Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.04.2024, Az.: 10 ME 62/24

Anfechtung des Ausschlusses aus der CDU-Fraktion

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
19.04.2024
Aktenzeichen
10 ME 62/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 14100
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0419.10ME62.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 07.02.2024 - AZ: 1 B 5718/23

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 1. Kammer - vom 7. Februar 2024 wird zurückgewiesen.

Der Antragssteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen den Ausschluss aus der CDU-Fraktion der Stadt A-Stadt.

Auf Grund eines Vorfalles auf dem "Hoffest" des Kreisverbandes der Jungen Union A-Stadt Land und des Kreisverbandes A-Stadt am 30. September 2023 kam es zu polizeilichen Ermittlungen gegen den Antragsteller. Dieser soll während des Festes eine 16-Jährige, mit der er sich im Laufe des Abends unterhalten hatte, am Gesäß berührt und ihr am gleichen Abend über die Plattform "Instagram" unangemessene Nachrichten gesendet haben.

In der Folge wurden die Vorwürfe gegen den Antragsteller einschließlich möglicher Ordnungsmaßnahmen in einer Fraktionsversammlung am 10. Oktober 2023 thematisiert. Anschließend wurden die Mitglieder der Antragsgegnerin einschließlich des Antragstellers mit Schreiben vom 26. Oktober 2023 zur Fraktionssitzung am 2. November 2023 geladen, deren Gegenstand ausweislich der Ladung sowie der Beschlussvorlage für die Fraktionssitzung allein der Ausschluss des Antragstellers aus der Antragsgegnerin auf Grund einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses in der Fraktion in Hinblick auf die Vorkommnisse am 30. September 2023 war. Nach Anhörung des Antragstellers schloss die Antragsgegnerin diesen durch mehrheitlich (3:1) gefassten Beschluss vom 2. November 2023 mit sofortiger Wirkung aus.

Hiergegen hat der Antragsteller am 29. November 2023 Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 1 A 5717/23 geführt wird, und um vorläufigen Rechtsschutz ersucht. Den Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller sämtliche Befugnisse als Mitglied der Antragsgegnerin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu belassen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. Februar 2024 mit der Begründung abgelehnt, dass der angefochtene Fraktionsausschluss nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich rechtmäßig sei, da er weder an formellen noch an materiellen Fehlern leide. Insbesondere habe ein wichtiger Grund für den Ausschluss aus der Fraktion vorgelegen, den die Fraktion willkürfrei beschlossen und dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt habe. Die von der Antragsgegnerin dargelegte nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses in der Fraktion basiere auf dem außerhalb der Fraktionsarbeit bekannt gewordenen Anknüpfungsverhalten des Antragsstellers von einer gewissen Erheblichkeit und dem anschließenden Umgang des Antragstellers mit den diesbezüglichen Vorwürfen. Es sei nachvollziehbar, dass die weiteren Mitglieder der Antragsgegnerin davon ausgegangen seien, dass eine weitere Zusammenarbeit mit dem Antragsteller das öffentliche Erscheinungsbild der Fraktion schädigen würde. Die in den Unterlagen erkennbaren Widersprüche, Schuldzuweisungen und Bagatellisierungen von Seiten des Antragstellers seien nicht geeignet, zur Aufklärung des Vorwurfs beizutragen und schädigten nachvollziehbarerweise die auf persönliches Vertrauen angewiesene Fraktionsarbeit der Antragsgegnerin. Der Fraktionsausschluss verstoße auch nicht gegen das Willkürverbot. Die anderen Fraktionsmitglieder seien ausreichend über den Vorwurf informiert gewesen und hätten sich im Rahmen der Fraktionssitzung ein Bild über den Umgang des Antragstellers damit machen können. Der Fraktionsausschluss sei auch angemessen. Ohne Zugehörigkeit zu einer Fraktion sei der Antragsteller nicht von Informationen abgeschnitten, die zur Mandatsausübung notwendig seien. Angesichts der auch fraktionslosen Abgeordneten zustehenden Rechte seien weitere Beeinträchtigungen nicht anzunehmen und im Übrigen auch nicht dargelegt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 22. Februar 2024 erhobene Beschwerde des Antragstellers.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.

Sie ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die vom Antragsteller innerhalb der Beschwerdefrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, lassen nicht erkennen, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht den Antrag des Antragstellers auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm sämtliche Befugnisse als deren Mitglied bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu belassen, abgelehnt hat.

Zur Begründung seiner Beschwerde trägt der Antragsteller vor, das Verwaltungsgericht verkenne, dass die strafrechtliche Unschuldsvermutung auf einen Fraktionsausschluss übertragbar sei. Nach § 53 Satz 1 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) ruhe die Mitgliedschaft erst dann, wenn wegen eines Verbrechens öffentliche Klage erhoben worden sei. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass weder ein Vergehen noch ein Ermittlungsverfahren Auswirkungen auf den Status des Mitglieds hätten. Darüber hinaus liege kein wichtiger Grund für den streitgegenständlichen Fraktionsausschluss vor. Nach der vom Verwaltungsgericht angeführten Entscheidung des Senats rechtfertige nicht jede nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses innerhalb einer Fraktion den Ausschluss aus dieser. Vielmehr müsse nach den genannten Beispielen stets ein Bezug zur Fraktionsarbeit gerade im Hinblick auf die politischen Überzeugungen gegeben sein. Zudem reiche eine einmalige Störung nicht aus. Der Grund, der vorliegend zum Fraktionsausschluss geführt habe, habe seine Ursache allein in einem Geschehen, dass gerade nicht im Zusammenhang mit der Sphäre der Fraktion stehe, so dass die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Wäre das in Rede stehende Geschehen, bei dem es sich um ein singuläres Ereignis handele, nicht durch die anderen Mitglieder der Antragsgegnerin in die Fraktion getragen worden, hätte dies gar keine atmosphärischen Störungen hervorrufen können. Das Verhalten der Antragsgegnerin sei daher willkürlich. Zudem sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts gerade keine vollständige Aufklärung des Sachverhaltes erfolgt und nicht einmal die im Zentrum der Vorwürfe stehende 16-Jährige angehört worden. Schließlich sei der Fraktionsausschluss auch unverhältnismäßig. Gerade die geringe Größe der Antragsgegnerin mit vormals vier Mitgliedern erlaube es, sich zur Vertrauensbildung mit den einzelnen Mitgliedern deutlich detaillierter auseinanderzusetzen. Zudem verkenne das Verwaltungsgericht, dass die wesentliche politische Arbeit in Vertretungen auf kommunaler Ebene gerade in den Fraktionen stattfinde. Ein einzelnes Ratsmitglied habe einen deutlich geringeren Einfluss. Darüber hinaus sei der Wille des Wählers zu berücksichtigen, der ihn als Mitglied einer bestimmten Partei und gerade nicht als fraktionsloses Mitglied in den Stadtbezirksrat gewählt habe.

Auch mit diesem Vorbringen hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch auf fortgesetzte uneingeschränkte Partizipation an der Fraktionsarbeit der Antragsgegnerin im Sinne von § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 940 ZPO glaubhaft gemacht. Vielmehr stellt sich der streitige Fraktionsausschluss des Antragstellers vom 2. November 2023 bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nach Lage der Akten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig dar.

Der Fraktionsausschluss des Antragstellers weist voraussichtlich keine formellen Fehler auf.

Soweit sich der Antragsteller in diesem Zusammenhang auf die Nichtbeachtung der auch im vorliegenden Verfahren geltenden Unschuldsvermutung beruft, gebietet dies keine andere Bewertung. Der vom Antragsteller zur Begründung seines Standpunktes herangezogene § 53 Satz 1 NKomVG betrifft nicht den hier streitgegenständlichen Fraktionsausschluss. Ein Ruhen der Mitgliedschaft i.S.d. § 53 Satz 1 NKomVG des Antragstellers steht nicht im Raum, so dass das (fehlende) Vorliegen der Voraussetzungen dieser Regelung ohne Belang ist. Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen zu dieser Vorschrift geltend machen wollen würde, dass deren Voraussetzungen auch für einen Fraktionsausschluss vorliegen müssten, wird dies bereits aus seinem Vorbringen nicht hinreichend deutlich. Darüber hinaus kann dieser Schluss aber auch bereits deshalb nicht gezogen werden, weil mit der gemäß § 53 Satz 1 NKomVG gesetzlich angeordneten Folge der Erhebung der öffentlichen Klage wegen eines Verbrechens ein anderer Zweck, als mit einem Fraktionsausschluss verfolgt wird. Mit dem Ruhen des Mandats soll sichergestellt werden, dass im Vorfeld einer drohenden Aberkennung der Wählbarkeit nach § 45 Abs. 1 StGB und eines damit ebenfalls drohenden Mandatsverlusts nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 NKomVG der betroffene Abgeordnete als solcher nicht mehr in Erscheinung tritt (Mehde in BeckOK, Kommunalrecht Nds., Stand: 1.1.2024, NKomVG § 53 Rn. 1; Blum in Blum/Meyer, Nds. KomVG, 6. Auflage 2022, § 53 Rn. 1). Der Fraktionsausschluss dient demgegenüber der Sicherung einer funktionierenden, vertrauensvollen Zusammenarbeit innerhalb der Fraktion. In Hinblick auf die Unschuldsvermutung geht die konkrete Argumentation des Antragstellers darüber hinaus deshalb fehl, weil diese nicht im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage entfällt (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 5.6.1973 - 1 BvR 536/72 -, juris Rn. 66). Unabhängig davon ist der Antragsteller auch nicht wegen einer Straftat aus der Fraktion ausgeschlossen worden, sondern aufgrund des nachhaltig gestörten Vertrauensverhältnisses, auf das sich die Unschuldsvermutung nicht bezieht. Soweit das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der formellen Voraussetzungen des angefochtenen Fraktionsausschlusses eine weitere Sachverhaltsaufklärung sowie das Abwarten der strafrechtlichen Ermittlungen im Rahmen der Begründung des Fraktionsausschlusses für nicht notwendig erachtet hat und hierbei davon ausgegangen ist, dass die strafrechtliche Unschuldsvermutung nicht auf die politische Entscheidung über den Fraktionsausschluss übertragbar sei, ist dies nicht zu beanstanden. Maßgeblich für die Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit des nicht gesetzlich und vorliegend auch nicht fraktionsintern geregelten Fraktionsausschlusses ist insbesondere, dass sich das vom Ausschluss bedrohte Mitglied auf die ihm gemachten Vorwürfe - unabhängig von deren strafrechtlicher Relevanz - einstellen und angemessen vorbereiten kann (vgl. Senatsbeschluss vom 14.6.2010 - 10 ME 142/09 - Beschlussabdruck, S. 6 m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.2.2018 - 15 B 19/18 -, juris Rn. 14; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.10.2020 - VGH O 52/20 -, juris Rn. 36 ff.). Dies war vorliegend der Fall, da der Antragsteller ausweislich der Beschlussvorlage (Bl. 5 der Gerichtsakte) über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe sowie mögliche Ordnungsmaßnahmen durch zahlreiche vorangegangene persönliche Gespräche unter anderem im Rahmen der Fraktionsversammlung am 10. Oktober 2023 informiert war. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass eine sachgerechte Vorbereitung auch der weiteren Fraktionsmitglieder insbesondere im Hinblick auf die rechtzeitige Ladung, die ausführliche Beschlussvorlage sowie die Fraktionsversammlung am 10. Oktober 2023 möglich war.

Der Beschluss der Antragsgegnerin über den Ausschluss des Antragstellers ist aller Voraussicht nach auch materiell rechtmäßig. Das Verwaltungsgericht hat rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines "wichtigen Grundes" für den Ausschluss des Antragstellers angenommen.

Ein den Ausschluss eines Mitglieds rechtfertigender "wichtiger Grund" ist gegeben, wenn zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Fraktion Umstände vorliegen, die das Vertrauensverhältnis innerhalb der Fraktion nachhaltig und derart stören, dass den übrigen Fraktionsmitgliedern eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann (Senatsbeschluss vom 14.6.2010 - 10 ME 142/09 - Beschlussabdruck, S. 8 m.w.N.). Beispielhaft kommen in Betracht das Aufkündigen der Grundidentifikation mit dem politischen Programm, die nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses durch eine Abweichung in zentralen Fragen des politischen Konsens, grobe und ordnungswidrige Schädigungen der Fraktion, das Austragen von Auseinandersetzungen in der Presse und sonstigen Öffentlichkeit, das Erschweren der Gremienarbeit der Fraktion bis zur Ineffektivität oder ernste atmosphärische Störungen, die das Vertrauensverhältnis zwischen dem Betroffenen und den anderen Mitgliedern untergraben (Senatsbeschluss vom 14.6.2010 a.a.O.). Darüber hinaus kann ein "wichtiger Grund" auch darin bestehen, dass ein Fraktionsmitglied durch sein (auch rats- oder fraktionsexternes) Verhalten das Ansehen der Fraktion in der Öffentlichkeit nachhaltig schädigt und die Außenwirkung der Fraktion und deren Wirkungsmöglichkeit damit beeinträchtigt (vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.10.2020 - VGH O 52/20 -, juris Rn. 47).

Da der Ausschluss aus der Fraktion als ein Akt interner Selbstgestaltung und (kollektiver) politischer Verantwortung anzusehen ist, steht der Fraktion bei der Bewertung, ob das Verhalten eines Mitglieds einen den Ausschluss rechtfertigenden Grund darstellt, nach überwiegend vertretener Auffassung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (Senatsbeschluss vom 14.6.2010 -- 10 ME 142/09 --, Beschlussabdruck S. 8 f.; vgl. VerfGH Berlin, Urteil vom 4.7.2018 - 130/17 -, juris Rn. 32). Das zur Ausschlussentscheidung führende Mitgliederverhalten wird sich häufig aus einer Vielzahl einzelner Vorgänge zusammensetzen, die auch in ihren personalen Anlässen und Auswirkungen unwägbar bleiben. Die autonome Gestaltung der innerfraktionellen Beziehungen, ihre zwischenmenschliche, gruppendynamische und politische Dimension, steht einer vollständigen Kontrollierbarkeit entgegen. Die gerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob die Entscheidung auf ausreichender Beurteilungsgrundlage getroffen worden ist und der Fraktionsausschluss gegen gesetzliche Bestimmungen, Geschäftsordnungen, ungeschriebene Rechtsregeln, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bzw. das Willkürverbot verstößt (vgl. Senatsbeschluss vom 14.6.2010 - 10 ME 142/09 - Beschlussabdruck, S. 9 m.w.N.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.10.2020 - VGH O 52/20 -, juris Rn. 48; VerfGH Berlin, Urteil vom 4.7.2018 - 130/17 -, juris Rn. 32). Als letztlich politische Entscheidung ist der Fraktionsausschluss gerichtlich daher nicht daraufhin zu überprüfen, ob er vertretbar ist, sondern im Rahmen der Willkürkontrolle allein darauf, ob das Statusrecht des betroffenen Abgeordneten in grundlegender Weise evident verkannt wurde. Das Willkürverbot ist dabei dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die Entscheidung nicht finden lässt, sondern vielmehr evident sachfremd entschieden wurde (VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.10.2020 - VGH O 52/20 -, juris Rn. 50 f. m.w.N.).

Gemessen an diesen Vorgaben hält die Einschätzung der Antragsgegnerin, es liege ein wichtiger Grund für einen Fraktionsausschluss vor, auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der gerichtlichen Überprüfung durch den Senat stand.

Der Einwand des Antragstellers, alle in der Senatsentscheidung vom 14. Juni 2020 (- 10 ME 142/09 -) angeführten Beispiele verlangten einen Bezug des "wichtigen Grundes" zur Fraktionsarbeit, der vorliegend nicht gegeben sei, verfängt nicht. So ist zum einen bei dem vorliegenden Sachverhalt durchaus ein Bezug zur politischen Arbeit der Antragsgegnerin festzustellen, wie aus der Beschlussvorlage, wonach das Verhalten des Antragstellers "einer Frau gegenüber, zumal einer Minderjährigen, inakzeptabel, mit den Werten der CDU nicht vereinbar und daher geeignet ist, der Fraktion einen erheblichen Reputationsschaden in der Öffentlichkeit zuzufügen", hervorgeht. Zum anderen ist - wie oben ausgeführt - maßgeblich, ob das Vertrauensverhältnis zwischen den Mitgliedern derart gestört ist, dass den übrigen Fraktionsmitgliedern eine weitere (politische) Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann. Hierfür kann auch ein einmaliges Verhalten des Fraktionsmitglieds ausreichend sein. Die schwere und nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses kann die politische fraktionsinterne Zusammenarbeit selbstredend auch in dem Fall erheblich beeinträchtigen, wenn diese Störung auf außerhalb der Fraktion liegenden Umständen beruht, jedoch derart schwerwiegend ist, dass sie die Fraktionsarbeit negativ beeinflusst. Denn die wirkungsvolle Zusammenarbeit in der Fraktion hängt nicht nur von wechselseitigen Loyalitäten in politischen Inhalten hab, vielmehr erfordert der Charakter einer Fraktion als "Arbeitsgemeinschaft" auch ein anhaltendes wechselseitiges Vertrauensverhältnis der Fraktionsmitglieder zueinander, das die persönliche Zuverlässigkeit und Umgänglichkeit einschließt und einen Schwerpunkt in der persönlichen Verlässlichkeit hat (vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.10.2020 - VGH O 52/00 -, juris Rn. 80; VG Darmstadt, Beschluss vom 20.12.2016 - 3 L 2960/16. DA -, juris Rn. 17). Vorliegend ist auch nicht etwa ein rein zwischenmenschliches Zerwürfnis als Grund für den streitgegenständlichen Fraktionsausschluss angeführt worden, sondern ein objektiv fehlerhaftes Verhalten des Antragstellers, dessen Umfang sowie strafrechtliche Relevanz zwar umstritten ist, das von dem Antragsteller in den Grundzügen (Berührung an der "Hinterseite ihrer Hüfte, kurz unter ihrem Gürtel" sowie Versenden unangemessener Nachrichten) jedoch eingeräumt wird und auch Anlass für eine Entschuldigung an die betroffene 16-Jährige (s. Bl. 45 der Gerichtsakte) gewesen ist. Darüber hinaus begründet die Antragsgegnerin ausweislich der Beschlussvorlage (Bl. 5 R der Gerichtakte) ihre Entscheidung in nachvollziehbarer Weise (auch) mit der fraktionsinternen Reaktion des Antragstellers auf die erhobenen Vorwürfe, die nicht erkennen lässt, dass sich dieser um eine Aufarbeitung des Geschehens und Verbesserung des Vertrauensverhältnisses innerhalb der Antragsgegnerin bemüht hat (s. auch Protokoll über die Sitzung der Antragsgegnerin am 2.11.2023, Bl. 27 der Gerichtsakte). Daher kann auch keine Rede davon sein, dass, wie der Antragsteller meint, die Antragsgegnerin den Grund für die Störung des Vertrauensverhältnisses selbst geschaffen hat.

Eine Verletzung des Willkürverbotes lässt sich auf Grund dieser sachlich einleuchtenden Begründung nicht feststellen. Dem Antragsteller ist es auch im Rahmen der Beschwerdebegründung insbesondere nicht gelungen, substantiiert darzulegen, dass der Entscheidung über den Ausschluss evident unzutreffende tatsächliche Annahmen zu Grunde gelegt worden sind.

Die Entscheidung der Antragsgegnerin lässt unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens auch keine durchgreifenden Ermessensfehler erkennen. Insbesondere hat der Antragsteller einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht hinreichend (substaniiert) dargetan, ein solcher ist darüber hinaus auch nicht erkennbar. Dafür, dass gegen den Antragsteller eine weniger einschneidende, aber gleichermaßen geeignete Maßnahme als der Fraktionsausschluss hätte ergriffen werden können, ist nichts ersichtlich. Dass eine "Rüge" oder "Abmahnung" geeignet wäre, das gestörte Vertrauensverhältnis innerhalb der Antragsgegnerin wiederherzustellen, erscheint praktisch ausgeschlossen, zumal sich alle anderen Fraktionsmitglieder in der Abstimmung für einen Ausschluss ausgesprochen haben. Mithin standen der Antragsgegnerin auch angesichts der unzweifelhaft durch den Fraktionsausschluss deutlich erschwerten politischen Arbeit des Antragsstellers und der damit verbundenen Einschränkung seiner Rechte als Mandatsträger weniger strenge Mittel zur Einwirkung auf den Antragsteller nicht zur Verfügung und mussten im Hinblick auf die nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses innerhalb der Fraktion unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles nicht in Betracht gezogen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergeht nach §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 und 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).