschluss vom 20.7.2020 - 5 LA 81/18 -).

Eine Anordnung oder Genehmigung der durch den Kläger an Bord des Einsatzschiffs verbrachten zusätzlichen drei Stunden je Wechseltag, neun Stunden am Auslauftag und jeweils sieben Stunden an den vollen Seetagen und dem Einlauftag durch den Dienstherrn liegt denklogisch schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte diese streitigen Zeiten gerade nicht als über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Inanspruchnahme ansah und weiterhin auch nicht ansieht und dementsprechend keine Mehrarbeit im Sinne des § 88 BBG angeordnet oder im Nachhinein genehmigt hat. Sie hat nur Dienst- und Schichtpläne aufgestellt und vorgegeben, dass bestimmte Manöver regelmäßig durchzuführen sind, indes diesbezüglich keine Mehrarbeit angeordnet. Zudem besteht vorliegend die Besonderheit, dass der Kläger nicht auf Anordnung des Dienstherrn während ganz konkreter Zeiten die Ein- und Auslaufmanöver, das Seezielschießens, die Mann-über-Bord-Manöver, die Erste Hilfe Schulung, Schiffskontrollen etc. durchgeführt hat, sondern er stattdessen diese konkreten Manöver selbst in seiner Funktion als G. -Kapitän als Arbeit, nicht aber als Mehrarbeit für die Besatzungsmitglieder angeordnet hat. Soweit der Kläger vorgetragen hat, er sei weisungsgebunden gegenüber dem Lagezentrum in M. -Stadt gewesen und Einsätze wie zum Beispiel die Aufklärung von Umweltverstößen, die Begleitung und Überwachung von des Rauschgiftschmuggels verdächtigen Schiffen, Kontrollen etc. hätten auch nachts stattgefunden und er habe daran (auf Abruf) teilzunehmen gehabt, hat er auch insofern nicht die konkrete Anordnung von Mehrarbeit - und nicht nur Arbeit - dargelegt und nachgewiesen.

II. Dem Kläger steht nicht ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich in Höhe von 138.711,57 EUR aufgrund des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs zu.

Dies folgt bereits daraus, dass unklar ist, auf welchen konkreten Parametern der geforderte Betrag von 138.711,57 EUR beruht. Ein finanzieller Ausgleich für Zuvielarbeit errechnet sich aus den konkret geltend gemachten Stunden und den Sätzen der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung der Mehrarbeitsvergütungsverordnung. Dabei ist zu beachten, dass sich die Mehrarbeitsvergütungsverordnung zumeist im laufenden Jahr ändert. Der Kläger hat nicht dargelegt, welche Stunden nach seiner Ansicht konkret als Zuvielarbeit anzuerkennen sind. Denn er hat sich darauf beschränkt, finanziellen Ausgleich für 300 Stunden im Jahr 2009, 680 Stunden im Jahr 2010, 749 Stunden im Jahr 2011, 697 Stunden im Jahr 2012, 660 Stunden im Jahr 2013, 712 Stunden im Jahr 2014, 738 Stunden im Jahr 2015, 450 Stunden im Jahr 2016, 650 Stunden im Jahr 2017, 460 Stunden im Jahr 2018, 750 Stunden im Jahr 2019 und 400 Stunden im Jahr 2020 geltend zu machen. Er hat damit nur auf die einzelnen Jahre bezogen die bislang nicht anerkannten Stunden aufgelistet, diese Stunden aber nicht konkret datiert. Insbesondere hat er nicht - wie die Kläger der Parallelverfahren mit den Aktenzeichen 5 LC 48/21 und 5 LC 55/21 - die einzelnen Seestreifen aufgelistet und diesen die bislang nicht anerkannten Stunden zugeordnet. Fehlt es - wie hier - an einer konkreten Datierung der Stunden ist unklar, für welche Stunden der Senat zu prüfen hat, ob Zuvielarbeit vorliegt. Zudem kann die konkrete Höhe des finanziellen Ausgleichs nicht ermittelt werden, weil sich der finanzielle Ausgleich nach der jeweils zum Zeitpunkt der Zuvielarbeit geltenden Mehrarbeitsvergütungsverordnung richtet und der Kläger den genauen Zeitpunkt der streitigen Stunden nicht benannt hat.

Selbständig tragend ist die Klage deshalb abzuweisen, weil der Kläger den unionsrechtlichen Haftungsanspruch teilweise nicht rechtzeitig geltend gemacht hat (dazu unter 1.) und die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs - bei Zugrundelegung der von der Beklagten datierten Seestreifen - nicht vorliegen (dazu unter 2.).

1. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2014 hat der Kläger einen unionsrechtlichen Haftungsanspruch bereits nicht rechtzeitig geltend gemacht.

Ansprüche aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, deren Festsetzung und Zahlung sich - wie beim unionsrechtlichen Haftungsanspruch - nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen einer vorherigen Geltendmachung. Denn hier ist eine vorgängige Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich. Für Ansprüche wegen rechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Für den Beamten folgt aus der beamtenrechtlichen Treuepflicht die Obliegenheit, seinen Dienstherrn mit einem auf eine solche Behauptung gestützten Anspruch alsbald zu konfrontieren, um ihm die Möglichkeit zu geben zu reagieren. Dadurch ist in Fallgestaltungen wie der Vorliegenden zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Eine Hinweispflicht des Dienstherrn in Bezug auf die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Zuvielarbeit scheidet dagegen denklogisch bereits deshalb aus, weil der an Recht und Gesetz gebundene Dienstherr grundsätzlich davon ausgeht, dass seine Arbeitszeitgestaltung rechtmäßig ist und deshalb keine Zuvielarbeit vorliegt. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteil vom 17.9.2015 - BVerwG 2 C 26.14 -, juris Rn. 25 ff.; Urteil vom 20.7.2017 - BVerwG 2 C 31.16 -, juris Rn. 43 ff.; Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 24.21 -, juris Rn. 30 m. w. N.; Nds. OVG, Urteil vom 10.3.2020 - 5 LB 49/18 -, juris Rn. 56).

Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der schriftlichen Äußerung ergibt, dass der Beamte mit der jeweiligen Situation - hier dem Umfang der Arbeitszeit - nicht einverstanden ist. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden. Der Beamte kann dem Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung in jeder beliebigen Textform gerecht werden, etwa auch per E-Mail (BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2022 - BVerwG 2 C 5.21 -, juris Rn. 25; Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 24.21 -, juris Rn. 31 m. w. N.).

Dieser Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung begegnet keinen unionsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 24.21 -, juris Rn. 34 ff.). Zwar hat der Europäische Gerichtshof für die Verpflichtung auf Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit aus Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88/EG im Urteil vom 25. November 2010 (- C-429/09 [Fuß] -, juris Rn. 86) ausgeführt, dass einem Arbeitnehmer, dem durch den Verstoß seines Arbeitgebers ein Schaden entstanden sei, nicht zugemutet werden könne, zuvor einen Antrag bei diesem Arbeitgeber zu stellen, um einen Anspruch auf Ersatz dieses Schadens geltend zu machen. Denn die Verpflichtung des Arbeitgebers bestehe unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer zuvor die Einhaltung dieser Bestimmungen beantragt habe. Diese Ausführungen waren indes auf den dortigen Sonderfall bezogen, in dem bereits die Einforderung der Rechte unmittelbar Nachteile auf das Arbeitsverhältnis bewirkt hat. Denn der Arbeitgeber des dortigen Ausgangsverfahrens hatte vorab angekündigt und nachfolgend auch umgesetzt, jeden Arbeitnehmer, der die Einhaltung seiner Rechte geltend mache, in eine andere Dienststelle umzusetzen. In einer derartigen Situation, in der mit der Geltendmachung der bestehenden Rechte eine Sanktion des Arbeitgebers verbunden ist, verstößt es gegen den Effektivitätsgrundsatz, nachträgliche Schadensersatzforderungen von einem vorherigen Antrag abhängig zu machen. Abgesehen von dieser Sondersituation ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt, dass der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung für Ansprüche von Beamten auf Geldleistungen - oder wie hier auf Freizeitausgleich -, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, weder gegen den Äquivalenzgrundsatz noch gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt (vgl. EuGH, Urteile vom 19.6.2014 - C-501/12 [Specht] -, juris Rn. 115 und vom 9.9.2015 - C-20/13 [Unland] -, juris Rn. 72). Es ist vielmehr Sache der Mitgliedstaaten, für nationale Regelungen, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, Fristen festzulegen, die insbesondere der Bedeutung der zu treffenden Entscheidungen für die Betroffenen, der Komplexität der Verfahren und der anzuwendenden Rechtsvorschriften, der Zahl der potenziell Betroffenen und den anderen zu berücksichtigenden öffentlichen oder privaten Belangen entsprechen (EuGH, Urteil vom 8.7.2010 - C-246/09 [Bulicke] -, juris Rn. 36 m. w. N.).

Folglich kommt der unionsrechtliche Haftungsanspruch nur für die rechtswidrige Zuvielarbeit in Betracht, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet wurde (BVerwG, Urteil vom 29.9.2011 - BVerwG 2 C 32.10 -, juris Rn. 19 f.; Urteil vom 17.9.2015 - BVerwG 2 C 26.14 -, juris Rn. 25 ff.; Urteil vom 20.7.2017 - BVerwG 2 C 31.16 -, juris Rn. 43 ff.; Beschluss vom 2.7.2019 - BVerwG 2 B 78.18 -, juris Rn. 12; Nds. OVG, Urteil vom 10.3.2020 - 5 LB 49/18 -, juris Rn. 56). Diese Voraussetzungen sind erst ab Januar 2015 erfüllt. Denn der Kläger hat erstmals mit Schreiben vom 12. Dezember 2014, eingegangen am 17. Dezember 2014 beim J. K. -Stadt, beantragt, das Stundenmaß bei einem vollen Seetag auf 24 Stunden anzuheben sowie für die ab dem Jahr 2009 von ihm geleisteten Dienste, die ihm bislang bei der Anrechnung auf die Arbeitszeit vorenthalten worden seien, einen Freizeitausgleich 1:1 oder hilfsweise einen Ausgleich in Geld zu gewähren.

2. Auch für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2020 steht dem Kläger nicht ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich für die streitigen Stunden aufgrund des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs zu.

Mangels Angaben des Klägers legt der Senat dabei die von der Beklagten für den Kläger datierten Teilnahmen an folgenden Seestreifen und folgende Unterbrechungen seiner Ruhezeiten zugrunde:

2015

Dauer der SeestreifeDauer der Inanspruchnahme während der RuhezeitenGrund der Inanspruchnahme
1.1.2015 bis 6.1.2015
20.1.2015 bis 27.1.2015
10.2.2015 bis 17.2.2015
24.3.2015 bis 31.3.2015
14.4.2015 bis 21.4.2015
5.5.2015 bis 12.5.2015
26.5.2015 bis 2.6.2015
7.7.2015 bis 14.7.2015
28.7.2015 bis 4.8.2015
18.8.2015 bis 25.8.2015
8.9.2015 bis 15.9.2015
20.10.2015 bis 27.10.2015
10.11.2015 bis 17.11.2015
1.12.2015 bis 8.12.2015
22.12.2015 bis 29.12.2015
bei von der Beklagten anerkannten 75 vollen Seetagen

2016

Dauer der SeestreifeDauer der Inanspruchnahme während der RuhezeitenGrund der Inanspruchnahme
12.1.2016 bis 19.1.2016
28.6.2016 bis 5.7.2016
19.7.2016 bis 26.7.2016
9.8.2016 bis 16.8.2016
30.8.2016 bis 6.9.2016
27.9.2016 bis 4.10.2016
11.10.2016 bis 18.10.2016
1.11.2016 bis 8.11.2016
13.12.2016 bis 20.12.2016
bei von der Beklagten anerkannten 44 vollen Seetagen

2017

Dauer der SeestreifeDauer der Inanspruchnahme während der RuhezeitenGrund der Inanspruchnahme
3.1.2017 bis 10.1.2017
24.1.2017 bis 31.1.2017
14.2.2017 bis 21.2.2017
28.3.2017 bis 4.4.2017
18.4.2017 bis 25.4.2017
9.5.2017 bis 16.5.2017
20.6.2017 bis 27.6.2017
11.7.2017 bis 18.7.2017
1.8.2017 bis 8.8.2017
12.9.2017 bis 19.9.2017
3.10.2017 bis 10.10.20172 (0.00 Uhr bis 2.00 Uhr)9.10.2017 Nächtliches Einlaufen und Festmachen
24.10.2017 bis 31.10.2017
14.11.2017 bis 21.11.2017
26.12.2017 bis 31.12.2017
bei von der Beklagten anerkannten 65 vollen Seetagen

2018

Dauer der SeestreifeDauer der Inanspruchnahme während der RuhezeitenGrund der Inanspruchnahme
1.1.2018 bis 2.1.2018
16.1.2018 bis 23.1.2018
6.2.2018 bis 13.2.2018
27.2.2018 bis 6.3.2018
10.4.2018 bis 17.4.2018
12.6.2018 bis 19.6.2018
3.7.2018 bis 10.7.2018
24.7.2018 bis 31.7.2018
16.8.2018 bis 23.8.2018
4.9.2018 bis 11.9.2018
18.12.2018 bis 25.12.2018
bei von der Beklagten anerkannten 42 vollen Seetagen

2019

Dauer der SeestreifeDauer der Inanspruchnahme während der RuhezeitenGrund der Inanspruchnahme
8.1.2019 bis 15.1.2019
19.2.2019 bis 28.2.2019
1.3.2019 bis 4.3.2019
12.3.2019 bis 19.3.2019
2.4.2019 bis 9.4.2019
23.4.2019 bis 30.4.20195 (0.00 Uhr bis 5.00 Uhr)25./26.4.2019 Seenotrettungseinsatz
14.5.2019 bis 21.5.2019
4.6.2019 bis 11.6.2019
16.7.2019 bis 23.7.2019
6.8.2019 bis 13.8.2019
27.8.2019 bis 3.9.2019
17.9.2019 bis 24.9.2019
8.10.2019 bis 15.10.2019
29.10.2019 bis 5.11.2019
10.12.2019 bis 17.12.2019
bei von der Beklagten anerkannten 70 vollen Seetagen

2020

Dauer der SeestreifeDauer der Inanspruchnahme während der RuhezeitenGrund der Inanspruchnahme
1.1.2020 bis 7.1.2020
21.1.2020 bis 28.1.2020
11.2.2020 bis 18.2.2020
14.4.2020 bis 21.4.2020
5.5.2020 bis 12.5.2020
16.6.2020 bis 23.6.2020
7.7.2020 bis 14.7.2020
28.7.2020 bis 4.8.2020
18.8.2020 bis 25.8.2020
bei von der Beklagten anerkannten 38 vollen Seetagen

Hinsichtlich der streitigen Ruhezeiten des Klägers auf den Seestreifen im Zeitraum 2015 bis 2020 liegen nicht die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs vor.

a) Der unionsrechtliche Haftungsanspruch für Schäden, die dem Einzelnen durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht entstanden sind, setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs voraus, dass die verletzte Rechtsnorm bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 19.11.1991 - C-6/90 [Francovich] -, Leitsatz 4, juris; Urteil vom 25.11.2010 - C-429/09 [Fuß] -, juris Rn. 45 ff.; BVerwG, Urteil vom 26.7.2012 - BVerwG 2 C 29.11 -, juris Rn. 15; Urteil vom 17.9.2015 - BVerwG 2 C 26.14 -, juris Rn. 10; Urteil vom 17.11.2016 - BVerwG 2 C 23.15 -, juris Rn. 26; Urteil vom 20.7.2017 - BVerwG 2 C 36.16 -, juris Rn. 10; Urteil vom 19.4.2018 - BVerwG 2 C 40.17 -, juris Rn. 30; Nds. OVG, Urteil vom 10.3.2020 - 5 LB 49/18 -, juris Rn. 55).

Im vorliegenden Fall kommt allein ein Verstoß gegen Art. 6 Buchst. b) der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299 vom 18.11.2003 S. 9) in Betracht. Danach treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Damit wird ein Mindeststandard festgelegt, wobei die Mitgliedstaaten auch ein höheres Schutzniveau vorsehen können. Bereits bei einer Überschreitung dieser Obergrenze liegt ein Verstoß vor, ohne dass darüber hinaus nachzuweisen ist, dass dem betroffenen Arbeitnehmer ein spezifischer Nachteil entstanden ist (EuGH, Urteil vom 14.10.2010 - C-243/09 [Fuß] -, juris Rn. 53). Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen demnach ein subjektives Recht, das er unmittelbar mit dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (BVerwG, Urteil vom 20.7.2017 - BVerwG 2 C 31.16 -, juris Rn. 11; Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 7.21 -, juris Rn. 11).

Sieht der betreffende Mitgliederstaat nach Art. 16 ff. der Richtlinie 2003/88/EG einen Bezugszeitraum vor, bleiben bei der Berechnung des Durchschnitts der Arbeitszeit gemäß Art. 16 Buchst. b) Unterabs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG die nach Artikel 7 gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten unberücksichtigt oder neutral. Diese Vorgabe des Unionsrechts verlangt, dass ungeachtet der Frage der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch eine Rechtsnorm die betreffenden Tage bei der Berechnung mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit anzusetzen sind. Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG). Auch der darüberhinausgehende, im nationalen Recht begründete Mehrurlaub ist indes mit der Soll-Arbeitszeit anzusetzen. Denn Art. 15 der Richtlinie 2003/88/EG lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Dies umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Kläger am Urlaubstag von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist und auch der Mehrurlaub der Erholung des Klägers dient, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum herangezogen werden (BVerwG, Urteil vom 20.7.2017 - BVerwG 2 C 31.16 -, juris Rn. 57 f.). Auch Feiertage, die auf Wochentage fallen, sind mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit einzubeziehen und damit grundsätzlich zu neutralisieren. Soweit der Kläger an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet war, können solche Tage nicht zum Ausgleich einer etwaigen Überschreitung der Höchstarbeitszeit herangezogen werden. Demgegenüber sind Zeiten, in denen dem Kläger ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde, keine Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (BVerwG, Urteil vom 20.7.2017 - BVerwG 2 C 31.16 -, juris Rn. 59).

Wie in Art. 6 Buchst. b) der Richtlinie 2003/88/EG festgelegt, kann die wöchentliche Arbeitszeit, die zur Überprüfung der Einhaltung der Obergrenze herangezogen wird, als Durchschnittswert im Bezugszeitraum berechnet werden. Der durch die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit bezweckte Schutz ist umso intensiver, je kürzer der für den Durchschnitt maßgebliche Bezugszeitraum ist. Besonders intensiv ist er, wenn der Bezugszeitraum mangels abweichender Regelung nur eine Woche (Siebentagszeitraum) beträgt, weil es dann unmöglich ist, eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit einer Woche durch geringere Arbeitszeiten anderer Wochen "wegzurechnen" (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 20.7.2017 - BVerwG 2 C 31.16 -, juris Rn. 31). Nach Art. 16 Buchst. b) der Richtlinie 2003/88/EG können die Mitgliedstaaten für die Anwendung des Art. 6 (wöchentliche Höchstarbeitszeit) einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten vorsehen. Ausnahmsweise kann der Bezugszeitraum in bestimmten Fällen gemäß Art. 17 Abs. 3 (Besondere Tätigkeiten) und 18 (Tarifverträge) der Richtlinie 2003/88/EG noch weiter verlängert werden. Gemäß Art. 19 der Richtlinie darf die in Artikel 17 Absatz 3 und in Artikel 18 vorgesehene Möglichkeit der Abweichung von Artikel 16 Buchst. b) nicht die Festlegung eines Bezugszeitraums zur Folge haben, der länger ist als sechs Monate, höchstmöglich als zwölf Monate. Der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, dass der Bezugszeitraum auf keinen Fall zwölf Monate überschreiten darf (vgl. EuGH, Urteil vom 3.10.2000 - C-303/98 [Simap] -, juris Rn. 69). Für Bundesbeamte wie den Kläger ist in § 87 Abs. 3 Satz 1 BBG in Verbindung mit § 2 Nr. 1 AZV vorgesehen, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die innerhalb von zwölf Monaten durchschnittlich zu erbringende wöchentliche Arbeitszeit ist. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 AZV darf in einem Bezugszeitraum von zwölf Monaten die durchschnittliche Arbeitszeit 48 Stunden im Siebentageszeitraum nicht überschreiten. Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob diese nationalen Regelungen im Einklang mit der Richtlinie 2003/88/EG stehen (vgl. zur spezifischen Landesregelung in Nordrhein-Westfalen: BVerwG, Urteil vom 17.2.2022 - BVerwG 2 C 5.21 -, juris Rn. 10 ff.; zu brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen im Jahr 2007: BVerwG, Urteil vom 20.7.2017 - BVerwG 2 C 31.16 -, juris Rn. 53 ff.), denn die Frage des Bezugszeitraums stellte sich nur, wenn die bislang nicht anerkannten Stunden der Phase "Frei an Bord" bzw. der "Ruhezeit" Arbeitszeit wären. Daran fehlt es hier.

b) Bei den vom Kläger geltend gemachten 738 Stunden im Jahr 2015, 450 Stunden im Jahr 2016, 650 Stunden im Jahr 2017, 460 Stunden im Jahr 2018, 750 Stunden im Jahr 2019 und 400 Stunden im Jahr 2020 handelt es sich nicht um "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG, sondern um "Ruhezeit". Diese von dem Kläger während der Seestreifen an Bord des G. -Schiffs verbrachten Zeiten haben nicht seine durchschnittliche Arbeitszeit erhöht mit der Folge, dass diese Zeiten nicht einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich wegen unionsrechtlicher Zuvielarbeit begründen.

aa) Unter Arbeitszeit ist nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG jede Zeitspanne zu verstehen, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Ruhezeit ist jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit (Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2003/88/EG). Beide Begriffe schließen einander aus (EuGH, Urteil vom 3.10.2000 - C-303/98 [Simap] -, juris Rn. 47; Urteil vom 9.9.2003 - C-151/02 [Jaeger] -, juris Rn. 48; Urteil vom 1.12.2005 - C-14/04 [Dellas] -, juris Rn. 42; Urteil vom 21.2.2018 - C-518/15 [Matzak] -, juris Rn. 55). Hieraus folgt, dass Zeiten des "Sich-Bereit-Haltens", die ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner für den Arbeitgeber erbrachten Tätigkeiten verbringt, entweder als "Arbeitszeit" oder als "Ruhezeit" im Sinne der oben genannten Richtlinie einzuordnen sind (EuGH, Urteil vom 21.2.2018 - C-518/15 [Matzak] -, juris Rn. 55). Eine "Zwischenkategorie" zwischen "Arbeitszeit" und "Ruhezeit" sieht die Richtlinie also nicht vor (EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-580/19 [Stadt Offenbach am Main] -, juris Rn. 30; Urteil vom 11.11.2021 - C-214/20 [Dublin City Council] -, juris Rn. 35; Nds. OVG, Urteil vom 10.3.2020 - 5 LB 49/18 -, juris Rn. 83).

Der Europäische Gerichtshof hat sich mit der Abgrenzung der "Arbeitszeit" von der "Ruhezeit" wiederholt auseinandergesetzt. Er hat dabei betont, dass die Mitgliedstaaten den Inhalt dieser Begriffe nicht einseitig festlegen könnten, sondern dass diese Begriffe unionsrechtliche Begriffe darstellten, welche anhand objektiver Merkmale unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des Zwecks der Richtlinie - nämlich, Mindestvorschriften zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer aufzustellen - zu bestimmen seien; nur so werde die volle Wirksamkeit der Richtlinie und eine einheitliche Anwendung der Begriffe "Arbeitszeit" und "Ruhezeit" in sämtlichen Mitgliedstaaten sichergestellt (EuGH, Urteil vom 9.9.2003 - C-151/02 [Jaeger] -, juris Rn. 58; Urteil vom 1.12.2005 - C-14/04 [Dellas] -, juris Rn. 44; Urteil vom 10.9.2015 - C-266/14 [Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras] -, juris Rn. 27; Urteil vom 21.2.2018 - C-518/15 [Matzak] -, juris Rn. 62; Urteil vom 9.3.2021- C-580/19 [Stadt Offenbach am Main] -, juris Rn. 31 f.).

Zunächst hat der Europäische Gerichtshof in Bezug auf Bereitschaftszeiten an Arbeitsplätzen, die sich nicht in der Wohnung des Arbeitnehmers befanden, festgestellt, dass es für das Vorliegen der charakteristischen Merkmale des Begriffs "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG entscheidend sei, dass der Arbeitnehmer persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend sein und ihm zur Verfügung stehen müsse, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können. Auch wenn die Arbeitsleistungen tatsächlich nicht in Anspruch genommen würden oder den Betreffenden ein Raum zum Ruhen oder Schlafen zur Verfügung gestellt werde, könnten diese aufgrund des festgelegten Arbeitsplatzes wenig über ihre freie Zeit verfügen und müssten sich außerhalb ihres familiären und sozialen Umfeldes aufhalten. Das Ziel, die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, in dem ihnen Mindestruhezeiten sowie angemessene Ruhepausen zugestanden würden, würde ernsthaft gefährdet, wenn der Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit nicht als Arbeitszeit zu werten wäre (EuGH, Urteil vom 3.10.2000 - C-303/98 [Simap] -, juris Rn. 48 f.; Urteil vom 9.9.2003 - C-151/02 [Jaeger] -, juris Rn. 60 ff. m. w. N.).

In seinem Matzak-Urteil aus dem Jahr 2018 hat der Europäische Gerichtshof dann klargestellt, dass der Arbeitsplatz des Betreffenden nicht der einzige "vom Arbeitgeber bestimmte Ort" zur Arbeitserbringung sei, sondern es sich dabei auch um andere Orte, insbesondere den Wohnsitz des Betreffenden - also dessen Privatbereich - handeln könne. Als Arbeitsplatz sei demnach jeder Ort zu verstehen, an dem der Arbeitnehmer nach Weisung seines Arbeitgebers eine Tätigkeit auszuüben habe, auch wenn es sich nicht um den Ort handele, an dem er seine berufliche Tätigkeit gewöhnlich ausübe (so später auch EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-580/19 [Stadt Offenbach am Main] -, juris Rn. 35). Da im Falle der Verpflichtung, an einem Arbeitsplatz zu bleiben, der mit der Wohnung des Betreffenden identisch sei oder diese zumindest einschließe, nicht zwangsläufig die Möglichkeiten beeinträchtigt seien, die Zeit, in der zwar auf Anrufe des Dienstherrn zu reagieren sei, aber der Betreffende nicht zu beruflichen Leistungen in Anspruch genommen werde, frei zu gestalten, sei die Einstufung als "Arbeitszeit" und "Ruhezeit" in einem solchen Fall von der Intensität der Einschränkung abhängig. Eine Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft sei insgesamt "Arbeitszeit", auch wenn der Arbeitnehmer während dieser Zeit nicht an seinem Arbeitsplatz bleiben müsse, sofern sie sich angesichts der objektiv vorhandenen und ganz erheblichen Auswirkungen der dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen auf seine Möglichkeiten, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, von einem Zeitraum unterscheide, in dem der Arbeitnehmer lediglich für seinen Arbeitgeber erreichbar sein müsse (vgl. EuGH, Urteil vom 21.2.2018 - C-518/15 [Matzak] -, juris Rn. 61 ff., vgl. auch Nds. OVG, Urteil vom 10.3.2020 - 5 LB 49/18 -, juris Rn. 89 ff.).

Das Kriterium der "ganz erheblichen Einschränkungen" hat der Europäische Gerichtshof dann fortentwickelt. Er hat festgestellt, dass unter den Begriff "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG sämtliche Bereitschaftszeiten einschließlich Rufbereitschaften fielen, während derer dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt würden, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigten. Umgekehrt stelle, wenn die dem Arbeitnehmer während einer bestimmten Bereitschaftszeit auferlegten Einschränkungen keinen solchen Intensitätsgrad erreichten und es ihm erlaubten, über seine Zeit zu verfügen und sich ohne größere Einschränkungen seinen eigenen Interessen zu widmen, nur die Zeit, die auf die gegebenenfalls während eines solchen Zeitraums tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung entfiele, "Arbeitszeit" für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie 2003/88/EG dar (EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-344/19 [Radiotelevizija Slovenija] -, juris Rn. 37 f. m. w. N. und Urteil vom 9.3.2021- C-580/19 [Stadt Offenbach am Main] -, juris Rn. 38 f.; Urteil vom 11.11.2021 - C-214/20 [Dublin City Council] -, juris Rn. 38).

Klarzustellen ist, dass dabei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur solche Einschränkungen zu berücksichtigen sind, die dem Arbeitnehmer durch Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats, durch einen Tarifvertrag oder durch seinen Arbeitgeber - insbesondere aufgrund des Arbeitsvertrags, der Arbeitsordnung oder des Bereitschaftsdienstplans - auferlegt werden. Dies ist weit zu verstehen, so dass davon auch Einzelanweisungen des Dienstvorgesetzten erfasst sind. Organisatorische Schwierigkeiten, die eine Bereitschaftszeit für den Arbeitnehmer mit sich bringen können und die sich nicht aus solchen Einschränkungen ergeben, sondern zum Beispiel die Folge natürlicher Gegebenheiten oder der freien Entscheidung des Arbeitnehmers sind, können dagegen nicht berücksichtigt werden (EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-344/19 [Radiotelevizija Slovenija] -, juris Rn. 39 f.; Urteil vom 11.11.2021 - C-214/20 [Dublin City Council] -, juris Rn. 45). Deshalb ist für die Einstufung der Bereitschaftszeit als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG nicht relevant, dass es in dem Gebiet, das der Arbeitnehmer während einer Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft in der Praxis nicht verlassen kann, wenig Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten gibt und dass sein Arbeitsplatz schwer zugänglich ist (vgl. EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-344/19 [Radiotelevizija Slovenija] -, juris Rn. 42). Hinzuzufügen ist, dass in einem Fall, in dem der Arbeitnehmer schon aufgrund der Art des Arbeitsorts in der Praxis keine realistische Möglichkeit hat, diesen Ort am Ende der Arbeitszeit zu verlassen, nur Zeiträume, in denen er weiterhin objektiv gesehen ganz erheblichen Einschränkungen unterliegt, etwa der Verpflichtung, seinem Arbeitgeber sofort zur Verfügung zu stehen, automatisch als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG einzustufen sind, nicht aber Zeiträume, in denen sich die Unmöglichkeit, den Arbeitsort zu verlassen, nicht aus einer solchen Verpflichtung ergibt, sondern allein aus der besonderen Art dieses Ortes (vgl. EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-344/19 [Radiotelevizija Slovenija] -, juris Rn. 44).

Der Europäische Gerichtshof hat eine Vielzahl von Hinweisen gegeben, welche Einschränkungen und Erleichterungen im Rahmen der Gesamtbetrachtung von den nationalen Gerichten zu berücksichtigen sind, wenn wegen des Fehlens einer Verpflichtung, am Arbeitsplatz zu bleiben, eine Bereitschaftszeit nicht automatisch als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG eingestuft werden kann. Dazu im Einzelnen:

Es sei insbesondere zu berücksichtigen, über wie viel Zeit der Arbeitnehmer während seines Bereitschaftsdienstes verfüge, um seine beruflichen Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Aufforderung durch seinen Arbeitgeber aufzunehmen. Insoweit sei hervorzuheben, dass eine Bereitschaftszeit, in der ein Arbeitnehmer in Anbetracht der ihm eingeräumten sachgerechten Frist für die Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeiten seine persönlichen und sozialen Aktivitäten planen könne, a priori keine "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG sei. Umgekehrt sei eine Bereitschaftszeit, in der die dem Arbeitnehmer auferlegte Frist für die Aufnahme seiner Arbeit nur wenige Minuten betrage, grundsätzlich in vollem Umfang als "Arbeitszeit" im Sinne dieser Richtlinie anzusehen, da der Arbeitnehmer in diesem Fall in der Praxis weitgehend davon abgehalten werde, irgendeine auch nur kurzzeitige Freizeitaktivität zu planen. Gleichwohl sei die Auswirkung einer solchen Reaktionsfrist im Anschluss an eine konkrete Würdigung zu beurteilen, bei der gegebenenfalls die übrigen dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen sowie die ihm während seiner Bereitschaftszeit gewährten Erleichterungen zu berücksichtigen seien (vgl. EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-344/19 [Radiotelevizija Slovenija] -, juris Rn. 45 ff.; Urteil vom 9.9.2021 - C-107/19 [Dopravni podnik hl. M. Prahy] -, juris Rn. 35 f.; Urteil vom 11.11.2021 - C-214/20 [Dublin City Council] -, juris Rn. 40 ff.).

Von den nationalen Gerichten könne daneben berücksichtigt werden, wie oft der Arbeitnehmer im Durchschnitt während seiner Bereitschaftszeiten normalerweise tatsächlich Leistungen zu erbringen habe, wenn insoweit eine objektive Schätzung möglich sei. Ein Arbeitnehmer, der während einer Bereitschaftszeit im Durchschnitt zahlreiche Einsätze zu leisten habe, verfüge nämlich über einen geringeren Spielraum, um seine Zeit während der Perioden der Inaktivität frei zu gestalten, weil diese häufig unterbrochen werde. Dies gelte umso mehr, wenn die Einsätze, die dem Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeit normalerweise abverlangt würden, von nicht unerheblicher Dauer seien. Folglich handele es sich, wenn der Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeiten im Durchschnitt häufig zur Erbringung von Leistungen herangezogen werde, und diese Leistungen in der Regel nicht von kurzer Dauer seien, bei den Bereitschaftszeiten grundsätzlich insgesamt um "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeiten im Durchschnitt nur selten in Anspruch genommen werde, könne jedoch nicht dazu führen, dass sie als "Ruhezeiten" im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2003/88/EG anzusehen seien, wenn die dem Arbeitnehmer für die Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit auferlegte Frist hinreichende Auswirkungen habe, um seine Möglichkeit zur freien Gestaltung der Zeit, in der während der Bereitschaftszeiten seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen würden, objektiv gesehen ganz erheblich einzuschränken (vgl. EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-344/19 [Radiotelevizija Slovenija] -, juris Rn. 45 ff.).

Der Umstand, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wegen der besonderen Art des Arbeitsorts eine Dienstunterkunft zur Verfügung stelle, die sich an diesem Ort oder in dessen unmittelbarer Nähe befinde, sei als solcher kein ausschlaggebender Gesichtspunkt für die Einstufung von Bereitschaftszeiten, die in Form von Rufbereitschaft geleistet würden, als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG, sofern der Arbeitnehmer während dieser Zeiträume keinen Einschränkungen von solcher Art unterliege, dass seine Möglichkeit, sich seinen privaten Interessen zu widmen, dadurch objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigt werde.

Zu den zu berücksichtigenden Einschränkungen könnten Sanktionen wegen Überschreitung der Reaktionszeit oder die Verpflichtung zum Mitführen einer Spezialausrüstung zählen (EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-580/19 [Stadt Offenbach am Main] -, juris Rn. 49, 54).

Bei der Gesamtbeurteilung seien auch erleichternde Umstände zu berücksichtigen, wie etwa, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet sei, an allen von seiner Dienstwache aus durchgeführten Einsätzen teilzunehmen, oder die Möglichkeit habe, daneben eine andere berufliche Tätigkeit auszuüben (vgl. EuGH, Urteil vom 11.11.2021 - C-214/20 [Dublin City Council] -, juris Rn. 48). Ebenso sei in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen, ob der Arbeitnehmer ein Dienstfahrzeug, mit dem Sonderrechte im Straßenverkehr in Anspruch genommen werden könnten, zur Verfügung stehe oder ob er die Möglichkeit habe, der Inanspruchnahme durch seinen Arbeitgeber ohne Ortsveränderung nachzukommen (vgl. EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-580/19 [Stadt Offenbach am Main] -, juris Rn. 49).

Dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich gefolgt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.4.2021 - BVerwG 2 C 18.20 -, juris Rn. 30; Urteil vom 7.4.2022 - BVerwG 2 B 8.21 -, juris Rn. 10 ff.; Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 7.21 -, juris Rn. 10 und vom selben Tag - BVerwG 2 C 24.21 -, juris Rn. 12). Es hat entsprechend festgestellt, dass zu den zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalls:

- die Auswirkung der Reaktionsfrist,

- die Häufigkeit möglicher Unterbrechungen der Ruhepausen und

- die Unvorhersehbarkeit möglicher Unterbrechungen der Ruhepausen, die eine zusätzliche beschränkende Wirkung auf die Möglichkeit des Arbeitnehmers haben könne, die Zeit frei zu gestalten ("Daueralarmbereitschaft")

gehörten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 7.21 -, juris Rn. 10). Hingegen seien der Grad der Verantwortung des Arbeitnehmers und die von ihm konkret zu erledigenden Aufgaben nicht von Bedeutung (vgl. BVerwG Urteil vom 7.4.2022 - BVerwG 2 B 8.21 -, juris Rn. 22).

Zusammenfassend ist festzustellen, dass grundsätzlich "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG vorliegt, wenn der Arbeitnehmer persönlich an seinem Arbeitsplatz oder einem anderen vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend sein und ihm zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können, oder ein solcher Ort zwar nicht bestimmt ist, die dem Arbeitnehmer auferlegte Frist für die Aufnahme seiner Arbeit aber nur wenige Minuten beträgt oder der Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeiten im Durchschnitt häufig zur Erbringung von Leistungen herangezogen wird und diese Leistungen in der Regel nicht von kurzer Dauer sind. Ausnahmen davon sind möglich, wenn die dem Arbeitnehmer gewährten Erleichterungen und/oder Handlungsspielräume es diesem ermöglichen, die Zeit für eigene Interessen zu nutzen. Unabhängig von den vorgenannten Elementen fallen unter den Begriff "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG sämtliche Bereitschaftszeiten, während derer dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen, also ein bestimmter Intensitätsgrad erreicht wird, der für eine Art Daueralarmbereitschaft spricht.

bb) Unter Zugrundlegung dieser Maßstäbe, denen der erkennende Senat folgt, stellen die vom Kläger an Bord verbrachten streitigen Zeiten in den Jahren 2015 bis 2020 keine "Arbeitszeit" im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG dar mit der Folge, dass diese Zeiten nicht bei der Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit zu berücksichtigen sind und insoweit keine unionsrechtswidrige Zuvielarbeit vorliegt.

(1) Der Kläger musste sich während seiner Ruhezeiten nicht an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort, insbesondere nicht auf dem G. -Schiff, aufhalten und diesem dort auch nicht zur Verfügung stehen, um gegebenenfalls sofort Leistungen erbringen zu können. Die Vertreter der C. haben in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, dass es weder eine Anweisung gegeben habe, dass der Kläger das Einsatzschiff an den vollen See-, Wechsel-, Auslauf- und Einlauftagen nicht habe verlassen dürfen, noch, dass er dem Dienstherrn sofort zur Verfügung habe stehen müssen. Dem Kläger sei nur Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung gestellt worden, weil er sich nicht am Wohnort aufgehalten habe. Bereits zuvor hatten sie in der Berufungserwiderung vom 19. Januar 2024 mitgeteilt, es habe keine Anweisungen des Dienstherrn gegeben, dass der Kläger das Einsatzschiff während der gesamten Zeit der Seestreife nicht habe verlassen dürfen und er dem Dienstherrn auch während der gesamten Zeit der Seestreife sofort (d. h. innerhalb einer besonders kurzen Reaktionsfrist ohne vorherige Planung) zur Verfügung habe stehen müssen (vgl. Bl. 351 f./GA). Der Kläger hat zwar behauptet, er sei zu 100 % in der Wahl seines Aufenthaltsortes eingeschränkt gewesen, weil er seine Ruhezeiten aufgrund einer konkreten dienstlichen Weisung an Bord des Einsatzschiffs habe verbringen müssen, diese pauschale Behauptung hat er aber in keiner Weise belegt. Insbesondere ergibt sich aus den Dienstbüchern und Schiffstagebüchern nur, dass der Kläger an den Seestreifen teilnahm, nicht aber, dass er seine Ruhezeiten an Bord des Einsatzschiffs verbringen musste. Der Kläger hat auch keinen entsprechenden Einsatzbefehl - insbesondere nicht von dem nach seinen Angaben weisungsbefugten Lagezentrum in M. -Stadt - vorgelegt. Darüber hinaus hat er bereits nicht dargelegt, dass während seiner Ruhezeiten ausdrücklich seine Einsatzbereitschaft angeordnet worden war.

Allerdings hat der Kläger zutreffend darauf hingewiesen, dass er für eine jederzeitige dienstliche Inanspruchnahme zur Verfügung gestanden habe, weil er den dienstlichen Bereich während der vollen Seetage nicht verlassen und sich aus diesem Grund dem Zugriff des Dienstherrn nicht habe entziehen können. Diese örtliche Aufenthaltsbeschränkung des Klägers für seine Ruhezeiten ergab sich aus der faktischen Situationsgebundenheit des Einsatzschiffs auf hoher See. Der Kläger war mithin aufgrund faktischer Gegebenheiten daran gebunden, diese Zeiten an Bord des Einsatzschiffs zu verbringen. Nach der oben dargelegten Rechtsprechung sind solche organisatorischen Schwierigkeiten, die die Folge natürlicher Gegebenheiten sind, nicht als Einschränkung des Arbeitnehmers berücksichtigungsfähig. Hat der Arbeitnehmer - wie der Kläger - schon aufgrund der Art des Arbeitsorts in der Praxis keine realistische Möglichkeit, diesen Ort am Ende der Arbeitszeit zu verlassen, sind nur Zeiträume, in denen er weiterhin objektiv gesehen ganz erheblichen Einschränkungen unterliegt, als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG einzustufen, nicht aber Zeiträume, in denen sich die Unmöglichkeit, den Arbeitsort zu verlassen, nicht aus einer Verpflichtung des Arbeitgebers/Dienstherrn ergibt, sondern allein aus der besonderen Art dieses Ortes. Folglich sind in den Fällen, in denen der Betreffende seine Ruhezeiten nur aufgrund der örtlichen Gegebenheiten - Betreuung einer Sendeanlage in unwegsamen Gelände (vgl. EuGH, Urteil vom 9.3.2021 - C-344/19 [Radiotelevizija Slovenija] -, juris Rn. 39 f.) oder Dienst an Bord eines Schiffs an vollen Seetagen - am Arbeitsort verbringen muss, diese Ruhezeiten nicht automatisch "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG, sondern es bedarf einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls.

(2) Während seiner streitigen - von ihm selbst als Kapitän eingeteilten - Ruhezeiten in den Jahren 2015 bis 2020 war dem Kläger nach Überzeugung des Senats keine Frist für die Aufnahme seiner Arbeit innerhalb von nur wenigen Minuten auferlegt mit der Folge, dass die geltend gemachten Zeiten nicht wegen des Kriteriums "sehr kurze Reaktionszeit" als "Arbeitszeit" im Sinne der der Richtlinie 2003/88/EG zu berücksichtigen sind.

Der Kläger hat zwar vorgetragen, bei den Ruhezeiten handele es sich um Bereitschaftsdienst, da er über die Nutzung seiner Zeit nicht habe frei verfügen können. Eine planbare oder nicht planbare Freizeit habe ab Dienstbeginn am Dienstag um 12.00 Uhr an Bord nicht mehr existiert. An Bord des Einsatzschiffs sei täglich ein Dienstbuch geführt worden, in welchem an den beiden Wechseltagen die Dienstzeit von 12.00 Uhr bis 24.00 Uhr bzw. von 0.00 Uhr bis 12.00 Uhr und an den anderen Tagen jeweils von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr vorgegeben gewesen sei, so dass ständiger Einsatz bestanden habe. Auch im gesetzlich vorgeschriebenen Schiffstagebuch seien die Eintragungen von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr dokumentiert worden. Zudem habe er jederzeit situationsabhängig seinen Dienst als Kapitän auch in den vorgesehenen Ruhezeiten aufnehmen müssen. Er sei auch weisungsgebunden gegenüber dem Lagezentrum in M. -Stadt gewesen. Einsatzbefehle wie zum Beispiel die Aufklärung von Umweltverstößen, die Begleitung und Überwachung von des Rauschgiftschmuggels verdächtigen Schiffen, Kontrollen etc. hätten auch nachts stattgefunden und er habe daran (auf Anordnung oder Hinweis) teilzunehmen gehabt. Seine Möglichkeiten, sich während der Zeiten des "Sich-Bereit-Haltens" seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, seien auf Null reduziert gewesen, weil er ununterbrochen an Bord habe erreichbar sein und sich habe bereithalten müssen, um jederzeit das Kommando übernehmen zu können. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 9. September 2021 (- C-107/19 [Dopravni podnik hl. M. Prahy] -, juris) sei auf seinen Fall übertragbar, weil auch ihm ein Standortwechsel untersagt gewesen sei und er nicht nur innerhalb von zwei Minuten, sondern sofort habe einsatzbereit sein müssen. Diesem Vorbringen folgt der Senat nicht.

Soweit der Kläger auf die Dienstzeitangaben im Dienstbuch und im Schiffstagebuch verwiesen hat, spielen zwar insbesondere Logbücher (also Tagebücher auf Seeschiffen) in der Schifffahrt schon seit jeher eine wichtige Rolle, zum Beispiel als Beweismittel bei Schiffsunfällen. Die von dem Kläger aufgeführten Zeiten 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr an vollen Seetagen, Auslauf- und Einlauftagen sowie 12.00 Uhr bis 24.00 Uhr bzw. von 0.00 Uhr bis 12.00 Uhr an den beiden Wechseltagen beziehen sich indes auf die Besatzung und die Ereignisse insgesamt und nicht auf einzelne Besatzungsmitglieder wie den Kläger. Aus diesen Zeiten lässt sich demnach nur auf den Schiffseinsatz insgesamt schließen, nicht jedoch auf einen durchgängigen Einsatz des Klägers über diese Zeitspannen und eine kurze Reaktionsfrist in diesen Zeiten.

Wie bereits ausgeführt, hat die C. versichert, dass es keine Anweisung gegeben habe, dass der Kläger dem Dienstherrn während der gesamten Zeit der Seestreife, insbesondere während der streitigen Ruhezeiten, sofort, d. h. innerhalb einer besonders kurzen Reaktionszeit ohne vorherige Planbarkeit, zur Verfügung habe stehen müssen. Diese Aussage ist glaubhaft, denn die Beklagte hat diese Zeiten weder als Zeiten des Bereitschaftsdienstes noch als Zeiten der Rufbereitschaft gesehen und schon deshalb keine Vorgaben im Hinblick auf Reaktionsfristen des Klägers gemacht. Zudem bestand hinsichtlich der vollen Seetage auch insoweit die Sondersituation, dass der Kläger die streitigen Ruhezeiten aufgrund dessen, dass sich das G. -Schiff auf See befand, an Bord verbringen musste und sich aus diesem Grund dem Zugriff des Dienstherrn nicht entziehen konnte. Nur aufgrund der örtlichen Gegebenheiten war er an vollen Seetagen sofort, d. h. innerhalb einer an sich außergewöhnlich kurzen Reaktionszeit, "greifbar" und damit auch während seiner eigentlichen Ruhezeiten einsatzbereit. Wie oben dargelegt, sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur solche Einschränkungen zu berücksichtigen, die dem Arbeitnehmer durch Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats, durch einen Tarifvertrag oder durch seinen Arbeitgeber - insbesondere aufgrund des Arbeitsvertrags, der Arbeitsordnung oder des Bereitschaftsdienstplans - auferlegt worden sind. Der Dienstherr hat dem Kläger aber keinerlei Reaktionszeit während der vollen Seetage, aber auch der Wechsel-, Auslauf- und Einlauftage innerhalb seiner als Kapitän selbst eingeteilten Ruhezeiten auferlegt, so dass sich daraus auch keine "ganz erheblichen Einschränkungen" für die Nutzung dieser Zeiten durch den Kläger ergeben können. In seiner informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung durch den Senat hat der Kläger zwar ausgesagt, spontane Einsätze seien bei Seenotrettungen und den Helikopter-Transfers zu leisten, Letzteres aber schon dadurch relativiert, dass er eine Mindestvorlaufzeit von zwei Stunden und nicht nur wenigen Minuten angegeben hat. Es liegt zwar auf der Hand, dass bei einem Seenotfall kurzfristig ein Rettungseinsatz zu leisten ist, der Kläger hat aber bereits nicht substantiiert dargelegt, wann und wie häufig solche Seenotrettungsfälle während seiner Ruhezeiten stattgefunden haben. Der Senat geht deshalb davon aus, dass es sich dabei - ebenso wie von dem Kläger pauschal angeführten Einsatzbefehlen des Lagezentrums in M. -Stadt betreffend die Aufklärung von Umweltverstößen, die Begleitung und Überwachung von des Rauschgiftschmuggels verdächtigen Schiffen - um einzelne Sonderfälle (siehe dazu unter (3 b)), bei denen eine schnelle Handlung kraft Natur der Sache erforderlich ist, handelt. Es lässt sich aus diesen Fällen jedoch nicht auf die generelle Anordnung einer kurzen Reaktionsfrist für den Kläger schließen.

(3) Der Kläger wurde während der streitigen Ruhezeiten in den Jahren 2015 bis 2020 im Durchschnitt nicht häufig zur Erbringung von Leistungen, die nicht nur von kurzer Dauer waren, herangezogen mit der Folge, dass nicht etwa wegen der Häufigkeit der Unterbrechung dieser Zeiten diese insgesamt als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG anzusehen sind.

(a) Ein häufiger Einsatz des Klägers während der streitgegenständlichen Zeiten ergibt sich nicht aus den festgelegten seemännisch organisierten Wachsystemen an Bord des G. -Schiffs und den Arbeitszeitregelungen der Beklagten.

Aus den Wachsystemen kann sich schon deshalb kein häufiger Einsatz des Klägers ergeben, weil der Kläger als Kapitän seinen Dienst an Bord außerhalb des festgelegten seemännisch organisierten Schichtsystems unter Maßgabe der dienstlichen Obliegenheiten versah. Er war in seiner Diensteinteilung frei. Nach seinen unwidersprochenen Angaben versah er seinen Dienst in der Zeit von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr, von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr und von 20.00 Uhr bis 24.00 Uhr (vgl. Sitzungsniederschrift vom 27.1.2021, S. 3 [Bl. 129/GA]). Seine Ruhezeiten lagen also von 12.00 Uhr bis 13.00 Uhr, von 17.00 Uhr bis 20.00 Uhr sowie von 0.00 Uhr bis 8.00 Uhr.

Anders als der Kläger als Kapitän versah seine Besatzung den Dienst nach den festgelegten seemännisch organisierten Wachsystemen an Bord des G. -Schiffs. Nach dem bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Arbeitszeitmodell hatten Besatzungsmitglieder vier Stunden Wache ("Schiffsbetrieb"/"Seewache"/"Volldienst"), dann vier Stunden Bereitschaftszeit ("Freiwache") und danach vier Stunden Ruhezeit ("Frei an Bord"); wobei sich die einzelnen Wachabschnitte im selben Turnus wiederholten (vgl. "Arbeitszeitregelungen für die Besatzungen der I. -Schiffe und ergänzende organisatorische Maßnahmen für den Betrieb der I. -Schiffe" des J. K. -Stadt vom 29.6.2010 - O 1525 B-A 202, S. 1). Bei diesem Drei-Wachen-System waren alle Posten durch drei Wachen besetzt: Während der Schicht, in der die 1. Wache die diensthabende "Seewache" ihren regulären Dienst versah, war die 2. Wache zum Bereitschaftsdienst, die sog. "Freiwache", eingeteilt und die Besatzungsmitglieder der 3. Wache befanden sich in der Phase "Frei an Bord". Danach konnte der Kläger rund um die Uhr auf eine "Seewache" und einen "Bereitschaftsdienst" zurückgreifen und grundsätzlich diese die anstehenden Aufgaben erledigen lassen. Das zum 1. Januar 2016 eingeführte Arbeitszeitmodell sieht an vollen Seetagen für jede der drei Wachen durchgehend acht Stunden "Ruhezeit" vor. In der Zeit von 20.00 Uhr bis 4.00 Uhr hat eine Wache "Seewache", während die beiden anderen Wachen "Ruhezeit" haben. Einen Bereitschaftsdienst wie die sogenannte "Freiwache" gibt es während der nächtlichen "Ruhezeit" zwar nicht mehr, dafür sieht das neue Arbeitszeitmodell aber vor, dass - sollte die eigentliche "Seewache" nicht ausreichen - ein Rückgriff auf die Besatzungsmitglieder zweier Wachen, die sich in ihrer nächtlichen "Ruhezeit" befinden, möglich ist. Der Pool möglicher Noteinsatzkräfte aus der Phase "Ruhezeit" nach dem neuen Arbeitszeitmodell hat sich gegenüber dem Pool der Besatzungsmitglieder in der Phase "Frei an Bord" nach dem bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Arbeitszeitmodell damit verdoppelt. Dem Kläger als Kapitän standen demnach seit 2016 Besatzungsmitglieder zweier Wachen während der nächtlichen "Ruhezeit" zur Verfügung, auf welche er gleichrangig als "Notreserve" zurückgreifen konnte während er sich in seinen Ruhezeiten befand. Aus dem zum 1. Januar 2016 eingeführten Arbeitszeitmodel ergibt sich auch deshalb nicht per se eine häufige Inanspruchnahme des Klägers während seiner Ruhezeiten, weil er als G. -Kapitän an vollen Seetagen für die 1. Wache in der Zeit von 4.00 Uhr bis 12.00 Uhr, für die 2. Wache von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr und für die 3. Wache von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr nach seinem Ermessen vier Stunden "Boarding/Arbeitsdienst", drei Stunden "Ruhe" und eine Stunde "Notfallbereitschaft" einteilen konnte. Folglich konnte der G. -Kapitän während dieser Zeiten neben der "Seewache" auf eine weitere Wache, die vier Stunden "Boarding/Arbeitsdienst" und einer Stunde "Notfallbereitschaft" zu leisten hatte, zur Aufgabenwahrnehmung zurückgreifen.

Als Teile der Besatzung waren drei nautische Offiziere vorgesehen. Der 1. Nautische Offizier war nach dem Geschäftsplan zum Vertreter des Kapitäns bestellt. Dieser hätte demnach im Todes- oder Krankheitsfall des Kapitäns das volle Kommando an Bord zu übernehmen gehabt und - das ist zwischen den Beteiligten unstreitig - auch übernehmen können. Daraus folgt, dass der 1. Nautische Offizier die Befähigung (das Patent) hatte, den Kapitän unabhängig von den vorgenannten Extremfällen in allen Situationen während dessen Ruhezeiten zu vertreten. Daneben gehörten zur Besatzung grundsätzlich auch der 2. und der 3. Nautische Offizier, die zwar über nautische Patente niedrigeren Grades als der Kapitän verfügten, die aber zur Schiffsführung grundsätzlich befähigt und deshalb (im gewissen Grade) als Vertreter des 1. Nautischen Offiziers und als weitere Vertreter des Klägers eingeplant waren.

Zudem war in 2.1.3.1 der "Arbeitszeitregelungen für die Besatzungen der I. -Schiffe und ergänzende[n] organisatorische[n] Maßnahmen für den Betrieb der I. -Schiffe" festgelegt, dass die Arbeitszeit von 17 Stunden an vollen Seetagen nur überschritten werden darf, wenn die Aufgaben es zwingend erforderten (zum Beispiel Nacheile, Begleiten eines aufgebrachten Schiffes, Hilfeleistung in Seenotfällen) bzw. nach 2.1.3.2. dieser Regelung in den Fällen höherer Gewalt (zum Beispiel Unwetter, Eisgang, plötzlich auftretende Schäden an Schiff und Maschine). Auch diese Regelung spricht dafür, dass alle Besatzungsmitglieder - und damit auch der Kapitän - während ihrer Ruhezeiten nur in absoluten Ausnahmefällen zum Dienst heranzuziehen waren.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nach eigenem Bekunden zwölf Stunden (8.00 Uhr bis 12.00 Uhr, von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr und von 20.00 Uhr bis 24.00 Uhr; vgl. Sitzungsniederschrift vom 27.1.2021, S. 3 [Bl. 129/GA]) Dienst versehen hat, die Beklagte für eine durchschnittliche Seestreife 118 Stunden Dienstzeit - nämlich je Wechseltag neun Stunden, für einen Auslauftag 15 Stunden und für jeden der vier vollen Seetagen sowie den Einlauftag 17 Stunden - anerkannt hat, mithin teilweise auch Ruhezeiten des Klägers. Zudem hat sie teilweise seit dem Jahr 2016 sogar 18 Stunden Arbeitszeit für den Kläger angerechnet, wenn dieser Maßnahmen zur Gesunderhaltung an Bord durchgeführt hatte. Insbesondere die großzügige Anerkennung von fünf Stunden mehr als die vom Kläger selbst bezifferte reguläre Arbeitszeit spricht gegen eine Inanspruchnahme des Klägers während der bislang nicht anerkannten Zeiten an vollen Seetagen.

(b) Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass er über seinen üblichen Arbeitseinsatz hinaus während seiner Ruhephasen der Jahre 2015 bis 2020 - bei durchschnittlicher Betrachtung - tatsächlich häufig hat Dienst leisten müssen und der jeweilige Dienst in der Regel nicht von kurzer Dauer war.

Der Kläger hat behauptet, er müsse seinen Dienst nicht nur in außergewöhnlichen Notfallsituationen aufnehmen. An- und Ablegemanöver, vorgeschriebene Übungen (zum Beispiel Seezielschießen, Waffen- und Sportübungen, Hubschraubermanöver, Bootsmanöver, Feuerlöschmanöver, Notübungen mit dem Hochseeschlepper) würden unter Beteiligung aller Besatzungsmitglieder zu allen möglichen Zeiten durchgeführt. Havarien und Sucheinsätze fänden auch nicht nur zwischen 8.00 Uhr und 17.00 Uhr statt. Hinzukämen Eigensicherheitsübungen, Arbeitsschutzbelehrungen, die Kontrolle von anderen Schiffen, Sonderdienste wie Mann-über-Bord-Manöver sowie Seenotfälle. Auch bei Sturmfahrten sei ein erhöhter Personalbedarf erforderlich. Während der Seestreifen finde die Ausbildung in Erster Hilfe statt. Als Kapitän sei er grundsätzlich für alles an Bord verantwortlich und befinde sich "ständig auf Abruf", auch dann, wenn er sich schlafen lege.

Soweit der Kläger auf seine besondere Verantwortung als Kapitän des Einsatzschiffs verwiesen hat, ist dem entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, der Grad der Verantwortung des Arbeitnehmers und die von ihm konkret zu erledigenden Aufgaben nicht von Bedeutung sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.4.2022 - BVerwG 2 B 8.21 -, juris Rn. 22). Es ist vom Dienstherrn weder angeordnet noch vorgesehen, dass jeder Beamte in Führungspositionen "24/7" arbeitet und niemals Ruhezeiten hat. Stattdessen sind im Regelfall Vertreter benannt, an welche zu bestimmten Themen und insbesondere zu bestimmten Zeiten Verantwortung abgegeben werden kann und soll. Betreffenden in Führungspositionen - wie dem Kläger - obliegt es deshalb, Aufgaben an seine Vertreter zu delegieren und sich damit eigenverantwortlich Ruhezeiten zu schaffen und nicht zuletzt diesem Vertreter zu ermöglichen, Erfahrungen zu sammeln. Wie oben ausgeführt, war als Vertreter für den Kläger der 1. Nautische Offizier förmlich bestellt. Dieser hat die Befähigung, das volle Kommando an Bord des Einsatzschiffs zu übernehmen. Er war folglich in der Lage, die Vertretung des Klägers während dessen Ruhezeiten zu übernehmen. Der Kläger hat während seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass er nicht durchgängig 24 Stunden im Dienst gewesen sei, sondern der jeweilige Wachoffizier ihn in nautischen Belangen während der streitigen Ruhezeiten vertreten habe. Nach seinem eigenen Vorbringen sei nur "alles außerhalb der Routine" - also außerhalb des eigentlichen Systems - von ihm als dem allein verantwortlichen Kapitän entschieden worden. Es ist jeglicher Vertretung immanent, dass Sonderfälle mit dem eigentlichen Amtsinhaber - sofern dieser greifbar ist und sich insbesondere eine Rücksprache in diesen Fällen vorbehalten hat - abgesprochen werden. Zugunsten des Klägers wird deshalb unterstellt, dass er als Kapitän auch während seiner Ruhezeiten in bestimmten Situationen der zentrale Ansprechpartner war. Es ist dabei nicht erkennbar, dass diese Rücksprachen vom zeitlichen Umfang her grundsätzlich von den zwölf Stunden Dienst, die der Kläger entsprechend der dienstlichen Belange eigenverantwortlich geleistet hat, nicht umfasst gewesen sind. Verstärkend tritt hinzu, dass von der Beklagten nicht nur zwölf, sondern weitere fünf Stunden an vollen Seetagen und Einlauftagen sowie weitere drei Stunden an Auslauftagen bereits als Arbeitszeit anerkannt worden sind. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger, nachdem er eine entsprechende Anordnung getroffen hatte, diese grundsätzlich nicht selbst ausführen musste, sondern seine Ruhezeiten fortsetzen konnte, während andere Besatzungsmitglieder die angeordneten Maßnahmen vornahmen. Soweit der Kläger auf krankheitsbedingte Ausfallzeiten von Besatzungsmitgliedern und sein "Einspringen" hingewiesen hat, hat er zwar glaubhaft zum Ausdruck gebracht, dass er während seiner aktiven Dienstzeit Kapitän mit Herzblut und vollem Engagement gewesen ist und allen Besatzungsmitgliedern eine Seestreife ermöglichen wollte. Indes ist bei einer Unterschreitung der Mindestbesatzungsgröße von 14 bzw. nicht hinreichender Qualifikation der Besatzungsmitglieder vom Dienstherrn nicht vorgesehen, dass der Kapitän "einspringt", sondern dass das G. -Schiff in diesem Fall nicht ausläuft. Dieser "überobligatorische Einsatz" des Klägers beruhte demnach nicht auf zu berücksichtigenden dienstlichen Vorgaben, sondern auf seiner freien Entscheidung.

Während der regulären Seestreife fanden - das ist denklogisch - jeweils ein Auslauf- und ein Einlaufmanöver statt. Die Beteiligten haben dazu übereinstimmend angegeben, dass bei diesen beiden Manövern die Anwesenheit aller Besatzungsmitglieder auf den Stationen erforderlich sei. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger als Kapitän regelmäßig diese Manöver leitete. Die Beklagte hat allerdings versichert, dass An- und Ablegemanöver nicht in die Nachtzeit gelegt worden seien, um die Ruhezeiten der dienstfreien Besatzungsmitglieder nicht zu unterbrechen. Entsprechend ist nur für den 9. Oktober 2017 von 0.00 Uhr bis 2.00 Uhr ein nächtliches Einlaufen und Festmachen des G. -Schiffs während der Ruhezeit des Klägers dokumentiert. Angesichts dessen, dass das Aus- und Einlaufen des G. -Schiffs tideabhängig ist, ist bereits fernliegend, dass die Manöver immer in den Ruhezeiten des Klägers von 12.00 Uhr bis 13.00 Uhr bzw. von 17.00 Uhr bis 20.00 Uhr stattfanden. Zudem ist nach den unwidersprochenen Angaben der Beklagten dafür nur ein Zeitaufwand von zwei Stunden anzusetzen, der im Verhältnis zu den geltend gemachten Stunden als gering einzuschätzen ist. Vor allem aber hatte der Kläger als Kapitän die Möglichkeit, seine Ruhezeiten flexibel nach bzw. vor dem von ihm selbst festgelegten Auslauf- bzw. Einlaufmanöver zu legen und diese dadurch zu wahren.

Auch wenn zugunsten des Klägers als wahr unterstellt würde, dass er sämtliche weitere Manöver und Schulungen der Besatzungsmitglieder selbst geleitet hätte, folgte daraus noch nicht eine häufige Inanspruchnahme während seiner Ruhezeiten. Die Beklagte hat versichert, dass diese "Aktivitäten" im Regelfall tagsüber während des regulären Dienstbetriebs stattgefunden hätten. Der Kläger ist der Behauptung der Beklagten, nachts sei grundsätzlich Ruhe an Bord, nicht entgegengetreten, soweit es sich um planbare Manöver handelt. Eine nächtliche Inanspruchnahme nach 24.00 Uhr hat er allenfalls für Seenotrettungsfälle, Havarien und die Helikopterübungen der Marine, d. h. nicht planbare Manöver, geltend gemacht, insoweit ist zu berücksichtigen, dass er regelmäßig von 20.00 bis 24.00 Uhr im regulären Dienst war. Dafür, dass planbare Manöver und Schulungen während der täglichen Dienstzeit des Klägers stattgefunden haben, spricht zudem, dass der Kläger als Kapitän es selbst in der Hand hatte, wann er diese durchführte. Es ist eher fernliegend, dass er dafür seine eigenen Ruhezeiten ohne jeden Ausgleich häufig und über nicht unerhebliche Dauer genutzt hat. Vor allem aber hat der Kläger schon nicht vorgetragen, wie häufig diese "Aktivitäten" in seinen üblichen Ruhephasen durchgeführt worden sind. Die Beklagte hat im Parallelverfahren mit dem Aktenzeichen 5 LC 48/21 angegeben, dass eine Unterweisung in Erster Hilfe nur aller zwei Jahre einmal stattfinde. Sie hat darüber hinaus mitgeteilt, der G. -Kapitän sei dafür verantwortlich, Übungen wie zum Beispiel Feuerlöschübungen und Mensch-über-Bord-Manöver monatlich - also je Seestreife - durchzuführen. Es lag also in der Hand des Klägers diese Manöver so zu planen, dass seine Ruhezeiten und die der Besatzungsmitglieder möglichst gewahrt oder zumindest zeitnah ausgeglichen werden. Der Senat geht demnach davon aus, dass planbare Manöver grundsätzlich tagsüber während der regulären Dienstzeit des Klägers von ihm als G. -Kapitän in größeren Abständen angeordnet worden sind bzw. er die Lage seiner Arbeitszeit den dienstlichen Erfordernissen angepasst hat, um die notwendigen Ruhezeiten zur Aufrechterhaltung seiner Dienstfähigkeit nehmen zu können. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Kläger die vom Dienstherrn vorgesehene Möglichkeit hätte nutzen können, dem 1. Nautischen Offizier die Leitung über planbare Manöver zu übertragen, insbesondere wenn diese Manöver in den Ruhezeiten des Klägers lagen.

Der Kläger hat zwar nachvollziehbar behauptet, dass nicht planbare Manöver wie bei Havarien und Sucheinsätzen nicht nur zwischen 8.00 Uhr und 17.00 Uhr stattfänden und die Marine ihre Helikopterübungen gern in den Abendstunden durchführe. Soweit der Kläger auf Sonderdienste wie Seenotrettungen und auf den erhöhten Personalbedarf bei Sturmfahrten verwiesen hat, hat die Beklagte eingeräumt, dass der Kläger in extremen Notfallsituationen zur Dienstverrichtung verpflichtet sei, auch wenn er an sich gerade in einer Ruhephase befinde, zugleich aber klargestellt, dass dies nur in absoluten Ausnahmefällen eingetreten sei. Solche absoluten Ausnahmefälle sind extreme Notfälle aufgrund höherer Gewalt wie Unwetter, Eisgang oder plötzlich auftretende Schäden an Schiff und Maschine sowie Sonderfälle wie die Nacheile, das Begleiten eines aufgebrachten Schiffes oder die Hilfeleistung in Seenotfällen (vgl. so schon 2.1.3. der "Arbeitszeitregelungen für die Besatzungen der I. -Schiffe und ergänzende[n] organisatorische[n] Maßnahmen für den Betrieb der I. -Schiffe"). Der Kläger hat nur pauschal darauf verwiesen, dass er gegenüber dem Lagezentrum in M. -Stadt weisungsgebunden sei und Einsatzbefehle betreffend die Aufklärung von Umweltverstößen sowie die Begleitung und Überwachung von des Rauschgiftschmuggels verdächtigen Schiffen auszuführen habe und bei Sturmfahrten und zur Seenotrettung Dienst leisten müsse, ohne darzulegen, dass während der streitgegenständlichen Zeiten in den Jahren 2015 bis 2020 überhaupt - und erst recht nicht bei durchschnittlicher Betrachtung gehäuft - solche Sonderereignisse stattgefunden haben. Die Beklagte hat vorgetragen, es sei nur für den 25./26. April 2019 von 0.00 Uhr bis 5.00 Uhr ein Einsatz des Klägers wegen eines Seenotrettungsdienstes dokumentiert. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten. Soweit der Kläger auf Marineeinsätze in den Abendstunden abgestellt hat, ist dem bereits entgegenzuhalten, dass er nach seinen eigenen Angaben von 20.00 Uhr bis 24.00 Uhr regelmäßig Dienst leistete. Unabhängig davon fehlt es auch diesbezüglich an einer genaueren Darlegung, wann und wie lange diese Helikopterübungen zu welchen der streitigen Ruhezeiten stattgefunden haben.

(4) Unabhängig von den vorgenannten Elementen fallen unter den Begriff "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG sämtliche Bereitschaftszeiten, während deren dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen, also ein bestimmter Intensitätsgrad erreicht wird, der für eine Art Daueralarmbereitschaft bzw. eine Dauerbelastung spricht. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Der Kläger hat ausgeführt, eine planbare oder nicht planbare Freizeit habe ab Dienstbeginn am Dienstag um 12.00 Uhr an Bord des G. -Schiffs nicht mehr existiert. Während seiner Ruhezeiten habe er nicht über die Nutzung seiner Zeit frei verfügen können. Seine Möglichkeiten, sich während dieser Zeiten seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, seien auf Null reduziert gewesen. Ihm sei untersagt worden, an Bord Alkohol zu trinken. Er habe diese Zeiten nicht mit seinen Familienangehörigen verbringen und aufgrund dessen, dass sich das Schiff außerhalb der Handyreichweite befinde, nicht einmal mit ihnen telefonieren können. Von Erholung während der streitigen Zeiten habe überhaupt keine Rede sein können, weil aufgrund des Dienstbetriebs und der Lärmbelästigung - die Wände seien kaum schallisoliert - kein richtiges Schlafen möglich gewesen sei.

Mit diesem Vorbringen hat der Kläger nicht einen Intensitätsgrad der gesamten ihm auferlegten Einschränkungen während seiner bislang noch nicht berücksichtigten Zeiten an Bord des G. -Schiffs in den Jahren 2015 bis 2020 dargelegt, der für eine "Daueralarmbereitschaft"/"Dauerbelastung" während dieser Zeiten spricht. Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten ist der Senat der Überzeugung, dass der Kläger die Möglichkeit hatte, die streitgegenständlichen Zeiten im Rahmen der örtlichen Möglichkeiten frei zu gestalten und sich in ihnen seinen eigenen Interessen zu widmen. Dies hat zur Folge, dass diese Zeiten nicht als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG zu berücksichtigen sind.

Soweit der Kläger geltend gemacht hat, seine Möglichkeiten, sich während der streitigen Zeiten seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, seien auf Null reduziert gewesen, so habe er diese Zeit nicht mit seinen Familienangehörigen verbringen und aufgrund dessen, dass sich das Schiff außerhalb der Handyreichweite befinde, nicht einmal mit ihnen telefonieren können, handelt es sich dabei nach der oben dargelegten Rechtsprechung nicht um berücksichtigungsfähige Einschränkungen. Denn danach sind nur solche Einschränkungen zu berücksichtigen, die dem Kläger durch Rechtsvorschriften oder seinen Dienstherrn auferlegt worden sind, nicht aber Einschränkungen, die sich allein aus der besonderen Art des Aufenthaltsortes ergeben. Diese von dem Kläger geschilderten Einschränkungen sind nur Folge der natürlichen Gegebenheiten, hängen also mit dem Dienst an Bord eines Schiffs auf See zusammen. Deshalb ist für die Einstufung der streitigen Zeiten als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG nicht relevant, dass es auf dem Einsatzschiff, das der Kläger während der vollen Seetage des facto nicht verlassen konnte, wenig Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten gab. Nur ergänzend wird deshalb darauf hingewiesen, dass die Beklagte mögliche Freizeitaktivitäten an Bord des G-Schiffs aufgezeigt hat. Die I. -Schiffe des G. seien mit einem hochwertigen Fitnessraum und einer Sauna ausgestattet. Die Einzelkabinen verfügten über die Möglichkeit zur kostenlosen Internetnutzung über einen WLAN-Zugang. Jede Einzelkabine sei mit einem Fernsehgerät, das über eine an Bord vorhandene Satellitenanlage den Empfang einer Vielzahl von Fernsehprogrammen ermögliche, ausgestattet (vgl. Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts Stade vom 27.1.2021, S. 128 f.). Abgesehen davon ist davon auszugehen, dass die Besatzungsmitglieder, die während eines vollen Seetags und des Einlauftags bislang nicht anerkannten sieben Stunden auch vornehmlich zur Deckung ihres Schlafbedürfnisses genutzt haben.

Hinsichtlich des vom Kläger angeführten Alkoholverbots ist klarzustellen, dass dieses auf allen Fahrzeugen des J. und für Waffenträger sowie Schiffsführer bei Dienstbeginn und während des Dienstes gilt. Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 SeeSchStrO in der Fassung vom 28. Juni 2006 darf ein Fahrzeug nicht führen oder als Mitglied der Schiffsbesatzung eine andere Tätigkeit des Brücken-, Decks- oder Maschinendienstes nicht ausüben, wer 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt. Gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 SeeSchStrO darf der Schiffsführer eines Fahrgastschiffs oder eines Fahrbeschränkungen und Fahrverboten nach § 30 Abs. 1 unterliegenden Fahrzeuges in der Dienstzeit während der Fahrt alkoholische Getränke nicht zu sich nehmen oder bei Dienstantritt nicht unter der Wirkung solcher Getränke stehen. In Ruhezeiten und sonstigen Erholungszeiten an Bord darf der Schiffsführer alkoholische Getränke zu sich nehmen, wenn sichergestellt ist, dass er bei der Übernahme sicherheitsrelevanter Aufgaben nicht mehr unter der Wirkung solcher Getränke steht (§ 3 Abs. 5 Satz 2 SeeSchStrO). Diese Vorschriften der Seeschifffahrtstraßenordnung hat die Beklagte für die Besatzung auf G. -Schiffen verschärft. Die N. hat mit Erlass vom 9. Februar 2011 (- P 1006 - 1/11 - RF 1320 -) angeordnet, dass allen Beschäftigten der O. der Konsum von alkoholischen und alkoholhaltigen Getränken während der Dienstzeit sowie in Dienstgebäuden und auf dem Dienstgelände untersagt ist. Von dieser Anordnung ist für Waffenträger und Teilnehmer am Aus- und Fortbildungsschießen keine Ausnahmeregelung möglich. Der Leiter des J. K. -Stadt hat mit Verfügung vom 26. September 2011 (- P 1006 B - A 105 -) den Konsum von Alkohol auf allen Grundstücken, sowie in allen Räumen und Fahrzeugen des J. K. -Stadt verboten. Er hat ausdrücklich angeordnet, dass für Waffenträger, Dienst-Kfz- und Schiffsführer bei Dienstbeginn und während des Dienstes eine absolute Promillegrenze von 0,0 gilt. Demnach ergab sich das Alkoholverbot für den Kläger während seiner Ruhezeiten in den Jahren 2015 bis 2020 aufgrund seiner Anwesenheit an Bord des Einsatzschiffes, das er - wie bereits ausgeführt - an vollen Seetagen aufgrund der natürlichen Gegebenheiten (und nicht aufgrund zu berücksichtigender dienstlicher Anordnung) nicht verlassen konnte. Das Alkoholverbot ist zudem eine Einschränkung mit geringem Gewicht, denn sie dient insbesondere dem Schutz des von ihm betroffenen Beamten. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren bestätigt, dass für die Beschäftigten der gesamten G. -Bootflotte der Konsum von Alkohol verboten sei, weil es in der Vergangenheit negative Erfahrung mit Alkoholkonsum auf G. -Booten gegeben habe und die Einsatzfähigkeit und die Sicherheit des Einsatzmittels und der übrigen Besatzungsmitglieder nicht durch Alkoholgenuss gefährden werden dürfe (vgl. BE vom 19.1.2024, S. 4 [Bl. 350 ff./GA]). Das Alkoholverbot ist somit auch Ausdruck der Fürsorgepflicht des Dienstherrn.

Es ist nicht ersichtlich, dass Unterbrechungen der streitgegenständlichen Zeiten des Klägers in den Jahren 2015 bis 2020 so unvorhersehbar gewesen wären, dass sie eine zusätzliche beschränkende Wirkung auf die Möglichkeit des Klägers gehabt hätten, seine Zeit frei zu gestalten und zur Ruhe zu finden, so, dass er sich letztlich in einer Art "Daueralarmbereitschaft" befunden hätte. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger als Kapitän des Einsatzschiffs den Zeitpunkt für reguläre Manöver, Übungen und Schulungen selbst festgelegt hat. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten hat der Kläger bei den von ihm angeordneten planbaren Manövern und Schulungen die Nachtruhe gewahrt. Soweit der Kläger behauptet hat, aufgrund des Dienstbetriebs und der Lärmbelästigung - die Wände seien kaum schallisoliert - sei kein richtiges Schlafen möglich, hat die Beklagte glaubhaft versichert, es handele sich um Einzelkabinen, die dem "gehobenen deutschen Handelsschiffstandard" entsprächen. Es handele sich demnach um schallgedämpfte Außenkabinen mit eigener Dusche und eigenem WC. Beim Bau desM-Schiffs seien besondere Isolationsmaßnahmen ergriffen worden, um die Lärmbelästigung auf ein Minimum zu reduzieren. So seien etwa die Kammern und sonstigen Räumlichkeiten soweit isoliert worden, dass die Motorgeräusche dort nicht so wahrnehmbar seien wie auf anderen Schiffen (vgl. so schon Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts Stade vom 27.1.2021, S. 1 ff. [Bl. 127 ff./GA]). Eine Dauerbelastung des Klägers, weil sämtliche Geräusche des Dienstbetriebs und Schiffs sehr laut zu hören gewesen wären, ist deshalb nicht anzunehmen. Im Übrigen ist nach der dargelegten Rechtsprechung der Umstand, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wegen der besonderen Art des Arbeitsorts eine Dienstunterkunft zur Verfügung stellt, die sich an diesem Ort oder in dessen unmittelbarer Nähe befindet, als solcher kein ausschlaggebender Gesichtspunkt für die Einstufung von Bereitschaftszeiten, die in Form von Rufbereitschaft geleistet werden, als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG. Zudem war der Kläger weder verpflichtet, eine Spezialausrüstung während der streitigen Ruhezeiten mit sich zuführen, noch bestand eine kurze Reaktionszeit mit Sanktionen bei deren Überschreitung. Der Kläger war zwar Waffenträger während der Schießübungen. Der Vertreter der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 27. Januar 2021 in dem Parallelverfahren 5 LC 48/21 aber erklärt, während der Zeit "Frei an Bord" verblieben die Waffen in dem Waffenschrank bzw. in der Waffenkammer und würden nicht von den Besatzungsmitgliedern mitgeführt. Das hat der Kläger nicht in Abrede gestellt. Aufgrund der oben dargelegten geringen Häufigkeit von extremen Notfällen wie Seenotrettungen befand sich der Kläger auch nicht wegen solcher unvorhersehbaren Ereignisse in einer Art "Daueralarmbereitschaft". Dies gilt besonders für das Jahr 2015, indem aufgrund des damaligen konsequenten Drei-Wachen-Systems die Wachoffiziere im "Seedienst" und im Bereitschaftsdienst/der "Freiwache" zur Dienstleistung herangezogen werden konnten. Soweit der Kläger auf Regelungen für Soldaten verwiesen hat, sind solche nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, denn Soldaten leisten ihren Dienst unter deutlich anderen Einsatzbedingungen als Beamte, die wie der Kläger in der G. tätig sind (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 19.6.2019 - 5 LA 7/18 -).

Die nach der Rechtsprechung erforderliche Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls führt dazu, dass die von dem Kläger geltend gemachten Ruhezeiten in den Jahren 2015 bis 2020 nicht als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG anzuerkennen sind. Der Senat ist der Überzeugung, dass der Kläger in diesen Zeiten nicht so großen Einschränkungen unterlag, dass sie seine Möglichkeit, diese Zeiten frei zu gestalten, objektiv ganz erheblich beeinträchtigten. Entgegen seiner Ansicht hat der Kläger sich insbesondere nicht in einer Art "Daueralarmbereitschaft" befunden. Während dieser Zeiten war ihm zwar ein Alkoholverbot als Einschränkung auferlegt. Allein ein solches Verbot führt indes nicht dazu, dass der für die Annahme einer "Arbeitszeit" erforderliche Intensitätsgrad der Einschränkungen erreicht ist.

c) Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass die streitigen bislang nicht anerkannten Zeiten nicht einen Verstoß gegen Art. 6 Buchst. b) der Richtlinie 2003/88/EG wegen einer Überschreitung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden im Siebentageszeitraum in den Jahren 2015 bis 2020 begründen mit der Folge, dass der Kläger insoweit keinen Anspruch auf finanziellen Ausgleich wegen rechtswidriger Zuvielarbeit nach dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch hat.

III. Der Kläger hat keinen Anspruch auf finanziellen Ausgleich für die streitigen Zeiten nach dem beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch.

Der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch für rechtswidrig geleistete Zuvielarbeit fußt auf dem auch im Beamtenrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und den gesetzlichen Vorschriften über den Ausgleich von Mehrarbeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.5.2003 - BVerwG 2 C 28.02 -, juris Rn. 19 f.). Er setzt voraus, dass der Beamte rechtswidrig Zuvielarbeit geleistet hat. Dies ist der Fall, wenn der Dienstherr den Beamten auf der Grundlage einer rechtswidrig zu hoch festgesetzten regelmäßigen Arbeitszeit zum Dienst herangezogen oder ihn über die rechtmäßig festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit hinaus in Anspruch genommen hat, ohne dass die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit erfüllt sind (BVerwG, Urteil vom 28.5.2003 - BVerwG 2 C 28.02 -, juris Rn. 20; Beschluss vom 10.6.2009 - BVerwG 2 B 26.09 -, juris Rn. 5; Urteil vom 29.9.2011 - BVerwG 2 C 32.10 -, juris Rn. 8; Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 24.21 -, juris Rn. 15). Klarzustellen ist, dass der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch und der unionsrechtliche Haftungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge zwar nicht gleichgerichtet sind, beide jedoch eine rechtswidrige Inanspruchnahme des Beamten über die höchstens zulässige Arbeitszeit hinaus ("Zuvielarbeit") voraussetzen, wobei allerdings die unionsrechtlich vorgegebene Obergrenze von 48 Stunden für die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit - bei Festlegung eines Bezugszeitraums (vgl. Art. 16 Buchst. b Richtlinie 2003/88/EG bzw. für den Siebentageszeitraum (Art. 6 Buchst. b der Richtlinie) - nicht mit der nationalrechtlich vorgesehenen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit identisch ist (vgl. BVerwG; Urteil vom 13.10.2022 - BVerwG 2 C 7.21 -, juris Rn. 11). Zudem setzt der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch ebenso wie der unionsrechtliche Haftungsanspruch seine rechtzeitige Geltendmachung voraus. Beide Ansprüche entstehen mit Wirkung für die Zukunft erst, wenn der Beamte sie geltend macht (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.9.2011 - BVerwG 2 C 32.10 -, juris Rn. 8; Urteil vom 26.7.2012 - BVerwG 2 C 29.11 -, juris Rn. 26; Urteil vom 17.11.2016 - BVerwG 2 C 23.15 -, juris Rn. 25; Beschluss vom 2.4.2019 - BVerwG 2 B 43.18 -, juris Rn. 10 f.; Nds. OVG, Urteil vom 10.3.2020 - 5 LB 49/18 -, juris Rn. 56 m. w. N.).

Wie unter II. ausgeführt, fehlt es bereits an einer rechtzeitigen Geltendmachung der streitigen Zeiten im Zeitraum von 2009 bis 2014. Einen Freizeitausgleich bzw. finanziellen Ausgleich für die streitigen Stunden im Zeitraum von 2015 bis 2020 hat der Kläger zwar rechtzeitig geltend gemacht, ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch scheidet insoweit jedoch ebenso aus wie der unionsrechtliche Haftungsanspruch, denn diese Zeiten sind - wie oben dargelegt - "Ruhezeit" und keine bei der Bemessung der zulässigen Höchstarbeitszeit zu berücksichtigende "Arbeitszeit".

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO, § 63 Abs. 3 BeamtStG und § 127 BRRG liegen nicht vor. Die Revision ist insbesondere nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, denn die Maßstäbe zur Abgrenzung von "Arbeitszeit" und "Ruhezeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG sind durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, insbesondere auch, was die Frage der "Daueralarmbereitschaft" betrifft. Streitgegenständlich war nur die Anwendung dieser feststehenden Grundsätze auf den vorliegenden Einzelfall.