Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.03.1997, Az.: 16 a Sa 1651/96
Möglichkeit der Anrechnung einer übertariflichen Zulage; Ne eat judex ultra petita partium; Anrechnung einer Tariflohnerhöhung in Folge der Arbeitszeitverkürzung auf die übertariflichen Lohnbestandteile
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 27.03.1997
- Aktenzeichen
- 16 a Sa 1651/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 15322
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1997:0327.16A.SA1651.96.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Lüneburg - 23.07.1996 - AZ: 2 Ca 2190/95
Rechtsgrundlagen
- § 64 ArbGG
- § 518 ZPO
- § 519 ZPO
- § 611 Abs. 1 BGB
- § 1 TVG
Amtlicher Leitsatz
Im Anschluß an die Entscheidung des BAG vom 07.02.1996 - 1 AZR 657/95 -. Der stillschweigende übliche Anrechnungsvorbehalt einer übertariflichen Zulage erstreckt sich auch bei einer Stundenlohnvereinbarung im Zweifel nicht auf die Steigerung des Entgelts pro Arbeitsstunde, die sich erst aus der entsprechenden Umrechnung des Wochenlohns auf die verkürzte Zeit ergibt. Unentschieden bleibt, ob die übertarifliche Zulage, die für die gekürzten Wochenstunden gezahlt worden ist, anrechenbar ist.
In dem Rechtsstreit
hat die 16 a Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 06.02.1997
durch
die Richterin am Arbeitsgerichts und
die ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1)
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 23.07.1996 - 2 Ca 2190/95 - unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise abgeändert und klarstellend zu Ziff. 1) wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger DM 1.007,07 brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich aus DM 597,56 brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 01.07.1995 und aus dem sich aus DM 409,51 brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 01.09.1995 zu zahlen.
- 2)
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
- 3)
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Anrechnungsmöglichkeit einer übertariflichen Zulage.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.11.1983 als Drucker beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge der Druckindustrie für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag vom 01.11.1983, auf den Bezug genommen wird (Bl. 22 d.A.). Der Kläger erhält als Facharbeiter Lohn nach der Lohngruppe V. Im Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien einen Stundenlohn i.H. v. 13,50 DM. Der damalige Tarifstundensatz des Wochenlohns betrug 13,46 DM. Bis zum 31.03.1995 betrug der Wochenlohn dieser Lohngruppe bei 37 Wochenstunden 818,64 DM brutto, der Stundensatz 22,13 DM. Der Kläger erhielt einschließlich einer übertariflichen Zulage i. H. v. 1,36 DM zuletzt einen Stundenlohn von DM 23,49 brutto.
Am 01. April 1995 wurde in der Druckindustrie die Arbeitszeit tariflich auf 35 Stunden pro Woche bei gleichbleibendem Wochenlohn nach dem Lohnabkommen vom 03.07.1994 verkürzt. Der tarifliche Stundensatz veränderte sich dementsprechend auf 23,39 DM brutto. Die Erhöhung um 1,26 DM rechnete die Beklagte auf die übertarifliche Zulage des Klägers (1,36 DM) an und teilte dies dem Kläger - wie auch den übrigen Stundenlohnempfängern des Betriebes mit Schreiben vom 05.05.1995 mit.
Die Beklagte zahlte dem Kläger weiterhin DM 23,49 brutto pro Stunde bis zum 30.06.1995 unter Hinweis auf die Anrechnung der übertariflichen Zulage. Ab 01.07.1995 erfolgte eine weitere Tariflohnerhöhung. Der Stundensatz der Lohngruppe V betrug DM 23,86 brutto. Die außertarifliche Zulage i.H. v. 0,10 DM wurde weiterhin gezahlt.
Mit Schreiben vom 19.09., 29.08., 27.07. und 23.06.1995, auf die Bezug genommen wird (Bl. 4-8 d.A.), wehrte sich der Kläger gegen die Anrechnung der übertariflichen Zulage bei der Arbeitszeitverkürzung.
Der Kläger begehrt für die Monate April bis Juni, in denen er insgesamt 474,25 Stunden arbeitete, eine Nachzahlung von DM 597,56 (1,26 DM brutto pro Stunde) und für die Monate Juli und August 1995, in denen er 325 Stunden arbeitete, eine Nachzahlung in Höhe von 509,51 DM (1,26 DM brutto pro Stunde).
Der Kläger hat folgende Auffassung vertreten:
Die Anrechnung einer übertariflichen Zulage auf die Tariflohnerhöhung in Folge Arbeitszeitverkürzung sei der Beklagten nicht gestattet. Die übertarifliche Zulage sei nämlich als außertarifliche Leistungzulage zusätzlich zu dem tariflichen Wochenlohn von der Beklagten gezahlt worden. Nach den zwischen den Parteien getroffenen einzelvertraglichen Vereinbarungen sei darüber hinaus ein Wochenlohn zugrunde zu legen. Die im Arbeitsvertrag getroffene Stundenlohnvereinbarung habe lediglich als Berechnungsgrundlage für die tarifvertraglich geregelten Zulagen gedient.
Tatsächlich sei jedoch auch hier der tarifliche Wochenlohn maßgeblich. Infolge der getroffenen Wochenlohnvereinbarung sei auch die effektive Lohnhöhe trotz kürzerer Arbeitszeit unberührt geblieben.
Der Kläger hat beantragt
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.007,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich aus 597,56 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 01.07.1995 und auf den sich aus 409,51 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 01.09.1995 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat folgende Auffassung vertreten:
Für die Tarifverträge der Druckindustrie habe das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich festgestellt, daß eine Tariflohnerhöhung aus Anlaß einer Arbeitszeitverkürzung grundsätzlich eine auf übertarifliche Zulagen anrechenbare Tariflohnerhöhung darstelle. Ob eine sich aus der Arbeitszeitverkürzung ergebende indirekte Lohnerhöhung auf den übertariflichen Lohnteil im Einzelfall anrechenbar sei, richte sich danach, ob der übertarifliche Lohnteil für einen Wochenabschnitt vereinbart oder nur pro Stunde festgelegt worden sei. Nur die Vereinbarung eines Lohnes für einen bestimmten Zeitabschnitt führe dazu, daß eine Arbeitszeitverkürzung die effektive Lohnhöhe trotz kürzerer Arbeitszeit unberührt lasse.
Da die Vergütung des Klägers einzelvertraglich ausdrücklich auf der Basis des Stundenlohns vereinbart worden sei, sei eine Anrechnung grundsätzlich zulässig. Es handele sich bei der übertariflichen Zahlung auch um eine anrechenbare Zulage, weil sie nicht als selbständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn stehen sollte.
Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 23. Juli 1996 stattgegeben, die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt und den Streitwert auf DM 1.159,82 festgesetzt.
Es hat zur Begründung ausgeführt, daß entgegen der Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG AP-Nr. 58 zu § 1 Tarifvertragsgesetz Tarifverträge) die Auffassung vertreten werde, daß der Arbeitgeber allgemeine oder unspezifische außertarifliche Lohnzulagen, die Zeit- oder Akkordlöhnern gewährt werden, im Falle einer Tariflohnerhöhung in Folge Arbeitszeitverkürzung grundsätzlich nicht angerechnet werden können. Das BAG beachte nämlich nicht, daß Ausgangspunkt für die Anrechnung die einzelvertragliche Abrede einer übertariflichen Zulage sein müsse. Durch Auslegung sei festzustellen, daß es dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechen würde, nur Tariferhöhungen mit gleicher Zielsetzung auf die Zulage anzurechnen. Der tariflich gewährte Verkürzungsausgleich, der durch Arbeitszeitverkürzung bei gleichbleibendem Wochenlohn erfolgte, verfolge einen anderen Zweck, nämlich die Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile aus der Verringerung der Wochenarbeitszeit. Es gehe nicht um eine Verdienstaufbesserung, so daß anzunehmen sei, daß die Parteien des Arbeitsvertrages eine Aufzehrung der Zulage durch einen tariflichen Verkürzungsausgleich nicht vorgesehen hätten, falls dies Gegenstand der Verhandlungen gewesen wäre. Darüber hinaus habe tatsächlich auch keine Tariflohnerhöhung stattgefunden, sondern nur rein rechnerisch. Auch sei eine Gleichbehandlung der Arbeitnehmer andernfalls nicht gesichert. Es lasse sich nicht rechtfertigen, daß die Angestellten bei gleichfalls verringerter Arbeitszeit ihr bisheriges Gehalt weiter erhalten würden, während die Zeitlöhner Einbußen hinnehmen müßten. Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen (Bl. 53 bis 61 d.A.).
Gegen dieses der Beklagten am 15.08.1996 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.09.1996 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.11.1996 begründet.
Die Beklagte trägt vor:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne der Arbeitgeber übertarifliche Zulagen im Falle einer Tariflohnerhöhung grundsätzlich auf den Tariflohn anrechnen, es sei denn, daß dem Arbeitnehmer auf Grund einer vertraglichen Abrede die Zulage als selbständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn zustehen sollte. Da Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Verdienstes im vorliegenden Fall der jeweilige Stundenlohn sei, dieser sich für den Kläger in Folge der Wochenarbeitszeitverkürzung erhöht habe, liege eine Tariflohnerhöhung vor, auch wenn sich die Einkommenssituation des Klägers insgesammt nicht verbessert habe.
Zu berücksichtigen sei auch, daß die Arbeitszeitverkürzung den Arbeitnehmern einen nicht unerheblichen Freizeitvorteil bringe.
Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht vor, wenn bei Arbeitnehmern mit Monatslohn oder Monatsgehalt keine Anrechnung des übertariflichen Entgeltbestandteils bei Arbeitszeitverkürzung vorgenommen werde, dagegen bei Arbeitern mit Stundenlohn die Anrechnung erfolge. Ein sachlicher Grund ergebe sich aus der unterschiedlichen Ausgestaltung der Vergütungsvereinbarung selbst.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 23.07.1996 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, daß die Anrechnung der Tariflohnerhöhung unzulässig sei. Es werde verkannt, daß im Anwendungsbereich des Manteltarifvertrages der Druckindustrie und insbesondere auch im Anwendungsbereich des Lohnabkommens für die Druckindustrie 94/95 vom 03.07.1994 grundsätzlich Wochenlöhne die Bemessungsgrundlage der Vergütung darstellten. Vor diesem Hintergrund sei es unerheblich, ob im Arbeitsvertrag insoweit etwas anderes geregelt sei. Die von der Beklagten vorgenommene angebliche Anrechnung des Arbeitszeitverkürzungsausgleichs auf den Stundenlohn führe effektiv zu einer Kürzung des tariflich maßgeblichen Wochenlohns und habe deshalb mit einer Anrechnung nichts zu tun. Hierauf habe jüngst auch ausdrücklich der 1. Senat des BAG hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und deren Anlagen insbesondere die Schriftsätze vom 11.11.1996 (Bl. 75 bis 79 d.A.), 23.01.1997 (Bl. 94,95 d.A.) und 30.01.1997 (Bl. 99, 100 d.A.) verwiesen.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 66 Abs. 1, 64 ArbGG, 518, 519 ZPO).
Die Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im wesentlichen Teil unbegründet.
I.
In Höhe eines Betrages von DM 152,75 brutto ist die Berufung begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung dieses Betrages, der sich aus der Differenz zwischen dem ursprünglich angekündigten Antran in Höhe von DM 1.159,82 und dem dann tatsächlich beantragten Klaganspruch in Höhe von DM 1.007,07 brutto ergibt.
Dies folgt aus § 308 Abs. 1 ZPO, nach dem das Gericht nicht befugt ist, einer Partei etwas zuzusprechen, was diese nicht beantragt hat. In Höhe des Betrages von 152,75 DM brutto hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16.04.1996 (Bl. 43 d.A.) die Klage zurückgenommen (§ 259 Abs. 1 ZPO) und auch keinen Antrag mehr gestellt. Einer Zustimmung zu der teilweisen Klagrücknahme durch die Beklagte bedurfte es derzeit nicht (vgl. Zöller, ZPO-Kommentar, 20. Aufl. 1996, § 269 Anmerkung 3). Offensichtlich nur versehentlich wurde dem Kläger dieser Betrag im erstinstanzlichen Urteil zugesprochen.
II.
In Höhe eines Betrages von 1.007,07 DM brutto ist die Berufung unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt DM 1.007,07 brutto außertariflicher Zulage für die Monate April bis August 1995 (§§ 611, 614 BGB). Hierbei handelt es sich um die Differenz zwischen der dem Kläger gewährten übertariflichen Zulage von nur noch 0,10 DM brutto und der von ihm beanspruchten übertariflichen Zulage von 1,36 DM brutto.
Die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung der Tariflohnerhöhung in Folge der Arbeitszeitverkürzung auf die übertariflichen Lohnbestandteile des Klägers ist nicht wirksam.
Gegenüberzustellen waren für die Entscheidung dieser Rechtsfrage die Rechtsprechung des BAG - 4. Senat - und die zuletzt getroffene Entscheidung des BAG - 1. Senat -.
1.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - 4. Senat - kann der Arbeitgeber übertarifliche Zulagen im Falle einer Tariflohnerhöhung grundsätzlich auf den Tariflohn anrechnen, wenn nicht durch eine übertarifliche Zulage besondere Leistungen abgegolten werden sollen oder durch sie besondere Umstände neben dem Tariflohn Berücksichtigung finden sollen (vgl. BAG v. 01.11.1956 - 2 AZR 194/54 -; vom 06.03.1958 - 2 AZR 457/55 -; vom 13.11.1963 - 4 AZR 25/63; vom 28.10.1964 - 4 AZR 266/63 -; vom 11.08.1965 - 4 AZR 187/64 -;). Diese Rechtssprechung wurde vom 5. Senat des BAG wiederholt (vgl. Urteil vom 19.07.1978 - 5 AZR 180/77; vom 22.08.19.79 - 5 AZR 769/77; Urteil vom 03.06.1987 in AP-Nr. 58 zu § 1 Tarifvertragsgesetz Tarifverträge Metallindustrie mit weiteren Nachweisen). Eine Zusammenfassung dieser Rechtssprechung findet sich noch einmal in dem Urteil vom 08.12.1982 (4 AZR 481/80 in AP-Nr. 15 zu § 4 Tarifvertragsgesetz übertariflicher Lohn- und Tariflohnerhöhung) sowie in BAG 38, 118, 123; vom 12.11.1986 in AP-Nr. 1 zu § 61 TV AL II; vom 29.04.1987 in AP-Nr. 5 zu § 51 TV AL II.
Nach den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts ist die Zulage nicht als selbständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden.
Eine besondere Anrechnungsvereinbarung wurde nicht getroffen. Auch eine stillschweigende Vereinbarung etwa aus einer betrieblichen Übung, den besonderen Umständen bei den Vertragsverhandlungen oder dem Zweck der Zulage liegt nicht vor (vgl. hierzu BAG in AP-Nr. 1 zu § 4 Tarifvertragsgesetz Tariflohn- und Leistungsprämie). In der tatsächlichen Zahlung einer übertariflichen Zulage allein kann noch nicht die vertragliche Abrede erblickt werden, die Zulage solle auch nach einer Tariflohnerhöhung als selbständiger Lohnbestandteil neben dem künftigen Tariflohn gezahlt werden. Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung selbst dann, wenn die übertarifliche Zulage über einen längeren Zeitraum vorbehaltslos zum Tariflohn gezahlt und bisher niemals mit Tariflohnerhöhungen verrechnet wurden (vgl. BAG vom 08.12.1982 - 4 AZR 481/80 in AP-Nr. 15 zu § 4 Tarifvertragsgesetz über tariflicher Lohn- und Tariflohnerhöhungen).
Eine Vereinbarung über eine Leistungszulage hat der Kläger nicht ausreichend substantiiert vorgetragen.
Der Kläger ist für das Zustandekommen der von der Beklagten bestrittenen Behauptung einer solchen Vereinbarung darlegungs- und beweispflichtig. Sein Vortrag zur Leistungszulage war unzureichend, so daß zugunsten der Beklagten davon auszugehen war, daß es eine Vereinbarung über eine Leistungszulage nicht gegeben hat. Auch den von dem Kläger vorgelegten Abrechnungen konnte entsprechendes nicht entnommen werden. Die Abrechnungen weisen nämlich einen einheitlichen Stundenlohn, keine Differenzierung in Tariflohn und Zulage aus. Mithin handelt es sich um eine allgemeine oder unspezifische außertarifliche Zulage. Diese kann nach der Rechtsprechung des 4. Senats des BAG zum Ausgleich einer auf Grund Arbeitszeitverkürzung sich ergebenden Lohnerhöhung verwendet werden (vgl. Rechtsprechung a.a.O.), kann auch automatisch erfolgen, verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und bedarf nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates.
Eine sich aus der Arbeitszeitverkürzung ergebende indirekte Lohnerhöhung kann aber nur dann auf den übertariflichen Lohnteil angerechnet werden, wenn der übertarifliche Lohnteil nicht für einen Wochenabschnitt vereinbart worden ist, sondern pro Stunde festgelegt wurde (so zuletzt der 4. Senat des BAG v. 14.06.1989 - 4 AZR 116/89, amtl. nicht veröffentlicht).
Im vorliegenden Rechtsstreit beruht die von der Beklagten dem Kläger bis zum 31.03.1995 gezahlte übertarifliche Zulage nicht auf einer Wochenlohn-, sondern auf einer Stundenlohnvereinbarung. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß nach dem auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Tarifbindung anwendbaren Tarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und dem Lohnabkommen der Tariflohn als Wochenlohn ausgestaltet worden ist. Die tarifvertragliche Ausgestaltung des Tariflohns als Wochenlohn ist nämlich nicht maßgeblich dafür, ob Grundlage der übertariflichen Zulage der Stunden- oder der Wochenlohn ist.
Dieses richtet sich vielmehr allein nach den Einzelarbeitsverträgen (vgl. hierzu BAG 4 AZR 116/89 vom 14.06.1989). Maßgeblich ist daher die Auslegung der einzelvertraglichen Abrede. Es ist die Frage zu stellen, ob die mit dem Beklagten vereinbarte Zahlung des übertariflichen Lohnbestandteils eine Entlohnung für die Stundenarbeitsleistung darstellen soll.
Vorliegend ist von einer Stundenlohnvereinbarung auszugehen. Der mit dem Kläger abgeschlossene Arbeitsvertrag beinhaltet ausdrücklich eine Stundenlohnvereinbarung. Der Lohn wird jeweils als Gesamtstundenlohn ausgewiesen und setzt sich zusammen aus dem Tariflohn für eine Stunde und einer ebenfalls auf die Stunde bezogenen übertariflichen Zulage. Ebenso weisen die Lohn- und Gehaltsabrechnungen eine Abrechnung nach Stunden aus. Auch der Umstand, daß es einfacher ist, im gewerblichen Bereich einen Stundenlohn abzurechnen als einen Wochenlohn (etwa bei der Abrechnung von Zulagen, Fehlzeiten, Überstunden, Krankheits-, Feiertags- oder Urlaubsentgelt), spricht für diese Auslegung. Allein die Tatsache, daß der Tariflohn ein Wochenlohn ist, läßt nicht darauf schließen, daß auch der übertarifliche Lohn ein Wochenlohn sein soll, zumal im vorliegenden Rechtsstreit im Arbeitsvertrag (Bl. 22 d.A.) ausdrücklich ein Stundenlohn ausgewiesen und vereinbart worden ist.
2.
Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - 1. Senat - (vgl. BAG vom 07.02.1996 - 1 AZR 657/95 in NZA 96, 832 f.) erstreckt sich allerdings der stillschweigende übliche Anrechnungsvorbehalt einer übertariflichen Zulage im Zweifel nicht auf die Steigerung des Entgelts pro Arbeitsstunde, die sich erst aus einer entsprechenden Umrechnung des Wochenlohns auf die verkürzte Arbeitszeit ergibt. Das BAG - 1. Senat - führt aus, daß jede Arbeitszeitverkürzung mit vollem oder teilweisem Entgeltausgleich, ebenso wie eine Verlängerung der Pausenzeiten, zu einem erhöhten Arbeitsentgelt pro Zeiteinheit führt. Dieser Ausgleichsbetrag werde nicht von einer Anrechnungsklausel erfaßt, die stillschweigend oder durch bloßen Freiwilligkeitsvorbehalt vereinbart wurde und sich generell auf Tariferhöhungen beziehe. Dies ergebe sich schon daraus, daß unter einer Tariferhöhung im allgemeinen Sprachgebrauch nur eine Erhöhung des tariflich geschuldeten Entgeltbetrages verstanden werde, nicht dagegen eine bloße Steigerung des Werts der Arbeitsleistung pro Zeiteinheit auf Grund einer Arbeitszeitverkürzung oder Pausenverlängerung ohne entsprechende Kürzung des Arbeitsentgelts. Aus der Sicht des Arbeitnehmers liege eine Tariflohnerhöhung nur dann vor, wenn sich der Betrag des tariflich geschuldeten Arbeitsentgelts erhöhe. Dieses Verständnis des üblichen und im allgemeinen zu unterstellenden Anrechnungsvorbehalts entspreche auch dem Zweck einer übertariflichen Zulage. Diese solle das für den Arbeitsnehmer verfügbare Einkommen erhöhen und der Entwicklung anpassen. Die Annahme, daß mit der Gewährung einer übertariflichen Zulage, die nicht an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sei, regelmäßig ein Anrechnungsvorbehalt verbunden sei, finde ihre Rechtfertigung darin, daß eine solche Tariflohnerhöhung den schon vorher mit der Zulage verfolgten Zweck erfülle und diesen daher ersetzen könne. Das sei indessen nur dann der Fall, wenn sich das Gesamtvolumen des Tarifentgelts erhöhe, nicht dagegen bei einer Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich.
3.
Das Gericht schließt sich dieser Auffassung des 1. Senats des BAG (BAG vom 07.02.1996 - 1 AZR 657/95) aus folgenden Überlegungen an:
Bei der normal üblichen Tariflohnerhöhung - ganz gleich ob es eine Gehalts-, Wochenlohn- oder Stundenlohnvereinbarung betrifft - wird regelmäßig der Gesamtlohn erhöht. Bei der Tariflohnerhöhung durch Arbeitszeitverkürzung bleibt der Gesamtlohn zumindest identisch, wenn ein voller Lohnausgleich vereinbart wurde. Die Anrechnungsmöglichkeit einer übertariflichen Zulage führt dagegen bei Arbeitszeitverkürzung zu einer Reduzierung des Gesamtlohnes.
Außerdem dürfte nur diese Auslegung dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechen. Die generelle außertarifliche Zulage wird in der Regel zur Erreichung eines größeren Arbeitseinkommens, d. h. eines besseren Lebensstandarts gewährt. Der tariflich gewährte Ausgleich, der im vorliegenden Fall durch Arbeitszeitverkürzung bei gleichbleibendem Wochenlohn erfolgte, verfolgt dagegen einen ganz anderen Zweck, nämlich die Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile aus der Verringerung der Wochenarbeitszeit.
Es geht nicht um eine Verdienstaufbesserung. Daher muß angenommen werden, daß die Parteien des Arbeitsvertrages eine Aufzehrung der Zulage durch einen tariflichen Verkürzungsausgleich nicht vorgesehen hätten, falls er Gegenstand der Verhandlungen gewesen wäre.
Darüber hinaus hat tatsächlich auch keine Tariflohnerhöhung stattgefunden. Nur rein rechnerisch erhöhte sich auf Grund verkürzter wöchentlicher Arbeitszeit der Stundenlohn des Klägers. Das tatsächliche Einkommen des Klägers verringert sich aber. Auf die jeweiligen Zeitabschnitte betrachtet (wochenweise oder monatsweise) - 52 Wochen pro Jahr oder 12 Monate pro Jahr - verdient der Lohnempfänger insgesamt weniger als zuvor. Daher darf die sich auf Grund der Verkürzung der Arbeitszeit ergebende Tariflohnerhöhung auch bei Stundenlohnvereinbarungen nicht dazu führen, daß durch eine Anrechnung auf übertarifliche Lohnbestandteile der sich für den einzelnen Arbeitnehmer ergebende Gesamtwochenlohn verringert. Denn das von den Tarifvertragsparteien gesetzte Ziel der Verdienstsicherung kollidiert mit der auf Grund der Anrechnungsmöglichkeit gewährten Verkürzung des wöchentlichen oder monatlichen Gesamtlohnes. Bei Zeitlöhnern führt die Anrechnung zwangsläufig zu einer Reduzierung des Arbeitseinkommens. Abzustellen ist in diesem Fall nicht auf den einzelnen Stundenlohn, auch nicht auf den einzelnen Tageslohn, sondern auf den Lohn der jeweiligen gleichbleibenden Zeiträume, also auf den Wochenlohn. Im übrigen ist Grundlage des Tarifvertrages nicht ein Stundenlohn, sondern ein Wochenlohn, so daß auch dies ein deutliches Zeichen dafür ist, daß die Tarifvertragsparteien an die echte Verdienstsicherung der Löhne auch im Wochenzeitabschnitt gedacht haben, keinesfalls an eine Reduzierung des Verdienstes auf Grund der Arbeitszeitverkürzung.
Darüber hinaus verstößt die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Die Zielsetzung des Tarifvertrages, die Arbeitszeit bei gleichem Lohn zu verkürzen, unterläuft der Arbeitgeber, der außertarifliche Lohnbestandteile auf die Zulage anrechnet, außertarifliche Gehaltsanteile dagegen im Rahmen der Arbeitszeitverkürzung unberührt läßt. Als privatwirtschaftlich agierender Unternehmer ist der Arbeitgeber zwar nicht unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz gebunden, wohl aber an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, der nach herrschender Lehre bei der Anrechnung übertariflicher Vergütungsteile anwendbar ist (BAG vom 22.08.1979 in DB 1980, 406; Schaub Arbeitsrechtshandbuch 8. Aufl. 1996 § 204 VI Nr. 3). Der Arbeitgeber verletzt diesen Grundsatz mit der Anrechnungspraxis, denn diese führt zwangsläufig zu einer Schlechterstellung der Lohnempfänger gegenüber den Gehaltsempfängern - wie oben bereits dargestellt -. Dieses Ergebnis, das der Tarifvertrag durch den Verkürzungsausgleich gerade vermeiden wollte, ist nicht hinzunehmen. Auch vergütungsrechtliche Unterschiede bei der Arbeitnehmergruppe rechtfertigen diese ungleiche Behandlung nicht. Im Bereich der Angestellten müßte nämlich die Abrede einer außertariflichen Gehaltszulage in gleicher Weise, zumindest dem vergütungsmäßigen Ergebnis nach, interpretiert werden. Sie würde dann unter dem Vorbehalt stehen, daß bei einer späteren Arbeitszeitverkürzung die "an sich" erforderliche Gehaltsminderung wegen der verringerten Dienstleistung durch eine entsprechende Herabsetzung der außertariflichen Zulage durchgeführt werden kann. Nur diese Auslegung würde dem Gebot der Gleichbehandlung entsprechen.
Im übrigen ist es dem Arbeitgeber unbenommen, Anrechnungsklauseln ausdrücklich zu vereinbaren. Dann müßte er für Arbeiter und Angestellte Absprachen treffen, die vergütungsmäßig auf das gleiche Ergebnis hinauslaufen, wenn er nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen will. Jedenfalls kann er zu dem Zeitpunkt, in dem eine Arbeitszeitverkürzung vorgenommen wird, sich nicht auf das Argument zurückziehen, bei Arbeitern sei die Verrechnung der Zulage mit dem Verkürzungsausgleich möglich, bei Angestellten aber wegen Fehlens eines entsprechenden Ausgleichsbetrages nicht oder nur über eine Vertragsänderung. Die Ungleichbehandlung vollzieht sich in zwei Schritten. Sie wird bei Abschluß der Ausgangsvereinbarung vorbereitet und später bei Inkrafttreten der Arbeitszeitverkürzung realisiert. Die Ungleichbehandlung läßt sich auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, kraft der vertraglich getroffenen Vergütungsabrede erziele der Zeitlöhner einen von Monat zu Monat schwankenden und der Gehaltsempfänger einen gleichbleibenden Verdienst (vgl. BAG vom 03.06.1987, in AP-Nr. 58 zu § 1 Tarifvertragsgesetz Tarifverträge: Metall-Industrie). Im Durchschnitt mehrerer Monate, gleicht sich die Anzahl der dem Arbeiter zu vergütenden Stunden ggü. dem Gehaltsempfänger aus, so daß in der Praxis des Arbeitslebens von einer durchschnittlichen monatlichen Stundenzahl ausgegangen wird, die sowohl der Arbeiter als auch der Angestellte ableisten muß. Die unterschiedliche Berechnungsweise des Entgelts ist dabei von sekundärer Natur und rechtfertigt es nicht, den durchschnittlichen Monatsverdienst der Arbeiter infolge der Zulagenanrechnung herabzusetzen, während dies den Angestellten nicht zugemutet wird.
Insgesamt folgt daher das Landesarbeitsgericht den Ausführungen des 1. Senats des BAG (1 AZR 657/95 Urteil vom 07.02.1996).
4.
Unentschieden blieb im vorliegenden Rechsstreit die Frage, ob die außertarifliche Zulage i.H.v. 1,36 DM brutto pro Stunde für die 36. und 37. Wochenstunde anrechenbar gewesen wäre oder nicht, dann diese hatte der Kläger nicht eingeklagt. Der Kläger begehrte die Zulage nur auf die von ihm tatsächlich geleisteten Stunden, also auf 35 Wochenstunden.
Da insgesamt festzustellen war, daß die auf Grund der tariflichen Arbeitszeitverkürzung sich ergebende Tariflohnerhöhung nicht anrechenbar war, war die Berufung zum überwiegenden Teil zurückzuweisen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 284, 288 BGB. Zinsen stehen dem Kläger nur aus den den zuerkannten Bruttobeträgen entsprechenden Nettobeträgen zu (BAG AP Nr. 2 zu § 21 TV AL II und seither ständig).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2, 97 ZPO.
Die Revision war zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG).