Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.03.2013, Az.: 5 LA 6/12

Mitbedenken der Interessen eines die Aufgaben des Dienstpostens vertretungsweise wahrnehmenden Beamten durch den Dienstherr i.R.d. Entscheidung über die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunnfähigkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.03.2013
Aktenzeichen
5 LA 6/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 33621
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:0328.5LA6.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 25.11.2011 - AZ: 13 A 2611/10

Fundstelle

  • SchuR 2016, 82

Amtlicher Leitsatz

Der Dienstherr ist nicht gehalten, bei der Entscheidung über die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit die Interessen eines die Aufgaben des Dienstpostens vertretungsweise wahrnehmenden Beamten mitzubedenken.

Gründe

1

I.

Der Kläger begehrt die Zahlung einer Zulage für eine langfristige Vertretung.

2

Der Kläger war bis zum 31. Juli 20 als Konrektor an der Haupt- und Realschule C. tätig. Nachdem der Ehemann der dortigen Schulleiterin bei einem Unfall ums Leben gekommen war, war diese von Mitte August 20 bis zum 31. August 20 dienstunfähig erkrankt. Zum 1. September 20 versetzte die Beklagte die Schulleiterin in den vorzeitigen Ruhestand, reaktivierte sie aber zum 1. August 20 . Im Mai 20 erkrankte die Schulleiterin erneut, woraufhin sie zum 1. April 20 erneut in den Ruhestand versetzt wurde. Zum 1. September 20 wurde die Schulleiterstelle neu besetzt. Der Kläger vertrat die Schulleiterin während der gesamten Abwesenheitszeiten, wobei er die Schulleitungsaufgaben mindestens in Teilen zusätzlich zu seinen bisherigen Dienstpflichten wahrnahm.

3

Den Antrag des Klägers, ihm für die zusätzlich geleistete Arbeit eine Zulage oder aber Mehrarbeitsvergütung zu gewähren, lehnte die Beklagte ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers abgewiesen. Mit seinem Zulassungsantrag verfolgt der Kläger sein auf die Zahlung einer Zulage gerichtetes Begehren weiter.

4

II.

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg, weil die Zulassungsgründe, auf die sich der Kläger beruft, bereits nicht hinreichend gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt sind und im Übrigen nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

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Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht erfüllt.

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Ernstliche Zweifel sind erst dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrages und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zu Tage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist. Ist das angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe hinreichend dargelegt werden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.4.2008 - 5 LA 154/07 -).

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Nach diesen Maßgaben genügt das Zulassungsvorbringen schon nicht den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung wie bereits die Beklagte in dem von dem Verwaltungsgericht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO in Bezug genommenen Widerspruchsbescheid - selbstständig tragend - darauf gestützt, dass dem Kläger einerseits die Wahrnehmung des höherwertigen Amtes nicht förmlich übertragen worden ist und er die entsprechenden Aufgaben andererseits auch nicht über eine Dauer von mehr als 18 Monaten in Vakanzvertretung wahrgenommen hat. Mit seinem Zulassungsantrag wendet sich der Kläger allein gegen die letztgenannte Begründung, zieht aber das Fehlen einer rechtlich erforderlichen förmlichen Übertragung nicht in Zweifel.

8

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen überdies nicht. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung einer Zulage für die Wahrnehmung der Aufgaben des höherwertigen Amtes einer Rektorin gemäß § 46 Abs. 1 BBesG - auch i.V.m. § 1 Abs. 2 NBesG - zusteht.

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Gemäß § 46 Abs. 1 BBesG erhält ein Beamter, dem die Aufgaben eines höherwertigen Amtes vorübergehend vertretungsweise übertragen werden, nach 18 Monaten der ununterbrochenen Wahrnehmung dieser Aufgaben eine Zulage, wenn in diesem Zeitpunkt die haushaltsrechtlichen und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung dieses Amtes vorliegen. Die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen liegen nur dann vor, wenn sowohl der Dienstposten, dessen Aufgaben der Beamte vertretungsweise übernommen hat, als auch die entsprechende Planstelle vakant sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.4.2005 - BVerwG 2 C 29.04 -, [...] Rn. 18). Dies ist zwischen den Beteiligten im Grundsatz nicht streitig und führt im vorliegenden Fall dazu, dass der Kläger bereits aufgrund der Tatsache, dass die Planstelle der Rektorin nicht mehr als 18 Monate ohne Unterbrechung unbesetzt war, keine Zulage beanspruchen kann.

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Soweit der Kläger demgegenüber meint, er müsse so gestellt werden, als ob die Planstelle der Rektorin für die Dauer von mehr als 18 Monaten unbesetzt gewesen sei, weil die Beklagte gegenüber der Schulleiterin unangemessene Nachsicht gezeigt habe, teilt der Senat diese Einschätzung aus mehreren Gründen nicht.

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Erstens ist weder ausreichend dargelegt noch sonst auch nur ansatzweise ersichtlich, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung, die Schulleiterin erst ein Jahr nach dem Tod ihres Ehemannes in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen, sachwidrig gehandelt haben könnte. Im Gegenteil gebietet es die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gerade in derartigen Fällen, in denen der tragische Tod eines Angehörigen einen bis dahin voll im Berufsleben stehenden Beamten aus der Bahn geworfen hat, dass die Frage der Zurruhesetzung mit besonderem Augenmaß behandelt wird. Ein Zeitraum von einem Jahr erscheint vor diesem Hintergrund in keiner Weise unangemessen. Die Auffassung des Klägers, man habe die Schulleiterin aus Rechtsgründen schon im Februar 20 in den einstweiligen Ruhestand versetzen müssen und habe sie zudem nicht reaktivieren dürfen, entbehrt jeder tatsächlichen Grundlage und übersieht insbesondere, dass die Beklagte derartige Entscheidungen nicht nach freiem Ermessen, sondern auf der Grundlage amtsärztlicher Gutachten (§ 43 Abs. 1 Satz 1 NBG) trifft.

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Hinzu kommt zweitens, dass die Beklagte schon im Ausgangspunkt nicht verpflichtet war, bei der Entscheidung über die Zurruhesetzung die finanziellen Interessen des Klägers mitzubedenken. Die entsprechenden Rechtsvorschriften entfalten - dies hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt - offenkundig keine drittschützende Wirkung, sondern nehmen allein die Interessen des Dienstherrn und des - möglicherweise - dienstunfähigen Beamten in den Blick. Den Interessen des Klägers diente demgegenüber § 13 Abs. 2 ArbZVO-Lehr (in der Fassung vom 2.8.2004, Nds. GVBl. S. 302). Von der Möglichkeit, Anrechnungsstunden in Anspruch zu nehmen, hat er indes aus nachvollziehbaren, aber nicht der Beklagten anzulastenden Gründen keinen Gebrauch gemacht.

13

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).