Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.11.2010, Az.: 4 KN 109/10

Vereinbarkeit der Freistellung des Kletterns von naturschutzrechtlichen Verboten in einem Naturschutzgebiet mit der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL); Beachtung des Verschlechterungsverbots und des Störungsverbots bei einer Freistellung von naturschutzrechtlichen Verboten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.11.2010
Aktenzeichen
4 KN 109/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 29323
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:1102.4KN109.10.0A

Fundstellen

  • NdsVBl 2011, 112-116
  • NuR 2011, 56-59
  • SpuRt 2011, 204-209

Amtlicher Leitsatz

Die Freistellung des Kletterns von naturschutzrechtlichen Verboten in einem Naturschutzgebiet, das Teil eines FFH-Schutzgebiets ist, erfordert, dass die Regelungen zur Freistellung dem Verschlechterungs- und Störungsverbot des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL Rechnung tragen. Die insoweit erforderlichen wesentlichen Maßgaben müssen in der Naturschutzgebietsverordnung selbst enthalten sein.

Tatbestand

1

Die Antragsteller wenden sich gegen die Verordnung über das Naturschutzgebiet "Selterklippen" in der Samtgemeinde Freden, Landkreis Hildesheim, und in der Stadt Einbeck und der Gemeinde Kreiensen, Landkreis Northeim, soweit die Verordnung das Klettern ausschließlich an den vor Ort gekennzeichneten Felsen in kartografisch dargestellten Kletterbereichen von den naturschutzrechtlichen Verboten in dem Naturschutzgebiet freistellt.

2

Am 23. März 2009 erließ der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz die Verordnung über das Naturschutzgebiet "Selterklippen" - VO -, die im Niedersächsischen Ministerialblatt Nr. 13 vom 1. April 2009 veröffentlicht wurde. Das Naturschutzgebiet, das eine Größe von ca. 96 ha hat, erstreckt sich auf in der Samtgemeinde Freden, Landkreis Hildesheim, und der Stadt Einbeck sowie der Gemeinde Kreiensen, Landkreis Northeim, gelegene Flächen. Bei dem "Selter" handelt es sich um einen schmalen, von Nordwest nach Südost verlaufenden bewaldeten Höhenzug im Alfelder Bergland. Das Naturschutzgebiet erfasst den mittleren und südlichen Teil des "Selters" mit einer Länge von ca. 6 km und liegt innerhalb des FFH-Gebietes Nr. 169 "Laubwälder und Klippenbereiche im Selter, Hils und Greener Wald", das durch die Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 13. November 2007 (Abl. EU Nr. 1 12 v. 15.1.2008, S. 383) unter der Gebietsnummer DE4024-332 in die erste aktualisierte Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der kontinentalen biogeografischen Region gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 - FFH-Richtlinie - (Abl. EG Nr. 1 206 v. 22.7.1992, S. 7) mit späteren Änderungen aufgenommen worden ist.

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Allgemeiner Schutzzweck für das Naturschutzgebiet ist gemäß § 2 Abs. 2 VO die Erhaltung, Pflege und naturnahe Entwicklung der "Selterklippen" als Lebensstätte schutzbedürftiger Tier- und Pflanzenarten - insbesondere der Wildkatze, des Wanderfalken und des Uhus - und ihrer Lebensgemeinschaften sowie als Landschaft von großer Seltenheit, besonderer Eigenart, Vielfalt und herausragender Schönheit. Nach § 2 Abs. 3 VO ist das Naturschutzgebiet "Selterklippen" Teil des Europäischen Ökologischen Netzes "Natura 2000" und dient die Unterschutzstellung der Erhaltung des Gebietes als FFH-Gebiet. Besonderer Schutzzweck für das Naturschutzgebiet im FFH-Gebiet ist nach § 2 Abs. 4 Nr. 1 VO die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands durch den Schutz und die Entwicklung insbesondere von naturnahen Schlucht- und Hangmischwäldern im Komplex mit Kalkfelsbiotopen und ihren gut entwickelten Farn- und Moosgesellschaften, Höhlen und naturnahen Waldmeister-Buchenwäldern, u.a. als Fledermausquartiere. Nach dem besonderen Schutzzweck gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 2 VO sollen insbesondere die in Anhang I der FFH-Richtlinie aufgeführten Lebensraumtypen "9180 Schlucht- und Hangmischwald (Tilio-Acerion)", "8210 Kalkfelsen mit Felsspaltenvegetation", "8310 Nicht touristisch erschlossene Höhlen" und "9130 Waldmeister-Buchenwald (Asperulo-Fagetum)" sowie eine vitale, langfristig überlebensfähige Population der in Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführten Tierart "Großes Mausohr (Myotis myotis)" erhalten und gefördert werden.

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Nach § 3 Abs. 1 VO sind gemäß § 24 Abs. 2 des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes - NNatG - im Naturschutzgebiet alle Handlungen verboten, die das Naturschutzgebiet oder einzelne seiner Bestandteile zerstören, beschädigen oder verändern, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist. Zudem sieht § 3 Abs. 2 Satz 1 VO vor, dass gemäß § 24 Abs. 2 NNatG das Naturschutzgebiet außerhalb der Wege nicht betreten oder auf sonstige Weise aufgesucht werden darf. Darüber hinaus verbietet § 3 Abs. 3 VO einzelne aufgeführte Handlungen, die das Naturschutzgebiet oder einzelne seiner Bestandteile gefährden oder stören können, u.a. wild lebende Tiere oder die Ruhe der Natur durch Lärm oder auf andere Weise zu stören (Nr. 2) sowie zu zelten, zu lagern und offenes Feuer, wie Lagerfeuer, zu entzünden (Nr. 3). Von den vorgenannten Verboten werden bestimmte Handlungen gemäß § 4 VO freigestellt. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 VO ist allgemein freigestellt das Klettern ausschließlich an den vor Ort gekennzeichneten Felsen in den in der maßgeblichen Karte dargestellten Kletterbereichen mit der Maßgabe, dass Vegetation nicht beseitigt wird (a.) und der gesetzliche Schutz nach § 37 Absatz 4 NNatG unberührt bleibt (b.). § 4 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 VO bestimmt ferner, dass die Kennzeichnung der Felsen mit Zustimmung der zuständigen Naturschutzbehörde erfolgt. In der der Verordnung anliegenden maßgeblichen Karte im Maßstab 1:5000 (im Ministerialblatt nicht abgedruckt) sind drei Kletterbereiche kartografisch dargestellt. Der nördliche Kletterbereich (am Kohlberg) hat eine Länge von ca. 50 m, der weiter südlich gelegene Kletterbereich (Fredener Klippen) eine Länge von ca. 300 m. Im südlichen Teil des Naturschutzgebiets im Bereich Erzhausener Klippen befindet sich ein weiterer Kletterbereich mit einer Länge von etwa 850 m. Die drei Kletterbereiche sind jeweils etwa 100 bis 125 m breit und haben insgesamt eine Größe von ca. 12 ha.

5

Die Antragsteller sind seit vielen Jahren aktive Kletterer. Der Antragsteller zu 1. ist außerdem stellvertretender Vorsitzender der Interessengemeinschaft (IG) I. J. e.V. und zudem ehrenamtlich im K. L. (M.) e.V. in der Ausbildung aktiv. Der Antragsteller zu 2. ist stellvertretender Referent für Wettkampfklettern und Leistungssport im N. O. P. des M. und Mitglied der Q. R. im Hauptverein des M.. Der Antragsteller zu 3. ist Mitglied im S. des M., dessen Ziel die Förderung des Leistungssports Felsklettern ist. Die Antragsteller zu 1. bis 3. sind nach eigenen Angaben leistungsorientierte Kletterer und haben die Felsen des "Selter" vor Inkrafttreten der Verordnung regelmäßig, teilweise mehrmals in der Woche, zu Trainingszwecken genutzt, insbesondere für anspruchsvollere Kletterrouten ab Schwierigkeitsgrad 8.

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Die Antragsteller haben am 1. April 2010 einen Normenkontrollantrag gestellt, mit dem sie sich gegen die Freistellung des Kletterns ausschließlich an den vor Ort gekennzeichneten Felsen in den in der maßgeblichen Karte dargestellten Kletterbereiche durch § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO wenden.

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Zur Begründung ihres Antrags tragen sie im Wesentlichen Folgendes vor: Ihr Antrag sei zulässig. Sie seien antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da die Verordnung über das Naturschutzgebiet "Selterklippen" zu massiven Einschränkungen des Kletterns im "Selter" führe, sie dadurch an der Ausübung ihres Leistungssportes gehindert und in ihrer Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG eingeschränkt seien. Die Felsen des "Selter" nähmen eine Ausnahmestellung in Bezug auf das Angebot an Kletterrouten der oberen Schwierigkeitsgrade ein. Andere Felsenformationen im Weser-Leine-Bergland böten keine oder nur wenige Routen vergleichbarer Schwierigkeitsgrade, so dass der "Selter" aufgrund der vielen Kletterrouten mit hohen Schwierigkeitsgraden das wichtigste und bedeutendste Klettergebiet für extremes Sportklettern in Norddeutschland sei. Felsenformationen vergleichbarer Schwierigkeitsgrade fänden sich erst wieder im Frankenjura zwischen Bamberg, Bayreuth und Nürnberg in einer Entfernung von ca. 400 km. Die Verordnung über das Naturschutzgebiet sei in materieller Hinsicht rechtswidrig, da sie dem Bestimmtheitsgebot nicht genüge. Es sei für die Normadressaten nicht hinreichend erkennbar, durch wen und nach welchen Kriterien die nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 VO erforderliche Kennzeichnung der zum Klettern freigegebenen Felsen erfolge. Die Verordnung weise darüber hinaus erhebliche Abwägungsfehler auf. Aus dem Aufstellungsverfahren zur Verordnung gehe hervor, dass der Verordnungsgeber das Klettern zumindest teilweise freigeben und den seit Jahrzehnten an den "Selterklippen" ausgeübten Klettersport durch Festlegung ausgedehnter Ruhezonen für die Natur in "naturverträgliche Bahnen" lenken wollte. Die getroffene Regelung führe jedoch mangels verbindlich festgelegter Kletterrouten faktisch zu einem Kletterverbot im "Selter". Da der Antragsgegner seine Zustimmung zur Kennzeichnung von Felsen von der Einwilligung der Grundstückseigentümer abhängig mache und die Grundstückseigentümer das Klettern ablehnten, seien zur Zeit keine Felsen zum Klettern freigegeben, was dem erklärten Ziel des Verordnungsgebers zuwider laufe. Weitere Abwägungsdefizite lägen im Hinblick auf die Festlegung der Kletterbereiche vor. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen nur drei Kletterbereiche mit einer Gesamtlänge von etwa 1.100 m festgelegt worden seien. Naturschutzrechtliche Erfordernisse hierfür seien nicht ersichtlich. Insbesondere fehle es an einem Beleg dafür, dass die "Selterklippen" als Lebensstätte der Wildkatze diene, wie es in § 2 Abs. 2 VO angenommen werde.

8

Die Antragsteller beantragen,

§ 4 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Selterklippen" in der Samtgemeinde Freden, Landkreis Hildesheim, und in der Stadt Einbeck und der Gemeinde Kreiensen, Landkreis Northeim, vom 23. März 2009 für unwirksam zu erklären, soweit das Klettern ausschließlich an den vor Ort gekennzeichneten Felsen in den in der maßgeblichen Karte dargestellten Kletterbereichen unter den dort genannten Maßgaben freigestellt ist,

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hilfsweise,

§ 4 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Selterklippen" für unwirksam zu erklären.

10

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen,

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und erwidert, die Regelung zur Freistellung des Kletterns von den naturschutzrechtlichen Verboten in dem Naturschutzgebiet "Selterklippen" sei das Ergebnis einer umfassenden Abwägung der Interessen des Naturschutzes, der betroffenen Grundstückseigentümer sowie der ebenfalls bedeutsamen Interessen von Sportkletterern gegeneinander im Rahmen des Aufstellungsverfahrens zur Verordnung. Eine Kennzeichnung von zum Klettern freigegebenen Felsen sei bislang nicht erfolgt, weil es zur Umsetzung der in § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO geregelten Freistellung einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen Kletterverbänden und den Grundstückseigentümern bedürfe, eine solche bislang jedoch nicht getroffen worden sei und das Klettern ohne Zustimmung der Eigentümer im Naturschutzgebiet daher nicht zulässig sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge über den Erlass der Naturschutzgebietsverordnung verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Der Normenkontrollantrag ist zulässig, aber nur mit dem Hilfsantrag begründet.

14

Der Antrag ist statthaft, da die Verordnung des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz vom 23. März 2009 gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 7 Nds. AG VwGO der Normenkontrolle durch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht unterliegt.

15

Die Antragsteller haben auch die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gewahrt, indem sie am 1. April 2010 und damit innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Verordnung im Niedersächsischen Ministerialblatt Nr. 13 vom 1. April 2009 ihren Normenkontrollantrag beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht eingereicht haben.

16

Die Antragsteller sind überdies antragsbefugt. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Antrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Insofern ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die zur Prüfung gestellte Rechtsnorm in einem subjektiven Recht verletzt wird (BVerwG, Urt. v. 17.12.1998 - 1 CN. 1.98 -, BVerwGE 108, 182, 184; Nds. OVG, Urt. v. 13.12.2001 - 8 KN 38/01 - und v. 28.9.2003 - 8 KN 2072/01-; ferner Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: November 2009, § 47 Rn 44; jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

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Die Antragsteller stellen die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO zur Disposition, die das Klettern ausschließlich an den vor Ort gekennzeichneten Felsen in kartografisch dargestellten Kletterbereichen unter bestimmten Maßgaben von den naturschutzrechtlichen Verboten in dem Naturschutzgebiet freistellt. Da die Verordnung alle Handlungen, die das Naturschutzgebiet oder einzelne seiner Bestandteile zerstören, beschädigen oder verändern, verbietet und das Betreten des Naturschutzgebiets außerhalb der Wege - und damit auch auf Felsen - untersagt, das Klettern im geschützten Gebiet aber nur unter den in § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO genannten Einschränkungen und Maßgaben von diesen naturschutzrechtlichen Verboten freistellt, kommt eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit der Antragsteller nach Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht, der nicht lediglich einen begrenzten Bereich der Persönlichkeitsentfaltung, sondern jede Form menschlichen Handelns ohne Rücksicht darauf schützt, welches Gewicht der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt (vgl. BVerfG, Urt. v. 6.6.1989 - 1 BvR 921/85 -, BVerfGE 80, 137, 152 f. [BVerfG 06.06.1989 - 1 BvR 921/85] m.w.N.). Da die Antragsteller aktiv Klettersport betreiben und das Gebiet der "Selterklippen" zur Durchführung ihres Sports vor Inkrafttreten der Verordnung regelmäßig genutzt haben, sind sie durch die umstrittene Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO auch unmittelbar betroffen. Es handelt es sich bei ihnen somit nicht um beliebige Personen, die von der Antragsbefugnis des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auszunehmen wären (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 15.5.2000 - 6 CN 3.99 -, NVwZ 2000, 1296 [BVerwG 17.05.2000 - BVerwG 6 CN 3/99]). Die Antragsbefugnis der Antragsteller entfällt auch nicht dadurch, dass die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Handlungsfreiheit der Antragsteller bereits durch andere öffentlich-rechtliche Vorschriften - wie § 23 Abs. 1 NWaldLG - oder zivilrechtliche Abwehransprüche der Grundstückseigentümer eingeschränkt sein kann. Denn bei den Einschränkungen der Freistellung des Kletterns von den Verboten des § 3 VO handelt es sich um selbständige, aus der Unterschutzstellung als Naturschutzgebiet resultierende öffentlich-rechtliche Beschränkungen, die unabhängig davon bestehen, ob das Klettern nach anderen Bestimmungen erlaubt oder verboten ist.

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Den Antragstellern fehlt auch nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für den von ihnen gestellten Normenkontrollantrag. Diese allgemeine Sachurteilsvoraussetzung fehlt nur, wenn der Antragsteller seine Rechtsstellung mit der begehrten Entscheidung nicht verbessern kann. Wann dies der Fall ist, richtet sich im Wesentlichen nach den jeweiligen Verhältnissen des Einzelfalls (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.8.1987 - 4 N 3.86 -, BVerwGE 78, 85). Für das Rechtsschutzinteresse reicht es insoweit aus, dass sich nicht ausschließen lässt, dass die gerichtliche Entscheidung für den Antragsteller von Nutzen sein kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.4.2002 - 4 CN 3.01 -, NVwZ 2002, 1126). Dieses ist der Fall, wenn die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO ganz oder teilweise für unwirksam erklärt wird. Für die Antragsteller wäre es ohne weiteres vorteilhaft, wenn § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO auf den von den Antragstellern gestellten Hauptantrag für unwirksam erklärt würde, soweit das Klettern ausschließlich an den vor Ort gekennzeichneten Felsen in den in der maßgeblichen Karte dargestellten Kletterbereichen unter den dort genannten Maßgaben freigestellt ist. Denn in diesem Fall wäre das Klettern in weitergehendem Umfang von den naturschutzrechtlichen Verboten im Naturschutzgebiet freigestellt, was im Interesse der Antragsteller läge. Auch im Fall einer - von den Antragstellern hilfsweise beantragten - Unwirksamkeitserklärung der gesamten Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO wäre es jedoch nicht nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass sich dies für die Antragsteller vorteilhaft auswirkt. Zwar gäbe es bei einer Unwirksamkeit des § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO zunächst keine Freistellung des Kletterns im Naturschutzgebiet mit der Folge, dass das Klettern unzulässig wäre. Doch auch eine Feststellung der Unwirksamkeit des gesamten § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO kann sich zugunsten der Antragsteller auswirken, wenn der Begründung für die Unwirksamkeitserklärung entnommen werden kann, dass die gegenwärtige Fassung der Vorschrift zu beanstanden ist, eine Freistellung des Kletterns von den naturschutzrechtlichen Schutzbestimmungen aber grundsätzlich möglich wäre. Auch wenn Abweichungen von den naturschutzrechtlichen Verboten in einem Naturschutzgebiet nach § 16 Abs. 2 Satz 2 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bundesnaturschutzgesetz - NAGBNatSchG - im Ermessen der zuständigen Naturschutzbehörde stehen und ein Anspruch auf Zulassung einer Abweichung von den Verboten nur dann besteht, wenn der Schutzzweck es erfordert oder erlaubt und das Ermessen der Naturschutzbehörde auf Null reduziert ist (vgl. Nds. OVG, Urt. vom 6.11.2002 - 8 KN 231/01 -, NVwZ-RR 2003, 267), ist nicht ausgeschlossen, dass die zuständige Naturschutzbehörde nach der Unwirksamkeitserklärung des § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO im Interesse des Klettersports erneut eine Regelung zur Freistellung des Kletterns von den naturschutzrechtlichen Verboten trifft, die zu einem für die Antragsteller günstigeren Ergebnis führt.

19

Der Normenkontrollantrag richtet sich schließlich auch gegen den richtigen Antragsgegner.

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Nach § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist der Antrag gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, die die Rechtsvorschrift erlassen hat. Ändert sich nach dem Erlass der Rechtsvorschrift die Zuständigkeit zum Erlass der Norm, ist der Antrag indessen gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, die zur Änderung oder Aufhebung der Norm befugt ist (vgl. Senatsurt. v. 1.4.2008 - 4 KN 57/07 -, NVwZ-RR 2008, 602). Ein solcher Fall liegt hier vor.

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Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt und Klimaschutz hat als oberste Naturschutzbehörde (§ 54 Abs. 2 NNatG) mit Erlass vom 25. Februar 2009 den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz gemäß § 55 Abs. 3 NNatG zur zuständigen Landesbehörde für den Erlass der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Selterklippen" bestimmt. Die Voraussetzungen für diese Übertragung der Zuständigkeit haben vorgelegen, da sich das Naturschutzgebiet "Selterklippen" auf den Zuständigkeitsbereich mehrerer unterer Naturschutzbehörden - des Antragsgegners und des Landkreises Hildesheim - erstreckt und die oberste Naturschutzbehörde die Aufgabe nach § 55 Abs. 3 NNatG im Einzelfall einer Landesbehörde übertragen kann, wenn eine Angelegenheit in den Zuständigkeitsbereich mehrerer unterer Naturschutzbehörden fällt oder eine Änderung der Zuständigkeit aus anderen Gründen zweckdienlich ist. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Erlasses vom 25. Februar 2009 bestehen auch im Übrigen nicht. Insbesondere bestand keine Verpflichtung, den Erlass, der den betroffenen Behörden bekannt gegeben worden ist, öffentlich bekannt zu machen. Folglich ist der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz für den Erlass der Verordnung zuständig gewesen. Nach dem Erlass der Verordnung hat das Niedersächsische Ministerium für Umwelt und Klimaschutz indessen mit Runderlass vom 13. Mai 2009 nach Abstimmung mit den betroffenen Gebietskörperschaften den Antragsgegner zur für die Aufhebung oder Änderung der Naturschutzgebietsverordnung zuständigen Gebietskörperschaft bestimmt. Auch diese ebenfalls auf § 55 Abs. 3 NNatG beruhende Änderung der Zuständigkeit zur Aufhebung oder Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Selterklippen" begegnet keinen Bedenken, so dass der Antrag gegen die richtige Körperschaft gerichtet ist.

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Der demnach zulässige Normenkontrollantrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, da § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO gegen höherrangiges Recht verstößt.

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Zwar liegen die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass der Naturschutzgebietsverordnung vor, so dass § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO nicht schon mangels wirksamer Unterschutzstellung der "Selterklippen" zu beanstanden ist. Die Regelung steht aber mit den bei einer Freistellung von naturschutzrechtlichen Schutzbestimmungen zu beachtenden nationalen und europarechtlichen Vorschriften nicht im Einklang und verstößt auch gegen das verfassungsrechtliche Gebot hinreichender Bestimmtheit. Dazu im Einzelnen:

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Da für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in materiell-rechtlicher Hinsicht im Normenkontrollverfahren der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgebend ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl., § 47 Rn 137), ist die Verordnung inhaltlich an den Bestimmungen des seit dem 1. März 2010 geltenden Bundesnaturschutzgesetzes - BNatSchG - vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2554) und des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bundesnaturschutzgesetz - NAGBNatSchG - vom 19. Februar 2010 (Nds. GVBl. S. 104), das ebenfalls seit dem 1. März 2010 in Kraft getreten ist, zu messen. Nach § 16 Abs. 1 NAGBNatSchG kann die Naturschutzbehörde Gebiete im Sinne von § 23 Abs. 1 BNatSchG durch Verordnung als Naturschutzgebiet festsetzen. Nach § 23 Abs. 1 BNatSchG sind Naturschutzgebiete rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen erforderlich ist zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung von Lebensstätten, Biotopen oder Lebensgemeinschaften bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten (Nr. 1), aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen (Nr. 2) oder wegen ihrer Seltenheit, besonderen Eigenart oder hervorragenden Schönheit (Nr. 3). Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf das unter Naturschutz gestellte Gebiet der "Selterklippen" - was von den Antragstellern der Sache nach auch nicht angegriffen wird - vor. Zum einen bedarf dieses Gebiet besonderen Schutzes, weil es sich durch Seltenheit, besondere Eigenart und hervorragende Schönheit auszeichnet (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG). Zum anderen ist es auch besonders schutzbedürftig, damit es als Lebensstätte schutzbedürftiger Tier- und Pflanzenarten und ihrer Lebensgemeinschaften erhalten wird (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG). Die Flächen, die von der Verordnung unter Naturschutz gestellt worden sind, gehören zu dem der EU gemeldeten FFH-Gebiet Nr. 169 "Laubwälder und Klippenbereiche im Selter, Hils und Greener Wald". Dieses Gebiet besteht aus mehreren unterschiedlichen Lebensräumen von gemeinschaftlichem Interesse gemäß Anhang I der FFH-Richtlinie. Dabei handelt es sich um den prioritären Lebensraumtyp "9180 Schlucht- und Hangmischwald (Tilio-Acerion)" und die übrigen Lebensraumtypen "8210 Kalkfelsen mit Felsspaltenvegetation", "8310 Nicht touristisch erschlossene Höhlen" und "9130 Waldmeister-Buchenwald (Asperulo-Fagetum)". Die Gebietsdaten zum FFH-Gebiet dokumentieren ferner das Vorkommen der nach Anhang II der FFH-Richtlinie geschützten Art Großes Mausohr (Myotis myotis). Nach der Bewertung in der Gebietsmeldung handelt es sich insoweit um bedeutende Vorkommen von Schlucht- und Hangmischwäldern, Kalkfelsen, Höhlen und Waldmeister-Buchenwäldern, zum Teil als Naturwald ohne forstliche Nutzung, und um potentielle Jagdgebiete von Mausohr-Populationen, die durch forstlich bedingte Nadelholzbestände und Mangel an Alt- und Totholz und kleinflächige Beeinträchtigungen durch Klettersport beeinträchtigt sind. Demzufolge ist davon auszugehen, dass das unter Schutz gestellte Gebiet im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BNatSchG schutzbedürftig ist. Es besteht im Übrigen auch kein Zweifel daran, dass das Gebiet bei Erlass der Verordnung im Sinne des damals noch geltenden § 23 Abs. 1 Nr. 1 und 3 NNatG schutzbedürftig gewesen ist.

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§ 4 Abs. 2 Nr. 4 VO ist jedoch materiell rechtswidrig und daher unwirksam, weil er mit den bei der Freistellung des Kletterns von den naturschutzrechtlichen Schutzbestimmungen zu beachtenden nationalen und europarechtlichen Vorschriften nicht im Einklang steht.

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Aus der Unterschutzstellung der "Selterklippen" als Naturschutzgebiet folgt, dass alle Handlungen verboten sind, die das Naturschutzgebiet oder einzelne seiner Bestandteile zerstören, beschädigen oder verändern (§ 3 Abs. 1 VO). Ferner darf das Gebiet außerhalb der Wege nicht betreten werden (§ 3 Abs. 2 VO, § 16 Abs. 2 Satz 1 NAGBNatSchG, zuvor § 24 Abs. 2 Satz 2 NNatG). Nur soweit der Schutzzweck es erfordert oder erlaubt, kann die Verordnung davon Abweichungen vorsehen (§ 16 Abs. 2 Satz 2 NAG-BNatSchG, zuvor § 24 Abs. 2 Satz 3 NNatG). Da das Naturschutzgebiet Teil des Europäischen Ökologischen Netzes "Natura 2000" ist und die Unterschutzstellung der Erhaltung des Gebiets als FFH-Gebiet nach der FFH-Richtlinie dient (§ 2 Abs. 3 VO), sind dabei auch die Maßgaben des § 32 BNatSchG (zuvor § 34 b NNatG) zu beachten. Nach § 32 Abs. 3 Satz 3 BNatSchG ist in der Schutzerklärung durch geeignete Gebote und Verbote sowie Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen sicherzustellen, dass den Anforderungen des Artikels 6 der Richtlinie 92/43/EWG entsprochen wird. § 34 b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NNatG enthielt bei Erlass der Verordnung eine entsprechende Vorgabe. Eine Freistellung von naturschutzrechtlich gebotenen Verboten kann daher nur dann erfolgen, wenn die Freistellungsbestimmungen in der Schutzerklärung dem Verschlechterungs- und Störungsverbot des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL Rechnung tragen. Nach dieser Bestimmung haben die Mitgliedsstaaten die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken können. Mit diesen Vorgaben steht § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO nicht im Einklang.

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Beim Klettern in den von der Verordnung festgelegten Kletterbereichen ist eine Verschlechterung der Lebensräume und Habitate der Tierarten, deren Schutz § 2 Abs. 4 Nr. 1 und 2 a) und b) VO besonders bezweckt sowie eine Störung des nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 c) VO besonders geschützten "Großen Mausohrs", die im Hinblick auf die Ziele der FFH-Richtlinie erheblich sein können, nicht nur nicht auszuschließen, sondern auch zu befürchten. Die Vorgänge beim Beklettern von Felsen führen allgemein zu Belastungen von Boden und vorhandener Vegetation. Beim Sportklettern auf den Felsen in dem hier unter Naturschutz gestellten Gebiet kommt hinzu, dass dieses nur unter Verwendung von in Felsen eingeschlagenen Haken erfolgen kann, so dass es zu Einwirkungen auf die Substanz der Felsen kommt. Gerade für den durch die Verordnung geschützten prioritären Lebensraumtyp "8210 Kalkfelsen mit Felsspaltenvegetation" stellt die Freizeitnutzung in Form von Klettern daher einen Gefährdungsfaktor dar (vgl. die Angaben des Bundesamts für Naturschutz zu diesem Lebensraumtyp, veröffentlicht im Internet unter http://www.bfn.de/0316_typ8210.html, Stand vom 15.1.2008). Auch in den Gebietsdaten zur Meldung des FFH-Gebiets "Laubwälder und Klippenbereiche im Selter, Hils und Greener Wald" ist aufgeführt, dass kleinflächige Beeinträchtigungen durch Klettersport das FFH-Gebiet gefährden. Es liegt zudem auf der Hand, dass das Klettern am "Selter" in der Winterzeit im Bereich von Quartieren des nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 c) VO besonders geschützten "Großen Mausohrs" zu erheblichen Störungen dieser Tierart führt, sofern keine für den Artenschutz erforderliche Einschränkungen des Klettern bestehen. Daher verlangt das Verschlechterungs- und Störungsverbot des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL, dass der Umfang der durch die Freistellung des Kletterns zu erwartenden Verschlechterungen und Störungen durch eine naturschutzfachliche Bestandsaufnahme und Bewertung der konkreten Bedingungen vor Ort hinreichend ermittelt wird und die zur Vermeidung von Verschlechterungen und Störungen "geeigneten Maßnahmen" ergriffen werden, wobei die dazu erforderlichen Regelungen in der Schutzerklärung selbst zu treffen sind (§ 32 Abs. 3 Satz 3 BNatSchG, zuvor § 34 b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NNatG). Hier erfolgt die Freistellung des Kletterns in den in der Verordnung dargestellten Bereichen nach Zustimmung der unteren Naturschutzbehörde zur Kennzeichnung der Felsen, jedoch ohne dass in § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO konkretisiert wird, nach welchen inhaltlichen Kriterien eine Zustimmung erteilt wird. In der Norm selbst ist nicht vorgeschrieben, dass eine Zustimmung nur in Betracht kommt, wenn sich das Klettern vor Ort als mit dem Schutzzweck der Verordnung vereinbar erweist, insbesondere nicht gegen das Verschlechterungs- und Störungsverbot verstößt. Dieses mag der Verordnungsgeber zwar der Sache nach vorausgesetzt haben, hätte jedoch in der Schutzerklärung selbst Ausdruck finden und konkretisiert werden müssen, um im Rahmen der Freistellungsregelung des § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO einen hinreichenden Schutz für das Gebiet der "Selterklippen" zu gewährleisten. Es liegt auf der Hand und bedarf daher keiner näheren Begründung, dass die Regelung in § 4 Abs. 4 VO insoweit unzureichend ist. Darüber hinaus enthält § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO selbst keine aus Gründen des Artenschutzes erforderliche Einschränkungen des Kletterns im Naturschutzgebiet, wie z.B. die Festlegung von Sperrzeiten zum Schutz der nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 c) VO besonders geschützten Tierart "Großes Mausohr". Detaillierte Regelungen zum Artenschutz sollten ausweislich der Planungen im Ausweisungsverfahren nicht in der Verordnung selbst getroffen werden, sondern in einer nach Erlass der Verordnung noch zu schließenden Vereinbarung zwischen den Kletterverbänden und den Naturschutzbehörden. Die Gebote und Verbote sowie Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen, durch die den Anforderungen des Artikels 6 der Richtlinie 92/43/EWG entsprochen wird, sind aber - wie bereits erwähnt - in der Schutzerklärung selbst festzulegen (§ 32 Abs. 3 Satz 3 BNatSchG, zuvor § 34 b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NNatG). Daher ist es nicht gesetzeskonform, für den Naturschutz wesentliche Regelungen - wie sie zur Zonierung von Kletterbereichen, zum Schutz von Bruten des Uhu und des Wanderfalken und der Fledermäuse sowie zum Schutz der Reproduktionsstätten der Wildkatze in dem Entwurf der Vereinbarung zum Klettern im Naturschutzgebiet "Selterklippen" (Bl. 191 der Beiakte H) vorgesehen sind - nicht zum Inhalt der Verordnung selbst zu machen. Die Bestimmung des § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO wird damit den Erfordernissen eines hinreichenden FFH-Gebietsschutzes nicht gerecht.

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Die zur Überprüfung gestellte Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO verstößt darüber hinaus gegen das verfassungsrechtliche Gebot hinreichender Bestimmtheit.

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Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen so genau zu fassen, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen, in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach einrichten kann. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen; allerdings müssen sich dann aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten. Die Erkennbarkeit der Rechtslage durch den Betroffenen darf hierdurch nicht wesentlich eingeschränkt sein und die Gerichte müssen in der Lage bleiben, den Regelungsinhalt mit den anerkannten Auslegungsregeln zu konkretisieren. Je intensiver dabei eine Regelung auf die Rechtsposition des Normadressaten wirkt, desto höher sind die Anforderungen, die an die Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348, 375 f., Urt. v. 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 -, BVerfGE 87, 234, 263; BVerwG, Urt. 9.6.2010 - 9 CN 1.09 -; ferner Gellermann, in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, Stand: März 2010, § 22 BNatSchG, Rn 22).

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Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO genügt diesen Anforderungen nicht. Nach Satz 1 der Vorschrift ist allgemein freigestellt das Klettern ausschließlich an den vor Ort gekennzeichneten Felsen in den in der maßgeblichen Karte dargestellten Kletterbereichen. Die Freistellung des Kletterns von den nach § 3 VO zu beachtenden Schutzbestimmungen steht nach dem ausdrücklichen Wortlaut unter dem Vorbehalt, dass Felsen vor Ort gekennzeichnet worden sind. Die Kennzeichnung ist damit wesentliche Voraussetzung für die in der Verordnung vorgesehene Freistellung des Kletterns von naturschutzrechtlichen Verboten. Zwar hat der Verordnungsgeber für die Normadressaten hinreichend bestimmt festgelegt, dass eine Befreiung nur in den durch die in der Anlage zur Verordnung dargestellten Kletterbereichen in Betracht kommt. Um die aus der Unterschutzstellung resultierenden Schutzgebote beachten zu können, ist es für die Normadressaten jedoch entscheidend von Bedeutung, an welchen Felsen bzw. Felsformationen das Klettern freigestellt ist. Denn nur wenn es möglich ist zu erkennen, ob ein Felsen auf der Grundlage der in der Verordnung getroffenen Regelungen zum Klettern freigestellt ist, können Kletterer ihr Verhalten im Naturschutzgebiet entsprechend ausrichten. § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO enthält jedoch bereits keine konkreten Festlegungen dazu, in welcher Form eine Kennzeichnung der Felsen in den durch die Verordnung festgelegten Kletterbereichen erfolgt. Er erschöpft sich vielmehr in der Regelung, dass die Kennzeichnung mit Zustimmung der unteren Naturschutzbehörde erfolgt. Es fehlt damit an einer für die Normadressaten nachvollziehbaren Beschreibung der für die Freigabe des Kletterns erforderlichen Kennzeichnung, wie es in anderen Schutzgebietsverordnungen - z.B. durch Darstellung von Schildern - der Fall ist (vgl. die Anlage 2 der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Ith" in den Flecken Coppenbrügge und Salzhemmendorf, Landkreis Hameln-Pyrmont, und in den Samtgemeinden Bodenwerder und Eschershausen, Landkreis Holzminden, vom 24.1. 2008). Die Verordnung enthält auch keinen Hinweis darauf, wie aus naturschutzrechtlichen Gründen erforderliche differenzierte Regelungen zur Freistellung des Kletterns (z.B. Klettern nur auf bestehenden Routen, Klettern auf Neurouten, etc.) kenntlich gemacht werden.

32

Hinzu kommt, dass in § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO nicht festgelegt ist, durch wen eine Kennzeichnung erfolgt. Der Regelung ist zwar mittelbar zu entnehmen, dass eine Kennzeichnung durch die Naturschutzbehörde nicht erfolgt. Denn die untere Naturschutzbehörde stimmt einer Kennzeichnung nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 VO lediglich zu, nimmt diese also selbst nicht vor bzw. veranlasst eine solche nicht. Weitere Regelungen hinsichtlich der zur Kennzeichnung Befugten enthält die Verordnung aber nicht, so dass eine Kennzeichnung u.a. durch die Gemeindebehörden, die Grundstückseigentümer, interessierte Kletterer, Kletterverbände oder sonstige Personen oder Verbände nicht ausgeschlossen ist. Demnach ist der Verordnung kein bestimmter Personenkreis zu entnehmen, durch den bzw. auf dessen Veranlassung - nach Zustimmung der zuständigen Naturschutzbehörde - eine Kennzeichnung der Felsen erfolgt. Dies wäre für die Bestimmtheit der Norm aber erforderlich, da eindeutig feststehen muss, wer zur Kennzeichnung der Felsen befugt ist. Ansonsten kann der Normadressat vor Ort nicht feststellen, ob die Kennzeichnung eines Felsens den Maßgaben des § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO entspricht und das Klettern von den Verboten des § 3 VO freigestellt ist.

33

Trotz der vorstehend angeführten Mängel des § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO ist der von den Antragstellern gestellte Normenkontrollantrag aber nicht mit dem Hauptantrag, sondern nur mit dem Hilfsantrag begründet. Dem Hauptantrag der Antragsteller, § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO für unwirksam zu erklären, soweit das Klettern ausschließlich an den vor Ort gekennzeichneten Felsen in den in der maßgeblichen Karte dargestellten Kletterbereichen unter den dort genannten Maßgaben freigestellt ist, kann nämlich mangels Teilbarkeit der Freistellungsregelung des § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO nicht entsprochen werden.

34

Mängel, die Teilen einer Vorschrift anhaften, haben nur dann die Teilnichtigkeit der Vorschrift zur Folge, wenn die übrigen Teile der Vorschrift für sich betrachtet noch eine sinnvolle Regelung darstellen und wenn nach dem im Normsetzungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen des Normgebers anzunehmen ist, dass die Vorschrift auch ohne die zu beanstandenden Teile erlassen worden wäre. Umgekehrt ist die Regelung insgesamt unwirksam, wenn die zu beanstandenden Teile der Regelung mit den übrigen Teilen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl. zu Festsetzungen in Bebauungsplänen: BVerwG, Urt. v. 19.9.2002 - 4 CN 1.02 -, BVerwGE 117, 58, 61 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 6.11.2007 - 4 BN 44.07 -; zu Bestimmungen in Wasserschutzgebietsverordnungen: Nds. OVG, Urt. v. 9.11.2000 - 3 K 5708/98 - m.w.N.). Danach ist hier von einer Gesamtnichtigkeit der Freistellungsvorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO auszugehen. Zum einen besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der Bestimmung zur Kennzeichnung der Felsen mit Zustimmung der unteren Naturschutzbehörde und den weiteren Regelungen in § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO, da die Kennzeichnung der Felsen die grundlegende Voraussetzungen für die Freistellung des Kletterns im Naturschutzgebiet "Selterklippen" ist. Zum anderen kann nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden, dass der Verordnungsgeber § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO auch ohne die hier beanstandete Bestimmung zur Kennzeichnung der Felsen erlassen hätte. Im Normsetzungsverfahren ist deutlich zum Ausdruck gekommen, dass der Verordnungsgeber das Felsklettern im Naturschutzgebiet nicht allgemein, sondern nur unter den in § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO angeführten Einschränkungen, insbesondere unter der Voraussetzung der Kennzeichnung der Felsen mit Zustimmung der unteren Naturschutzbehörde freistellen wollte, um den Belangen des Naturschutzes hinreichend Rechnung zu tragen. Daher besteht kein Grund für die Annahme, dass der Verordnungsgeber § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO ohne die Voraussetzung der Kennzeichnung der Felsen mit Zustimmung der unteren Naturschutzbehörde erlassen hätte, wenn ihm bei Erlass der Verordnung bekannt gewesen wäre, dass die diesbezügliche Regelung mit höherrangigem Recht nicht in Einklang steht. Das gilt umso mehr, als die generelle Freistellung des Kletterns nur unter den in § 4 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 VO aufgeführten Voraussetzungen dem in § 2 VO beschriebenen Schutzzweck ersichtlich zuwiderliefe und eine erhebliche Beeinträchtigung der Schutzziele zur Folge hätte.

35

Da § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO demnach nicht teilbar und daher insgesamt nichtig ist, kann dem Hauptantrag der Antragsteller, die Bestimmung nur hinsichtlich der die Freistellung des Kletterns einschränkenden Regelungen für unwirksam zu erklären, nicht entsprochen werden. Dagegen ist der Hilfsantrag der Antragsteller, § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO für unwirksam zu erklären, begründet.

36

Im Hinblick darauf, dass der Antragsgegner möglicherweise erwägen wird, die Naturschutzgebietsverordnung zu überarbeiten, merkt der Senat ergänzend an, dass die Freistellung von naturschutzrechtlichen Verboten, soweit sie materiell-rechtlich überhaupt zulässig ist, im Ermessen der Naturschutzbehörde steht. Ein Anspruch auf Zulassung einer Abweichung von diesen Verboten besteht nur dann, wenn der Schutzzweck die Abweichung erfordert oder erlaubt und das Ermessen der Naturschutzbehörde auf Null reduziert ist (Nds. OVG, Urt. v. 6.11.2002 - 8 KN 231/01 -, a.a.O.). Selbst wenn durch Festlegung differenzierter Vorgaben hinsichtlich des Kletterns die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung des Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen ausgeschlossen werden kann und insoweit der Schutzzweck der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Selterklippen" einer Zulassung des Kletterns nicht entgegensteht, ist nicht ersichtlich, dass die Naturschutzbehörde verpflichtet wäre, die "Selterklippen" bzw. Teile davon zum Klettern freizugeben. Die Antragsteller sind im Hinblick auf andere in Niedersachsen vorhandene Kletterregionen (z.B. am Ith) zur Ausübung ihres Sports auf Klettergebiete im Bereich des "Selter" nicht angewiesen. Dass die Naturschutzbehörde verpflichtet wäre, aus überwiegenden privaten oder im öffentlichen Interesse liegenden sozialen oder kulturellen Gründen potentiell schädliche Nutzungen in Form des Kletterns an den "Selterklippen" als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung zuzulassen, ist daher nicht ersichtlich.