Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.10.1997, Az.: 15 Sa 2325/96

Anspruch auf Beschäftigung bei krankheitsbedingter Unmöglichkeit der Erbringung der Tätigkeit eines Kraftfahrzeugmechanikers; Ausmaß und Grenzen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber schwerbehinderten Arbeitnehmern; Voraussetzung einer freien Stelle und der tatsächlichen Leistungsmöglichkeit für einen Weiterbeschäftigungsanspruch; Fehlende kaufmännische Auslbildung als Hinderung einer Weiterbeschäftigung als Automobilverkäufer

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
08.10.1997
Aktenzeichen
15 Sa 2325/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 14884
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1997:1008.15SA2325.96.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hameln - 31.10.1996 - AZ: 1 Ca 298/96

In dem Rechtsstreit
hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 08. Oktober 1997
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 31.10.1996 - 1 Ca 298/96 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Beschäftigungsanspruch des Klägers.

2

Die Beklagte betreibt als autorisierte Fachhändlerin der ... einen Kfz.-Handel und eine Kfz.-Werkstatt. Sie beschäftigt ca. 35 Arbeitnehmer. Der am 06.12.1943 geborene Kläger, verheiratet, 2 Kinder, trat am 01.04.1958 als Kfz-Mechanikerlehrling in die Dienste der Beklagten und war nach Ablegung der Gesellenprüfung bei ihr, unterbrochen durch seine Bundeswehrzeit, als Kfz.-Mechaniker tätig. Nach einem Bandscheibenschaden ist er seit Februar 1992 arbeitsunfähig krank. Nachdem der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger bei einem Besuch im Krankenhaus im Dezember 1992 noch erklärt hatte, die Beklagte werde einen langjährigen Mitarbeiter nicht im Stich lassen, kam es im März 1993 zu einem erneuten Gespräch, daß die Beklagte mit Schreiben vom 08.03.1993 folgendermaßen bestätigte:

Sehr geehrter Herr

wir bestätigen das zwischen Ihnen und Herrn Kunz geführte Gespräch, in dem Sie zum Ausdruck brachten, daß nach dem bisherigen Krankheitsverlauf eine Weiterbeschäftigung als Kfz.-Mechaniker ausgeschlossen erscheint. Sie fragten dann nach, ob eine andere Tätigkeit innerhalb des Betriebes möglich wäre, z. B. im Kundendienst. Herr ... erklärte Ihnen daraufhin, daß diese Arbeitsplätze durch langjährige Mitarbeiter besetzt sind und deshalb eine Beschäftigung mit geringerer körperlicher Belastung nicht angeboten werden kann.

Sie führten weiter aus, daß Sie sich nunmehr an die LVA wenden wollen, damit entsprechende Maßnahmen für Sie ergriffen werden.

3

Mit Schreiben vom 21.06.1993 (Bl. 11 d. A.) erklärte die Beklagte dem Arbeitsamt, daß sie auf ihr Weisungs- und Direktionsrecht gegenüber dem Kläger verzichte und das Arbeitsverhältnis lediglich aus formalen Gründen aufrechterhalte. Im Juli 1993 erbrachte eine amtsärztliche Untersuchung, daß der Kläger als Kfz.-Mechaniker auf Dauer arbeitsunfähig sei. Seit dem 13.06.1993 ist der Kläger als Schwerbehinderter anerkannt. Er bezieht seit August 1993 Leistungen des Arbeitsamtes, die lediglich während einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme von Januar bis Oktober 1995 durch Leistungen der Landesversicherungsanstalt ersetzt wurden.

4

Zu dieser außerbetrieblichen Rehabilitationsmaßnahme kam es, weil die Beklagte eine betriebliche Wiedereingliederung des Klägers mangels freien, geeigneten Arbeitsplatzes zumindest gegenüber dem Arbeitsamt, nach der Behauptung des Klägers auch gegenüber der Landesversicherungsanstalt im Jahre 1993 abgelehnt hatte. Das Fortbildungsseminar umfaßt: Arbeiten mit dem PC, elektronische Textverarbeitung und Tabellenkalkulation, Rhetorik, kaufmännischer Schriftverkehr, betriebliche Mathematik, Wirtschafts- und Sozialkunde, sowie Maschinenschreiben. Am 28.09.1995 stellte die Industrie- und Handelskammer dem Kläger eine Bescheinigung über die erfolgreiche Teilnahme an einem Computer-Zertifikats-Lehrgang aus. Im Oktober 1995 schloß sich ein 4wöchiges Betriebspraktikum bei einem anderen Opelhändler in den Bereichen Lager, Kundendienst und Verkauf an.

5

Mit seiner Klage vom 16.04.1996 macht der Kläger nunmehr seine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten auf einem anderen leidensgerechten Arbeitsplatz geltend und zwar als Kundendienstberater, ersatzweise im Ersatzteillager oder im Neu- und Gebrauchtwagenhandel.

6

Der Personalbestand in diesen Bereichen seit der Klageerhebung stellt sich wie folgt dar:

1.
Kundendienst

Werkstatt-Meister

Eintritt: 16.04.94

Schulbildung: 01.04.63-31.03.74 Hauptschulabschluß

Berufsausbildung: 01.04.74-31.03.77 Kfz-Mechaniker-Lehre

Berufl. Werdegang: anschließend Tätigkeit als Kfz.-Mechaniker 25.03.85-24.01.86

Kfz.-Meister-Ausbildung

anschließend Tätigkeit als Kfz.-Meister

Kundendienstberater

Eintritt: 01.04.61

Schulbildung: 01.04.53-31.03.61 Hauptschulabschluß

Berufsausbildung: 01.04.61-30.09.64 Kfz.-Mechaniker-Lehre

Berufl. Werdegang: anschließend Tätigkeit als Kfz.-Mechaniker ab 01.05.71 Kundendienstberater

Zusatz-Aufgaben: Betriebsratsvorsitzender

Kundendienstleiter

Eintritt: 01.01.51

Schulbildung: 1941-1950 Hauptschulabschluß

Berufsausbildung: 01.01.51-31.12.53 Großhandelskaufmann-Lehre

Berufl. Werdegang: anschließend Tätigkeit als Kfm.-Angestellter im Werkstattbereich

ab 01.06.72 Kundendienstleiter

Kundendienstberater

Eintritt: 01.04.56 Wiedereintritt: 01.10.76

Schulbildung: 01.04.48-31.03.56 Hauptschulabschluß

Berufsausbildung: 01.04.56-30.09.59 Kfz.-Mechaniker-Lehre

Berufl. Werdegang:anschließend Tätigkeit als Kfz.-Mechaniker
ab 15.06.64 Kundendienstberater in
ab 01.10.76 Kundendienstberater in

Zusatz-Aufgaben: Mitglied des Betriebsrates

2.
Teilelager

Teilelager-Leiter

Eintritt: 01.04.73

Schulbildung: 01.04.64-31.03.73 Hauptschulabschluß

Berufsausbildung: 01.04.73-31.03.76 Großhandelskaufmann - Lehre

Berufl. Werdegang:anschließend Tätigkeit als Kfm.-Angestellter im Teilelager
ab: 01.07.88 Teilelager-Leiter

Lagerist

Eintritt: 01.10.51 Wiedereintritt: 01.03.70

Schulbildung: 1943-1951 Hauptschulabschluß

Berufsausbildung:01.10.51-30.09.55 Kfz.-Mechaniker-Lehre
01.07.61-28.02.70 selbständiges Taxi-Unternehmen
ab 01.03.70 Lagerist
(ausgeschieden: 31.10.1996)

technischer Angestellter

Eintritt: 01.08.89

Schulbildung:01.09.78-30.06.84Hauptschule
01.07.84-31.07.88Realschule (Abschluß)
01.08.88-31.07.89Höhere Handelsschule (Abschluß)

Berufsausbildung: 01.08.89-31.07.91 Einzelhandelskaufmann-Lehre

Berufl. Werdegang: anschließend Tätigkeit als technischer Angestellter im Teilelager

technischer Angestellter

Eintritt: 01.08.94

Schulbildung:1983-1990Hauptschule
1990-1993Realschule (Abschluß)
01.08.93-31.07.94Höhere Handelsschule (Abschluß)

Berufsausbildung: 01.08.94-31.07.96 Großhandelskaufmann-Lehre

Beruf. Werdegang: anschließend Tätigkeit als technischer Angestellter im Teilelager (Nachfolger von Herrn ...)

3.
Automobil-Verkauf

Automobilverkäufer

Eintritt: 01.12.78

Schulbildung:1960-1964Grundschule
1964-1970Realschule (Abschluß)

Berufsausbildung: 01.08.70-31.07.73 Industriekaufmann-Lehre

Berufl. Werdegang: anschließend Tätigkeit als Kfm.-Angestellter bei

ab 01.12.78 Automobilverkäufer

Automobilverkäufer

Eintritt: 01.08.1981

Schulbildung:1970-1980Hauptschulabschluß
1980-1981Realschule (Abschluß)

Berufsausbildung: 01.08.81-31.07.84 Großhandelskaufmann-Lehre

Berufl. Werdegang: anschließend Tätigkeit als Automobilverkäufer

Automobilverkäufer

Eintritt: 01.07.94

Schulbildung: 1953-1962 Hauptschulabschluß

Berufsausbildung: 1962-1965 Kfz.-Mechaniker-Lehre

Berufl. Werdegang: anschließend Tätigkeit als Kfz.-Mechaniker

ab 1971 Automobilverkäufer

stellvertretender Verkaufsleiter

Eintritt: 15.04.97

Schulbildung: 1963-1972 Hauptschulabschluß

Berufsausbildung:1972-1975 Kfz.-Mechaniker-Lehre
1976-1980 Bundeswehr
1981-1983 Fachoberschule und Kfz.-Meister-Prüfung
ab 1984 Automobilverkäufer,
z. Teil Verkaufleiter

(Nachfolger vom bisherigen Geschäftsführer und Verkaufsleiter)

Automobilverkäufer

Eintritt: 01.06.97

Schulbildung:1957-1961Grundschule
1961-1966Realschule (Abschluß)

Berufsausbildung: 1972-1974 Industriekaufmann-Lehre

Berufl. Werdegang: ab 1975 Tätigkeit als Automobilverkäufer

Automobilverkäufer

Eintritt: 01.09.96

Schulbildung: 1978-1987 Hauptschulabschluß

Berufsausbildung:1987-1988Berufsgrundbildungsjahr Metall-Technik
1988-1991Kfz.-Mechaniker-Lehre

Berufl. Werdegang: anschließend Tätigkeit als Kfz.-Mechaniker ab 1995 Automobilverkäufer

(ausgeschieden am 30.06.1997)

Automobilverkäuferin

Eintritt: 01.12.95

Schulbildung:1966-1969Grundschule
1969-1971Auslandsschule in Amerika
1971-1980Gymnasium (Abitur)
Berufsausbildung:1981-1982Polizeidienst
1982-1987Mutterschaft
1897-1992Studium Lehramt an der
1992-1994Umschulung Industriekauffrau
anschließend Tätigkeit als Kfm.-Angestellte
ab 01.12.95 Automobilverkäuferin
(ausgeschieden am 30.06.96)
7

Mittlerweile hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 19.08.1997 zum 31.03.1998 gekündigt, nachdem die Hauptfürsorgestelle mit Bescheid vom 16.07.1997 ihre Zustimmung erteilt hatte. Der Kläger hat gegen die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle Widerspruch eingelegt und gegen die Kündigung Klage erhoben (Arbeitsgericht Hameln, 1 Ca 531/97). Die Hauptfürsorgestelle hatte ein arbeitsmedizinisches Gutachten eingeholt. Der Gutachter ... hatte folgenden Befund festgestellt:

  • Linksseitige Lumbo-Ischialgie bei Bandscheiben-Protrusion LWK 4/5 links im Feb. 1992
  • Nukleotomie LWK 4/5 links mit Foraminotomie am 28.10.92
  • leichte Hyperlordose der LWS mit beginnender Höhenminderung des Bandscheibenraumes L 5/S 1.
  • re. Skoliose der BWS mit re. Rotationsfehlstellung
  • deutliche Spondylarthrose der HWS

8

Danach waren Arbeiten nur unter Ausschluß folgender Faktoren vertretbar:

  • Mittelschwere und schwere körperliche Arbeit
  • Heben und Tragen von Lasten über 10 Kilogramm
  • Statische Dauer- und Fehlbelastungen der Wirbelsäule und des Bewegungsapparates
  • Überkopf-Arbeiten
  • Arbeiten in unphysiologisch gebeugter Haltung

9

Der Gutachter kam deshalb zu dem Ergebnis, daß der Kläger aus arbeitsmedizinischer Sicht im Betrieb der Beklagten nur in den Bereichen Kundendienstannahme oder Verkauf einsetzbar sei (Stellungnahme vom 26.05. und 14.06.1997. Bl. 106 und Bl. 114 f d. A.).

10

Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger seine Einsatzmöglichkeit im Kundendienstbereich, im Ersatzteillager und im Verkauf geltend gemacht und nach dem Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu beschäftigen.

11

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Die Beklagte hat bestritten, daß der Kläger für andere Arbeiten als die eines Kfz.-Mechanikers fachlich geeignet sei, und darauf hingewiesen, daß sie keinen freien Arbeitsplatz habe.

13

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 31.10.1996 die Beklagte verurteilt, den Kläger zu beschäftigen, da sie aus ihrer gesteigerten Fürsorgepflicht gegenüber dem schwerbehinderten Kläger verpflichtet sei, seine anderweitige Einsatzmöglichkeit zu erproben.

14

Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen, das der Beklagten am 10.12.1996 zugestellt worden ist und gegen das sie am 19.12.1996 Berufung eingelegt hat, die sie mit Schriftsatz vom 03.02.1997 am 04.02.1997 begründet hat, nachdem auf ihren Antrag die Berufungsbegründungsfrist bis zum 05.02.1997 verlängert worden war.

15

Die Beklagte vertieft unter Hinweis auf die von ihr erstellten Arbeitsplatzbeschreibungen (Bl. 99 bis 105 d. A.) ihren Vortrag, daß der Kläger fachlich nicht geeignet für eine Tätigkeit im Kundendienst, im Ersatzteillager und im Verkauf sei, lehnt eine notwendige Umschulung als unzumutbar ab und verweist darauf, daß der Kläger nichts dazu vorgetragen habe, warum sie verpflichtet sei, einen Arbeitsplatz in diesen Bereichen für ihn freizukündigen.

16

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründungsschrift, sowie die ergänzenden Schriftsätze vom 03.07 und 13.08.1997 Bezug genommen.

17

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

18

Der Kläger beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Beklagte verurteilt wird, den Kläger als Kundendienstberater, ersatzweise im Ersatzteillager oder im Autoverkauf Neu- und Gebrauchtwagen zu beschäftigen.

19

Der Kläger hält sich für fachlich geeignet, in den drei genannten Bereichen tätig zu werden. Nennenswerte körperliche Belastungen im Ersatzteillager seien durch eine Vielzahl technischer Hilfsgeräte vermeidbar. Auf den Zwang, einen Arbeitsplatz freikündigen zu müssen, könne die Beklagte sich nicht berufen, da sie während des Rechtsstreits zumindest einen neuen Autoverkäufer eingestellt habe.

20

Auf die Berufungserwiderung vom 03.06.1997 wird im übrigen Bezug genommen.

Gründe

21

Die zulässige Berufung ist begründet, denn die Klage ist unbegründet.

22

Im unbeanstandeten Arbeitsverhältnis hat der Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Diesen Anspruch macht der Kläger jedoch nicht geltend, da er krankheitsbedingt nicht dazu in der Lage ist, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit als Kfz.-Mechaniker zu erbringen. Er beruft sich vielmehr darauf, daß die Beklagte aufgrund einer gesteigerten Fürsorgepflicht gehalten sei, ihn in Abänderung seines Arbeitsvertrages zu beschäftigen. Ein solcher Anspruch steht dem Kläger jedoch nicht zu.

23

Es ist anerkannt, daß der Arbeitgeber aus § 14 Abs. 2 Satz 1 Schwerbehindertengesetz verpflichtet ist, den Schwerbehinderten so zu fördern, daß er seine eingeschränkte Arbeitskraft durch entsprechende Tätigkeit noch einsetzen kann, wenn er aus gesundheitlichen Gründen seine vertraglich geschuldete Leistung nicht mehr erbringen kann, jedoch darf dem Arbeitgeber nichts unzumutbares abverlangt werden (BAG, urteil vom 10.07.1991 - 5 AZR 383/90 - AP Nr. 1 zu § 14 Schwerbehindertengesetz 1986). Ausmaß und Grenzen dieser Fürsorgepflicht erscheinen der Kammer bisher nicht hinreichend geklärt. So hat das Bundesarbeitsgericht in dem nämlichen Urteil keine Verletzung der Fürsorgepflicht darin gesehen, daß der Arbeitgeber den Schwerbehinderten nicht auf freien Facharbeitsplätzen eingesetzt hatte, weil dem Kläger die fachlichen Voraussetzungen fehlten, ohne etwas zu einer entsprechenden Förderungspflicht auszuführen. Auch ist umstritten, ob der Schwerbehinderte von seinem Arbeitgeber verlangen kann, ihm einen Arbeitplatz freizukündigen. Das ist in dem nämlichen Urteil offengelassen worden (dafür: BAG. AP Nr. 4 zu § 12 Schwerbeschädigtengesetz, dagegen z. B. GK-Schwerbehindertengesetz - Großmann, § 14, Randnummer 339). Im vorliegenden Fall scheidet eine Pflicht der Beklagten, den Kläger auf den von ihm genannten Arbeitsplätzen zu beschäftigen, aber aus folgenden Gründen aus:

  1. 1.

    Tätigkeit als Kundendienstberater

    Unstreitig ist kein Arbeitsplatz als Kundendienstberater frei. Der Einsatz des Klägers als Kundendienstberater, seine fachliche Eignung aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit als Kfz.-Mechaniker unterstellt, erforderte das Freikündigen eines der beiden Kundendienstberaterarbeitsplätze. Dem steht jedoch, unabhängig von der Frage, ob grundsätzlich eine Freikündigung verlangt werden kann, entgegen, daß es sich bei den beiden Kundendienstberatern ... nicht nur um gleichfalls langjährig Beschäftigte handelt, sondern daß diese als Betriebsratsmitglieder auch ordentlich nicht kündbar sind (§ 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG).

  2. 2.

    Tätigkeit im Teilelager

    Einer Beschäftigung im Teilelager steht bereits entgegen, daß der Kläger körperlich dieser Tätigkeit nicht gewachsen ist. Der Kläger hat in seiner Berufungserwiderung ausgeführt, aufgrund der Vielzahl technischer Hilfsgeräte fielen dort keine nennenswerten schweren Trag- und Hebetätigkeiten an, und sich zum Beweis auf die Einholung einer Stellungnahme der Hauptfürsorgestelle berufen. Die Beklagte hat daraufhin das von der Hauptfürsorgestelle eingeholte Sachverständigengutachen des Mediziners ... beigebracht, zu der sich der Kläger nicht substantiiert eingelassen hat. Aus ihm geht aber hervor, daß nur eine Tätigkeit im Kundendienst und im Verkauf in Betracht kommt. Das hat der Sachverständige nochmals bestätigt, nachdem die Hauptfürsorgestelle ausdrücklich danach gefragt hatte, ob zum Beispiel auch der Einsatz des Klägers im Teilelager bei zur Verfügungstellung technischer Hilfsmittel leidensgerecht sei. Es ist auch nachvollziehbar, daß ein Heben und Tragen von Lasten über 10 kg im Teilelager, insbesondere am Verkaufstresen des Teilelagers, trotz technischer Hilfsmittel nicht vermieden werden kann.

    Es kann deshalb dahinstehen, ob der Kläger ansonsten bei körperlicher Eignung einen Anspruch auf Beschäftigung im Teilelager hätte. Einem solchen Anspruch könnte die Beklagte wohl nicht entgegenhalten, daß kein freier Arbeitsplatz vorhanden sei, denn sie hat während des Rechtsstreits einen freien Arbeitsplatz in diesem Bereich anderweitig besetzt (Argument aus § 162 Abs. 1 BGB). Jedoch erscheint es fraglich, ob sie darauf verwiesen werden dürfte, entgegen ihrem eigenen Anforderungsprofil den Kläger als nichtkaufmännisch ausgebildeten in diesem Bereich einzusetzen, statt den als Großhandelskaufmann in ihrem Betrieb zielgerichtet ausgebildeten ... nach Abschluß seiner Berufsausbildung zu übernehmen.

  3. 3.

    Tätigkeit im Neu- und Gebrauchtwagenverkauf

    Nach der Stellungnahme des Arbeitsmediziners ... gegenüber der Hauptfürsorgestelle handelt es sich um einen leidensgerechten Arbeitsplatz. Die Beklagte kann dem Kläger auch nicht entgegenhalten, daß kein Arbeitsplatz als Autokäufer frei sei, da sie während des Rechtsstreits den Verkäufer ... am 01.09.1996 und nach dessen Ausscheiden den Verkäufer ... am 01.06.1997 eingestellt hat. Gleichwohl besteht keine Pflicht der Beklagten, den Kläger als Automobilverkäufer zu beschäftigen, weil er nicht die notwendigen fachlichen Voraussetzungen erfüllt und eine Umschulung der Beklagten nicht zumutbar ist.

24

Die Einstellungspraxis der Beklagten in den letzten Jahren zeigt, daß sie als Verkäufer lediglich ausgebildete Kaufleute ... oder Personen mit Berufserfahrung als Verkäufer ... eingestellt hat. Der Beruf des Automobilverkäufers ist eine kaufmännische Tätigkeit. Es sind sind neben verkaufspsychologischen Kenntnissen und Fähigkeiten kaufmännische Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich, insbesondere Kenntnisse im Leasing, im Finanzierungs- und Versicherungsgeschäft. Der Kläger bringt aus seiner langjährigen Tätigkeit als Kfz.-Mechaniker lediglich technische Fahrzeugkenntnisse mit. Seine Behauptung, früher im Verkauf ausgeholfen zu haben hat er in der letzten mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Das bedeutet, daß der Kläger die fachlichen Voraussetzungen nicht besitzt, die die Beklagte an ihre Verkäufer stellt. Auch die außerbetriebliche Rehabilitationsmaßnahme war nicht auf eine solche Tätigkeit zugeschnitten.

25

Die notwendigen, umfassenden verkaufspsychologischen und verkaufstechnischen Kenntnisse erfordern deshalb eine umfassende und damit langjährige Umschulung des Klägers, ohne daß deren Erfolg sicher wäre, denn nicht jeder Kfz.-Mechaniker ist von seiner Persönlichkeit her geeignet, zu einem Verkäufer umgeschult zu werden. Eine solche langfristige, aber im Erfolg Ungewisse Umschulung ist der Beklagten nicht zumutbar. Zwar spricht für den Kläger seine lange Betriebszugehörigkeit und seine Schwerbehinderung. Es ist aber auch zu berücksichtigen, daß der Kläger trotz der formalen Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses bereits seit mehreren Jahren faktisch aus dem Betrieb der Beklagten ausgeschieden gewesen ist, bevor er mit seiner Klage seine Weiterbeschäftigung geltend gemacht hat, denn die Beklagte hat bereits mit Schreiben vom 21.06.1993 auf ihr Direktionsrecht gegenüber dem Kläger verzichtet, damit dieser Arbeitslosengeld beziehen konnte. Bei solch langfristig gelockerten Vertragsbeziehungen hieße es, die Fürsorgepflicht der Beklagten zu überspannen, nunmehr einen solchen Umschulungsversuch von ihr zu verlangen.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Zulassung der Revision auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.