Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.04.2024, Az.: 1 MN 161/23

Rechtmäßigkeit eines Bebauungsplans für einen Solarpark

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.04.2024
Aktenzeichen
1 MN 161/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 14347
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0430.1MN161.23.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Sollen die Flächen eines Solarparks unterhalb der Module zu einem vergleichsweise hochwertigen Biotop entwickelt werden und handelt es sich insofern um ein identitätsbestimmendes Merkmal des Vorhabens (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB), muss der Vorhaben- und Erschließungsplan die dafür erforderlichen Mindestabstände und -höhen der Module verbindlich festsetzen.

  2. 2.

    Bei der nach Nr. 18.7 der Anlage 1 zum UVPG erforderlichen Bestimmung der zulässigen Grundfläche des Städtebauprojekts im Außenbereich sind bei einem Solarpark auch die Flächen mitzurechnen, die von den einzelnen Modulen ohne Bodenkontakt lediglich überdeckt werden.

  3. 3.

    Ein Solarpark im Außenbereich, der in einer flachen, offenen Landschaft weithin sichtbar ist, bewirkt grundsätzlich eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbilds i.S.v. § 1a Abs. 3 Satz 1 BauGB, § 14 Abs. 1 BNatSchG. Diese Beeinträchtigung ist nach Maßgabe des § 1a Abs. 3 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 2 BNatSchG auszugleichen. Der notwendige Ausgleich kann insbesondere durch eine randlliche Eingrünung in ausreichender Höhe erfolgen.

  4. 4.

    Wird ein Solarpark auf Flächen errichtet, die ein - wenngleich weniger geeignetes - Brut- und Rastgebiet für vom Aussterben bedrohte Vogelarten darstellen, ist die damit verbundene Veränderung des Naturhaushalts auszugleichen oder zu ersetzen (§ 15 Abs. 2 BNatSchG). Ersatzmaßnahmen erfordern die Herstellung ähnlicher, wenngleich mit der beeinträchtigten Funktion nicht identischer Funktionen. Erforderlich ist mindestens die Herstellung oder Aufwertung eines Lebensraums für artenschutzrechtlich vergleichbar bedeutende Tierarten.

Tenor:

Der vom Rat der Antragsgegnerin am 5. Juli 2023 als Satzung beschlossene vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 10 "Solarpark Tiste" wird vorläufig bis zur Rechtskraft einer Entscheidung des Senats über einen vom Antragsteller noch zu stellenden Normenkontrollantrag, sollte ein solcher bis dahin nicht gestellt sein, bis einschließlich zum 30. September 2024, außer Vollzug gesetzt.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers jeweils zur Hälfte. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Normenkontrolleilverfahren wird auf 12.500 EUR festgesetzt.

[Gründe]

I.

Der Antragsteller, ein eingetragener Verein, der nach § 3 Abs. 1 Satz 1 UmwRG anerkannt ist, wendet sich gegen den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 10 "Solarpark Tiste" der Antragsgegnerin, auf dessen Grundlage die Beigeladene eine knapp 48 ha große Freiflächen-Photovoltaikanlage der Multimegawatt-Klasse errichten will.

Das knapp 54 ha große Plangebiet befindet sich im Außenbereich und besteht aus drei nicht miteinander verbundenen Teilbereichen. Ausgespart werden im Nordosten ein Bereich mit Stallanlagen und im Osten der Gebäudekomplex G. auf dem noch eine landwirtschaftliche Nutzung stattfindet. In West-Ost-Richtung erstreckt es sich über ca. 2,5 km, beginnend ca. 2 km östlich des Ortskerns von Tiste bis zur nordöstlichen Gemeindegrenze. Das Plangebiet umfasst in Nord-Süd-Richtung ca. 300 m, zwischen der im Norden auf einem Damm verlaufenden Bahntrasse für Güterverkehr und dem im Süden verlaufenden Verbandsgewässer Herwigskanal, an dessen Nordseite Hauptleitungstrassen für Gas (unterirdisch) geführt werden. Südlich des Herwigskanals verläuft die gleichnamige Straße, deren Nordseite - ebenso wie die Westseite des gleichnamigen, zu den Stallanlagen führenden Abzweigs - mit einer gelegentlich unterbrochenen Baumreihe bestanden ist. Im Abstand von knapp 2,5 km verläuft im Norden parallel zur Bahntrasse die Autobahn 1.

Nordöstlich schließt sich das Teilgebiet Großes Everstorfer Moor des EU-Vogelschutzgebiets V22 "Moore bei Sittensen" an (EU-Kennzahl DE2723-401, insgesamt 1.928 ha). Ein weiterer ca. 2 km südöstlich des Plangebiets nördlich der L142 gelegener Teilbereich wird von dem FFH-Gebiet Großes Moor bei Wistedt (FFH-Gebiet 037, ca. 157 ha) überlagert. Der Teilbereich Tister Bauernmoor liegt südlich der L142, ca. 750 m von dem Plangebiet entfernt. Das Plangebiet liegt im Bereich des Wiesenvogelschutzprojekts des Landkreises Rotenburg (Wümme), das sich auf den Schutz des Großen Brachvogels fokussiert. Dieses erstreckt sich über eine Fläche von insgesamt 15.690 ha, zusammengesetzt aus fünf Teilbereichen. Mit 745 ha ist der Teilbereich Kalbe, in dem das Plangebiet liegt, der kleinste. Auf den Flächen des Plangebiets findet bislang ganz überwiegend eine intensive Acker- und Grünlandbewirtschaftung statt.

Das Aufstellungsverfahren verlief wie folgt: Der Rat der Antragsgegnerin beschloss am 3. März 2021 die Aufstellung des streitgegenständlichen vorhabenbezogenen Bebauungsplans zur Errichtung eines Solarparks sowie die Beantragung einer entsprechenden Änderung des Flächennutzungsplans, der das Plangebiet als Flächen für die Landwirtschaft darstellt. Im Rahmen der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung fand am 26. Juli 2022 eine öffentliche Informationsveranstaltung statt. Die Behörden und Träger öffentlicher Belange wurden in der Zeit vom 15. Juli bis 31. August 2022 frühzeitig beteiligt (Ratsbeschluss v. 23.6.2022, Bekanntmachung v. 6.7.2022). Die eingegangenen Stellungnahmen wog der Rat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung am 29. März 2023 ab und beschloss die öffentliche Auslegung des Planentwurfs in der Zeit vom 11. April bis 12. Mai 2023 (Bekanntmachung v. 30.3.2023). Der ausgelegte Begründungsentwurf datiert auf den 24. März 2023. Anlagen hierzu bildeten die Biotoptypenkartierung (Stand 23.3.2023), der Vorhaben- und Erschließungsplan (Stand 16.3.2023), die Artenschutzrechtliche Begutachtung zum Solarpark Tiste (Stand Oktober 2022) sowie die Natura2000-Verträglichkeitsprüfung (Stand 24.3.2023). Auf Beanstandung hin wurde die Datengrundlage durch Erhebungen von Herbst 2022 bis Frühjahr 2023 in einem Umkreis von 500 m um das Plangebiet herum ergänzt (Natura2000-Verträglichkeitsprüfung S. 18). Dies führte zu Anpassungen in der Begründung, dem Vorhaben- und Erschließungsplan, der Artenschutzrechtlichen Begutachtung sowie der Natura2000-Verträglichkeitsprüfung, ohne dass sich die bisherigen Ergebnisse bzw. Bewertungen änderten. Eine erneute Auslegung der geänderten Unterlagen erfolgte nicht. Der Satzungsbeschluss durch den Rat der Antragsgegnerin erfolgte am 5. Juli 2023. Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der Landkreises Rotenburg (Wümme) vom 30. September 2023 trat der Bebauungsplan in Kraft.

Parallel zur Planung änderte die Samtgemeinde Sittensen ihren Flächennutzungsplan. Im Rahmen dieses Verfahrens führte sie im Hinblick auf das ausdrücklich formulierte Planungsziel, den Bau einer Freiflächenphotovoltaikanlage der Multimegawatt-Klasse (> 50 MW), anhand von sog. Restriktions- und Gunstfaktoren eine Alternativenprüfung auf ihrem Gebiet durch. Die am 29. Juni 2023 beschlossene und nach Genehmigung durch den Landkreis am 30. September 2023 bekannt gemachte 61. Änderung weist die Teilbereiche des streitgegenständlichen Bebauungsplans im Wesentlichen als Sonderbauflächen "Photovoltaik" aus.

Der Bebauungsplan ermöglicht auf insgesamt knapp 47,5 ha - verteilt auf fünf sonstige Sondergebiete "Freiflächenphotovoltaik" - die Errichtung einer Photovoltaik-Freiflächenanlage und ergänzender, dem Betrieb der Anlage dienender Nutzungen, zu denen sich der Vorhabenträger im Durchführungsvertrag verpflichtet hat (TF 1.1 und 1.3). Im SO 1 sind darüber hinaus auch Anlagen für die Erzeugung und Verwertung von Speichergasen (z.B. Wasserstoff) sowie zur Zwischenspeicherung von regenerativ erzeugter elektrischer Energie (z.B. Batteriespeicher) zulässig (TF 1.2). Die maximal zulässige Höhe baulicher Anlagen wird auf 38 m ü. NHN (SO 2-5) bzw. 39 m ü. NHN (SO 1) begrenzt (TF 2.1 und 2.2). Für jedes Sondergebiet bestimmt der Plan eine maximal zulässige Grundfläche baulicher Anlagen - insgesamt 10.000 m2 - (TF 2.3), die durch "bauliche Anlagen oberhalb der Geländeoberfläche in Form von in den Luftraum hineinragenden Bauteilen, welche mit keiner Bodenversiegelung verbunden sind", bis zu einer Grundflächenzahl von maximal 0,6 überschritten werden darf (TF 2.4). In der abweichenden Bauweise sind bauliche Anlagen mit einer Länge über 50 m zulässig (TF 3.). Drei bereits vorhandene in Nord-Süd-Richtung verlaufende Wegeverbindungen sind als Straßenverkehrsflächen festgesetzt. An die westlichste von diesen wird eine im Nordwesten angrenzende kleine Waldfläche im Wege der Festsetzung dauerhaft gesichert. Westlich hieran schließt sich eine von insgesamt vier Flächen für Ausgleichsmaßnahmen an (I, II - jeweils unterteilt in zwei Bereiche) an. Hier und in dem weiter östlich liegenden zweiten Teil der Maßnahmefläche II (Teilbereich 1) sollen die durch die Planung zerstörten gesetzlich geschützten Biotope artgleich wiederhergestellt werden (vgl. TF 4.2 und 4.3; s. auch Umweltbericht 10.2.6). Ein 15 m breiter Streifen, der sich südlich an das SO 2 anschließt, ist der westliche Teil der Maßnahmefläche I, auf der extensives Grünland zu entwickeln ist (TF 4.1). Die das Plangebiet im Westen abschließende Baumreihe (fünf Einzelbäume) ist zu erhalten und nach Süden hin durch Pflanzung von drei weiteren Bäumen zu ergänzen (u.a. Kompensation für eine zu entfernende Eiche im SO 2, Begr. S. 22). Entlang der nördlichen und östlichen Grenze des SO 4 (Teilbereich 2) werden durch grünordnerische Festsetzungen auf einer Breite von 10 m (Norden) bzw. 7 m (Osten) u.a. vorhandene Gehölzbestände gesichert. Entlang der südlichen Grenze des SO 4 ist eine einreihige Schnitthecke (3 Sträucher/m, Schnitthöhe mind. 2 m) anzulegen und zu erhalten (vgl. TF 5.2).

Laut Planurkunde ist der zum Plan gehörende Vorhaben- und Erschließungsplan Bestandteil der Satzung. Dieser skizziert das Vorhaben "beispielhaft". Die Ausnutzung des Plangebiets insgesamt ist grafisch, ergänzt durch textliche Beschreibungen sowie Detailansichten, dargestellt. Das beispielhaft dargestellte Modul hat eine Höhe von 0,726 m bis 2,736 m und eine Tiefe von knapp 4,1 m. Der Reihenabstand wird mit ca. 3 m angegeben.

Nach Einwendungen im Aufstellungsverfahren hat der Antragsteller am 22. Dezember 2023 einen Normenkontrolleilantrag gestellt. Zur Begründung führt er aus: Der Plan leide an diversen formellen Fehlern und sei auch materiell fehlerhaft. Es sei zweifelhaft, ob der Vorhaben- und Erschließungsplan das Vorhaben hinreichend konkretisiere. Viele Angaben erfolgten "indikativ", "beispielhaft" oder "ca.". Insbesondere sei kein Mindestabstand zwischen Boden und Unterkante der Module vorgegeben. Es fehle an einer Prognoseentscheidung des Rates zur Leistungsfähigkeit der Beigeladenen als Vorhabenträgerin. Diese werde nicht durch die - möglicherweise gegebene - tatsächliche Leistungsfähigkeit ersetzt. Der Plan sei nicht erforderlich, weil ihm unüberwindbare artenschutzrechtliche Hindernisse entgegenstünden. Die durchgeführte Natura2000-Verträglichkeitsprüfung genüge nicht den Anforderungen des § 34 BNatSchG. Aus dieser gehe nicht eindeutig hervor, dass die maßgeblichen Schutzgüter (Brut- und Rastvögel) durch das Vorhaben nicht erheblich beeinträchtigt würden. Der Plan begegne rechtlichen Bedenken im Hinblick auf verschiedene textliche Festsetzungen und verstoße sowohl gegen Ziele des Landesraumordnungsprogramms als auch des Regionalen Raumordnungsprogramms für den Landkreis Rotenburg (Wümme). Das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB sei nicht beachtet worden, da die 61. Änderung des FNP rechtswidrig sei. Der Plan leide auch an Abwägungsfehlern. Diese fußten u.a. in der Fehlerhaftigkeit der Natura2000-Verträglichkeitsprüfung, die auf die Abwägung durchschlüge. Ferner sei der Ausgleich der Eingriffe in Natur und Landschaft nicht ordnungsgemäß erfolgt; insbesondere die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes sei fehlerhaft behandelt worden.

Der Antragsteller beantragt,

den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 10 "Solarpark Tiste" der Antragsgegnerin, bekanntgemacht im Amtsblatt für den Landkreis Rotenburg (Wümme) Nr. 18 vom 30. September 2023, vorläufig - bis zur Entscheidung über einen noch zu stellenden Normenkontrollantrag des Antragstellers, wird ein solcher bis zum 30. September 2024 nicht gestellt, bis zum Ablauf dieser Frist - außer Vollzug zu setzen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

den Antrag abzulehnen.

Sie verteidigen den Plan und treten den Einwänden in der Sache entgegen.

II.

Der zulässige Antrag hat Erfolg.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind regelmäßig zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans oder der Veränderungssperre bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. Senatsbeschl. v. 28.2.2020 - 1 MN 153/19 -, BauR 2020, 978 = juris Leitsätze 1 und 2 sowie Rn. 15 unter Anschluss an die stRspr des 4. Senats des BVerwG, Beschl. v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 -, ZfBR 2015, 381 = BauR 2015, 968 = juris Rn. 12; v. 16.9.2015 - 4 VR 2.15 -, BRS 83 Nr. 58 = juris Rn. 4; v. 30.4.2019 - 4 VR 3.19 -, BauR 2019, 1442 = juris Rn. 4).

Die Erfolgsaussichten eines - vom Antragsteller noch zu stellenden - Normenkontrollantrags sind hoch. Der streitgegenständliche Bebauungsplan leidet nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung unter beachtlichen Fehlern, die zu seiner Unwirksamkeit führen. Die hohen Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags rechtfertigen die Außervollzugsetzung des Plans, da ein öffentliches Interesse am weiteren Vollzug eines offenkundig unwirksamen Plans nicht besteht, während der Antragsteller ein gewichtiges Interesse an dem jedenfalls vorläufigen Erhalt der Brut- und Rastflächen geltend machen kann.

1.

Der Vorhaben- und Erschließungsplan (VEP) ist nicht hinreichend bestimmt. Im VEP, der Gegenstand des Durchführungsvertrags ist, wird nicht allgemein irgendeine Bebauung des Plangebiets, sondern die Errichtung eines oder mehrerer konkreter Vorhaben im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB geregelt (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Zu konkretisieren ist nicht nur die Art der baulichen Nutzung, wobei das festgelegte Vorhaben von vornherein eine gewisse Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten umfasst, sondern, ebenfalls mit (begrenzten) Spielräumen, auch das Maß der baulichen Nutzung. Dabei genügt es jedenfalls nicht stets, nur Höchstmaße festzusetzen. Auch eine Unterschreitung von festgesetzten Maßfaktoren ist in den Blick zu nehmen. Ist sie in einem Umfang möglich, der die Identität des vereinbarten Vorhabens in Frage stellt und die durch den Vorhabenbegriff begrenzte Variationsbreite verlässt, bedarf es daher zusätzlich der Festsetzung von Mindestmaßen, denn es gilt zu vermeiden, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan ein anderes Vorhaben zulässt, als es im Durchführungsvertrag in Verbindung mit dem VEP vereinbart worden ist (BVerwG, Beschl. v. 5.3.2019 - 4 BN 18.18 -, ZfBR 2019, 480 = BRS 87, Nr. 11 = juris Rn. 9 m.w.N.).

Diesen Vorgaben genügt der VEP nicht, da er so unbestimmt ist, dass auch ein vom Durchführungsvertrag abweichendes Vorhaben entstehen kann. In diesem verpflichtet sich die Beigeladene eine Freiflächen-Photovoltaikanlage (PVA) einschließlich der erforderlichen Nebenanlagen zu errichten. Die hierdurch entstehenden, im Rahmen des Aufstellungsverfahrens ermittelten Beeinträchtigungen der Schutzgüter Fläche, Pflanzen und Tiere sowie Boden sind durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen entsprechend der Eingriffs- und Ausgleichsbilanz im Plangebiet zu kompensieren (§ 4 Abs. 1 DV). Hierfür ist neben den Maßnahmenflächen I und II (s. TF 4) vorgesehen, dass im Sondergebiet SO 2 die gesamte nichtversiegelte Fläche zu dem Biotoptyp Sonstiges feuchtes Extensivgrünland (GEF; vgl. 10.2.6 Interne Kompensationsmaßnahme 6, Planbegr. S. 65) auf einem - laut Begründung - naturnahen Boden entwickelt und damit die bisher vorhandene Ackerfläche aufgewertet wird. Dies wird auch an anderer Stelle vorausgesetzt (vgl. Natura2000-Verträglichkeitsprüfung, S. 21 5.1 am Ende, S. 22 5.1.2 am Ende). In der Gesamtschau lässt sich das Vorhaben als "grüner Solarpark" charakterisieren, der die Nutzung solarer Strahlungsenergie mit einer ökologisch vergleichsweise hochwertigen Bodennutzung unterhalb der Photovoltaikmodule verbindet; diese Verbindung ist für das Vorhaben identitätsprägend.

Der VEP stellt jedoch nicht hinreichend sicher, dass nur ein derartiges Vorhaben auch entsteht. In ihm werden eindeutig lediglich die maximale Höhe der Modultische ("4 m über gewachsenem Grund"), deren Unterkonstruktion ("Ramm- oder Schraubfundamente"), die Südausrichtung der Module und das Verbot von Nachführanlagen oder sog. Ost-West-Anlagen festgeschrieben. Hinsichtlich sämtlicher weiterer Parameter, wie der Ausführung der Modultische, die in einer Skizze dargestellt wird, des Abstands der Modulreihen und der Anordnung der Modultische, eröffnet der VEP durch die Verwendung von Zusätzen wie "beispielhaft", "indikativ", "oder vergleichbar" sowie "ca." Spielräume. Diese sollen offenbar - wie etwa die Differenz zwischen der in der Skizze abgebildeten Höhe von 2,736 m und der textlich angegebenen Maximalhöhe von 4 m zeigt - zumindest teilweise den Bagatellbereich deutlich überschreiten. Bei einem Projekt wie dem vorliegenden sind "weiche" Vorgaben in einem gewissen Umfang unvermeidlich, da auf diese Weise der Vorhabenträger nicht von vornherein auf ein bestimmtes Modulmodell eines bestimmten Herstellers festgelegt wird, was etwaigen Änderungen des Angebots im Laufe der Planungsphase sowie etwaigen technischen Weiterentwicklungen Rechnung trägt. Die daraus folgenden Spielräume sind unschädlich, solange die maßgeblichen städtebaulichen Parameter des Vorhabens unberührt bleiben. Die Grenze des Zulässigen ist allerdings dann überschritten, wenn der VEP ermöglicht, dass ein aliud zu dem in Aussicht genommenen Vorhaben entstehen kann. So liegt es hier.

Unter den Modultischen soll der Biotoptyp "Sonstiges feuchtes Extensivgrünland" entstehen. Dies stellt bestimmte Anforderungen an Belichtung, Befeuchtung sowie die Pflege der Fläche. Hierzu macht die Arbeitshilfe "Hinweise für einen naturverträglichen Ausbau von Freiflächen-Photovoltaikanlagen" (Herausgeber NLT, MU und NLWKN, Stand 11.10.2023) auf der Grundlage bereits zuvor, mithin auch bei Planaufstellung vorhandener Erkenntnisse bestimmte Vorgaben. Danach ist dieser Biotoptyp mit Blick auf die erforderliche Belichtung und Befeuchtung "erreichbar", wenn der Mindestabstand der Modulunterkante zum Boden 0,8 m, die maximal überspannte Tiefe der Modultische nicht mehr als 5 m und der Abstand zwischen den Modultischen (mindestens) 3,5 m, besser 5 m, betragen (Arbeitshilfe S. 17). Die Arbeitshilfe stellt zwar keine verbindliche Regelung dar, die von Antragsgegnerin zwingend zentimetergenau zu befolgen wäre. Es handelt sich jedoch um zusammengeführten naturwissenschaftlichen Sachverstand, der den aktuellen Stand der Erkenntnis widerspiegelt. Lässt die Antragsgegnerin jedoch relevante Abweichungen von den Vorgaben der Arbeitshilfe zu, muss sie sich unter Zuhilfenahme naturwissenschaftlichen Sachverstands vergewissern, dass ihr Planungsziel, ein "grüner Solarpark", dennoch erreicht wird; andernfalls droht das Entstehen eines "aliud" im obigen Sinne.

Eine eigenständige, wissenschaftlich fundierte Begründung oder Herleitung, welche Abstände die Solarmodule zum Boden und die Modulreihen zueinander mindestens aufweisen müssen, um das Entstehen von Sonstigem feuchtem Extensivgrünland zu gewährleisten, ist in den Planaufstellungsvorgängen nicht dokumentiert. Demzufolge ist das Entstehen des vereinbarten "grünen Solarparks" nur dann gewährleistet, wenn den im Sinne einer Erkenntnisquelle heranzuziehenden Vorgaben der Arbeitshilfe im Wesentlichen genügt wird. Das gewährleistet der VEP nicht.

Einen Mindestabstand zum Boden setzt der VEP nicht fest. In der skizzierten Ansicht beträgt der Abstand zum Boden 0,726 m, liegt mithin bereits 10 % unter der Vorgabe der Arbeitshilfe. Das mag noch im Rahmen hinzunehmender Toleranzen liegen. Da der VEP aber auch eine "vergleichbare" Ausführung zulässt, sind Abweichungen nach oben, aber auch nach unten denkbar. Verringert sich der Abstand indes noch weiter, ist die prognostizierte Entwicklung der unter den Modulen befindlichen Fläche zu Sonstigem feuchten Extensivgrünland nicht mehr gewährleistet.

Vergleichbares gilt für den Abstand zwischen den Modulreihen, den der VEP auf "ca. 3 m" festlegt; dieser Zahlenwert liegt bereits mehr als 10 % unter der Mindestvorgabe der Arbeitshilfe. Ob das mit Blick auf das Planungsziel ausreichend ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung. Jedenfalls lässt der VEP angesichts der Voranstellung des Wortes "ca." noch eine weitere Verringerung des Abstands zu. Selbst wenn der durch das Wort "ca." eingeräumte Spielraum seinerseits begrenzt sein dürfte, ist damit endgültig nicht mehr sichergestellt, dass sich die Fläche unterhalb der Modultische wie gewünscht entwickeln wird.

Der Mangel ist auch im Rahmen der Prüfung des Normenkontrolleilantrags des Antragstellers berücksichtigungsfähig. Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwRG sind Rechtsbehelfe nach Abs.1 begründet, soweit die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind, und der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert. Ein solcher Fall einer Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG liegt mit dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan vor.

Bei diesem handelt es sich um eine Zulassungsentscheidung nach § 2 Abs. 6 Nr. 3 UVPG i.V.m. Nr. 18.7.1 der Anlage 1 zum UVPG, weil er die Zulässigkeit eines Städtebauprojekts im Außenbereich mit einer zulässigen Grundfläche von mehr als 100.000 m2 begründet. Maßgeblich ist insofern nicht bloß die Grundfläche von 10.000 m2, die die Fundamente in Anspruch nehmen dürfen, sondern die gesamte Fläche, die von Photovoltaikanlagen überdeckt werden darf, hier also 0,6 x 475.000 m2, zzgl. der Verkehrsflächen. Dies folgt daraus, dass Nr. 18.7 der Anlage 1 zum UVPG auf § 19 Abs. 2 BauNVO Bezug nimmt. Danach handelt es sich bei der zulässigen Grundfläche um den ausgehend von der Grundflächenzahl zu errechnenden Anteil des Baugrundstücks, der von baulichen Anlagen überdeckt werden darf. Der Begriff der Überdeckung setzt schon dem Wortsinn nach nicht voraus, dass alle in Betracht kommenden Teile der baulichen Anlage eine unmittelbare Verbindung mit Grund und Boden haben müssen. Auch in den Luftraum hineinragende Teile können die Grundstücksfläche im Sinne von § 19 Abs. 2 BauNVO überdecken. Dabei muss es sich aber um "wesentliche" Teile handeln (BVerwG, Urt. v. 21.10.2004 - 4 C 3.04 -, BRS 67 Nr. 82 = NVwZ 2005, 208 = juris Rn. 32). Vor diesem Hintergrund sind die von Photovoltaikanlagen überdeckten Flächen ungeachtet der - mit Blick auf das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage möglicherweise ihrerseits rechtlichen Bedenken begegnenden Regelungstechnik - bei der Bestimmung der überdeckten Grundfläche mitzurechnen.

Der Prüfungsumfang wird auch nicht dadurch beschränkt, dass der Verstoß Belange berühren muss, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert. Der Erfolg der Verbandsklage hängt allein davon ab, ob die vom Rechtsverstoß betroffene, d.h. rechtswidrige, Entscheidung vom satzungsmäßigen Aufgabenbereich des Verbands (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG) erfasst wird. Das ist hier der Fall. Ein spezifischer und unmittelbarer Bezug des jeweiligen Rechtsverstoßes zu Umweltbelangen ist nicht gefordert (BVerwG, Urt. v. 30.3.2017 - 7 C 17.15 -, NVwZ-RR 2017, 685 = ZfB 2017, 107 = juris Rn. 26 f.; Senatsurt. v. 11.12.2018 - 1 KN 185/16 -, BauR 2019, 613 = BRS 86 Nr. 12 = juris Rn. 29 f.).

2.

Die Planung leidet zudem an beachtlichen Abwägungsfehlern.

Das in § 1 Abs. 7 BauGB verankerte Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt wird oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301 = juris Rn. 29). Zur Unwirksamkeit des Plans führen Mängel im Abwägungsvorgang nur, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB).

Gemessen daran hat die Antragsgegnerin die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes nicht fehlerfrei abgewogen. Gemäß § 1a Abs. 3 Satz 1 BauGB sind die Vermeidung und der Ausgleich voraussichtlich erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts in seinen in § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchstabe a BauGB bezeichneten Bestandteilen (Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz) in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigen. Im Hinblick auf das Landschaftsbild ist die Antragsgegnerin zu Unrecht davon ausgegangen, dass der durch das Vorhaben bewirkte Eingriff nicht ausgleichsbedürftig sei (hierzu unter a)). Bei dem Ausgleich der Beeinträchtigung des Schutzguts Boden hat sie die Funktion des bisherigen Plangebiets als Brutgebiet für Offenbrüter unzureichend berücksichtigt (hierzu unter b)). Diese Fehler haben sich auch auf das Abwägungsergebnis ausgewirkt (hierzu unter c)).

a)

Die Antragsgegnerin hat sich im Umweltbericht mit dem Schutzgut Landschaftsbild auseinandergesetzt. Den Ausgangspunkt bildet der Landschaftsrahmenplan für den Landkreis Rotenburg (Wümme) (LRP aus dem Jahr 2003, fortgeschrieben im Jahr 2015). Danach befinden sich das Plangebiet und seine angrenzenden Bereiche innerhalb einer Landschaftsbildeinheit mittlerer Bedeutung. Der Landschaftsraum sei durch Grünland, sowohl struktur- und gehölzreich, als auch strukturarm, dominiert (Planbegr. S. 30). Unter Berücksichtigung der wertbestimmenden Faktoren Natürlichkeit, Vielfalt, historische Kontinuität sowie Freiheit von Beeinträchtigungen stellt die Antragsgegnerin fest, dass der weitaus größte Teil des Plangebiets landwirtschaftlich genutzt werde. Infolge der damit einhergehenden Störungen könnten sich keine naturnahen Populationen wildlebender Tiere dauerhaft etablieren und der Auswuchs von Sukzessionsvegetation werde aktiv unterbunden. Die Landschaftsbildeinheit wirke harmonisch, ohne abrupte und untypische Kontraste in Farbe und Form, und füge sich gut in die großräumige Kulturlandschaft ein. Innerhalb des Plangebiets seien weder überdimensionierte Gebäude oder Bauwerke noch überirdische Stromleitungen vorhanden. Zusammenfassend komme dem Schutzgut Landschaftsbild eine allgemeine Bedeutung (= Wertstufe 2) zu (vgl. Planbegr. S. 41 f.).

Dies führt nach der von der Antragsgegnerin im Abschnitt zu den rechtlichen Grundlagen der Eingriffsbilanz formulierten "Regel" dazu, dass das Schutzgut Landschaftsbild erheblichen Beeinträchtigungen i.S.d. Eingriffsregelung des § 14 BNatSchG nicht zugänglich sei; dies sei erst ab der Wertstufe 3 (= besondere Bedeutung) möglich (vgl. Planbegr. S. 57). Es bleibt unklar, woraus sich diese - aus Sicht des Senats unzutreffende - Regel ergeben soll. In § 14 Abs. 1 BNatSchG findet sie keine Stütze. Danach sind Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Das Merkmal "erheblich" verweist auf die Intensität der Einwirkung auf die maßgeblichen Schutzgüter. Das Landschaftsbild erfährt eine erhebliche Beeinträchtigung, wenn es sich bei großflächiger Betrachtungsweise infolge einer Gestalt- oder Nutzungsänderung vom Standpunkt eines "aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters" aus als gestört darstellt (Gellermann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, 102. EL September 2023, BNatSchG § 14 Rn. 18). Dass diese Schwelle bei einem anhand der oben benannten Kriterien als besonders hochwertig eingestuften Landschaftsbild möglicherweise leichter zu überschreiten ist als bei einem geringerwertigen Landschaftsbild, mag sein. Dies rechtfertigt jedoch nicht die von Antragsgegnerin in ihrer Eingriffsbilanz zugrunde gelegte "Regel", nach der die beiden unteren Wertstufen in der für das Schutzgut Landschaftsbild entwickelten dreistufigen Skala jegliche Beeinträchtigungen im Rahmen der Bauleitplanung kompensationslos hinzunehmen hätten. Denn auch ein solches Landschaftsbild ist weiterhin ernsthaften Störungen zugänglich.

Abgesehen davon, dass nicht auszuschließen ist, dass sich die Antragsgegnerin von der in der genannten "Regel" zum Ausdruck kommende Fehlvorstellung bereits bei der Bewertung der Auswirkungen der Errichtung des Solarparks hat leiten lassen, indem sie trotz der eingangs festgestellten "Eingriffe" in den SO 1-5 am Ende einen Wertigkeitsverlust verneint (Planbegr. S. 52 f.), sind ihre Ausführungen zu den Auswirkungen des Solarparks auf das Landschaftsbild auch im Übrigen nicht vertretbar. Neben der für sie bereits vorhandenen deutlichen anthropogenen Prägung stellt sie u.a. darauf ab, dass "die bisherige Landschaftsbildeinheit [strukturreiches bzw. strukturarmes Grünland, s.o.] durch die Nutzung als Grünland unterhalb der Photovoltaikmodule bestehen bleibe" und lediglich um diese ergänzt würde. Dies ist vor dem Hintergrund, dass sich der visuelle Eindruck der knapp 54 ha großen Fläche insgesamt erheblich verändert, auch unter Zugrundelegung des der Antragsgegnerin zuzubilligenden Bewertungsspielraums rechtsfehlerhaft. Die in ihren maximalen Ausdehnungen etwa 2,5 x 0,3 km messende Fläche, die in der flachen, offenen Landschaft grundsätzlich weithin sichtbar ist, wird zukünftig von bis zu 4 m hoch aufragenden Solarmodulen geprägt und damit technisch überformt. Optisch verliert die Flächen ihren bisherigen Charakter als Grün- bzw. Ackerland vollständig. Darin liegt eine gravierende Störung des Landschaftsbildes, die die Erheblichkeitsschwelle des § 14 Abs. 1 BNatSchG bei Weitem überschreitet.

Die Erheblichkeit der Veränderung des Landschaftsbildes kann auch nicht mit dem Argument verneint werden, diese füge sich aufgrund begrenzender Festsetzungen und vorhandener Sichthindernisse harmonisch in das Landschaftsbild ein. Hierfür ist die von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang herangezogene Festsetzung zur maximalen Höhe baulicher Anlagen allein nicht ausreichend. Auch unter Berücksichtigung der Erwägungen auf Ebene des Flächennutzungsplans im Rahmen der Standortbewertung ist die harmonische Einbindung der PVA nicht gesichert. Dort wird das Plangebiet als "natürlich eingebettet" zwischen aufgeschüttetem Bahndamm (ohne Höhenangabe) im Norden und einer Baumreihe im Süden beschrieben, sodass mit einer optischen Fernwirkung der Solaranlagen nicht zu rechnen sei (Begr. zur 61. Änd. des FNP S. 25). Abgesehen davon, dass Höhenangaben zu dem Bahndamm im Norden fehlen und vor diesem Hintergrund offen ist, ob bis zu 4 m hohe Solarmodule den Damm überragen, ist der Bestand der Baumreihe südlich des Herwigskanals, die kein gesetzlich geschütztes Biotop ist (vgl. Planbegr. S. 35), durch den Plan nicht gesichert. Ob die in der Abwägung erfolgte Aussage der Antragsgegnerin, die Bäume unterlägen als Bestandteil der Straßenflurstücke unmittelbar ihrem Zugriff und ihre Beseitigung sei weder vorgesehen noch würde sie ersatzlos zugelassen (Abwägungstabelle S. 11), zur Sicherung des Bestands der Baumreihe ausreicht, kann offenbleiben, da die Baumreihe allein die Einbindung der PVA in den Landschaftsraum nicht hinreichend sicherstellt. Zum einen weist sie ausweislich der bei google maps zu findenden Luftbilder im Nordosten etliche Lücken auf, zum anderen ist eine Baumreihe aus hochstämmigen Laubbäumen (vorwiegend Schwarz-Erlen und Weiden) ohne Unterwuchs nicht geeignet, die sich in ihrer Großflächigkeit und Ausgestaltung deutlich von der natürlichen Landschaft abhebende PVA ganzjährig zu verdecken.

b)

Zu beanstanden ist die Abwägung auch hinsichtlich des Ausgleichs der Lebensraumfunktion des Plangebiets für die Avifauna. Insofern hat die Antragsgegnerin keinen Kompensationsbedarf erkannt, weil sie aufgrund der Entwicklung des Biotoptyps Sonstiges feuchtes Extensivgrünland auf den unversiegelten Flächen von keiner Verschlechterung ausgegangen ist. Das trifft nicht zu. Die Grünland- und Ackerflächen des Plangebiets nutzen bislang verschiedene gefährdete Brutvogelarten des Offenlandes wie beispielsweise die Feldlerche und der Wiesenpieper (s. Artenschutzrechtliche Begutachtung S. 27 Abb. 11 für die Brutperiode 2023), aber auch der vom Aussterben bedrohte Große Brachvogel (s. Artenschutzrechtliche Begutachtung S. 31 Abb. 12 für die Brutperiode 2022) als Bruthabitat. Zudem hat das Gebiet eine - wenn auch untergeordnete - Bedeutung als Ruhe- und Nahrungsraum für Gastvögel (vgl. Artenschutzrechtliche Begutachtung S. 20) sowie als Nahrungshabitat für Schwarzstorch und Rotmilan (Artenschutzrechtliche Begutachtung S. 37). Dass diese Funktionen durch die Umsetzung der Planung beeinträchtigt werden, erkennt auch die Antragsgegnerin (Artenschutzrechtliche Begutachtung S. 50 Nr. 7.2.3). Offenbrüter und gegenüber Vertikalstrukturen empfindliche Rastvögel werden die großflächig verstellten Flächen zukünftig aller Voraussicht nach ganz meiden; Greifvögel werden die Fläche ganz überwiegend nicht mehr zur Jagd nutzen können. Auch im Übrigen wird die Fläche für die Avifauna allenfalls noch einen geringen Nutzen entfalten.

Nach § 1a Abs. 3 Satz 2 und 4 BauGB erfolgt der demnach erforderliche Ausgleich durch geeignete Darstellungen und Festsetzungen nach den §§ 5 und 9 BauGB als Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich, durch vertragliche Vereinbarungen nach § 11 BauGB oder sonstige geeignete Maßnahmen zum Ausgleich auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen. Welche Anforderungen der Ausgleich erfüllen muss, ist durch einen Rückgriff auf die Vorschriften des BNatSchG zu ermitteln. Danach sind unvermeidbare Beeinträchtigungen auszugleichen oder zu ersetzen (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG). Während der Ausgleich eine gleichartige Wiederherstellung der beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts erfordert (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG), lässt § 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG für den Ersatz die gleichwertige Herstellung der beeinträchtigen Funktionen des Naturhaushalts in dem betroffenen Naturraum genügen. Ersatzmaßnahmen zeichnen sich durch eine Lockerung des Zusammenhangs mit dem Eingriff sowohl in funktionaler ("gleichwertig" statt "gleichartig") als auch in räumlicher ("betroffener Naturraum" statt unmittelbar räumlicher Bezug zum Eingriffsort) Hinsicht aus. Diese Lockerung bedeutet aber nicht, dass jede Maßnahme als Ersatz anerkannt werden kann, die sich in irgendeiner Weise auf die Belange des Naturschutzes positiv auswirkt (vgl. Gellermann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, 102. EL September 2023, BNatSchG § 15 Rn. 24). Vielmehr erfordern Ersatzmaßnahmen die Herstellung ähnlicher, wenngleich mit der beeinträchtigen nicht identischer Funktionen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.1.2004 - 4 A 11.02 -, BVerwGE 120, 1 = BRS 67 Nr. 214 = juris Rn. 67). Dem werden die Erwägungen der Antragsgegnerin nicht gerecht.

Soweit in der Natura2000-Verträglichkeitsprüfung die Erwartung formuliert wird, störungstoleranten Offenbrütern werde das unter den Photovoltaikmodulen zu entwickelnde Extensivgrünland voraussichtlich ein geeignetes Habitat bieten (S. 21 Nr. 5.1 am Ende), erscheint dies vor dem Hintergrund, dass es hierzu keine (geeigneten) Untersuchungen gibt und die Mutmaßung allenfalls für die Randbereiche sowie auch nur in ihrer Funktion als Nahrungshabitat gelten dürfte (Artenschutzrechtliche Begutachtung, S. 50 Nr. 7.2.4), mindestens gewagt; als Grundlage einer gerechten Abwägung kann diese bestenfalls vage Hoffnung nicht dienen. Auch hinsichtlich der künftigen Eignung des Plangebiets als Nahrungshabitat für störungstolerante Vogelarten bleibt es bei nicht fundierten Prognosen (Natura2000-Verträglichkeitsprüfung S. 22 Nr. 5.1.2). Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Bedeutungsverlust der Fläche für die Avifauna, jedenfalls der Verlust von Bruthabitaten störungsempfindlicher Offenbrüter sowie eines Nahrungshabitats für störungsempfindliche Rastvögel, durch die bloße Entwicklung von Extensivgrünland unterhalb der Modultische nicht gleichwertig ausgeglichen wird. Hierfür wäre mindestens die Herstellung eines Lebensraums für artenschutzrechtlich vergleichbar bedeutende Tierarten erforderlich.

c)

Die vorgenannten Mängel sind offensichtlich, weil sie sich aus den Planaufstellungsvorgängen ergeben. Sie waren auf das Abwägungsergebnis von Einfluss, weil nicht auszuschließen ist, dass die Antragsgegnerin bei sachgerechter Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials den Plan geändert hätte (§ 214 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB).

3.

Im Hinblick auf die weiteren Rügen des Antragstellers kann der Senat offenlassen, ob der Plan auch deshalb unwirksam ist, weil die Antragsgegnerin - wie von § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB gefordert - sich nicht vergewissert hätte, dass die Beigeladene, bei der es sich laut Antragsgegnerin nicht um den künftigen Bauherrn und Betreiber handelt, zur Durchführung des Vorhabens in der Lage ist (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 6.3.2018 - 4 BN 13.17 -, BauR 2018, 376 = ZfBR 2018, 1086 = juris Rn. 22). Eine entsprechende Prognoseentscheidung ist in den Planaufstellungsvorgängen, die dem Senat vorgelegt worden sind, jedenfalls nicht dokumentiert.

Ebenfalls nicht abschließend zu entscheiden braucht der Senat, ob die Natura2000-Verträglichkeitsprüfung, die sich allenfalls sehr knapp zu den Auswirkungen der neu entstehenden Vertikalstrukturen, die im Nordosten unmittelbar an das Vogelschutzgebiet angrenzen, sowie zur Bedeutung des Plangebiets für die wertbestimmenden Arten äußert, noch den gesetzlichen Vorgaben genügt. Festzuhalten ist, dass § 1a Abs. 4 BauGB i.V.m. § 34 Abs. 1 und 2 BNatSchG eine lückenlose Prüfung gebietet, die vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthalten muss (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.4.2021 - 4 BN 48.20 -, ZfBR 2021, 669 = juris Rn. 7 m.w.N.); gemessen daran ist die von dem Antragsteller, aber auch vom Landkreis Rotenburg (Wümme) geäußerte Kritik jedenfalls nachvollziehbar.

Dass das Vorhaben ungeachtet der Frage einer ordnungsgemäßen Verträglichkeitsprüfung im Ergebnis an § 34 Abs. 2 BNatSchG scheitern muss, ist aus Sicht des Senats gegenwärtig allerdings wenig wahrscheinlich. Da das Plangebiet nicht im Natura2000-Gebiet liegt, sondern nur an dieses angrenzt, müsste sich die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteile durch die Planung daraus ergeben, dass das Vorhaben in das Schutzgebiet hineinwirkt. Das im Nordosten angrenzende EU-Vogelschutzgebiet V22 "Moore bei Sittensen" ist im Grenzbereich zum Plangebiet bewaldet, sodass die Vertikalstrukturen der Solarmodule eher keine relevante Störwirkung in das Gebiet hinein entfalten dürften. Dafür, dass es sich bei dem Plangebiet im Ergebnis um eine für das Vogelschutzgebiet zentrale Nahrungs- und Rastfläche handeln könnte, spricht angesichts der vorhandenen Restriktionen ebenfalls eher wenig.

Abgesehen von möglichen Bedenken gegen die Natura2000-Verträglichkeitsprüfung ist die 61. Änderung des Flächennutzungsplans voraussichtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere für die Wahl des Standorts der in Aussicht genommenen Freiflächen-Photovoltaikanlage der Multimegawatt-Klasse. Eine Standortauswahl ist erst dann rechtswidrig, wenn sich eine verworfene Alternative entweder als die eindeutig vorzugswürdige Lösung hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist. Von einer Alternative kann nicht mehr gesprochen werden, wenn eine Variante auf ein anderes Projekt hinausläuft (BVerwG, Beschl. v. 16.7.2007 - 4 B 71.06 -, juris Rn. 42). Nach diesen Maßstäben ist der aufgrund einer anhand nachvollziehbarer Kriterien vorgenommenen Alternativenprüfung ermittelte Standort für die Sonderbaufläche voraussichtlich nicht zu beanstanden.

Der Senat sieht schließlich keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Planausführung an artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen des § 44 BNatSchG scheitern muss und der Plan deshalb nicht erforderlich sein könnte. Insbesondere dürfte die Annahme der Antragsgegnerin, die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten werde im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt werden, zutreffen. Ein generelles Verschlechterungsgebot, wie es dem Antragsteller offenbar vorschwebt, kennt das Artenschutzrecht auch mit Blick auf besonders bedrohte Arten nicht.

Ob weitere, insbesondere formelle Fehler vorliegen, lässt der Senat mit Blick auf das voraussichtlich ohnehin erforderliche ergänzende Verfahren offen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG in Orientierung an Nr. 17 b) und 8 f) der seit dem 1. Juni 2021 geltenden Streitwertannahmen (NdsVBl. 2021, 247).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).