Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 31.01.1997, Az.: 16 TaBV 82/96

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Abordnungen; Zulässigkeit eines Globalantrages; Beschäftigung von Beamten in einem Betrieb; Mitbestimmungsrecht eines Betriebsrates bei Personalangelegenheiten der Beamten

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
31.01.1997
Aktenzeichen
16 TaBV 82/96
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1997, 10770
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1997:0131.16TABV82.96.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Lüneburg - 29.08.1996 - AZ: 2 BV 12/96

Fundstelle

  • PersR 1997, 316-318

Sonstige Beteiligte

1.

2.

In dem Beschlußverfahren hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
aufgrund der Anhörung vom 31.01.1997
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hannes und
die ehrenamtlichen Richter Sinn und Voigt
beschlossen:

Tenor:

Der Beschluß des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 29.08.1996, Az. 2 BV 12/96 wird abgeändert.

Es wird festgestellt, daß dem Betriebsrat der Antragsgegnerin des Betriebes, der Beamtinnen und Beamte beschäftigt, bei deren Abordnung zu einer anderen Dienststelle mit einer Dauer von ein bis drei Monaten, die den Voraussetzungen des § 95 Abs. 3 BetrVG entspricht, ein Mitbestimmungsrecht nach §§ 99/100 BetrVG zusteht. Dieses gilt nicht, soweit die Verweigerung aufgrund der Vorschrift des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG erfolgt und die Beamtin oder der Beamte der Abordnung zugestimmt hat.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

1

I.

Der Antragsteller ist der im Betrieb der Antragsgegnerin gebildete Betriebsrat. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 99 BetrVG für den Fall, daß die Arbeitgeberin Beamte/Beamtinnen für nicht länger als drei Monate abordnet.

2

Die Arbeitgeberin beabsichtigte zunächst, 28 Arbeitskräfte, bestehend aus Arbeitern, Angestellten und Beamten, in der Zeit vom 22. bzw. 29. Januar bis 02.08.1996 von der Niederlassung ... zur Niederlassung 6 (neu 4) B. zu versetzen bzw. abzuordnen. Insoweit wird auf die Mitteilung der Arbeitgeberin an den Betriebsrat vom 27.12.1995 verwiesen (Bl. 9-13 d.A.). Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 16.01.1996 (Bl. 14-18 d.A.).

3

Daraufhin hat die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 22.01.1996, eingegangen beim Betriebsrat am 23.01.1996, nur noch Beamte für die Versetzung vom 29.01.-26.04.1996 sowie für den Zeitraum vom 05.02.-02.05.1996 vorgesehen.

4

Der Betriebsrat beschloß in seiner Sitzung vom 20.02.1996 daraufhin, das Beschlußverfahren einzuleiten mit dem Antrag festzustellen, daß die Arbeitgeberin durch die Versetzungen das Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 BetrVG verletzt habe.

5

Die Maßnahme wurde anschließend durchgeführt gegen den Willen der betroffenen Beamtinnen und Beamten und zum vorgesehenen Zeitpunkt beendet.

6

Der Betriebsrat reklamiert sein Mitbestimmungsrecht mit der Begründung, daß die §§ 28/29 des Postpersonalrechtsgesetz (PostpersRG) keine abschließenden Regelungen darstellten, so daß auch außerhalb des § 76 Abs. 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BBersVG) personalrechtliche Angelegenheiten von Beamten geregelt würden. Vielmehr stelle § 24 PostpersRG für die nunmehr privatisierten Unternehmen der Deutschen Bundespost eine umfassende Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes auf die Beamtinnen und Beamten dar. § 24 PostpersRG regele, daß die bei den Aktiengesellschaften beschäftigten Beamten für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als Arbeitnehmer gelten. Hiervon würden nur einzelne Ausnahmen gemäß §§ 28, 29 PostpersRG gemacht.

7

Eine Beschränkung im § 28 PostpersRG würde auch eine Einschränkung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates darstellen, da für den Fall, daß eine Abordnung bis zur Dauer von 3 Monaten erfolge, keine Zustimmung des Betriebsrates erforderlich sei, obwohl diese betriebsverfassungsrechtlich geboten sei.

8

Die Arbeitgeberin könne auf diese Weise die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates umgehen, wie sich gerade im vorliegenden Verfahren zeige.

9

Die Versetzung von Beamten und Beamtinnen weise auch keine beamtenspezifischen Merkmale aus, denn diese personellen Maßnahmen beträfen gleichermaßen auch Arbeiter und Angestellte, so daß der kollektive Bereich des Betriebes betroffen sei. Würde man die Sonderregelungen für Beamte anwenden, laufe das Mitbestimmungsrecht bei Abordnungen von einer Dauer bis zu drei Monaten ins Leere.

10

Im übrigen würde eine Einschränkung der Mitbestimmungsrechte gemäß den §§ 28, 29 PostpersRG eine Ungleichbehandlung bedeuten. Da alle Beschäftigten, also auch die Beamtinnen und Beamten, nunmehr in einer privatwirtschaftlichen Aktiengesellschaft tätig seien, könne eine Unterscheidung bei den kollektiven Schutzrechten nicht mehr erfolgen, da ein sachlicher Grund nicht gegeben sei. Die Beamtinnen und Beamten würden erheblich schlechter gestellt, ohne daß eine sachliche Rechtfertigung erkennbar sei.

11

Es sei lediglich geboten, Beamtinnen und Beamte anders zu behandeln, wo dieses aufgrund ihres statusrechtlichen Amtes geboten sei. Nur wo sie in ihren Beamtenrechten betroffen seien, müsse gewährleistet sein, daß ihre Rechte nach wie vor beamtenrechtsähnlich gewahrt seien.

12

Der Betriebsrat hat beantragt,

festzustellen, daß die Antragsgegnerin durch die Versetzung der beschäftigten Beamtinnen und Beamten

...

und der Beamtinnen und Beamten

...

die Zeit vom 05.02. bis 02.05.1996 das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 99 BetrVG verletzt hat.

13

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

14

Sie hält die §§ 28/29 PostpersRG für eine abschließende Regelung, die grundsätzliche Bestimmungen für Beamte treffe zur Wahrung ihrer Rechtsstellung. Der Gesetzgeber habe das Gruppenprinzip für Beamte wahren wollen und deshalb das Mitbestimmungsrecht dem § 76 Abs. 1 BBersVG unterstellt. Aufgrund des unterschiedlichen Charakters der Beschäftigung sei eine Gleichbehandlung, wie vom Betriebsrat gefordert, mit gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten nicht geboten.

15

Nach Streit der Parteien über die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes wurde mit Beschluß vom 23.04.1996 der Rechtsweg vor den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Wegen des Inhalts des Beschlusses wird auf diesen (Bl. 68-71 d.A.) verwiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde wurde dann seitens der Arbeitgeberin zurückgenommen.

16

Durch Beschluß vom 29.08.1996 wurde sodann durch das Arbeitsgericht Lüneburg der Antrag des Betriebsrates zurückgewiesen. Wegen des Inhalts des Beschlusses wird auf diesen (Bl. 139-145 d.A.) verwiesen.

17

Der Beschluß des Arbeitsgerichts wurde dem Betriebsrat am 11.09.1996 zugestellt. Hiergegen legte dieser am 30.09.1996 Beschwerde ein und begründete diese gleichzeitig.

18

Der Betriebsrat vertritt weiterhin die Auffassung, daß §§ 28, 29 PostpersRG keine abschließende Regelung darstellten. Der Gesetzgeber habe diese Vorschriften vielmehr auf beamtenspezifische Angelegenheiten beschränken wollen. Hierbei sei von Bedeutung, daß bei den personellen Maßnahmen, die neben Beamten auch gewerbliche Arbeitnehmer oder Angestellte beträfen, es sich nicht mehr um eine Personalangelegenheit der Beamten, sondern um eine solche der gesamten Belegschaft handele.

19

Das Letztentscheidungsrecht der Arbeitgeberin gemäß § 29 Abs. 3 PostpersRG gebe nur dann einen Sinn, wenn dieses nur bei beamtenspezifischen Angelegenheiten wie z.B. statusrechtlichen Angelegenheiten bestehe, wo die Letztentscheidung tatsächlich beim Dienstherrn verbleiben müsse. Damit könne aber letztlich das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG nicht ausgeschlossen werden, weil die Betroffenheit der Belegschaft im kollektiven Bereich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz erfordere und somit § 29 PostpersRG keine abschließende Regelung darstellen könne.

20

Die verfassungsrechtlich begründete Sonderstellung der Beamten müsse nur dort gewahrt werden, wo es um eine Personalangelegenheit der Beamten gehe. Das Gesetz lege nicht eindeutig fest, daß in den Fällen, in denen auch der kollektive Bezug zur Gesamtbelegschaft hergestellt worden ist, nur die Vorschriften des PostpersRG Anwendung finden sollen, soweit die direkt Betroffenen Beamten und Beamtinnen seien. Vielmehr könnten sich die Sondervorschriften der §§ 28, 29 PostpersRG nur auf die beamtenspezifischen Angelegenheiten beschränken, d.h. auf diejenigen Angelegenheiten, die den besonderen Status der Beamten betreffen (z.B. Beförderung). Auch insoweit sei nur eine Einschränkung zur Wahrung des Artikel 33 Abs. 5 Grundgesetz geboten gewesen, darüber hinaus sei nicht ersichtlich, daß eine Einschränkung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates habe erfolgen sollen.

21

Der Antragsteller beantragt

festzustellen, daß dem abgebenden Betriebsrat bei Versetzungen gemäß § 95 Abs. 3 BetrVG von Beamtinnen und Beamten mit einer Dauer von bis zu drei Monaten ein Mitbestimmungsrecht nach § 99, 100 BetrVG zusteht.

22

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

23

Sie verteidigt den erstinstanzlichen Beschluß nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 16.12.1996. Hierauf wird verwiesen (Bl. 180-188 d.A.).

24

II.

Die Beschwerde des Betriebsrates ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2, 89, 86 ArbGG).

25

Sie ist damit insgesamt zulässig.

26

Der Betriebsrat hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis für den gestellten Antrag. Zwar begehrt der Betriebsrat eine Feststellung losgelöst von der bereits abgeschlossenen Maßnahme. Dies ist jedoch stets dann möglich, wenn die Abordnung von Beamtinnen und Beamten auch für den hier streitbefangenen Zeitraum auch zukünftig vorkommen wird, so daß durch eine entsprechende Feststellung eine umfassende Klärung der Streitfrage zwischen den Beteiligten für die Zukunft erfolgen kann. In diesen Fällen ist ein von der abgeschlossenen Maßnahme losgelöster Feststellungsantrag zulässig (vgl. BAG vom 11.12.1991 NZA 92, 850 ff. [BAG 11.12.1991 - 7 ABR 16/91], m.w.N.).

27

Der Antrag war jedoch entsprechend dem vom Betriebsrat in den Schriftsätzen erklärten Willen anzupassen, damit dieser ausreichend bestimmt ist. Zwar bezeichnet der Antrag des Betriebsrates den Streitgegenstand genau, jedoch darf der Betriebsrat einen Globalantrag, der alle denkbaren Fallgestaltungen umfaßt, nur dann stellen, wenn dieser inhaltlich hinreichend bestimmt ist und insbesondere keine Fallgestaltungen mit umfaßt, bei denen eine andere rechtliche Betrachtung geboten ist.

28

Aus diesem Grunde war im Beschluß klarzustellen, daß es lediglich um den Betriebsrat geht, in dem die Beamtinnen und Beamte laufend beschäftigt sind und nicht um den aufnehmenden Betrieb. Ferner war aufzunehmen, daß nur die Abordnung gemeint sein kann von einer Dauer von 1-3 Monaten, da auch § 99 BetrVG i.V.m. § 95 Abs. 3 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht nicht ohne weiteres vorsieht, wenn die Versetzung die voraussichtliche Dauer von einem Monat unterschreitet. Ferner war klarzustellen, daß in den Fällen, in denen eine Zustimmung der entsprechenden Beamtinnen und Beamten vorliegt, das Mitbestimmungsrecht nicht ausgeübt werden kann mit der Begründung, der Arbeitnehmer werde ungerechtfertigt benachteiligt (vgl. Beschluß des Bundesarbeitsgerichtes vom 02.04.1996, Az.: 1 ABR 39/95 in EzA § 99 BetrVG 72 Nr. 1, Versetzung).

29

Da aus dem Vortrag des Betriebsrates eindeutig ersichtlich ist, daß diese Fälle auch vom Antrag nicht umfaßt sein sollten, waren diese zur Klarstellung in den Beschluß aufzunehmen.

30

Die Beschwerde des Betriebsrates ist insoweit begründet. Ihm steht bei Beamtinnen und Beamten, die in seinem Betrieb beschäftigt werden, ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zu bei Abordnungen von einer Dauer von 1-3 Monaten. Dieses ergibt sich aus § 24 PostpersRG i.V.m. § 99, 95 Abs. 3 BetrVG.

31

In § 24 des PostpersRG ist geregelt, daß in den Aktiengesellschaften nach deren Eintragung in das Handelsregister das Betriebsverfassungsgesetz Anwendung findet, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Die bei den Aktiengesellschaften beschäftigten Beamten gelten für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als Arbeitnehmer. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin regeln die §§ 28, 29 PostpersRG jedoch in bezug auf die Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes nichts anderes. Zwar bestimmt § 28 PostpersRG, daß der Betriebsrat in den Angelegenheiten der Beamten nach §§ 76 Abs. 1, 78 Abs. 1 Nr. 3-5 und § 79 Abs. 3 BBersVG zu beteiligen ist. Auch bestimmt § 29 Abs. 1 erneut, daß der Betriebsrat in den in § 76 Abs. 1 des BBersVG genannten Personalangelegenheiten der Beamten ein Mitbestimmungsrecht hat, jedoch kann diesen Vorschriften zur Überzeugung der Kammer nicht entnommen werden, daß damit die Mitbestimmungsrechte des § 99 BetrVG eingeschränkt werden sollen, jedenfalls nicht in den Fällen, in denen das BBersVG abweichend vom Betriebsverfassungsgesetz Mitbestimmungsrechte nicht vorsieht. Bei der Abordnung von Beamten besteht nach § 76 Abs. 1 Nr. 5 BBersVG ein Mitbestimmungsrecht erst bei einer Abordnung für eine Dauer von mehr als 3 Monaten. Hingegen regelt das Betriebsverfassungsgesetz in § 95 Abs. 3, daß Versetzungen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches ist, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Damit ergibt sich für den Zeitraum zwischen einem und drei Monaten eine nicht unerhebliche Abweichung hinsichtlich des Mitbestimmungsrechtes, die auszufüllen ist. Die Vorschriften des PostpersRG sind insoweit nicht eindeutig. Aus dem § 28, 29 PostpersRG ist zu entnehmen, daß hiermit lediglich gesichert werden sollte, daß die Beamtinnen und Beamten ihre bisherigen Rechte in vollem Umfange auch im kollektivrechtlichen Bereich behalten sollen. Diese Vorschriften geben eine Garantie dafür ab, daß der § 76 Abs. 1 wie auch die übrigen dort benannten Vorschriften weiterhin in vollem Umfange für die Beamten gelten sollen und Einschränkungen aus diesem Grunde nicht vorhanden sind. Der § 76 Abs. 1 regelt über Mitbestimmungstatbestände des Betriebsverfassungsgesetzes hinaus bestimmte Tatbestände, die beamtenspezifisch sind und deshalb entfallen würden, würden nur die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes künftig anwendbar sein. Dieses betrifft z.B. die Fälle des § 76 Abs. 1 Nr. 7, Nr. 8 und 9. § 29 PostpersRG regelt dann auch im folgenden, daß zwar das Mitbestimmungsrecht ausgeübt werden kann, daß aber es bei einer Empfehlung der Einigungsstelle verbleibt und letztlich das Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers durchsetzbar ist und damit der Status für die Beamten erhalten bleibt.

32

Es ist aber nicht ersichtlich, daß die §§ 28, 29 PostpersRG Einschränkungen des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsverfassungsgesetzes gleichzeitig mit beinhalten sollen.

33

§ 99 BetrVG hat den kollektiven Bezug auf die Gesamtbelegschaft des Unternehmens. Der Betriebsrat ist im Betrieb der Arbeitgeberin zuständig für die Ausübung der Mitbestimmungstatbestände zugunsten der Arbeitnehmerschaft im Betrieb und damit auch in bezug auf das Zusammenwirken aller Arbeitnehmer im Betrieb. Hierzu sind die Mitbestimmungsrechte des § 99 an die Hand gegeben, wonach er die Zustimmung zu einer Versetzung verweigern kann, insbesondere auch gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG, wenn die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, daß infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne daß dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Besorgnis der sonstigen Nachteile kann z.B. darin bestehen, daß tatsächliche, nicht unerhebliche Erschwerungen der Arbeit für die verbliebenen Arbeitnehmer eintreten, wie z.B. die Verdoppelung eines Verantwortungsbereiches oder andere Formen der Leistungsverdichtung.

34

Würde ohne Zustimmung des Betriebsrates auch nur eine vorübergehende Abordnung von Beamten erfolgen, so könnte der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG nicht mehr ausüben, wollte man die §§ 28, 29 PostpersRG als vorrangige Vorschriften betrachten. Es ist aber aus dem Gesetz in keiner Weise ersichtlich, daß die Garantie des Status der Beamten auch im kollektiven Bereich durch die §§ 28, 29 PostpersRG auch gleichzeitig Einschränkungen der kollektiven Rechte der übrigen Belegschaft nach sich ziehen sollten. Wenn in dem Betrieb der Arbeitgeberin nunmehr alle dort Beschäftigten gleichermaßen als Arbeitnehmer zu gelten haben und damit eine besondere Stellung von Beamten und Beamtinnen insoweit nicht gegeben ist, so müssen die Rechte des Betriebsrates weiterhin so weit gehen, daß er nunmehr sämtliche betriebsverfassungsrechtlichen Rechte ausüben darf.

35

Dem steht auch nicht entgegen, daß der Gesetzgeber in dem § 28, 29 PostpersRG eine Zweigleisigkeit eingeführt hat für bestimmte Mitbestimmungsrechte im Betrieb. Daß aus besonderen Gründen für bestimmte Bereiche nach wie vor eine Besonderheit beim Mitbestimmungsrecht für Beamte besteht, ergibt sich aus der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit, den Status der Beamten zu wahren. Es ist davon auszugehen, daß die Vorschriften der §§ 28, 29 PostpersRG diesen Ansprüchen gerecht wird. Es ist aber nicht ersichtlich, daß neben den Regelungen, die ausdrücklich das verfassungsrechtliche Gebot erfüllen wollen, den Status der Beamten zu erhalten, daneben keine Regelungen zuließen, die die betriebliche Interessenvertretung nach dem Betriebsverfassungsgesetz betrifft (vgl. hierzu BAG in AP Nr. 8 zu § 99 BetrVG 1972 Versetzung).

36

Klarstellend ist hierzu auszuführen, daß die Kammer nicht zu entscheiden hatte, inwieweit auch nach Ablauf von drei Monaten die Rechte nebeneinander ausgeübt werden können, nachdem das PostpersRG Regelungen betreffend der Abordnung von Beamten nach § 76 Abs. 1 BBersVG regelt. Den insoweit gestellten Antrag hat der Betriebsrat zu Recht in der Sitzung vom 31.01.1997 nicht mehr gestellt, da insoweit ein Feststellungsinteresse derzeit nicht ersichtlich war. Die Ausführungen des von der Arbeitgeberin eingeholten Privatgutachtens vermögen insoweit nicht zu überzeugen. Zwar ist es richtig, daß bei dem vorliegenden Ergebnis in einem Fall untergeordneter Bedeutung, nämlich bei einer Abordnung bis zu drei Monaten, ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG besteht und dieses weiterreicht, als es für Maßnahmen von größerem Gewicht nach denn § 28, 29 PostpersRG vorgesehen ist. Diese Feststellung setzte allerdings voraus, daß auch in den Fällen der §§ 28, 29 PostpersRG kein weiteres Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG besteht, was die Kammer ausdrücklich offen gelassen hat. Die Ausführungen des Gutachtens lassen allerdings außer Betracht, daß im § 24 PostpersRG ein Grundsatz aufgestellt ist bezüglich der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes und damit die Vorschriften der §§ 28, 29 PostpersRG Ausnahmen von der Grundregelung darstellen, die demzufolge einschränkend zu interpretieren sind. Die Regelung von Ausnahmetestbeständen darf jedenfalls nicht dazu führen, daß diese zur Lückenfüllung herangezogen werden und damit eine generellen Tatbestand regeln, der im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist.

37

Die Richtigkeit der vorliegenden Auslegung ergibt sich auch aus dem Sachverhalt, der zur Durchführung des vorliegenden Feststellungsverfahrens geführt hat. Die Arbeitgeberin hat zunächst andere befristete Versetzungen/Abordnungen vorgesehen, denen der Betriebsrat widersprochen hat. Wäre in der Tat ein Mitbestimmungsrecht für die Abordnung der Beamtinnen und Beamten in diesem Fall nicht gegeben, so könnte die Arbeitgeberin die fehlende Zustimmung des Betriebsrates dergestalt umgehen, daß sie jeweils Beamtinnen und Beamte befristet abordnet und auf diese Weise die vom Betriebsrat geltend gemachten kollektiven Interessen der Belegschaft außer Betracht lassen kann. Da aber die Beamtinnen und Beamten entsprechend den gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten entsprechend ihrer jeweiligen Beschäftigung zugeordnet werden sollen (§ 24 Abs. 2 PostpersRG), zum anderen aufgrund der Privatisierung eine Unterscheidung in den Tätigkeiten nicht mehr erfolgen soll ist, ist insoweit nicht nachvollziehbar weshalb im kollektiven Bereich eine Unterscheidung erfolgen kann, die weder sachlich begründet ist noch die Rechte der Beamten in ihren beamtenspezifischen Angelegenheiten betrifft. Es ist insoweit auch kein Grund ersichtlich, der durch die Bejahung des Mitbestimmungsrechtes nach § 99 BetrVG die Beamten negativ in ihrem Status betreffen kann, denn der Betriebsrat hat die Gesamtinteressen zu wahren, und zwar einerseits die kollektiven Interessen sowie auch andererseits die individuellen Interessen der betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Ausübung des Mitbestimmungsrechtes insoweit auch auf die Abordnungen von Beamtinnen und Beamten stellt sich also letztlich positiv für diese dar und ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

38

Da demzufolge die Arbeitgeberin in den im Antrag genannten Fällen den Betriebsrat nach § 99/100 BetrVG zu beteiligen hat, war auf die Beschwerde des Betriebsrates der Beschluß des Arbeitsgerichtes abzuändern und die entsprechende Feststellung zu treffen.

39

Die Zulassung der Beschwerde beruht auf § 92, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.