Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.03.2013, Az.: 8 LA 13/13

Anspruch eines Ausländers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG zum Schutz des Privatlebens nach Art. 8 EMRK bei Vorliegen einer Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.03.2013
Aktenzeichen
8 LA 13/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 33501
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0312.8LA13.13.0A

Redaktioneller Leitsatz

1.

Für alleinerziehende Ausländer, die die Verlängerung einer nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. der sogenannten Bleiberechtsregelung 2009 erteilten befristeten Aufenthaltserlaubnis begehren und denen es insoweit nach Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II nicht zuzumuten ist, eine Beschäftigung aufzunehmen, ist der vorübergehende Bezug öffentlicher Leistungen bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes nur dann unschädlich, wenn aufgrund bisheriger Beschäftigungen oder nachgewiesener Bemühungen zur Aufnahme einer Beschäftigung die Annahme gerechtfertigt ist, dass eine vollständige Sicherung des Lebensunterhalts in Zukunft durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erreicht werden kann.

2.

Einem Ausländer, der dem Anwendungsbereich der §§ 104a, 104b AufenthG, des § 25a AufenthG oder der nachfolgenden Bleiberechtsregelungen unterfällt, aber insbesondere die in diesen Bestimmungen formulierten Voraussetzungen für eine aufenthaltsrechtsbegründende Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse nicht erfüllt, kann nicht unter Rückgriff auf das in Art. 8 EMRK ganz allgemein verbürgte Recht auf Achtung des Privatlebens gleichwohl ein Aufenthaltsrecht gewährt werden.

Tenor:

Erfüllt ein Ausländer, der dem Anwendungsbereich der §§ 104a, 104b AufenthG, des § 25a AufenthG oder der nachfolgenden Bleiberechtsregelungen (Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Integration, Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen im Anschluss an die gesetzliche Altfallregelung nach § 104a, Anordnung nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (Bleiberechtsregelung 2009), Erlass v. 11.12.2009 - 42.12.-12230/1-8 (§ 23); Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Bleiberechtsreglung 2009 (nach § 23 Abs. 1 i.V.m. § 104a Aufenthaltsgesetz erteilte Aufenthaltserlaubnisse), Erlass v. 19.12.2011 - 42.12-12230.1-8 (§ 23)) unterfällt, die in diesen Bestimmungen formulierten Voraussetzungen für eine aufenthaltsrechtsbegründende Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse nicht, ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG zum Schutz des Privatlebens nach Art. 8 EMRK regelmäßig ausgeschlossen.

Gründe

1

Die Anträge der Klägerinnen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses ihre Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und Aufhebung des dies ablehnenden Bescheides des Beklagten vom 23. Januar 2012 abgewiesen hat, und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren bleiben ohne Erfolg.

2

Die Klägerinnen haben ihren Berufungszulassungsantrag auf die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und des Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO gestützt. Diese Zulassungsgründe sind zum Teil schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.

3

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten (vgl. Senatsbeschl. v. 11.2.2011 - 8 LA 259/10 -, [...] Rn. 3). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542, 543).

4

Die Klägerinnen wenden gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ein, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Verlängerung ihrer nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. der Bleiberechtsregelung 2009 befristet bis zum 31. Dezember 2011 erteilten Aufenthaltserlaubnisse verneint. Das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem Wohnort der Klägerinnen, Esens, und den gesamten Landkreis Wittmund um eine sehr strukturschwache Gegend handelt, in der tourismusbedingt nahezu nur Saisonarbeit möglich sei. Aufgrund der Schwangerschaft der Klägerin zu 1. bei ihrer Rückkehr nach Esens im November 2010 sei es ihr weder tatsächlich möglich noch zumutbar gewesen, eine unterhaltssichernde Beschäftigung zu finden. Auch nach der Geburt der Klägerin zu 2. sei dies schwierig gewesen. Gleichwohl sei es der Klägerin zu 1. im Jahr 2012 gelungen, einen Arbeitsplatz zu erhalten. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts könne aus diesen Umständen auf eine positive Erwerbsperspektive der Klägerin zu 1. geschlossen werden.

5

Diese Einwände stellen die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, der Klägerin zu 1. könne die für eine Verlängerung der nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. der Bleiberechtsregelung 2009 erteilten Aufenthaltserlaubnis erforderliche günstige Integrationsprognose nicht gestellt werden, nicht in Frage.

6

Die der Klägerin zu 1. nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. der sog. Bleiberechtsregelung 2009 (vgl. Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Integration, Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen im Anschluss an die gesetzliche Altfallregelung nach § 104a, Anordnung nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (Bleiberechtsregelung 2009), Erlass v. 11.12.2009 - 42.12.-12230/1-8 (§ 23)) befristet bis zum 31. Dezember 2011 erteilte Aufenthaltserlaubnis kann nach der allgemeinen Regelung des § 8 Abs. 1 AufenthG verlängert werden, wenn die sich aus der Bleiberechtsregelung 2009 ergebenden Voraussetzungen auch über den 31. Dezember 2011 hinaus erfüllt werden. Erforderlich ist mithin insbesondere, dass der Ausländer sich nachweislich um die Sicherung des Lebensunterhalts durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bemüht und ihm auch deshalb eine günstige Integrationsprognose gestellt werden kann, also auf der Grundlage der nachgewiesenen Erwerbsbemühungen in nächster Zeit eine vollständige Lebensunterhaltssicherung zu erwarten ist. Für alleinerziehende Ausländer, denen es nach Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II nicht zuzumuten ist, eine Beschäftigung aufzunehmen, ist der vorübergehende Bezug öffentlicher Leistungen bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes unschädlich, wenn aufgrund bisheriger Beschäftigungen oder nachgewiesener Bemühungen zur Aufnahme einer Beschäftigung die Annahme gerechtfertigt ist, dass eine vollständige Sicherung des Lebensunterhalts in Zukunft durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erreicht werden kann (vgl. Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Bleiberechtsreglung 2009 (nach § 23 Abs. 1 i.V.m. § 104a Aufenthaltsgesetz erteilte Aufenthaltserlaubnisse), Erlass v. 19.12.2011 - 42.12-12230.1-8 (§ 23)).

7

Diese Voraussetzungen sind hier - unabhängig davon, ob auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung oder im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abgestellt wird - nicht erfüllt.

8

Der vorübergehende Bezug öffentlicher Leistungen steht der Annahme einer positiven Integrationsprognose für die Klägerin zu 1. zwar nicht von vorneherein entgegen, solange ihre am D. 2011 geborene Tochter, die Klägerin zu 2., das 3. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die bisherigen Beschäftigungen der Klägerin zu 1. oder deren nachgewiesene Bemühungen zur Aufnahme einer Beschäftigung rechtfertigen indes nicht die Annahme, dass eine vollständige Sicherung des Lebensunterhalts in Zukunft durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erreicht werden kann. So hat die Klägerin zu 1. zwar 2006 einen Hauptschulabschluss erlangt, anschließend ein Berufsvorbereitungsjahr absolviert und hiermit eine Grundlage für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit geschaffen. Sie hat diese Grundlage aber bis heute nicht hinreichend genutzt. Eine Berufsausbildung hat die Klägerin zu 1. bisher nicht abgeschlossen. Dabei geht ihr Hinweis auf die Strukturschwäche des Landkreises Wittmund fehl. Denn ihr sind in den vergangenen sechs Jahren immerhin zwei Ausbildungsplätze angeboten worden, und zwar zur Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk ab August 2009 (Bl. 144 Beiakte A) und zur Bäckereifachverkäuferin ab August 2010 (Bl. 166 Beiakte A). Die erste Ausbildung hat die Klägerin zu 1. nach kurzer Zeit abgebrochen und die zweite Ausbildung gar nicht erst angetreten. Nachvollziehbare Gründe hierfür sind nicht ersichtlich. Darüber hinaus hat die Klägerin zu 1. bis 2009 nur Praktika in geringfügigem zeitlichem Umfang absolviert (siehe Lebenslauf der Klägerin zu 1., Bl. 160 Beiakte A, und Vermerk des Beklagten v. 29.3.2012, Bl. 289 Beiakte C). Weitere Bemühungen um eine Arbeitsstelle in diesem Zeitraum sind nicht erkennbar. Erst ab Dezember 2009 sind Bewerbungen der Klägerin zu 1. um eine Arbeitsstelle dokumentiert (Bl. 155 f. Beiakte A), worauf sie von Januar bis Juli 2010 auch ein bezahltes Praktikum in einer Bäckerei ableisten konnte (Bl. 166 Beiakte A). Nach dem Umzug zu ihrem Freund nach E. im August 2010 (Bl. 179 f. Beiakte A) nahm sie zwar eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der Küche des F. auf (Bl. 184 Beiakte A). Dieses Arbeitsverhältnis kündigte die Klägerin zu 1. indes kurze Zeit später und zog an ihren jetzigen Wohnort zurück (Bl. 193 Beiakte A). Dort wurde am 14. Mai 2011 ihre Tochter geboren. Das Erwerbsverhalten der Klägerin zu 1. ist bis zu diesem Zeitpunkt von wenig Konstanz geprägt. Nachhaltige Bemühungen um einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz fehlen. Stattdessen sind bloße Praktika oder sehr kurzfristige Beschäftigungen durchlaufen worden, ohne dass eine eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes gelungen wäre. Unter Berücksichtigung dieser Umstände vermag der Senat auch in der nach der Geburt der Klägerin zu 2. von April bis Oktober 2012 ausgeübten Beschäftigung in einem Restaurant, bei der die Klägerin zu 1. ein monatliches Einkommen in Höhe von netto 1.200 EUR erzielte (Bl. 287, 306 Beiakte C), keine belastbaren Anhaltspunkte für eine zukünftig vollständige Sicherung des Lebensunterhalts durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu erkennen, zumal das Arbeitsverhältnis ab November 2012 nur noch auf 400-EUR-Basis fortgeführt wird (Bl. 302, 308 Beiakte C).

9

Die Klägerinnen wenden gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung weiter ein, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG verneint. Eine faktische Verwurzelung der Klägerin zu 1. in die hiesigen Lebensverhältnisse sei nur wegen der vermeintlich nicht gelungenen wirtschaftlichen Integration nicht angenommen worden. Die zugrunde liegende Gewichtung sei falsch, denn sie lasse außer Acht, dass die Klägerin zu 1. mehr als einundzwanzig Jahre weitgehend rechtmäßig im Bundesgebiet lebe und hier ihre Sozialisation erfahren habe. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht erörtert, dass der Vater der Klägerin zu 1. von ihrer Mutter ermordet worden sei und die Klägerin zu 1. sich hierauf von ihrer Mutter abgewandt habe. Dieses für die Klägerin zu 1. schwer zu verarbeitende Erlebnis erschwere auch eine etwaige Rückkehr nach Montenegro erheblich. Die Familie des verstorbenen Vaters der Klägerin zu 1. werfe ihr vor, nach dem Mord nicht nach Montenegro zurückgekehrt zu sein. Zur Familie ihrer Mutter bestehe kein Kontakt mehr. Im Hinblick auf die Klägerin zu 2. habe das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt, dass im Zeitpunkt der Geburt beide Elternteile über eine Aufenthaltserlaubnis verfügten und daher von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG hätte erteilt werden müssen. Zudem bestehe eine nach Art. 6 GG schutzwürdige Eltern-Kind-Beziehung der Klägerin zu 2. zu ihrem im Bundesgebiet lebenden Vater. Dieser sei bei der Geburt anwesend gewesen, habe danach ein Jahr mit seiner Tochter und der Kindesmutter in einem Haushalt gelebt und sich intensiv um seine Tochter gekümmert. Auch heute, nach der räumlichen Trennung von den Klägerinnen telefoniere er nahezu täglich mit der Klägerin zu 1. und informiere sich über seine Tochter. Unmittelbare Kontakte seien allein wegen der bekannten Schwierigkeiten im Umgang zwischen der Klägerin zu 1. und seiner Familie selten.

10

Diese Einwände begründen keine Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, die Klägerinnen erfüllten die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht.

11

Nach dieser Bestimmung kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Eine rechtliche Unmöglichkeit in diesem Sinne kann sich etwa aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa mit Blick auf Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind.

12

Die Klägerinnen können sich nicht mit Erfolg auf ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot aus Art. 8 EMRK berufen.

13

Dem steht nach der Rechtsprechung des 11. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschl. v. 31.10.2012 - 11 ME 275/12 -, [...] Rn. 6), der sich der beschließende Senat anschließt, schon die Systematik des Aufenthaltsgesetzes entgegen. Der Gesetzgeber hat sich der Situation der im Bundesgebiet aufgewachsenen Ausländer ohne gesicherten Aufenthaltsstatus ausdrücklich angenommen und zunächst in den §§ 104a, 104b AufenthG und nachfolgend in § 25a AufenthG Bedingungen für die Gewährung eines dauerhaften Aufenthaltsrechts aus humanitären Gründen formuliert. Mit der gesetzlichen Altfallregelung des § 104a AufenthG sollte dem Bedürfnis der seit Jahren im Bundesgebiet geduldeten und hier integrierten Ausländer nach einer dauerhaften Perspektive in Deutschland Rechnung getragen und diejenigen begünstigt werden, die faktisch und wirtschaftlich im Bundesgebiet integriert sind und sich rechtstreu verhalten haben (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union, BT-Drs. 16/5065, S. 201 f.). Geduldete, die ihren Lebensunterhalt noch nicht eigenständig durch Erwerbstätigkeit sichern, jedoch die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllen, konnten eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten. Diese gilt nach § 104a Abs. 1 Satz 3 AufenthG als Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes und schließt eine Aufenthaltsverfestigung aus. Da eines der Ziele dieser Altfallregelung darin bestand, eine dauerhafte Zuwanderung in die Sozialsysteme zu vermeiden, setzte die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bzw. die Erteilung über den 31. Dezember 2009 hinaus voraus, dass im zurückliegenden Zeitraum des Besitzes der Aufenthaltserlaubnis der Lebensunterhalt überwiegend eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert gewesen ist. Die so eröffneten Möglichkeiten der Bewährung sind durch die Erlasse des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres, Sport und Integration vom 11. Dezember 2009 (Bleiberechtsregelung 2009) und vom 19. Dezember 2011 (Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Bleiberechtsreglung 2009) nochmals erweitert worden. Darüber hinaus konnten nach § 104b AufenthG in die hiesigen Lebensverhältnisse integrierte Kinder geduldeter Ausländer ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erlangen. Der nachfolgende stichtagsunabhängige § 25a AufenthG gewährt Jugendlichen und Heranwachsenden ein eigenständiges Aufenthaltsrecht, wenn diese aufgrund ihrer bisherigen Integrationsleistungen die Gewähr bieten, dass sie sich in die hiesigen Lebensverhältnisse einfügen werden. Ziel dieser gesetzlichen Regelungen ist es, die humanitären Probleme insbesondere in Deutschland aufgewachsener ausländischer Kinder zu lösen und diesen eigenständige Perspektiven für ein integrationsabhängiges Aufenthaltsrecht zu schaffen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, a.a.O., S. 204; Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 17/4401, S. 16). Mit diesen ausdrücklich gesetzlich normierten Voraussetzungen für die Erteilung einer auch von der Integration des Ausländers in die hiesigen Lebensverhältnisse abhängigen Aufenthaltserlaubnis ist es unvereinbar, einem Ausländer, der - wie die Klägerinnen - dem Anwendungsbereich der §§ 104a, 104b AufenthG, des § 25a AufenthG oder der nachfolgenden Bleiberechtsregelungen unterfällt, aber insbesondere die in diesen Bestimmungen formulierten Voraussetzungen für eine aufenthaltsrechtsbegründende Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse nicht erfüllt, unter Rückgriff auf das in Art. 8 EMRK ganz allgemein verbürgte Recht auf Achtung des Privatlebens gleichwohl ein Aufenthaltsrecht zu gewähren.

14

Unabhängig davon erfüllen die Klägerinnen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen eines inlandsbezogenen Abschiebungsverbotes nach Art. 8 EMRK nicht.

15

Im Hinblick auf den Schutz des Privatlebens kommt einer aufenthaltsrechtlichen Entscheidung eine Eingriffsqualität in Bezug auf Art. 8 Abs. 1 EMRK nur dann zu, wenn der Ausländer ein Privatleben, das durch persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen charakterisiert ist, faktisch nur noch im Aufenthaltsstaat als Vertragsstaat der EMRK führen kann (vgl. Senatsbeschl. v. 27.1.2010 - 8 ME 2/10 -, [...] Rn. 11; Hessischer VGH, Beschl. v. 15.2.2006 - 7 TG 106/06 -, [...] Rn. 25; Meyer-Ladewig, EMRK, 2. Aufl., Art. 8 Rn. 25a m.w.N.). Fehlt es hieran, liegt schon kein Eingriff in die Rechte des Art. 8 Abs. 1 EMRK vor; einer Rechtfertigung nach den Maßgaben des Art. 8 Abs. 2 EMRK bedarf es nicht.

16

Ob der Ausländer ein Privatleben faktisch nur noch im Aufenthaltsstaat führen kann, hängt zum einen von seiner Integration in Deutschland ab (vgl. Senatsurt. v. 19.3.2012 - 8 LB 5/11 -, [...] Rn. 43 m.w.N.). Gesichtspunkte für die Integration des Ausländers in Deutschland sind dabei eine zumindest mehrjährige rechtmäßige Dauer des Aufenthalts in Deutschland, gute deutsche Sprachkenntnisse und eine soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, wie sie etwa in der Innehabung eines Arbeits- oder Ausbildungsplatzes, in einem festen Wohnsitz, ausreichenden Mitteln, um den Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten zu können, und fehlender Straffälligkeit zum Ausdruck kommt (vgl. Senatsbeschl. v. 12.8.2010 - 8 PA 182/10 -, [...] Rn. 5 f.; v. 7.4.2010 - 8 PA 45/10 -, [...] Rn. 15).

17

Hieran gemessen besteht eine schutzwürdige Verwurzelung der Klägerin zu 1. im Bundesgebiet nicht. Sie wurde 1988 in Podgorica geboren. Seit 1991 lebt sie im Bundesgebiet. Hier hat sie im Wesentlichen ihre Sozialisation erfahren. Sie spricht die deutsche Sprache und ist bis auf geringfügige Verfehlungen (vgl. Bl. 71, 150 Beiakte A), die einer Integration nicht entgegenstehen, nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten. Anhaltspunkte für eine feste soziale Eingebundenheit der Klägerin zu 1. in die hiesigen Lebensverhältnisse, wie sie etwa in einem regelmäßigen Kontakt zu Freunden oder Bekannten außerhalb der eigenen Familie, einer Betätigung in Vereinen oder einem sonstigen sozialen oder bürgerschaftlichen Engagement bestehen, ergeben sich aus ihrem Vorbringen indes nicht. Auch eine wirtschaftliche Integration ist der Klägerin zu 1. bisher nicht gelungen. Sie hat zwar der gesetzlichen Schulpflicht genüge getan. Dabei sind allerdings gerade zum Ende des Schulbesuchs erhebliche Zeiten unentschuldigten Fehlens festzustellen (vgl. Bl. 90 Beiakte A). Eine Berufsausbildung, als nahezu unerlässliche Grundlage einer erfolgreichen wirtschaftlichen Integration, hat die Klägerin zu 1. trotz bestehender Möglichkeiten nicht absolviert. Zur Sicherung ihres Lebensunterhalts war sie dann auch nahezu die gesamte Zeit ihres Aufenthalts im Bundesgebiet auf öffentliche Sozialleistungen angewiesen. Dass sich diese Situation in absehbarer Zeit nachhaltig ändern könnte, ist nicht erkennbar und für den beanspruchten Schutz nach Art. 8 EMRK auch unerheblich. Denn für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit eines Privatlebens nach dieser Bestimmung ist nicht die Chance auf oder gar das bloße Bemühen um eine zukünftige wirtschaftliche Integration maßgeblich, sondern der derzeit erreichte Grad der tatsächlichen Integration, aus dem sich eine faktische Verwurzelung im Bundesgebiet ergeben muss. Ebenso ist nicht entscheidungserheblich, ob den Ausländer insoweit ein Verschulden trifft und er deshalb eine nur unzureichende Integration - aus welchen Gründen auch immer - zu vertreten hat (vgl. Senatsbeschl. v. 6.7.2010 - 8 ME 128/10 -; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 24.3.2009 - 10 LA 377/08 -, [...] Rn. 19 m.w.N.). Die damit allein verbleibende, ohne Frage lange Dauer des Aufenthalts in Deutschland führt hingegen nicht zu einer von Art. 8 EMRK geschützten Verwurzelung in Deutschland (vgl. EGMR, Urt. v. 7.10.2004 - 33743/03 -, NVwZ 2005, 1043 [EGMR 07.10.2004 - 33743/03] (Dragan u.a. ./. Deutschland), das eine Familie betraf, die seit vierzehn Jahren ihren Aufenthalt im Bundesgebiet hatte), zumal dieser Aufenthalt der Klägerin zu 1. weitgehend nur geduldet gewesen ist und die zuletzt erteilten und verlängerten Aufenthaltserlaubnisse auf Probe eine Aufenthaltsverfestigung nicht zu begründen vermögen.

18

Ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens durch eine aufenthaltsrechtliche Entscheidung kann zum anderen dann vorliegen, wenn dem Ausländer die (Re-)Integration in die Lebensverhältnisses seines Heimatlandes unmöglich oder unzumutbar ist (vgl. EGMR, Urt. v. 5.7.2005 - 46410/99 -, InfAuslR 2005, 450 f. (Üner ./. Niederlande)).

19

Dabei geht der Senat davon aus, dass tatsächliche Bindungen an das Heimatland bei der Klägerin zu 1. allenfalls rudimentär vorhanden sind. Hieraus folgt aber nur, dass die Eingewöhnung in die dortigen Lebensverhältnisse schwierig sein wird. Anhaltspunkte dafür, dass diese unmöglich oder unzumutbar ist, bestehen für den Senat indes nicht. Die Klägerin zu 1. ist voll erwerbsfähig und keiner politischen Verfolgung ausgesetzt. Gefährdungen durch befürchtete Übergriffe von Familienangehörigen ihres ermordeten Vaters oder der Mutter sind nicht nachgewiesen und wären vorrangig auch als in einem Asylfolgeverfahren zu beurteilendes zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot zu berücksichtigen. Nach ihren eigenen Angaben spricht die Klägerin zu 1. zudem serbisch und "jugoslawisch" (vgl. Bl. 156 Beiakte A). Sie befindet sich mit 24 Lebensjahren auch in einem Alter, indem das Erlernen einer Sprache, das Einfügen in neue und unbekannte soziale Strukturen und der damit verbundene Aufbau eines neuen Privatlebens regelmäßig zumutbar und möglich sind.

20

Die am D. 2011 geborene Klägerin zu 2. teilt als minderjähriges Kind der Klägerin zu 1. grundsätzlich deren aufenthaltsrechtliches Schicksal (sog. familienbezogene Gesamtbetrachtung, vgl. Niedersächsisches OVG, Urt. v. 29.1.2009 - 11 LB 136/07 -, [...] Rn. 75 m.w.N.). Steht dem mit dem Kind in einer familiären Lebensgemeinschaft verbundenen Elternteil wegen dessen mangelnder Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland über Art. 8 EMRK i.V.m. § 25 Abs. 5 AufenthG ein Aufenthaltsrecht nicht zu, so ist davon auszugehen, dass auch ein Minderjähriger, der im Bundesgebiet geboren wurde oder dort lange Zeit gelebt hat, grundsätzlich auf die von den Eltern nach der Rückkehr im Familienverband zu leistenden Integrationshilfen im Heimatland verwiesen werden kann. Anhaltspunkte, die im vorliegenden Fall eine abweichende Betrachtung erfordern würden, bestehen für den Senat auch unter Berücksichtigung eines etwa zeitweise bestehenden Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 33 Satz 2 AufenthG nicht.

21

Die Klägerin zu 2. kann sich auch nicht mit Erfolg auf ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot aus Art. 6 GG berufen.

22

Nach Art. 6 Abs. 1 GG schutzwürdige Belange können einer (zwangsweisen) Beendigung des Aufenthalts des Ausländers dann entgegen stehen, wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten ist, seine familiären Bindungen durch Ausreise auch nur kurzfristig zu unterbrechen (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.6.1997 - 1 C 9.95 -, BVerwGE 105, 35, 39 f.; Senatsbeschl. v. 25.5.2010 - 8 ME 113/10 -; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 20.5.2009 - 11 ME 110/09 -, [...] Rn. 10; GK-AufenthG, Stand: Juni 2012, § 60a Rn. 133 f.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Mai 2012, AufenthG, § 60a Rn. 27 jeweils m.w.N.). Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst die Freiheit der Eheschließung und Familiengründung sowie das Recht auf ein eheliches und familiäres Zusammenleben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. -, BVerfGE 76, 1, 42). Er knüpft dabei nicht an bloße formal-rechtliche familiäre Bindungen an. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern, mithin eine tatsächlich bestehende familiäre Lebensgemeinschaft (vgl. Senatsbeschl. v. 2.2.2011 - 8 ME 305/10 -, InfAuslR 2011, 151; v. 27.7.2009 - 8 PA 106/09 -).

23

Hier hat die Klägerin zu 2. nicht nachgewiesen, dass eine solche familiäre Lebensgemeinschaft zwischen ihr und ihrem im Bundesgebiet lebenden Vater, dem bosnischen Staatsangehörigen G., tatsächlich (noch) besteht. Die Klägerin zu 2. hat zwar in ihrem ersten Lebensjahr mit beiden Elternteilen in einem Haushalt und auch in einer familiären Lebensgemeinschaft gelebt. Nach der Trennung der Kindeseltern ist der Kindesvater indes aus diesem Haushalt ausgezogen; er ist nicht sorgeberechtigt und pflegt lediglich Umgangskontakte zu der Klägerin zu 2.

24

Bei derartigen bloßen Umgangskontakten unterscheidet sich die Eltern-Kind-Beziehung zwar typischerweise deutlich von dem Verhältnis des Kindes zur täglichen Betreuungsperson. Dass der Umgangsberechtigte nur ausschnittsweise am Leben des Kindes Anteil nehmen kann und keine alltäglichen Erziehungsentscheidungen trifft, steht der Annahme einer familiären Lebensgemeinschaft aber nicht grundsätzlich entgegen. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann vielmehr gerade die Ausübung des Umgangsrechts die Erfüllung der Elternfunktion im Sinne des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG unter den für den umgangsberechtigten Elternteil nicht änderbaren Beschränkungen bedeuten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.1.2009 - 2 BvR 1064/08 -, NVwZ 2009, 387: 14tägige betreute Besuchskontakte zwischen nicht sorgeberechtigtem Vater und dem bei der Mutter lebenden zweijährigen Kind; BVerfG, Beschl. v. 1.12.2008 - 2 BvR 1830/08 -, [...], Rn. 39: 14tägige Besuchskontakte zwischen tlw. sorgeberechtigtem Vater und dem in einer Pflegefamilie lebenden zweijährigen Kind; BVerfG, Beschl. v. 8.12.2005 - 2 BvR 1001/04 -, FamRZ 2006, 187: 14tägige Besuchskontakte zwischen nicht sorgeberechtigtem Vater und dem bei der Mutter lebenden fünfjährigen Kind). Denn die Entwicklung eines Kindes wird nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern geprägt, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung. Ist daher die Gemeinschaft zwischen einem Elternteil und seinem minderjährigen Kind getragen von tatsächlicher Anteilnahme am Leben und Aufwachsen des Kindes und besteht ein regelmäßiger Umgang des ausländischen Elternteils, der dem auch sonst Üblichen entspricht, kann von einer familiären Gemeinschaft ausgegangen werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.12.2008, a.a.O., [...] Rn. 35; Beschl. v. 8.12.2005, a.a.O., S. 188 f.).

25

Derart konkrete Erziehungs- und Betreuungsbeiträge, welche die tatsächliche Übernahme von Elternverantwortung für die Klägerin zu 2. dokumentieren würden, ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen indes nicht. Der Kindesvater hatte zuletzt im Mai 2012 persönlichen Kontakt zu der Klägerin zu 2. Die darüber hinaus gehenden regelmäßigen Telefonate mit der Kindesmutter mögen ein Interesse des Kindesvaters am Leben seiner Tochter aufzeigen. Sie begründen aber nicht die - für eine nach Art. 6 GG schutzwürdige familiäre Gemeinschaft erforderliche - tatsächliche Anteilnahme am Leben und Aufwachsen des Kindes und Übernahme von Elternverantwortung.

26

Besteht damit zwischen der Klägerin zu 2. und ihrem Vater schon keine schutzwürdige familiäre Lebensgemeinschaft, kann der Senat dahinstehen lassen, ob beide eine solche nur im Bundesgebiet führen könnten oder es dem Kindesvater unter Berücksichtigung seiner aufenthaltsrechtlichen Situation zumutbar wäre, gemeinsam mit der Klägerin zu 2. in Montenegro oder Bosnien-Herzegowina zu leben.

27

Aus dem Zulassungsvorbringen der Klägerinnen ergibt sich auch ein die Zulassung der Berufung rechtfertigender Verfahrensmangel nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO in Form der Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht.

28

Sie machen geltend, das Verwaltungsgericht habe ihr tatsächliches Vorbringen zum Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Verlängerung und Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen, insbesondere der Schwierigkeiten bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, der besonderen familiären Umstände nach der Ermordung des Vaters der Klägerin zu 1. und der Ursachen für die nur eingeschränkten Umgangskontakte zwischen der Klägerin zu 2. und ihrem Vater, nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und in den Entscheidungsgründen verarbeitet.

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Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte auch, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dies soll sicherstellen, dass die gerichtliche Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und mangelnder Berücksichtigung des Sachvortrags eines Beteiligten haben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.6.1985 - 1 BvR 933/84 -, BVerfGE 70, 215, 218; BVerwG, Beschl. v. 16.6.2009 - 3 B 3.09 -, [...] Rn. 2). Es ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht seiner diesbezüglichen Verpflichtung nachkommt. Eine Versagung rechtlichen Gehörs ist daher nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände des Einzelfalls deutlich machen, dass dies wider Erwarten nicht geschehen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.2.1978 - 1 BvR 426/77 -, BVerfGE 47, 182, 187; BVerwG, a.a.O.). Solche besonderen Umstände haben die Klägerinnen mit ihrem Zulassungsvorbringen schon nicht dargelegt. Sie sind für den Senat auch nicht offensichtlich.

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Der weitergehende Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO unbegründet, weil dem Berufungszulassungsantrag, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, hinreichende Erfolgsaussichten nicht zukommen.