Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.11.1997, Az.: 13 Sa 1244/97
Anspruch auf Rückzahlungüberzahlter Ortszuschläge nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung; Anspruch auf Ortszuschlag eines geschiedenen Angestellten; Krankenkassenbeiträge als zur Verfügung stehende Mittel im Rahmen der Eigenmittelobergrenze; Berechnung der Eigenmittelobergrenze; Anwendbarkeit der Haftungsbegrenzung auf grobe Fahrlässigkeit auf einen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung wegen überzahlter Bezüge; Begrenzung des Ersatzanspruchs unter Berücksichtigung der Ausschlussfrist des§ 70 BAT
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 18.11.1997
- Aktenzeichen
- 13 Sa 1244/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 14075
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1997:1118.13SA1244.97.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 24.04.1997 - AZ: 10 Ca 272/96
Rechtsgrundlagen
- § 14 BAT
- § 86 NBG
- § 70 BAT
Fundstelle
- ZTR 1998, 276
In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 1997
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 24.04.1997, 10 Ca 272/96, unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt.
Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 93,35 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.04.1996 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 3/4, das beklagte Land zu 1/4.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 427,90 DM festgesetzt.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Zahlung von 427,90 DM, die das beklagte Land vom Gehalt einbehalten hat. Das beklagte Land stützt den Einbehalt auf einen Anspruch auf Rückzahlung in Höhe von 3.881,00 DM wegen nicht zustehenden Ortszuschlags der Stufe 2 für den Zeitraum 01.08.1993 bis 30.09.1995. Gegen den Gehaltsanspruch für Januar 1996 wurde in Höhe von 172,20 DM aufgerechnet, gegen den März-Gehaltsanspruch in Höhe von 777,70 DM. Es sind weitere Einbehalte erfolgt, die aber nicht Gegenstand der Klage sind.
Die Klägerin war als Universitätsangestellte, Vergütungsgruppe VI b BAT, beim beklagten Land beschäftigt, sie bezieht inzwischen Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Klägerin ist geschieden, ihr 1971 geborener Sohn lebte in dem hier relevanten Zeitraum in ihrer Wohnung. Am 01.08.1993 begann er eine Ausbildung als Verlagskaufmann, die er am 13.06.1995 mit Prüfung beendete, danach war er als Sachbearbeiter im Ausbildungsbetrieb beschäftigt. Die Ausbildungsvergütung des Sohnes betrug zwischen 1.059,00 DM brutto und 1.237,00 DM brutto entsprechend 853,55 DM netto bis 995,78 DM netto (Bescheinigung des Ausbilders vom 21.03.1996, Bl. 6 d. A.).
Unter dem 17.05.1993 gab die Klägerin eine Erklärung zum Ortszuschlag ab (Bl. 9 d. A.), in der sie angab, daß ihr Sohn ab 01.08.1993 eine Lehrstelle habe und ca. 900,00 DM brutto erhalte. Der Ausbildungsvertrag des Sohnes wurde am 24.05.1993 unterzeichnet. Mit Schreiben vom 14.07.1993 (Bl. 18 d. A.) bewilligte das beklagte Land Ortszuschlag nach Stufe 2 und erklärte unter dem Stichwort Bemerkungen:
Kinderbezogener Anteil im Ortszuschlag entfällt, da ab 01.08.1993 die Ausbildungsvergütung 749,00 DMübersteigt.
Das beklagte Land zahlte vom 01.08.1993 bis zum 30.09.1995 Ortszuschlag der Stufe 2. Die Klägerin machte nach dem 17.05.1993 keine Angaben über die Ausbildungsvergütung, Nachfragen des beklagten Landes erfolgten ebenfalls nicht.
Mit Schreiben vom 05.10.1995 (Bl. 37 d. A.) machte das beklagte Land einen Überzahlungsbetrag von 4.656,15 DM geltend, mit Schreiben vom 07.12.1995 (Bl. 39 und 40 d. A.) wurde der Betrag unter Berücksichtigung erstatteter Sozialversicherungsbeiträge auf 3.881,00 DM reduziert.
Die Klägerin hat vorgetragen, ihr habe bis Juni 1995 der Ortszuschlag der Stufe 2 zugestanden. Im Rahmen der Berechnung nach § 29 B Abs. 2 Ziff. 4 BAT könne nur der Nettobetrag der Ausbildungsvergütung berücksichtigt werden. Im übrigen seien die Rückzahlungsansprüche nach § 70 BAT verfallen. Von den einbehaltenen 949,90 DM habe das beklagte Land nur Anspruch auf dieÜberzahlung nach Ausbildungsende für die Monate Juli bis September 1995 in Höhe von 522,00 DM.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 427,90 DM nebst 4 % Zinsen ab dem 01.04.1996 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat die Auffassung vertreten, abzustellen sei im Rahmen der Anspruchsvoraussetzungen für den Ortszuschlag der Stufe 2 auf die Bruttoausbildungsvergütung. Auf die Ausschlußfrist des§ 70 BAT könne sich die Klägerin nicht berufen, dem stehe der Einwand der Arglist entgegen. Trotz des Hinweises auf der Erklärung zum Ortszuschlag habe die Klägerin die erforderlichen ergänzenden Angaben nicht gemacht.
Das Arbeitsgericht hat nach Klageantrag erkannt, weil nicht die Bruttoausbildungsvergütung zu berücksichtigen sei und deshalb Anspruch auf Ortszuschlag der Stufe 2 bestanden habe. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe.
Im Berufungsverfahren wiederholen die Parteien die erstinstanzlich vorgetragenen Rechtsauffassungen, Bezug genommen wird insoweit auf Berufungsbegründung und Berufungserwiderung.
Das beklagte Land beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des beklagten Landes ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG, 516, 519 ZPO. Die Berufung ist teilweise begründet. Das beklagte Land hatte ausüberzahltem Ortszuschlag einen Anspruch auf Rückzahlung nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung. Unter Berücksichtigung der Ausschlußfrist des § 70 BAT ist der Anspruch begrenzt auf den Zeitraum 01.04. bis 30.09.1995 = 856,55 DM. Bei einem einbehaltenen Betrag von 949,90 DM ergibt sich zugunsten der Klägerin ein zuzusprechender Betrag von 93,35 DM.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ortszuschlag nach Stufe 2, weil bei der Berechnung nach § 29 B Abs. 2 Ziff. 4 BAT die Bruttoausbildungsvergütung zu berücksichtigen ist. Das eigene Einkommen des Sohnes überstieg das 6-fache des Unterschiedsbetrages der Stufen 1 und 2 des Ortszuschlags. Die 6-fache Differenz betrug im April 1995 1.050,96 DM, seit Mai 1995 1.084,56 DM, die Bruttoausbildungsvergütung seit April 1995 1.237,00 DM.
Nach § 29 B Abs. 2 Ziff. 4 BAT erhält der geschiedene Angestellte keinen Ortszuschlag der Stufe 2, wenn dem Unterhaltsberechtigten "Mittel zur Verfügung stehen, die, bei einem Kind einschließlich des gewährten Kindergeldes und des kinderbezogenen Teils des Ortszuschlages, das 6-fache des Unterschiedsbetrages zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des Ortszuschlages der Tarifklasse I cübersteigen." Ob bei Arbeitseinkommen des Unterhaltsberechtigten Brutto- oder Nettobezüge zu berücksichtigen sind, ist nicht eindeutig geregelt, folglich durch Auslegung zu ermitteln.
Nach Clemens/Scheuring, BAT, § 29, Erläuterung 5.4 ist der Bruttobetrag anzusetzen, die Verwaltungspraxis gehe jedoch zunehmend von einem Ansatz der Nettobezüge aus. Böhm/Spirtz, BAT,§ 29, Nr. 40 verweist auf einen Hinweis des Arbeitskreises für Besoldungsfragen vom 20./21.02.1986, wonach die Bruttobezüge anzusetzen sind.
Eine Auslegung der tariflichen Vorschrift ergibt den Ansatz der Bruttobezüge. Der Wortlaut "Mittel zur Verfügung stehen" legt zwar das Abstellen auf die Nettovergütung nahe, dies gilt aber nur bei vordergründiger Betrachtung. Die tarifliche Eigenmittelobergrenze lag in den Jahren 1993 bis 1995 zwischen 1.030,32 DM und 1.084,56 DM. Der auf Bruttoeinkommen dieser Größenordnung entfallende Lohnsteueranteil ist gering und liegt unter 5 %. Den wesentlichen Teil der Abzüge bilden die Sozialversicherungsbeiträge. Geradeüber die Sozialversicherungsbeiträge wird aber eine Risikoabsicherung für Krankheit, Arbeitslosigkeit und Alter/Erwerbsunfähigkeit erreicht, die letztlich dem Arbeitnehmer zugute kommt. Die entsprechenden Mittel stehen zwar nicht als Barmittel zur Verfügung, zur Verfügung steht aber ein umfassender Sozialversicherungsschutz. Dieser Sozialversicherungsschutz ist Teil eines angemessenen Unterhaltsbedarfs, entsprechend müssen die Sozialversicherungsbeiträge auch als zur Verfügung stehende Mittel angesehen werden.
Gerade der über die Sozialversicherung bestehende Krankenversicherungsschutz kann im übrigen unmittelbare finanzielle Auswirkungen haben. Die hier fragliche tarifliche Regelung entspricht einer Ortszuschlagsregelung für Beamte in § 40 Bundesbesoldungsgesetz. Der beihilfeberechtigte Beamte muß aber im Rahmen seiner Unterhaltspflicht etwa gegenüber Kindern dafür Sorge tragen, daß die nicht durch Beihilfe abgesicherten Krankheitskosten beglichen werden, etwa durch eine ergänzende Privatversicherung. Entfallt die Notwendigkeit dieser Privatversicherung, weil Krankenversicherungsschutz über die soziale Krankenversicherung besteht, mindert dies unmittelbar die Unterhaltspflicht. Es wäre für diesen Fall aber dann nicht einzusehen, daß die Krankenkassenbeiträge nicht als zur Verfügung stehende Mittel im Rahmen der Eigenmittelobergrenze angesetzt werden.
Die Eigenmittelobergrenze wird berechnet nach dem 6-fachen Unterschiedsbetrag zwischen den Stufen 1 und 2 des Ortszuschlages der Tarifklasse I c, sie wird also nach einem Bruttobetrag festgelegt. Es ist dann aber naheliegend, auch für die Vergleichsgröße Einkommen einen Bruttobetrag zugrundezulegen. Dafür spricht auch, daß bei Kindern der kinderbezogene Teil des Ortszuschlages (Bruttobetrag) als zur Verfügung stehend bewertet wird.
Schließlich ist der Sinn und Zweck der Vorschrift maßgebend. Die fragliche Regelung, gültig seit dem 01.01.1986, ist gerade deshalb eingeführt worden, um unabhängig von unterhaltsrechtlichen Bedarfssätzen und individuellem Unterhaltsbedarf eine generelle tarifliche Eigenmittelobergrenze einzuführen (BAG AP Nr. 6 zu § 29 BAT). Eine solche Pauschalbewertung ist aber nur dann sinnvoll umzusetzen, wenn auch beim Einkommen entsprechend pauschal der Bruttobezug angesetzt wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß ein Arbeitnehmer grundsätzlich Anspruch auf Bruttovergütung hat, ein Abstellen auf die Nettovergütung deshalb als Ausnahme eindeutig geregelt sein muß. Im Ergebnis bestand damit für den Gesamtzeitraum 01.08.1993 bis 30.09.1995 kein Anspruch der Klägerin auf Ortszuschlag der Stufe 2.
Das beklagte Land hat Anspruch auf Rückzahlung derÜberzahlung nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung. Die Klägerin hat schuldhaft ihre Vertragspflicht verletzt, korrekte Angaben zur Höhe des Einkommens ihres Sohnes zu machen. Die Erklärung vom 17.05.1993 enthält als Angabe "ca. 900,00 DM brutto", bereits eine Woche später bei Abschluß des Ausbildungsvertrages mußte die Klägerin wissen, daß die Vergütung wesentlich höher lag und eine ergänzende Angabe erforderlich war. Auf die entsprechende Verpflichtung ist sie im Erklärungsformular, hervorgehoben durch Fettdruck, hingewiesen worden. Daß im Bescheid vom 14.07.1993 zur Festsetzung des Ortszuschlages auf diese Verpflichtung nicht erneut hingewiesen wurde, daß aus den beigefügten Erläuterungen nicht ersichtlich war, daß der Ortszuschlag der Stufe 2 von der Höhe des Einkommens des Sohnes abhing, entlastet die Klägerin nicht. Zwar ist davon auszugehen, daß die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen des Ortszuschlages der Stufe 2 nicht kannte. Im Bescheid vom 14.07.1993 ist nur die Verweigerung des kinderbezogenen Anteils im Ortszuschlag begründet. Trotzdem bestand nach wie vor die Vertragspflicht zur Änderungsanzeige, auf die sie im Erklärungsvordruck Ortszuschlag in eindeutig erkennbarer Form hingewiesen wurde. Die Klägerin hat fahrlässig diese Vertragspflicht verletzt, ein Anspruch aus positiver Forderungsverletzung ist damit gegeben.
Eine Haftungsbegrenzung auf grobe Fahrlässigkeit gemäß §§ 14 BAT, 86 NBG kommt vorliegend nicht in Betracht. Zwar hat das LAG Hamm (BB 1992, Seite 2434) diese Haftungsbegrenzung auch angewandt auf einen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung wegen überzahlter Bezüge (ebenso Ploog/Wiedoff, Kommentar zum BBG, § 78, Rdnr. 20a). Dem ist die Kammer jedoch nicht gefolgt. Die Haftungsbegrenzung gilt für betrieblich veranlaßte Tätigkeiten, in § 86 NBG kommt entsprechendes darin zum Ausdruck, daß auf die Aufgabenwahrnehmung abgestellt wird. Das heißt aber, daß die Haftungsbegrenzung eingreift, wenn der Arbeitnehmer bei Ausübung der ihm übertragenen Aufgaben einen Schaden verursacht. Die Haftungsbegrenzung betrifft nicht die Verletzung von Vertragspflichten, die unabhängig von der Aufgabenwahrnehmung aus dem Arbeitsverhältnis bestehen. Die Klägerin haftet insoweit auch für einfache Fahrlässigkeit.
Der Ersatzanspruch ist allerdings unter Berücksichtigung der Ausschlußfrist des § 70 BAT begrenzt auf den Zahlungszeitraum 01.04.1995 bis 30.09.1995, weil die erste schriftliche Geltendmachung mit Schreiben vom 05.10.1995 erfolgte. Der Verfall des Anspruchs ist nicht ausgeschlossen gemäß § 242 BGB.
Bei Überzahlung entstehen Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers im Zahlungszeitpunkt. Grundsätzlich werden sie auch dann fällig. Ein anderer Fälligkeitszeitpunkt ergibt sich nur dann, wenn es dem Arbeitgeber aufgrund besonderer Umstände praktisch unmöglich ist, den Anspruch geltend zu machen. Abzustellen ist nicht auf Kenntnis des Arbeitgebers, entscheidend ist, wann die maßgebenden Umstände hätten bekannt sein müssen (BAG ZTR 1996, Seite 32 = DB 1995, Seite 2317 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Zum Kennenmüssen der Überzahlung ist hier festzustellen, daß die Klägerin in der Erklärung vom 17.05.1993 eine Cirka-Angabe gemacht hat und nicht die exakte Vergütung angegeben hat. Bereits hier bestand Veranlassung nachzufragen bzw. die Gehaltsabrechnung anzufordern. Hinzukommt, daß der Sohn der Klägerin eine Ausbildung begonnen hat. Daß Ausbildungsvergütungen nach Ausbildungsjahren gestaffelt ansteigen, ist allgemein üblich, dies müßte auch einem Sachbearbeiter einer Bezügestelle bekannt sein. Zum 01.08.1994 hätte deshalb eine Nachfrage nahegelegen. Wenn trotz dieser erheblichen Unsicherheiten in der Berechnungsgrundlage eine Nachfrage nicht erfolgte, so hat spätestens im August 1994 der Lauf der Ausschlußfrist begonnen.
Der Verfall des Anspruchs ist nicht durch § 242 BGB ausgeschlossen. Der Gläubiger kann dem Ablauf der Ausschlußfrist mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begegnen, wenn ihn der Schuldner durch aktives Handeln von der Einhaltung der Ausschlußfrist abgehalten hat oder wenn er es pflichtwidrig unterlassen hat, ihm Umstände mitzuteilen, die ihn zur Einhaltung der Ausschlußfrist veranlaßt hätten (BAG ZTR 1996, Seite 32 = DB 1995, Seite 2317). Hier kommt nur ein pflichtwidriges Unterlassen vonÄnderungsmitteilungen in Betracht, was aber nur dann den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründen kann, wenn der Klägerin die Bedeutung und die Folgen einer Änderungsmitteilung auch nur annähernd bewußt waren. Letzteres ist aber nicht festzustellen. Die Klägerin hat zwar schuldhaft ihre Mitteilungspflicht verletzt. Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, daß ihr die Bedeutung der Höhe der Ausbildungsvergütung für die Gehaltsabrechnung auch nur annähernd bewußt war. Aus dem Festsetzungsbescheid vom 14.07.1993 konnte sie entnehmen, daß ihr der kindergeldbezogene Anteil im Ortszuschlag nicht mehr zustand. Warum sie den Ortszuschlag der Stufe 2 erhielt, welche Berechnung dem zugrunde lag, war weder aus dem Bescheid noch aus den beigefügten Erläuterungen ersichtlich. Sie hat fahrlässig ihre Mitteilungspflicht verletzt, ein schwerwiegenderer Schuldvorwurf ist ihr aber nicht zu machen, so daß der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nicht begründet ist.
Der unter Berücksichtigung der Ausschlußfrist bestehende Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung ist nicht nach § 254 BGB zu mindern. Zwar ist ein Mitverschulden des Sachbearbeiters des beklagten Landes gegeben, dies ist aber bereits dadurch ausreichend berücksichtigt, daß trotz Verletzung der Mitteilungspflicht durch die Klägerin der Rückzahlungsanspruch nach§ 70 BAT zum überwiegenden Teil entfallen ist. Eine weitere Minderung des Schadensersatzanspruchs nach § 254 BGB ist dann aber nicht gerechtfertigt.
Das beklagte Land hat auch einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, § 812 BGB, der aber im selben Umfang wie der Anspruch aus positiver Forderungsverletzung verfallen ist. Die Ausführungen zu § 70 BAT gelten auch für diesen Anspruch. Aus ungerechtfertigter Bereicherung folgt deshalb kein weitergehender Anspruch des beklagten Landes, so daß die Frage des Wegfalls der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB nicht vertieft werden muß.
Zur Höhe des Schadensersatzanspruchs.
Die Bruttoüberzahlung betrug im April 1.995.166,86 DM. in den Monaten Mai bis September 1995 je 172,20 DM, insgesamt 1.027,86 DM. Hiervon sind abzusetzen rückerstattete Sozialversicherungsbeiträge. Aus dem Verhältnis der Bruttoüberzahlung für den Gesamtzeitraum in Höhe von 4.656,15 DM zu dem nach Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge verbleibenden Betrag von 3.881,00 DM ergibt sich ein Anteil der Sozialversicherungsbeiträge von etwa 1/6. Der Schadensersatzanspruch ist damit auf 856,55 DM zu beziffern, bei Verrechnung mit dem einbehaltenen Betrag von 949,90 DM ergibt sich ein Restanspruch zugunsten der Klägerin von 93,35 DM.
Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1. i.V.m. § 72 a Abs. 1 Ziff. 2 ArbGG.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 427,90 DM festgesetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes auf§ 3 ZPO.