Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 01.07.1997, Az.: 13 Sa 336/97
Anspruch auf Zahlung einer Sozialplanabfindung; Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern bei der Gewährung von Abfindungsansprüchen; Unterschied bei betriebsbedingten Kündigungen und Beendigung aufgrund Eigenkündigung; Abfindungsanspruch, wenn die Eigenkündigung eines Arbeitnehmers im Rahmen des Gesamtkonzepts zum Arbeitsplatzabbau benutzt wurde
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 01.07.1997
- Aktenzeichen
- 13 Sa 336/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 15317
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1997:0701.13SA336.97.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 03.12.1996 - AZ: 4 Ca 464/96
Rechtsgrundlagen
- § 242 BGB
- § 77 Abs. 4 BetrVG
- § 112 Abs. 1 BetrVG
In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 01. Juli 1997
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... sowie
den ehrenamtlichen Richter ...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 03.12.1996 - 4 Ca 464/96 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 26.882,30 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.10.1996 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, die das Arbeitsverhältnis gekündigt hat, begehrt die Zahlung der Sozialplanabfindung in Höhe von 41.882,30 DM abzüglich einer aufgrund Vereinbarung gezahlten Abfindung von 15.000,00 DM.
Die Klägerin war seit 1984 als Teilzeitkraft im Innendienst der beklagten Versicherungsgesellschaft beschäftigt, und zwar in der Geschäftsstelle Hannover. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war das Anstellungsschreiben vom 25.01.1984 (Bl. 6 und. 7 d.A.). Sie arbeitete zuletzt arbeitstäglich 5 Stunden und erhielt ein Bruttomonatsgehalt 3.598,40 DM. Sie war Mitglied des Betriebsrats der FD Nord. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der Klägerin vom 12.07.1996 zum 30.09.1996. Sie war im damaligen Zeitpunkt 46 Jahre alt. Die Beklagte hat die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 19.07.1996 (Bl. 178 d.A.) bestätigt. Seit Oktober 1996 hat die Klägerin eine Vollzeitarbeitsstelle in einem Unternehmen in ... ca. 100 km entfernt von ihrem Wohnort.
Zur Durchführung des GPO-Programmes FIT mit dem Ziel der Kostensenkung schlossen die Beklagte und ihr Gesamtbetriebsrat am 19.06.1996 einen Rahmen-Interessenausgleich (Bl. 8 ff. d.A.), einen Einzel-Interessenausgleich "Vertriebsorganisation" (Bl. 13 d.A.) und einen Sozialplan (Bl. 18 ff. d.A. und Bl. 119). Unter 2.1. des Rahmen-Interessenausgleich heißt es, daß das Kostensenkungsprogramm einen gewissen Personalabbau und personelle Umstrukturierungen bedinge. Im Interessenausgleich "Vertriebsorganisation" ist u. a. bestimmt:
1.1.
Dieser Einzel-Interessenausgleich gilt für die Änderung der Vertriebsorganisation im Rahmen des GPO-Programmes FIT.Die ... plant, den Innendienst sämtlicher Vertriebsstandorte zu reduzieren und die Aufgaben dieser Mitarbeiter teilweise in die Direktion zu verlagern. Es ist derzeit noch nicht entschieden, ob bzw. mit welcher personellen Ausstattung die derzeitigen Vertriebsstandorte erhalten bleiben. Die Geschäftsleitung hat als Obergrenze einer Reduzierung in den Vertriebs-Standorten 42 Arbeitskapazitäten (AK-Vollzeitdefinition) festgelegt, d. h. mindestens 30 AK müssen erhalten bleiben (Stand: 01.01.1996: 71.4 AK ./. 41,4 AK = 30 AK).
Neben Innendienst-Personalreduzierungen in den Standorten wird angestrebt, in einzelnen ... den Innendienst gänzlich entfallen zu lassen; einige Standorte (z. B. ...) könnten - ebenfalls innendienstlos - als sog. virtuelle Standorte geführt werden.
1.2.
Verschiedene Aufgaben, die bisher der Innendienst wahrgenommen hat, sollen entweder entfallen oder auf die Außendienst-(AD-)Mitarbeiter und die noch zu schaffenden Direktions-Pools verlagert werden.4.1.
Der Umfang der geplanten Innendienst-Reduzierung soll in Abhängigkeit der Erkenntnisse aus einer Pilot-FD festgelegt werden. Für die Durchführung in der Pilot-FD gelten folgende Voraussetzungen:
- > Es ist ein Pilot-Service-Pool in der Direktion zu installieren (analog Projekt "Leistungserstellung" = LE).
- > Das Projekt ist mit der vorgegebenen zukünftig benötigten Innendienstkapazität zu testen (lt. Projektbericht "Geschäftsgewinnung" = GGW).
- > Die übrige Innendienstkapazität ist in diese Aktivitäten nicht einzubeziehen.
4.3.
1996 findet im zweiten Halbjahr aufgrund der in Ziff. 1. beschriebenen Maßnahmen ein Abbau von max. 10 AK statt. Die Neuverteilung der Aufgaben zwischen Vertrieb und Direktion führt in den Folgejahren zu einem weiteren Personalabbau. Dieser vollzieht sich sukzessive mit der Realisierung des Konzepts, wobei vor jedem Schritt des Personalabbaus die notwendigen Maßnahmen, wie Bildung der Direktions-Pools, Underwriting-Vollmacht, technische Ausstattung, durchgeführt sein müssen.Nach 2.1. des Sozialplans gilt dieser nicht für Arbeitnehmer, die wegen Eigenkündigung ausscheiden, ohne einer betriebsbedingten Kündigung zuvorzukommen.
Die Geschäftsstelle ... der Beklagten war bis Ende 1995 im Innendienst besetzt mit einem Geschäftsstellenleiter, einem Innendienstleiter und der Halbtagskraft Frau K. Außerdem waren beschäftigt 3 Vollzeitkräfte und die Klägerin als Teilzeitkraft. Geschäftsstellenleiter, Innendienstleiter und die Halbtagskraft Frau K. beendeten Ende 1995 ihre Arbeitsverhältnisse. Ersatzeinstellungen erfolgten nicht. Die Leitungsaufgaben werden seit 1996 wahrgenommen von dem Leiter der ... für alle 3 Standorte der Filialdirektion .... Die Stelle der Klägerin wurde nach ihrem Ausscheiden nicht neu besetzt. Seit Oktober 1996 ist der Innendienst in ... besetzt mit 3 Vollzeitkräften, davon 2 Betriebsratsmitgliedern. Nach Behauptung der Beklagten sind erste Personalreduzierungsmaßnahmen erst Ende 1996 vorgenommen worden. Für den Standort ... sei eine bis Ende 1998 zu erreichende Arbeitskapazität von 2 Kräften vorgesehen. Dem betroffenen Mitarbeiter sei deshalb im Januar 1997 mitgeteilt worden, daß er - sofern eine Versetzung nicht möglich sei - zum Jahresende 1998 ausscheiden müsse.
Die Klägerin hatte bereits 1995 den Wunsch geäußert, in Vollzeit beschäftigt zu werden. Es fand am 09.02.1996 darüber ein Gespräch mit ihren Vorgesetzten statt mit dem Ergebnis, daß man darüber nach dem 31.12.1996 erneut sprechen wolle (Gesprächsnotiz, Bl. 38 d.A.).
Im Juli 1996 hatte die Klägerin eine Vollzeitstelle in ... in Aussicht (Vorstellungsgespräch 09.07.1996). Am 10.07.1996 informierte sie den Leiter der ... Herrn ... daß sie ausscheiden wolle mit Aufhebungsvertrag gegen Zahlung der Sozialplanabfindung. Im Rahmen dieses Gesprächs erklärte die Klägerin, daß sie bleiben wolle, wenn ihr Arbeitsplatz nicht wegfalle. Darauf erwiderte Herr ... daß dies zur Zeit niemand sagen könne, wenn sie die Möglichkeit habe, sich auf die sichere Seite zu bringen, solle sie das tun. Am 11. oder 12.07. nach interner Rücksprache teilte Herr Dahlhaus der Klägerin mit, daß ein Ausscheiden gegen Abfindungszahlung nicht in Betracht komme. Die Klägerin wandte sich an die Betriebsratsvorsitzende, die in Verhandlungen mit der Personalabteilung die Zusage einer Zahlung von 15.000,00 DM erreichte. Daraufhin kündigte die Klägerin.
Die Klägerin hat vorgetragen unter 1.1. des Interessenausgleichs "Vertriebsorganisation" sei festgelegt, daß für den Standort ... der Innendienst entfalle. Sie habe deshalb wegen bevorstehenden Wegfalls des Arbeitsplatzes gekündigt und damit Anspruch auf die Sozialplanabfindung.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 26.882,30 DM nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit 01.10.1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, für die Klägerin habe keine Veranlassung zu der Annahme bestanden, daß ihr gekündigt werde. Erst Ende Juli 1996, nach Ausspruch der Kündigung, habe man Überlegungenüber den Personalabbau angestellt, der Gesamtpersonalrat sei insoweit erst im August 1996 informiert worden. Eine Absicht zur Schließung des Standortes ... habe nicht bestanden, im Interessenausgleich sei dies auch nur als Möglichkeit aufgeführt. Wegen des besonderen Kündigungsschutzes als Betriebsratsmitglied sei das Arbeitsverhältnis der Klägerin zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen, sie habe allenfalls eine Versetzung nach ... in Kauf nehmen müssen, was aber zumutbar sei. Maßgebend für die Eigenkündigung der Klägerin seien nicht betriebsbedingte Gründe gewesen, sondern der Wunsch, eine Vollzeitstelle zu erhalten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Mit Berufung trägt die Klägerin vor, die Schließung des Innendienststandortes ... habe, wie sich aus dem Interessenausgleich "Vertriebsorganisation" ergebe, unmittelbar bevorgestanden. Eine Versetzung nach ..., wegen des arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitsortes Hannover nur im Wege der Änderungskündigung möglich, sei ihr als Teilzeitkraft unzumutbar gewesen. Deshalb sei davon auszugehen, daß sie alt der Eigenkündigung nur einer betriebsbedingten Kündigung zuvorgekommen sei. Der Wunsch, eine Vollzeitstelle zu erhalten, sei für sie nicht maßgebend gewesen. Durch ein 2. Arbeitsverhältnis sei sie ausreichend finanziell gesichert gewesen, bei sicherem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten hätte für sie keine Veranlassung bestanden, eine Arbeitsstelle in der Entfernung von 100 km anzunehmen.
Die Klägerin beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem Schlußantrag der Klägerin erster Instanz zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, im Kündigungszeitpunkt habe noch nicht konkret festgestanden, welche Personalmaßnahmen in welchen Betrieben zu treffen gewesen seien. Im Interessenausgleich "Vetriebsorganisation" sei ein Wegfall des Innendienstes in Hannover nur als Beispiel und, wie der Gebrauch des Konjunktivs zeige, nur als Möglichkeit aufgeführt. Der Umfang der geplanten Innendienst-Reduzierung sei im übrigen von den Ergebnissen aus einer Pilot-FD abhängig gemacht worden. Für eine bevorstehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte habe es im Juli 1996 keine Anhaltspunkte gegeben. Erst in der Gesamtbetriebsratssitzung vom 20.08.1996 sei dieser darüber informiert worden, wie viele Arbeitskapazitäten in den einzelnen Filialdirektionen in den 3 Stufen der Personalanpassung (1996/1997, 1998 und 1999) jeweils als Zielgröße erreicht werden müßten. Zur Umsetzung der 1. Stufe, Abbau bis Ende 1997, habe es nur Handlungsbedarf in der Filialdirektion Süd-West in Stuttgart gegeben, im übrigen seien die Ziele durch Fluktuation, freiwillige Vereinbarung und Versetzungen erreicht worden. Personalgespräche in der Filialdirektion Nord habe es erst im Januar 1997 gegeben. Als Arbeitskapazität für den Standort Hannover sei ab Ende 1998 eine Besetzung mit 2 Vollzeitkräften vorgesehen. Schließlich verweist die Beklagte auf den Sonderkündigungsschutz der Klägerin als Betriebsratsmitglied und darauf, daß die Kündigung allein darauf beruhe, daß die Klägerin eine Vollzeitarbeitsstelle angestrebt habe. Die Zahlung von 15.000,00 DM sei ihr als Leistungssonderzahlung wegen Ihrer Verdienste in der Vergangenheit gewährt worden. Maßgeblich sei letzlich auch gewesen, die Bereitschaft der Klägerin zur Kündigung anzuerkennen. Denn letzlich sei durch die Eigenkündigung der Arbeitsplatz einer anderen Mitarbeiterin erhalten geblieben, weil Personal reduziert werden sollte. Ergänzend wird wegen des zweitinstanzlichen Berufungsvorbringens der Beklagten Bezug genommen auf die Berufungserwiderung und auf den Schriftsatz vom 16.06.1997.
Gründe
Die Berufung der Klägerin ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG. Die Berufung ist begründet, die Klägerin hat unter Anrechnung der gezahlten Abfindung Anspruch auf die Sozialplanabfindung.
Nach 2.1. des Sozialplans gilt dieser nicht für Mitarbeiter, die wegen Eigenkündigung ausscheiden, ohne einer betriebsbedingten Kündigung zuvorzukommen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß für die Zuerkennung von Abfindungsansprüchen zwischen Arbeitnehmern, denen betriebsbedingt gekündigt wurde und solchen, die das Arbeitsverhältnis aufgrund Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag beenden, unterschieden werden kann. Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag vom Arbeitgeber veranlaßt worden sind. In einem solchen Fall ist es geboten, betriebsbedingte Arbeitgeberkündigungen und Eigenkündigungen des Arbeitnehmers gleich zu behandeln (z. B.: BAG vom 10.04.1994, 10 AZR 323/93, EZA § 112 BetrVG, Nr. 75; BAG vom 19.07.1995, 10 AZR 885/94, EZA § 112 BetrVG, Nr. 92; BAG vom 17.04.1996, 10 AZR 560/95).
Im vorliegenden Sozialplan ist die Eigenkündigung einer betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung gleichgestellt, wenn der Arbeitnehmer damit einer betriebsbedingten Kündigung zuvorgekommen ist. Wenn ein Sozialplan bei Eigenkündigungen Abfindungsansprüche generell verneint, unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten aber vom Arbeitgeber veranlaßte Eigenkündigungen abfindungsunschädlich sind, dann müssen diese Grundsätze auch herangezogen werden zur Auslegung der hier gewählten Sozialplanformulierung. Das heißt aber, daß Ansprüche auf Abfindung trotz Eigenkündigung bestehen, wenn die Kündigung vom Arbeitgeber veranlaßt wurde.
Eine Veranlassung zur Kündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung bestimmt, selbst zu kündigen, um eine sonst notwendig werdende Kündigung zu vermeiden. Ein bloßer Hinweis des Arbeitgebers auf eine unsichere Lage des Unternehmens, auf notwendig werdende Betriebsänderungen oder der Rat, sich eine neue Stelle zu suchen, genügt nicht, um eine Veranlassung anzunehmen. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung. Es ist entscheidend, ob bei Kündigungsausspruch der Arbeitnehmer aufgrund der Erklärungen des Arbeitgebers davon ausgehen mußte, er werde möglicherweise durch die ihm in Umrissen dargelegte Betriebsänderung und den damit auch in seinem Tätigkeitsbereich zu erwartenden Personalabbau betroffen (BAG a.a.O.).
Hier ist festzustellen, daß konkret die Aufgabe des Innendienststandortes ... im maßgebenden Zeitpunkt der Kündigung Juli 1996 noch nicht entschieden war. In 1.1. des Interessenausgleichs "Vertriebsorganisation" ist bestimmt, daß der Innendienst reduziert werden soll, und zwar von 71,4 Arbeitskapazitäten auf 30 Arbeitskapazitäten, daß im übrigen Aufgaben verlagert werden sollen, z. B. auf die Direktion, oder ganz wegfallen sollen. Für das 2. Halbjahr 1996 ist ein Personalabbau in Höhe von maximal 10 Arbeitskapazitäten vorgesehen (4.3.). In welchen Bereichen konkret der Arbeitsplatzabbau erfolgen soll, ist nicht festgelegt. Zwar ist in 1.1. als Beispiel auch ... aufgeführt als möglicherweise innendienstloser Standort, wie die Verwendung des Konjunktivs zeigt, allerdings nur als Möglichkeit, nicht als konkrete Planung. Hinzu kommt, daß nach 4.1. der Umfang der geplanten Innendienst-Reduzierung festgelegt werden soll in Abhängigkeit von den Erkenntnissen eines Pilot-Projekts. Für den Wegfall ihres Arbeitsplatzes hatte die Klägerin keine konkreten Anhaltspunkte. Die Situation war so, wie sie der Vorgesetzte der Klägerin, Herr ... auf Nachfrage nach der Sicherheit ihres Arbeitsplatzes geschildert hat: Dies könne zur Zeit niemand sagen. Insgesamt liegt damit die Wertung nahe, daß zwar die Arbeitsplatzsituation unsicher war, aber das konkret eine betriebsbedingte Kündigung nicht bevorstand.
Trotzdem war die Kammer der Auffassung, daß die Kündigung durch die Beklagte veranlaßt worden ist, zumindest muß sie sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen, als wäre ein betriebsbedingter Aufhebungsvertrag mit Sozialplanabfindungsanspruch zustande gekommen. Der Kenntnisstand der Klägerin bei Eigenkündigung ging über das Bestehen einer unsicheren Lage und einer möglichen Gefährdung des Arbeitsplatzes hinaus. Nachdem bereits Ende 1995 2,5 Arbeitsplätze in ... weggefallen waren, waren durch Interessenausgleich und Sozialplan die Voraussetzungen für einen massiven Personalabbau im Innendienst geschaffen. Geplant war die Reduzierung von 71,4 Arbeitskapazitäten auf 30 Arbeitskapazitäten, also um mehr als 50 %. Innendienststandorte sollten möglicherweise ganz entfallen, wobei insoweit auch der Standort benannt war. Für die Klägerin bestand die berechtigte Veranlassung, von einer ernsthaften Gefährdung ihres Arbeitsplatzes auszugehen.
Wesentlicher als diese Tatsache ist aber, daß die Beklagte im Interessenausgleich und Sozialplan die vorgesehenen Maßnahmen nicht konkretisiert hat, sondern nur rahmenmäßig umschrieben hat. Der rahmenmäßig festgelegte angestrebte Personalabbau ist dann nach Beklagtenvortrag bis Ende 1997 mit Ausnahme der FD Süd-West durch Fluktuation, freiwillige Vereinbarungen, Versetzungen erreicht worden. Das heißt aber, daß die Eigenkündigung der Klägerin, deren Arbeitsplatz nicht wieder besetzt wurde, im Rahmen des Gesamtkonzepts zum Arbeitsplatzabbau benutzt wurde. Dies gesteht auch die Beklagte zu, indem sie nämlich als Motiv für die Zahlung der Abfindung angibt, sie habe auch die Bereitschaft der Klägerin zur Eigenkündigung anerkennen wollen, letztlich sei durch die Eigenkündigung der Arbeitsplatz einer anderen Mitarbeiterin erhalten worden, denn Personal habe reduziert werden sollen. Wenn aber die Eigenkündigung dazu gedient hat, innerhalb der nur rahmenmäßig umschriebenen Betriebsänderung den Personalabbau zu fördern, die Beklagte andererseits durch Abfindungszusage die Eigenkündigung nicht nur akzeptiert, sondern auch gefördert hat, muß von einer arbeitgeberseitig veranlaßten Kündigung ausgegangen werden. Zumindest verstößt es gegen Treu und Glauben,§ 242 BGB, wenn sich die Beklagte darauf beruft, sie habe die Eigenkündigung nicht veranlaßt. Sie hat durch Zusage der Abfindung die Eigenkündigung gefördert und den damit erfolgten Arbeitsplatzwegfall zur Umsetzung ihres Personalabbaukonzepts genutzt. Sie muß sich dann aber nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als hätte sie mit der Klägerin einen betriebsbedingten Aufhebungsvertrag geschlossen, der Sozialplanansprüche auslöst.
Da von einer veranlaßten Eigenkündigung auszugehen ist, hat die Klägerin Anspruch auf Abfindung nach dem Sozialplan. Diese Betriebsvereinbarung gilt unmittelbar und zwingend (§ 77 Abs. 4 BetrVG in Verbindung mit § 112 Abs. 1 BetrVG). Selbst wenn aus Zusage und Entgegennahme der Abfindung von 15.000,00 DM eine vertragliche Vereinbarung über diese Abfindung folgen sollte, wäre damit ein weitergehender Sozialplanabfindungsanspruch nicht ausgeschlossen.
Der Annahme einer Veranlassung der Eigenkündigung durch den Arbeitgeber steht hier nicht entgegen, daß die Klägerin als Betriebsratsmitglied besonderen Kündigungsschutz hatte. In erster Linie ist darauf hinzuweisen, daß die Veranlassung, wie ausgeführt, schwerpunktmäßig auch beruht auf Förderung der Eigenkündigung durch Abfindungszusage und daß damit im Ergebnis die Eigenkündigung zu behandeln ist wie ein vom Arbeitgeber veranlaßter betriebsbedingter Aufhebungsvertrag. Für eine solche Fallgestaltung ist der Sonderkündigungsschutz als Betriebsratsmitglied ohne Bedeutung. Imübrigen war für die Klägerin auch erkennbar, daß über den Sonderkündigungsschutz eine Beschäftigung in Hannover nicht zwingend gewährleistet war. Von insgesamt 4 verbliebenen Arbeitnehmern in hatten einschließlich der Klägerin 3 Arbeitnehmer den Sonderkündigungsschutz als Betriebsratsmitglied. Trotz Sonderkündigungsschutz war damit eine Weiterbeschäftigung in Hannover gerade nicht gewährleistet, vielmehr war der Arbeitsplatz bereits bei einem Abbau von mehr als einer Vollzeitstelle gefährdet. Eine dauerhafte Arbeitsplatzsicherung wäre nur gewährleistet gewesen durch Versetzung der Klägerin nach ... Eine derartige Versetzung mußte sie nach Auffassung der Kammer als Teilzeitkraft nicht akzeptieren. Sie hätte bei Ablehnung der Versetzung nach der vorliegenden Sozialplangestaltung auch nicht einen Abfindungsanspruch verloren, so daß im Ergebnis der Sonderkündigungsschutz als Betriebsratsmitglied vorliegend unerheblich ist.
Der Annahme einer veranlaßten Eigenkündigung steht auch nicht entgegen, daß die Klägerin bereits 1995 den Wunsch nach einer Vollzeitstelle geäußert hat und letztlich nach Eigenkündigung eine Vollzeitstelle angenommen hat. Ob Motiv für die Eigenkündigung die Gefährdung des Arbeitsplatzes war oder der Wunsch nach einer Vollzeitstelle, läßt sich nur anhand von Indizien beurteilen. Die Klägerin war als Alleinerziehende immerhin im Alter von 46 Jahren darauf angewiesen, durch einen Arbeitsplatz abgesichert zu sein. Wenn sie die finanziellen und zeitlichen Belastungen eines 100 km entfernten Arbeitsortes in Kauf nimmt, läßt das nur den Schluß zu, daß es ihr nicht primär um eine Vollzeitstelle, sondern um Sicherung des Arbeitsplatzes ging.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes auf§ 3 ZPO.
Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArGG.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 26.882,30 DM festgesetzt.